Re: Attacke auf reiseradler in Tadschikistan

von: paschukanis

Re: Attacke auf reiseradler in Tadschikistan - 18.08.18 09:07

Ich möchte mal noch eine Aspekt hier rein bringen, der bisher noch recht wenig beleuchtet wurde. Nämlich inwieweit 'wir' ((Rad-)reisende aus 'westlichen' Ländern) Teil des Problems sind.

Reisen im 21. Jh. ist ja keine 'unschuldige' Tätigkeit, wie weiland Goethes Italientrip, sondern durchdrungen von Machtstrukturen, Geldströmen, Privilegien etc.pp.
Schon allein die Tatsache dass 'wir' in allgemeinen in überschaubarer Zeit die Mittel für eine solche Reise zusammen haben, recht unkompliziert in Tadschikistan einreisen können und von der dortigen Regierung VIP-Behandlung erfahren ist, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, eine bodenlose Ungerechtigkeit.

Ich kann mich gut an meine eigene Ressentiments gegen Touristen erinnern: in einer bayerischen Kleinstadt aufgewachsen (12.000 Einwohner, 500.000 Übernachtungen im Jahr), war ich als Teenager stinksauer von der Stadtverwaltung als 'Problem' wahrgenommen zu werden, während für den Tourismus alles getan wurde. Die alltägliche 'Rache' bestand darin mit dem Radl durch die Fußgängerzone zu preschen, dass die Touris nur so spritzten. Dass die Wut eines jungen Tadschiken nochmal deutlich größer ist, kann ich also durchaus nachfühlen.

Ressentiment ist die Triebfeder vieler solcher Taten, vom Steinwurf bis zum Anschlag. Das Gefühl dass die Menschenrechte nur für 'Weiße' gelten, man niemals eine ökonomische Chance haben wird und das in der menschlichen Natur tief verankerte 'mimetische Begehren', also immer das zu wollen, was der Nachbar hat, befeuern diese Wut.

Ich möchte hier nichts rechtfertigen und keine moralischen Urteile fällen. Ich selbst fliege in einem guten Monat nach Südamerika, und profitiere vom Wohlstandgefälle und einigen anderen Missverhältnissen.
Die Logik diktiert mir aber, dass man nicht ewig die Früchte der Erde für sich in Anspruch nehmen kann, ohne dass die, die von ihnen ausgeschlossen sind, irgendwann einmal Rache nehmen könnten. Ich denke fast jeder Mensch kennt die Wut auf 'die da oben'. Man muss sich halt aber auch eingestehen, dass man selber für einen Gutteil der Menschheit zu 'denen da oben' gehört.

Nix für Ungut,
Felix