110 jähriger Buchtipp!

von: Urs

110 jähriger Buchtipp! - 21.11.05 19:10

Hallo zusammen,
Ich wollte hier mal einen Buchtipp der anderen Art geben. Heutzutage sind vorallem die gängigen grossen Reiseradler wie Smolka, Waldthaler oder Marthaler bekannt von denen es auch interessante Bücher gibt.
Ich stiess letzthin auf einen Reiseradler, der meine Aufmerksamkeit weckte. Das besondere daran an ihm: Seine Radreise um die Welt fand vor 110 Jahren statt! Es war ein Deutscher namens Heinrich Horstmann, der als 20jähriger von Dortmund aus startete. Die meisten Kilometer radelte er in Nordamerika. Er folgte der Southern Pacific Railroad, da man annodazumal kaum Strassen quer durch die USA hatte. Seine Reise ging weiter über Hawaii, Japan, Hongkong, Singapur, Indien nach Ägypten. In diesen Länder fuhr er jedoch nicht mehr Überland, sondern meist per Schiff und machte dann vor Ort einige Touren. Trotzdem war vorallem seine Reise quer durch die USA ein grosses Abenteuer, das mit heutigen Radreisen nicht zu vergleichen ist.
Eine seiner Vorlieben war das Bier. Wenn man das Buch liest könnte man glauben, dass er alle Brauereien in den USA besichtigen ging.

Habe nachfolgend einige Stellen aus dem Buch zitiert:

Seine Superbeleuchtung:
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Hier zog ich einige Erkundigungen nach dem Wege ein, zündete dann meine ausgezeichnete Laterne an, um alle Gegenstände deutlich erkennen zu können und zog weiter in die dunkle und kalte Winternacht hinaus.
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Also was soll die ganze Diskussion über SON, LED-Leuchten etc. Ich beschaff mir eine Laterne.


Wie er damals mit Hunden umging:

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Es mochte gegen 5 Uhr sein, da passierte ich eine einsame Farm, die zur Linken am Wege lag. Eine grosse Dogge kam zum Vorschein und rannte mir mit wütendem Gebell nach. Ich schrie den am Hause
stehenden Famer zu, er möge doch das Tier zurückrufen, worauf der Mensch mich einfach auslachte. Um nicht umgerannt zu werden, stieg ich ab und rief nochmals um Zurücknahme des Hundes, der mit mächtigem Geheul und Zähnegefletsch gegen mein ihm vorgehaltenes Rad sprang. Der mann lachte mich abermals aus und schien sich hübsch zu amüsieren. Mir war's nun zu toll, so zog ich denn meinen Revolver und brannte dem Hundevieh gehörig eins auf den Pelz, dass es sofort alle Viere von sich streckte und kein Glied mehr rührte. Jetzt lachte der Mann nicht mehr, sondern fluchte und schimpfte. Ich liess ihn ruhig weiter schimpfen, besser das, als gebissen werden, warf ich noch einen Blick auf meinen so schnöde ums Leben gekommenen Gegner und fuhr dann weiter.
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Heutzutage bekäme man bei einer derartigen Handlungsweise wahrscheinlich mehr Probleme.

Damals fuhr niemand mit Bremsen. Er war überzeugt davon, dass diese überflüssig sind:

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Eine Meile führte der Weg über den Kamm des Gebirges dahin, dann begann der Abstieg, oder besser gesagt die Abfahrt. Einige Sträucher band ich zunächst zu einem Riesenbesen zusammen und befestigte einen grossen Stein darauf. Anstelle des Stieles band ich ein Seil an, welches ich mit dem andern Ende unter dem Sattel befestigte - dann sass ich auf und liess meine Maschine rollen. Der mit dem Stein beschwerte Besen wurde mitgeschleppt und wirkte ganz prächtig als selbsttätige Bremse. Wurde das Gefäll dennoch zu stark, so half ich mit dem Fusse am Vorderrad nach, und wo nicht genug Gefäll vorhanden, trat ich in die Pedale. Ich hatte so mein Rad vollständig in der Gewalt und rollte ohne einen Unfall neun Meilen weit famos hinunter, in grossem Bogen um eine tiefe Schlucht, deren Rand ich ganz nahe zur Rechten hatte.
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Da muss wohl niemand mehr ein Streitgespräch über HS33, Scheibenbremsen, ... beginnen. Zudem wären die Bremsen doch eine gute Gewichtsersparnis. Seine Naturbremse tönt doch ziemlich überzeugend.

Ich fand das Buch ganz interessant, insbesondere weil ich auch in Gegenden unterwegs war wo er durchkam. Ich fuhr ziemlich genau 100 Jahre nach ihm durch den Westen der USA.

Ergänzt wird das Buch durch ein biographisches Nachwort.

Titel: Meine Radreise um die Erde
Autor: Heinrich Horstmann
ISBN: 3-931965-06-6

Gruss Urs