Dauer:
Zeitraum:
Entfernung:1667 Kilometer
Bereiste Länder:dkDänemark
seSchweden

Radtour Magdeburg – Harz 30.6. bis 15.7.2009

30.6., Magdeburg – Tangermünde, 88 km
Warmes, sonniges Wetter lässt den Tag beginnen. Meine Frau muss nach Magdeburg, und so nehme ich die Gelegenheit wahr, und reise mit ihr gemeinsam mit dem Zug. Die ersten Meter mit dem vielen Gepäck aus dem Wippertal zum nächsten Bahnhof sind anstren­gend. Im Zug habe ich Bedenken, dass sich Fahrgäste an dem nicht abgedecktem Kettenblatt beschmutzen, aber jeder sieht sich vor.


Entgegen der Empfehlung von Radweit.de, der die kürzeste Strecke nach Rostock über Bismarck – Ahrendsee – Wittenberge favorisiert, fahre ich an der Elbe entlang. In Magdeburg komme ich nach einigem Hin-und-Her auf die rechte Elbseite und es geht am Herrenkrug vorbei, durch Lostau bis zum Wassserstraßenkreuz Hohenwarte. Dort esse ich in einer schönen Ausflugs­gaststätte direkt neben der Kanalbrücke Sülze mit Bratkartoffeln. Anschließend erklimme ich den Erdwall, der den Mittellandkanal einfasst und fotogra­fiere die Umgebung.
Rechtselbisch radle ich weiter. Der Weg wird hinter Blumenthal sehr schlecht, auch von der starken Frequentierung durch Fernradler spüre ich nichts. Später erfahre ich von einer Anwohnerin, dass der eigentliche Elbradweg auf der westlichen Elbseite läuft. Deshalb auch die unmöglich schlechte Wegbe­schaffenheit. So quäle ich mich durch den inzwischen heißen Nachmittag bis Ferchland, wo ich die Elbseite wechsele und auf besseren Wegen, teils auf dem Deich, teils dahinter mit eingeschränkter Sicht weiter radle. Stellenweise ist der Weg auf dem Deich durch Schafkot stark verschmutzt. In Tangermünde erfahre ich von dem Streit zwischen den Schafzüchtern und den Verantwortlichen für den Tourismus, die erreichen wollen, dass wenigstens der Deichweg frei von Schafen bleibt. Bei mir war der Weg trocken, aber nach einem Regenschauer ist der voll gekotete Weg nicht nutzbar.
Bald tauchen geradeaus in Flucht des Weges die Türme von Tangermünde auf. Ich radle direkt auf das Vereinsgelände des Ruderclubs zu und kann dort auch preiswert zelten. Die Clubgaststätte ist gut besucht, ich genieße nach der „Abendschlacht“ ein gut gekühltes Bier auf der Terrasse der Gaststätte.

1. 7. Tangermünde – Cumlosen, 95 km

Obwohl in der Nacht die Frösche ein lautes Hafenkonzert gegeben hatten, habe ich relativ gut geschlafen. Die erste Nacht in meiner „Hundehütte“ ist ja immer nicht ganz so gut wie im hei­mischen „Himmelbett“. Bei strahlendem Wetter ist das Zelt schnell trocken, ich packe und will beizeiten los. Beim Start stelle ich eine gebrochene Speiche fest, und weil das mit dem vielen Gepäck nicht gut ist, steuere ich einen Fahrradklempner in Tangermünde an. Erst geht es über Holperpflaster, dann bin ich auf der Hauptmagistrale der Stadt. Mit Hilfe des Touris­musbüros finde ich schnell die Werkstatt, wo der sehr nette Inhaber sich sogleich an die Reparatur macht. Er zeigt mir noch Tipps für mein Rad, zentriert es sehr exakt aus („Ich war Radmon­teur bei der Friedensfahrt, wir haben aufs Zehntel genau zentriert“), und wir plaudern über seine und meine Radträume und -pläne. (Radtour mit Freunden über eine 4000 km lange stillgelegte Bahnstrecke in Kanada) Anschließend frühstücke ich in einer gegenüberliegenden Bäckerei. Nun bin ich bereit zu einem Spaziergang durch den gepflegten Park der Burg. Erinnerungen werden wach an unsere gemeinsame Radtour 1977 mit Eva-Maria.
Beim Start hatte ich noch bemerkt, dass ich die Verschlusskappe meines Wasserka­nisters ver­loren hatte, deshalb ein weiterer Stopp im Supermarkt zum Einkaufen von Wasser und Ver­gessenem. Jetzt soll es aber losgehen! Bei der Ausfahrt vom Supermarkt treffe ich eine Ju­gendgruppe auf dem Weg nach Hamburg. Ihr schließe ich mich für einige Kilometer an. Kommunikationspunkt ist wie immer mein Rad. Kurz vor Sandau nehmen wir eine Abkürzung durch eine Industriebrache. Ob sie wohl zum ehemaligen Atomkraftwerk gehörte? Der Schlagbaum an der Ausfahrt kann nur wenige Zentimeter hoch gehoben werden. Alle anderen müssen ihre Räder um- oder drüber wuchten, ich mache mich ganz flach und kann gerade so drunter durch fahren.
Bis Sandau fahre ich mit ihnen. Dort wollen sie Halt machen in einem Freibad, ich raste in einem schönen, schattigen Park mit „Supermarktlunch“, Brötchen, Frikadellen, Käse, Joghurt.
Es folgt eine schöne Strecke über Beuster nach Wittenberge. Die Elbe wird über die Eisenbahnbrücke in erheblicher Höhe überquert. In Wittenberge gibt es noch einen Einkaufsstopp und eine nachmit­tägliche Rast mit einem Cappuccino, dann geht es in die abendliche Sonne weiter Richtung Westen. Langsam sucht mein Auge eine günstige Zelt­möglichkeit. In Cumlosen, kurz vor Schnackenburg, direkt hinter dem Elb­deich und in Nachbarschaft eines von der innerdeutschen Grenze übrig ge­bliebenen Wachturmes, liegt ein Deichcafe, dass aber nur am Wochenende bewirtschaftet wird. Der Inhaber ist zufällig zum Rasenmähen anwesend. Er gibt mir den Toilettenschlüssel, verkauft mir ein Bier und ich kann auf seinem Gelände zelten.
Ein schöner, ruhiger Abend breitet sich aus. Die Elbe hat etwas Hochwasser, ich beobachte Angler, Enten, Wildgänse, in der Ferne Kühe, tolle Wolkenformationen und ich bin anschei­nend ganz allein auf der Welt. Das Zelt baue ich nicht auf. Stattdessen lege ich meine Schlaf­matte in die überdachte Remise, darauf achtend, dass ich nicht direkt unter den Schwalben­nestern liege. Warum sollte ich in das enge Zelt krauchen, wenn ich eine ganze Remise nutzen kann, noch dazu sichtgeschützt. In der Nacht werde ich kurz munter, über der Elbe steht malerisch der Jupiter und die Venus.

2.7., Cumlosen – Sternberg 114 km

7:00 werde ich durch lautes Motorengeräusch geweckt. ABM-Kräfte „fliegen“ ein, nutzen das Cafe als Frühstücks-Hauptquartier und beginnen mit dem Rasenmähen der Umgebung. Schade um meine be­schauliche Ruhe. Ich frühstücke noch und breche bald auf zur weite­ren Tour. Jetzt geht mein Kurs nach Norden, unter Hilfenahme der Karte von Radweit. Flach ist das Land, Wische eben. Später wird es dank Endmoränen hügeliger. Über kleine Ortschaften (Lanz, Stavenov mit schöner Kirchenruine) erreiche ich Karstedt. Im Supermarkt gibt es einen kurzen Halt zur Erfrischung, dann rollt das Rad weiter.
Über Parchim erreiche ich Sternberg. Zwischendurch kom­me ich an Kirschbäumen vorbei, die überreif darauf warten, von mir ge­pflückt zu werden. Das ist auch eines der „Hailaiz“ einer solchen Reise, das Naschen von Obst unterwegs. In Parchim mache ich Rast für eine Stunde. Es macht auf mich einen langweiligen Eindruck. Ich trinke einen Cappuccino. Auf dem Zähler stehen schon 69 km, ob ich es noch bis Sternberg schaffe? Es wird hügelig, langsam brist Gegenwind auf, aber die Schwüle ist weg. Am Abend trudle ich endlich nach einiger Suche auf dem Campingplatz in Sternberg ein. Er macht einen gut ge­pflegten Eindruck, ist aber nicht ganz billig, leider auch nicht so leise wie der letzte Zeltplatz. Ein Reklameschild weist mich darauf hin, dass ich nach Schwerin (35 km) zur Buga mit einem Bus reisen könnte, aber ich nehme dieses Angebot nicht wahr. Buga wäre sicherlich nett, aber den ganzen Tag mit Rentnern im Bus zu reisen, ist nicht meine Intention.
Am Abend vor dem Zelt trinke ich meine letzte Flasche Wein (0,25 l), die mir ein freundlicher Wohnwagen-Nachbar auch noch kühlt.

3.7. Sternberg – Marielyst, Dänemark 95 km

Die Sonne strahlt vom Firmament, herr­liches Wetter lädt zum Weiterfahren ein. Gegen 9:30 komme ich los. Der Wasser­verbrauch ist beträchtlich. In Bützow am Supermarkt, wie so häufig Treffpunkt der Reiseradler, treffe ich 2 Ehepaare aus Memmingen, vielleicht etwas jünger als ich, die auf dem Weg Berlin-Kopenhagen Richtung Norden fahren. Ein Stückchen schließe ich mich ihnen an. Sie sind mir aber zu langsam, bei einer kurzen Karten-Rast holen sie mich wieder ein. Sie fahren MTB mit auffallend wenig Gepäck. Nur das, was sie auf dem Leibe tragen, etwas Regensachen, geschlafen wird im Hotel. Dieses buchen sie jeweils früh für den kommenden Abend telefonisch vor. Gestartet sind sie in Oranienburg. Nach einer weiteren Warterei auf die weiblichen Teilnehmer (die Männer waren immer vorneweg) verabschiede ich mich endgültig und trete in die Pedale. Weit kann es ja nicht mehr bis Rostock sein. Ich erinnere mich an meinen vergeblichen Versuch, die Strecke Rostock – Magdeburg 1974 in 3 Tagen zu schaffen. Etwa über die gleiche Strecke wie damals rolle ich in Rostock ein, finde mich aber gar nicht mehr zurecht. Ich erkenne zumindest die Einfahrt nicht wieder.
Gegen 12:00 bin ich im Zentrum Rostocks. Den Abzweig zum Bahnhof habe ich liegen sehen und weiß damit, dass dieser relativ weit vom Zentrum entfernt ist. Ich suche das Büro der Fähren und muss durch die gesamte Fußgängerzone, teilweise schiebend. Ich esse erstmal Fisch und hinterher ein leckeres Eis.
Meiner Erinnerung nach fährt die Fähre nach Schweden gegen 19:00. Ich weiß, dass der Weg zum Fährhafen relativ weit ist und ich halb Rostock umfahren muss. Inzwischen habe ich am Markt das Tourismusbüro gefunden und stelle erschreckt fest, dass die Fähren 15:00 und 15:30 ablegen. Jetzt ist es nach 14:00. Ich suche und finde dank hilfreicher Passanten die Straße zum Fährhafen und trete kräftig die Pedale. Gegenwind und ein langer Kanten, und das unter Zeitdruck. 15:26 erreiche ich völlig außer Puste den Fährterminal, aber: „Das Schiff hat schon geschlossen und macht wegen Ihnen nicht noch mal auf.“ „Wann fährt die nächste Fähre?“ lautet meine Frage. „Heute Abend um 23:00“.
Ich hatte keine Lust, mir die Nacht um die Ohren zu schlagen. In die Stadt zurück wollte ich auch nicht, besonders einladend war das Hafengelände ebenfalls nicht.
Zurück zum Terminal. Nächste Frage: „Wann fährt die Fähre nach Gedser?“ „17:00“ Also habe ich meinen Plan kurz umgeworfen und habe ein Fährticket für diese Fähre gekauft. Schön, dass man ohne Vorplanung so flexibel reagieren kann. Allerdings habe ich weder dänische Kronen noch eine Straßenkarte, beides hoffe ich in Gedser zu erhalten.
Ich bummele etwas herum, bis ich mich im Bereitstellungsraum aufstellen kann. Mit mir warten 2 jugendliche Radler aus dem Raum Stendal, einige Motorradfahrer und weiter vorn in extra Spuren viele Autotouristen.
Plötzlich setzt sich ein „Pilot“-Fahrzeug vor mich, der Fahrer ruft mir zu „Bitte folgen Sie mir“, und ich radle als erster zum Fähranleger, und die gesamte wartenden Fahrzeugkette folgt mir in Linienformation, schön geordnet in Ein­spurfahrzeuge und Zweispurer, hinterher. Ein herrliches Bild im Rückspiegel. Ich darf als erster auf das riesengroße, einer Lagerhalle nicht unähnliche Fahrzeug­deck. Ich fahre bis ganz nach vorne, sichere das Rad an der Bordwand, nehme wichtige Utensilien mit und beobachte, wie sich der Schiffsbauch relativ schnell mit Fahrzeugen und Aussteigenden füllt.
Schnell füllen sich auch die oberen Decks. Nach kurzer Zeit legt das Schiff ab und fährt die Warnow entlang zur offenen See. Vorbei an der ehemaligen Warnowwerft, wo ich 1974 das Studentenpraktikum absolvierte. Am Alten Strom liegt ein großer Kreuz­fahrer, ehe der Blick über den Strand schweift und das Schiff Fahrt aufnimmt.
Gegen 19:00 erreichen wir Gedser, eine kleine verschlafene Stadt, die nur kurz durch das Einlaufen der Fähre aufwacht. Kein Geldautomat, keine Landkarte, der kleine Lebensmittel­markt schloss gerade. Das Radwegesymbol habe ich ge­funden, aber geht es nun nach links (Osten) oder nach rechts? „Meine“ beiden Jugendlichen haben GPS, und mit dessen Hilfe radeln wir auf dem straßenbegleitenden Radweg nach West, um kurze Zeit später in nördliche Richtung nach Marielyst zu kommen.
Dort „steppt der Bär“. Aus der beschaulichen verschlafenen Ruhe in ein Touri-Zentrum. Geldtausch, Lebensmittel und bald finden wir das Zeichen zum Campingplatz. Links und rechts der schmucken Straße ein Ferienhaus neben dem anderen. Der CP ist noch ziemlich weit wieder nach Süden, bis wir ihn nach etwa 5 km finden. Zeltaufbau in den Dünen mit Blick zur See, traumhaft und auch relativ ruhig. Ich sehe das Blinken des Leuchtturms von Darßer Ort.

4.7. Marielyst – Feddet, 106 km
Kaiserwetter. Nach dem Frühstück und Packen verabschiede ich mich von den Jungen. In Marielyst kann ich an dem recht großem Tourismus-Büro eine Straßenkarte erschnorren. Ich finde einen schönen Radweg über kleine Straßen immer an der Ostküste Falsters entlang nach Norden. Eine kleine Rast in einem Kiefernwäldchen nutze ich, um in der Ostsee zu baden. Dann biegt der Weg etwas nach Westen ab, und ich erreiche die Fähre in Stubbeköbing, die mich zur Insel Bogö bringt. Bogö wurde früher als die „Insel der Mühlen“ bezeichnet. Heute gibt es noch eine Holländermühle auf der Insel. In der Ferne die Hoch­brücke der Autobahn nach Ko­penhagen. Bogö wird nach Osten verlassen über eine Brücke und ich bin auf der Insel Mön. Für mich sagenhaft, da ich die andere Seite dieser Insel bei guten Sicht­verhältnissen früher von Hiddensee gesehen hatte, damals in uner­reichbarer Entfernung. Leicht hügelig, an einer Ausgrabungsstätte vorbei, geht es über eine Hochbrücke nach Kalvehave auf der Insel Seeland.
Weil der Tag ziemlich heiß ist, raste ich im Schatten einiger Bäume und halte Mittagsmahl nach bekannter Supermarkt-Speisekarte. Trotz Eincremen habe ich mich stellenweise verbrannt, aber der Wind kühlt angenehm. Weiter geht die Tour über Prästo, um den gleichnamigen Fjord bis zur Halbinsel Feddet. Der dortige CP wurde mir in Prästo empfohlen. Er ist sehr weitläufig, groß, aber auch recht teuer. Wieder steht mein Zelt in den Dünen mit Blick auf Ostsee. Die jungen Mädchen im Nachbarzelt machen sich hübsch, Schminke, tolle Kleidung, und gehen zur späten Abendzeit ins Disko-Zelt. Meine Befürchtung, dass es laut werden könne, erweisen sich als grundlos.


5.7., Feddet – Kopenhagen, 102 km
Der Morgen beginnt trüb und diesig. Habe ich mein Kontingent an schönem Wetter schon aufgebraucht?
Schnell bin ich nach dem Frühstück gestartet, die Mädchen im Nachbarzelt schlafen noch. Die mit einem lichten Kiefernwald be­wachsene Halbinsel ist schnell durchfahren, obwohl es ständig sacht bergauf geht. An einer Wegkreuzung muss ich nach links, steiler und länger bergauf. Wer hätte gedacht, dass Seeland so „bergig“ ist? Ich komme in die größere Stadt Faxe, bekannt wegen des Bieres, neu für mich wegen des Kreideabbaus. In das Geologie-Museum gehe ich nicht, das hat noch zu. Aber der Bergbau­lehrpfad durch den Kreidetagebau kann begangen werden. Er führt über steile Wege hinab. Zu sehen sind klare blaue Gewässer, der Horizont der eiszeitlichen Schiebung und ein großes, 30 m hohes Kaltwasser-Tiefenriff. Außerdem sind die Abbau-Schütt­kegel mit unterschiedlichen Körnungen zu begehen.
Nach dem Rundgang verlasse ich Faxe in nördlicher Richtung und komme an der berühmten Brauerei vorbei, leider ohne von den Erzeugnissen zu kosten.
Die nächste größere Stadt ist Köge an der Köge-Bucht. Ein Spaziergang durch die Altstadt folgt. An dem leckeren Eisstand kann ich nicht vorbei gehen. Malerisch sind die krumm ge­bogenen Balken der Fachwerkhäuser.
Längs der Bucht geht es Richtung Kopenhagen. Stärkerer Verkehr, das Ufer ist verbaut. Ich nähere mich der Hauptstadt von Süden. Rechts zweigt ein Radweg ab, der mich in schönes, naturnahes Gelände im Süden der Stadt bringt. Der nahe Flug­hafen wird durch tieffliegende Verkehrsmaschinen angezeigt. Ich fahre und fahre und komme anscheinend nicht näher an das Zentrum. Möglicherweise bin ich schon auf der südöstlich Kopenhagen gelegenen Insel Dragor gelandet.
Traumhafte Häuser einer neu erbauten „Wasserstadt“ liegen lin­ker Hand. An einem Straßenstern versuche ich jemand zu fragen, aber dieser weist nur auf den in der Ferne sichtbaren Kirchturm hin. Also links abgebogen, und immer auf diesen Kirchturm zu fahren. Und tatsächlich, irgendwann bin ich genau in der Innenstadt am Rathaus, ohne Stadtplan oder GPS.
Am Taxistand erkundige ich mich nach einem CP. Man weist mir den Weg, und nach kurzer Zeit durch den abendlichen Stadtverkehr finde ich ihn, zentrumsnah (7 km), ruhig, einfach und für hauptstädtische Verhältnisse preiswert. Eine eingezäunte Wiese eines Sportplatzes. Ich kann nett fachsimpeln mit einem Hamburger Ehepaar. Dieses fährt ein Pino. Nach dem Abendbrot radle ich noch in das Zentrum, wo gerade Jazz-Fest ist. Aus vielen Kneipen ertönt Jazz der ver­schiedensten Arten, auf Plätzen wird musiziert, getanzt und Theater gespielt.

6.7. Kopenhagen – Mölle, 101 km
Es war erstaunlich ruhig in der Nacht. Nach der „Morgenschlacht“ radle ich ins Zentrum und suche und finde auch das Tourismusbüro. Trotz langem Anstellen erhalte ich nicht die ge­wünschten Informationen. Ich wollte wissen, ob und wie man mit dem Fahrrad nach Malmö kommen kann. Ich gebe die Fragerei auf, genieße einen Morgencappuccino und radle ge­mütlich durch die Innenstadt. Bis zum Neuen Markt erkenne ich es von unserem Urlaub 1995 wieder. Der alte Hafen, dann geht’s nach Amalienborg. Viele Touristenbusse sind zu sehen. Um einen Brunnen in Amalienborg kurvt ein Liegerad, aber der Fahrer sieht mich nicht. Das waren die einzigen beiden Liegeräder, die ich in Dänemark gesehen habe. Das nächste Ziel ist die kleine Meerjungfrau, wirklich klein, aber viele Touristen.
Die Richtung stimmt, und ich verlasse Kopenhagen in nördlicher Richtung. Reiche Villen auf der linken Seite, rechts zwischen einigen Verbauungen das Meer. Später wird es ein richtiger Radweg. Er fährt sich ausgezeichnet, hügelig, stramm hoch und wenig später in Schussfahrt bergab. Zwei ärgerliche Schikanen (Drängelgitter) werden trotzdem eingebaut. Ich fahre anfangs neben der Bahnlinie, später direkt am Meer entlang. Zwischen Bahn und Meer die schönsten Villen. Und immer wieder traumhafte Ausblicke auf das Meer.
In einem kleinen Dorf lenke ich zum Hafen, wo gerade Fisch angelandet wird. In Schüsseln zappeln die Flundern. Aus der daneben liegenden Fischbraterei duftet es lecker. Ich kann nicht widerstehen und kaufe ein Brötchen und dazu ein Fischbölle (Fischbällchen). Das war so lecker, dass ich gleich danach noch ein zweites kaufen und verspeisen musste.
Nun schon unweit von Helsingör ziehen westlich langsam dunkle Wolken auf. Der Himmel wird immer schwärzer. Ich radle weiter, und der Weg führt mich geradewegs zum Fähranleger, wo gerade die Fähre festmacht und ihre Ladeklappe öffnet. Ohne Anzu­halten rolle ich auf die Fähre und bin schon in ihrem Bauch verschwunden. Fahrrad festzurren und hoch aufs Deck. Von Helsingör sehe ich noch das Rathaus und die Festung Kronborg (von Hamlet) und am gegen­überliegenden Ufer lockt Schweden.
Die Überfahrt dauert 20 Minuten. Als ich auf den Kai rolle, prasselt gerade ein gewittriger Platzregen auf mich nieder. Nach einigem Kurven kann ich mich unter ein Vordach bei der Uni unterstellen, bevor ich im Touristenoffice Kartenmaterial und Reisetipps hole. Das war ein nasser Empfang. Hoffentlich ist Schweden nicht immer so unfreundlich, denke ich.
Später, als der Regen aufhörte, radle ich durch die Stadt und genieße in einem Straßenkaffee meinen Cappuccino. Das Rad habe ich in Sichtweite an einen Laternenpfahl gelehnt und ich amüsiere mich über die erstaunten Blicke der Passanten.
Längs des Öresunds geht es nordwärts. Hinter Helsingborg steil bergauf kommt auf der linken Seite ein herrlicher Park.

Als Campingplatz wurde mir Mölle empfohlen. Immer liegt zur linken Hand der Öresund, der langsam breiter wird und das nördliche Ende von Seeland verschwindet langsam im Dunst. Durch schöne Städtchen führt der Weg, bis ich endlich den Hafen in Mölle erreiche. Im Hintergrund schon höhere Berge. Aber wo ist nun dieser Campingplatz? Langsam werde ich müde, ein Gewitter droht auch noch. Nach einigem Hin-und-Her finde ich den CP oben auf einem Berg liegend. Einchecken, Zeltaufbau.
Von der Nachbarparzelle kommt ein kleines Mädchen, vielleicht knapp 2 Jahre alt. Sie sieht mein Rad und sagt immerfort zu mir: „Mama, Mama“ „Ich bin nicht Deine Mama“ „Mama, Mama“. Ich komme mit den Eltern ins Gespräch, sie kommen aus Deutschland und wollen weiter Richtung Vännersee. Der Vater ist begeistert von meinem Rad, und ich lasse ihn Probesitzen, um ihn von der Bequemlichkeit zu überzeugen. Das Mädchen ruft ganz wild und fordernd: „Mama, Mama, Mama“. Als ich auch sie auf das Rad setze, ist sie glücklich. Sie strahlt, dass man den ganzen Campingplatz beleuchten könne, Glück pur

7.7., Mölle – Örkelljunga 105 km
Ich habe meinen nördlichsten Punkt erreicht, ich weiß es nur noch nicht. Ich fahre auf der Hö­henstraße entlang dem Nordufer der Halbinsel Mölle. Es ist ein flotter Radweg mit anstren­genden Steigungen und flotten Abfahrten. Herrliche Blicke auf das Meer, teure Boote und exquisite Häuser eröffnen sich. Zwischendurch fahre ich einen Abstecher hinunter zum Nordufer in ein Fischerdorf. Ein extrem steiler Anstieg folgt. Das Knacken am Hinterrad kommt mir sehr bekannt vor und entlockt mir ein „Mist“, wieder eine Speiche gebrochen. Naja, jetzt kann ich es nicht ändern, ich wollte sowieso im nächsten Ort, Ängelholm, eine Pause machen. Langsam senkt sich der Bergrücken der Halbinsel, und ich fahre in Ängelholm ein. Gleich an der Zufahrtsstraße ein Zweirad-Monteur. Das trifft sich gut, denke ich, und ich äußere meinen Reparaturwunsch. „Können wir nicht machen, wir sind auf Motorräder spe­zialisiert“ höre ich, aber mir wird der Weg zu einem Fahrradmonteur gezeigt. Dort, nach Kurven durch die Stadt, ist seine Hinterhof­werkstatt wegen Mittag für 2 Stunden geschlossen. Ich stelle das Rad ab, und spaziere in die Innenstadt. Leider fängt es wieder an zu regnen. Ich esse etwas, warte den Regen und die zwei Stunden ab und bin wieder in der Werkstatt. Der Inhaber hat kein Interesse, mein Rad zu reparieren. Deprimiert fahre ich zurück zum Tourismusbüro, und lasse mir weitere Werk­statt-Adressen geben. Die erste war falsch, erst bei der zweiten habe ich Erfolg. Er öffnet gerade sein Werkstatt nach der Mittagspause. Anfangs hat er kein Interesse an meinem Reparaturauftrag. Er meinte, ich solle das Rad da lassen und 2 Tage später wieder vorbei kommen. Als er dann aber von meiner Reise hört und ein Kunde oder Freund auch noch deutsch/englisch – schwedisch dolmetscht, erklärt er sich zur Reparatur bereit.
Ich gehe wieder in die Stadt, besuche die Bibliothek, um Mails nach Hause abzusetzen.
Zurück in der Werkstatt. Die Speiche ist er­setzt, aber der Mantel ist defekt. Dabei hatte ich zu Hause einen neuen aufgezogen, er hatte gerade 750 km gehalten. Später wird mir Schwalbe auf meine Beschwerde nicht einmal antworten.

Ich wende mich nach Verlassen der Stadt nach Osten, fahre vorerst auf einer Hauptstraße mit herrlichem Blick über das weite, sanft gewellte Land nach Norden. An der nächsten Kreuzung links den Hügel bergab, erreiche ich im Wald versteckt einen See, an dem ich entlang fahre bis Örkelljunga. In der Stadt kann ich noch etwas einkaufen, bis ein schöner Weg mich zum außerhalb gelegenem CP leitet. Der CP liegt wieder an einem See, dessen südliche Seite von einem Schloß beherrscht wird, in dem jetzt ein Nobelhotel ist.
Immer wieder huscht ein Gewitter oder Schauer über das Land. Das Fahrrad „schläft“ in einer offenen Holzhütte.

8.7., Örkelljunga – Osbyholm 105 km
Das Wetter sieht mal wieder vertrauener­weckender aus. Eine flotte Fahrt bringt mich nach Hässleholm. In dieser Stadt setze ich noch eine kurze Meldung nach Hause via Internet ab. In einem Cafe genieße ich Blau­beerkuchen und einen Kaffee. Am See entlang nach Süden erreiche ich den Herrensitz Hovdala, Dieses Schloss wurde über 400 Jahre vom Adelsgeschlecht Ehrenborg bewohnt. Das Gebiet war früher Grenzgebiet zwischen Dänemark und Schweden, und als Grenzfeste immer stark umkämpft. Ein Spaziergang durch den einfachen Park folgte, für das Museum hatte ich keine Lust. Aber mir fielen die wertvollen, neu gestalteten Türen auf. Sogar die Toilettentür war edel, massive Eiche, kunstgeschmiedete Beschläge, und wirkte durch ihre schlichte Eleganz.
Vor dem Schloss traf ich einen Liegeradler, den einzigen, den ich in Schweden sah. Er fuhr ein Trike und wir unter­hielten uns kurz.
Über Sösdala und Höör fuhr ich zum Kloster Bosjö. Dieses liegt auf einer Halbinsel mit malerischem Blick auf den See. Im Volksmund wird dieses Kloster auch als „Perle am Ringsee“ bezeichnet.
Besonders begeistert war ich von dem herrlichen Blumengarten, der mich in seiner Anlage mit dem Blick zum See an das Max-Liebermann-Anwesen in Berlin erinnerte. Nur schwer konnte ich mich trennen. Ich umrundete den See, wartete mal wieder Regenschauer ab, genoss den Anblick eines Regenbogens über den See und erreichte den CP am Südufer, wo in der Ferne das Kloster weiß herüber leuchtete. Unweit des Strandes stelle ich mein Zelt auf und habe einen tollen Blick auf den Sonnenuntergang über den See hinweg.

9.7. Osbyholm – Trelleborg 115 km
Die Nacht ist stürmisch, die Bäume am Strand rauschen, der See erhält über Nacht Schaumkronen. Der Nachbar­familie helfe ich beim Einpacken des Zeltes, bei dieser steifen Brise keine einfache Sache.
Nach Süden führt mich der Weg weiter. Unterwegs will ich in einem dörflichen Supermarkt Lebensmittel kaufen und gleich verspeisen. Mein Appetit lechzt nach Brötchen, Käse und süßem Joghurt. Eine bunte Dose scheint Joghurt mit Sahne zu sein. Voller Vorfreude öffne ich die Dose... und schmecke sehr scharfe Fisch­paste mit Sahne. Ähnliches ist mir schon einmal auf dieser Tour passiert, und 1971 im fernen Bulgarien. Am Straßenrand sehe ich einen Hinweis auf eine Sehens­würdigkeit, die ich mir ansehen kann. Ein großer Backsteinkoloss zeigt sich mir, malerisch in einem Wäldchen, begrenzt von einem See. Leider erfahre ich überhaupt nichts darüber. Zu Hause stelle ich fest, dass es sich wahrscheinlich um Schloss Övedskloster gehandelt haben könnte, dass im 3. Kapitel der wunderbaren Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wild­gänsen beschrieben ist.
Über Sjöbo erreiche ich die Südküste Schonens westlich von Ystad und steuere Trelleborg an. Direkt an der Küste, bei ziemlichen Verkehr fahre ich zu dieser Hafenstadt.
Der CP liegt vor Trelleborg recht weit draußen. Ich weiß, dass die Fähre früh beizei­ten abfährt. So teste ich, wie lange ich bis zum Fährterminal brauche. Als ich am Hafen war, hatte ich keine Lust mehr, wieder raus zu fahren. Hinter dem Hafengelände finde ich eine freie Fläche, deren am meisten wind­geschützten Stellen bereits durch andere Camper belegt sind. Unweit von ihnen stelle ich mein Zelt im Schutz eines Strauches auf. Leider dreht der Wind und drückt deshalb das Zelt halb ein. Wegen des Windes verzichte ich auf die Bereitung meines Tees, esse etwas in der nicht allzu weiten Tankstelle. Wieder am Zelt habe ich noch eine nette Unter­haltung mit einem Truckerfahrer aus dem Erzgebirge.

10.7. Trelleborg – Stralsund 67 km
Ich wache rechtzeitig auf, die Morgentoilette fällt kurz aus. Frühstück wieder in der Tanke, dann zum Fährterminal. Nach kurzem Anstehen halte ich das Ticket in der Hand und werde zu dem Fussgängereingang geschickt. Kurz darauf hält ein Bus, senkt seine Rollstuhlrampe und ich darf mit dem Rad in den Bus fahren (!). Noch etwas warten, dann rollt der Bus zur Fähre. Offensichtlich war die Fahrerin nicht besonders aufmerksam, denn sie steuert ver­sehentlich die falsche Pier mit der falschen Fähre mit anderem Zielort an. Zum Glück bemerkt sie ihren Irrtum, am richtigen Schiff darf ich die PKW-Rampe hoch fahren, und mittschiffs erreiche ich das schon ziemlich gefüllte Parkdeck.
4 Stunden dauert die Überfahrt. Die See ist mäßig bewegt, Brecher erzeugen Schaumkronen am Schiff. Bald tauchen die weißen Felsen von Rügen auf. Ich sehe Kap Arkona und die Kreidefelsen erstmalig aus dieser Perspektive. Mukran ist erreicht, ich rolle von Bord. Man könnte sich aufregen, dass auch Fahrräder den großen Autobogen fahren müssen, aber man kann das Aufregen auch lassen. An der Kreuzung Stau, mit dem Fahrrad komme ich auf gutem Radweg vorbei.
Bis Bergen ist die Qualität des Radweges ok, obwohl ich generell etwas gegen Radwege habe. In Lietzow auf dem Fischerponton esse ich gebratenen Hering, köstlich. Strichweise fällt Regen, kurz vor Bergen beobachte ich ein Storchennest.
Die Einfahrt nach Bergen ist noch gut, dann beginnt „des Radfahrers Grauen“, extremes Kopfsteinpflaster, keine Markierung. Meine Beschwerde im Touristen­büro wird zur Kenntnis genommen, und das wars auch. Einigermaßen befahrbare Radwege nach Stralsund werden mir nicht gezeigt, nur die große Linie. Über Sehlen fahre ich, dann kreuze ich die stark befahrene B96 Richtung Westufer der Insel. Die Oberflächen der Wege werden besser, sie sind aber miserabel ausgeschildert. Ein feiner Nieselregen kommt erschwerend hinzu. Ab Rambin muss ich die B96 benutzen. Dank meiner Fahrweise können sich die vielen Autofahrer hinter mir über ihren geringen Spritverbrauch freuen, da sie durch starken Gegenverkehr mich nur schlecht überholen können.
Noch miserabler die Ansteuerung der Ziegelgrabenbrücke. Die neue Hochbrücke darf ich nicht nutzen, aber jeder Wegweiser zeigt dahin. Liebe Touristik- und Verkehrsexperten, es gibt noch viel zu tun auf dieser Insel!
Ich komme gerade zum Brückenzug und beobachte die unter mir vorbei schwimmenden Segler.
Ich fahre raus nach Stralsund-Devin und übernachte in der Jugendherberge. Nach dem schmackhaften warmen Abendbrot richte ich mein Bett. Es ist ein 3-Bett-Zimmer,belegt mit einem Tschechen, der mich kaum versteht, weder in Russisch, Deutsch oder in Englisch, und ein weiterer Radler, der aber von Hiddensee noch zurück erwartet wird. Es gibt aber nur 2 Schlüssel, deswegen erhalte ich keinen.
Zum Baden ist es mir zu kühl. Ich stelle mein Rad vor das Zimmer in den Korridor, und finde mich zum Biergenuss in der Cafeteria ein. Nach einiger Zeit unterhalte ich mich mit einem neu eingetretenem Gast, der meint, dass vor seinem Zimmer ein Behindertenrad steht, was sicher dem Tschechen gehört. Ihm war diese Bemerkung sichtlich peinlich, als ich ihn aufgeklärt hatte.

11.7. Stralsund – Neubrandenburg 124 km
Die Nacht verlief ruhig. Offensichtlich wurde wenig geschnarcht. Beizeiten bin ich zum Früh­stück. Nach Auschecken und bezahlen (teuerste Über­nachtung der ganzen Reise) verproviantiere ich mich noch im Supermarkt, dann ging es in südlicher Richtung los. Wieder nach den Empfehlungen von Radweit. Über Voigtehagen nach Grimmen, immer wieder gibt es Regenschauer, zum Glück keinen Dauerregen. Trotzdem: mit nassen Sachen radelt es sich nicht gut. Der Anorak ist dicht, die Hose trocknet immer wieder im Fahrtwind. In Grimmen raste ich bei Cappuccino und kleinem Imbiss. Der nächste größere Ort ist Demmin. Kurz hinter Grimmen höre ich wieder das nun schon vertraute Knacken: die 3. Speiche gibt ihre Arbeit auf. Nun habe ich genug, mit dieser gebrochenen Speiche fahre ich bis nach Hause.
In einem Dorf zwischen Grimmen und Demmin, dessen Namen mir entfallen ist, werde ich durch einen touristischen Hinweis auf die Kirche gelenkt. Klingeln beim Pfarrer, er zeigt mir das Innere der Kirche mit ihren vor wenigen Jahren neu entdeckten Freskomalereien aus dem Mittelalter. Besonders ausdrucksstark die Heilige Margarete (von Antiochia, 3./4. Jhdt), als Schutzheilige mit dem Drachen, eine der 14 Nothelfer für Bauern und Schwangere.
In Demmin hoffte ich noch ein Cafe zu finden. Mehrmals umrundete ich auf der Suche das Zentrum. Es machte einen sehr verschlafenen Eindruck. Schließlich hielt ich bei Aldi an, ver­zehrte noch einen Joghurt und radelte frustriert weiter. Bis Neubrandenburg waren es noch einige Kilometer. Das Wetter wurde schöner, und über Hügel führte der Weg. Es wurde immer später, langsam musste ich an die Übernachtung denken. Endlich, am Ortseingang Neubrandenburgs, finde ich eine Gaststätte, wo ich Wasser aufnehmen kann, und Antwort auf meine Frage nach einem CP erhalte. Also wieder bergauf, einige Kilometer zurück. Den CP finde ich nicht, er ist mir zu weit. Rechts ist ein Maisfeld, auf dem einigermaßen ebenen Randstück, von der anderen Seite geschützt durch eine Hecke, ist genügend Platz für mein Quartier, auch von der Straße nicht einsehbar. Es ist schon nach 21:00, kurz noch etwas Essen warm gemacht, dann geht’s hundemüde ins Bett. Von Ferne höre ich laute Musik, vielleicht wäre der CP gar nicht so leise gewesen?

12.7. Neubrandenburg – Wandlitz 135 km
Sonnig beginnt der Tag. Leider gibt es zum Frühstück heute keine frischen Brötchen, sondern das, was der kleiner werdende Verpflegungsbeutel hergibt. Die Tüte voller Marmeladen­portionen wird endlich alle. Einige Döschen waren geplatzt, und somit war der Inhalt eine einzige klebrige Matscherei.
Ich kurve durch die sonnige Innenstadt Neubrandenburgs, aber alles schläft noch. Bald finde ich den Weg hinaus in südliche Richtung durch schöne Parks mit den ersten Spaziergängern. Burg Stargard, Lychen, Himmelpfort sind die nächsten Stationen. Irgendwo finde ich einen neu eingerichteten Imbiss, wo ich köstlichen Fisch esse, leider war das Brötchen etwas adlig. Unterwegs muss ich wieder an einem Kirschbaum anhalten, die leckeren Früchte waren zu verlockend. In Lychen besichtige ich das Ortsmuseum, genieße in der Eisdiele ein schmack­haftes Eis und einen Cappuccino, bei Himmelpfort raste ich an einem See und schwimme ein Stückchen. Später erfahre ich von einem meiner Schüler, dass er mich auf der Durchfahrt durch Himmelpfort gesehen hat. Da merke ich wieder: Nirgends kann ich über die Stränge schlagen, ich werde überall beobachtet!
In Lychen werde ich am Ortsausgang angehalten, es findet eine Radfahrerbefragung statt. Die Radwege im Landkreis finde ich, soweit ich sie kenne, in Ordnung. Meine negative Meinung über straßenbegleitende Radwege und das Missverhalten der Autofahrer äußere ich, es hat aber keinen Einfluss. Später sendet mir der Journalist das Foto zu.
Tornow und Gransee sind die nächsten Orte. Bei Zehdenick komme ich, leider schon am späten Nachmittag, am Ziegeleimuseum vorbei. Die Außenstücke und die vollgelaufenen Tongruben werden durch Schilder erläutert.
Als ich das Ortsschild „Zehlendorf“ passiere, werde ich stutzig. Bin ich schon im ehemaligen „Westberlin“? Nein, es ist ein Vorort zwischen Oranienburg und Wandlitz. Es wird Abend, und langsam sollte die Zeltplatzsuche losgehen. Die befragten Einheimischen kennen keinen, der in der Nähe liegt. Mir wird Wandlitz empfohlen. Also auf in dieses bekannte Dorf. Außer heftigem Kopfsteinpflaster und teuren Hotels kann ich nichts finden. Zurück zur Hauptstraße, dort finde ich die Zufahrt zu einem anderen Hotel. Wasser fassen, weiter fragen. Auch in dem Hotel kennt man nur ein Freibad am Stolzenhagener See. Dorthin geradelt, gefragt. Eine sehr schöne Anlage, aber der Inhaber lässt mich nicht zelten. Mitten im nächsten Dorf finde ich ein verwildertes Grundstück mit meterhohem Gras, wo ich endlich mein Zelt aufstelle. Bis nach Berlin habe ich es nun nicht geschafft, ich bin aber in der Nähe. Leider fängt es wieder an zu tröpfeln.

13.7. Wandlitz – Ferch, 96 km
Ich hinterlasse meinen „Campingplatz“ ordentlich. Außer nieder getretenem Gras ist nichts zu sehen. Zurück zur Haupt­straße Richtung Berlin. Der Verkehr wird größer, leider auch die Rücksichts­losigkeit der Autofahrer. Überall in Dänemark und Schweden wurden die Radwege beachtet, hier werde ich auf der Hauptstraße zum Bremsen gezwungen, weil die Autofahrerin den Radweg nicht beachtet.
Von Norden radle ich nach Berlin hinein. Vorerst geht es durch naturnahes Gelände mit Teichen, verlandenden Bächen, Schilf, Vogelgezwitscher, sicherlich war das der ehema­lige Todesstreifen. Immer den Radwegen nach Süden folgend bin ich plötzlich im Zentrum. Vor mir liegt das Brandenburger Tor. Unter den Linden stoppe ich an einem Imbiss und stärke mich. Am Brandenburger Tor lassen sich Touristen mit französischen Soldaten anläss­lich des bevorstehenden französischen Nationalfeiertages fotografieren. Ich würde es auch tun, kann aber mein Rad nicht abstellen. Durch dieses symbolträchtige Bauwerk hindurch fahre ich nach Westen. Ich komme an einer großen Feuerwache vorbei, zwei Blauröcke winken mir zu und freuen sich über mein Rad. Ich halte an, sie kommen runter und sehr hilfsbereit zeigen sie mir an einem übergroßen Stadtplan meinen Weg.
Richtung Potsdam über Wannsee und die Glienicker Brücke verlasse ich Berlin. Das Kurven durch Potsdam gefällt mir nicht. Durch die Bauar­beiten ist das Zentrum unübersichtlich. Auch die Radwegweiser sind nicht korrekt. Endlich bin ich auf der Straße am Templiner See. An ihm entlang radle ich gen Süden. Den Willen zum Baden verwerfe ich beim Anblick des trüben, grünen Seewassers. Der Supermarkt in Caputh versorgt mich wieder mit Lebensmittel, dann erreiche ich Ferch. Am dortigen CP ist heute Schluss, auch wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis und der weniger freundliche Service nicht stimmen. Den Wunsch zum Schwimmen im Schwielowsee verschiebe ich auf morgen. Stattdessen genieße ich ein schönes warmes Abendbrot in einer Gaststätte am See mit Bier und mit Sonnenuntergang.


14. 7. Ferch – Roßlau 115 km
Ich erwache zeitig. Es wird meine letzte Nacht im Zelt sein. Das frühe Schwimmen erfrischt mich. Die letzten Nahrungsmittel werden verzehrt. Von der Radwegeverbindung Potsdam Beelitz Wittenberg Leipzig lasse ich mich leiten. Beelitz Heilstätten, der Komplex, von 1898 bis 1930 als Lungenheilstätte erbaut, war mein erstes Ziel. Während Kriegszeiten als Lazarett genutzt, war es nach 1945 das größte russische Militärhospital außerhalb der Sowjetunion. 1916 wurde hier auch ein später berühmt-berüchtigter Gefreiter behandelt.
Heute treffe ich wesentlich mehr Reiseradler, aber alle in Gegen­richtung. Sie fahren auf dem Radweg R1 nach Berlin.
In Belzig am Markt gibt es heute Mittagsrast. Durch den sonnigen Fläming fahre ich weiter über Wiesen­burg nach Roßlau, wo ich am zeitigen Abend eintreffe. Nette Gespräche mit Verwandten folgen, nach einem wunderbaren Abendbrot freue ich mich später aufs Bett.

15.7. Roßlau – Harz 104 km
Es ist genauso sonnig wie gestern. Ein herrliches Frühstück lässt den Tag gut beginnen. Ich denke gerne an dieses leckere Mahl zurück.
In Dessau halte ich mich in Richtung Aken, immer längs der Elbe. Aken wird durchfahren, dann habe ich kein Kartenmaterial mehr. Der Luther­pilgerweg erweist nicht als fahrrad­tauglich. Über Nebenstraßen erreiche ich Köthen. Hier esse ich auf dem Markt Mittag im Schatten der Kirche. Meine ins Auge gefasste Nebenstrecke kann ich nicht lang fahren, weil sie als Umleitungsstrecke ausgewiesen ist. Also nehme ich die gesperrte B185 nach Bernburg und bin ganz allein auf der Straße. Gut zu fahren, aber langweilig.
In Bernburg kreuze ich die Saale, genieße auf dem westlichen Ufer in einem Biergarten eine Berliner Weiße mit Schuss und radle an dem Fluss entlang nun bekannte Wege nach Alsleben. Es ist ganz schön heiß heute. Der Anstieg aus dem Saaletal hinauf auf die Höhe strengt mich wider Erwarten mächtig an. Liegt es an der Hitze, oder habe ich zu wenig getrunken? Ich bin jedenfalls froh, als ich die Höhen geschafft habe. Nun noch durch das Wippertal, und am späten Nachmittag bin ich wohlbehalten, verschwitzt und verbrannt nach 1667 km zu Hause angekommen.