Re: Aktion „Seitenabstand 1,5 Meter“ in Köln

von: derSammy

Re: Aktion „Seitenabstand 1,5 Meter“ in Köln - 19.12.17 09:57

In Antwort auf: AndreMQ
Problem: die Einhaltung der Regel stellt eine massive Behinderung des KFZ-Verkehrs dar. Das sieht man gut bei den wenigen und vorsichtigen KFZ-Fahrern, die es einhalten, während die große Mehrheit vorsätzlich dagegen verstößt. Im innerstädtischen Bereich bedeutet es z.B., dass bei vierspurigen Straßen ohne separaten Radweg eine Fahrspur für den KFZ-Verkehr letztlich entfällt - und zwar gerade im Berufsverkehr.

Nö, dem möchte ich entschieden widersprechen. Radfahrer sind Verkehrsteilnehmer. Als solche behindern sie ein schnelleres Fortkommen anderer Verkehrsteilnehmer - genauso wie dies auf alle anderen Verkehrsteilnehmer auch zutrifft.
Manchmal frage ich mich, ob die vorausschauende Denkweise manches PkW-Fahrers die Intelligienz einer Fliege übersteigt, die immer wieder an die gleiche Scheibe fliegt. Es stellt ja keiner in Abrede, dass PkW schneller fahren können als Radfahrer (zumindest solange es nicht gerade um eine Passabfahrt geht). Aber muss des wegen immer auch gleich der BeißÜberholreflex ansetzen? Nur um dann an der nächsten Ampel ein Fahrzeug weiter vorn in der Schlange zu stehen?
Jeder PkW-Fahrer, der anderen Radfahrern "massive Verkehrsbehinderung" vorwirft, sollte mal in sich gehen und so grob bilanzieren, wie viel Zeit er
- auf der Suche nach einem Parkplatz durch die Innenstadt geigt,
- an roten Ampeln wartet, die nur wegen der Betriebsgefahr von Kraftfahrzeugen überhaupt nötig sind,
- im Berufsverkehr "festhängt"
- hinter anderen langsamen Kraftfahrzeugen hertuckert (Bus, Müllauto, Schwerlasttransporter), wo man nicht im Ansatz ans Überholen denkt,
- im Rückstau hinter abbiegenden zweispurigen Fahrzeugen steht

Selbst der ADAC gibt in dieser Studie zu, dass die innerstädtische Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Teststrecke selbst bei Tempo50-Anordnung lediglich 25km/h betrug (mit Tempo30 wären es effektiv 20km/h) - das ist ein typischer Wert.

Vor dem Hintergrund dann bitte mal gegenrechnen, wieviele Sekunden Lebenszeit verliert man, wenn man hinter einem Fahrrad mal wartet, bis Platz zum Überholen ist oder man an der Ampel mal als zweiter und nicht als erster startet.
Das mit der "massiven Behinderung" ist bei objektiver Betrachtung ein Märchen, vor allem wenn man sich -wie du es ja auch tust- alternativ mal hypotetisch vorstellt, jeder Fahrradfahrer würde in einem weiteren PkW sitzen.

Dass viele Überholvorgänge in den Bereich des Strafgesetzbuches fallen, da gebe ich dir recht (Nötigung, gefährlicher Eingriff, etc.). Versuchter Mord/Totschlag ist es aber wohl meist nicht. Vorsätzliches Gefährden der körperlichen Unversehrtheit anderer hingegen schon. Aber für motorisierte Gewalt als solche gibt es leider keinen Strafrechtsparagraphen.

Um abschließend noch ein Wort zu den vierspurigen Straßen loszuwerden: Auf solchen erlebe ich das Fahren auf der Fahrbahn in aller Regel entspannter als auf zweispurigen Straßen. PkW-Fahrer sind innerstädtisch daran gewohnt, dass es rechts etwas langsamer geht (Parker, Abbieger) und sortieren sich bei leichtem bis mittlerem Verkehrsaufkommen links ein. Ist voller Berufsverkehr, dann fährst du als Radfahrer in aller Regel sowieso woanders lang (z.B. nichtbenutzungpflichtiger Radweg), weil das erheblich schneller ist - ganz unabhängig ob Radfahrer da sind oder nicht. Wenn du als Radfahrer trotzdem da fährst, dann schwimmst du halt im (stockenden) Verkehr mit.