Re: Bulgarien

von: naero

Re: Bulgarien - 04.01.14 10:07

Bulgarien ist für mich ein tolles Reiseradland! Trotzdem wird es Zeit für ein neues, und Ich reise in Serbien ein. Es fällt mir gleich auf, dass es etwas weniger gemütlich, und ganz sicher weniger sauber ist in diesem Land. Auch die Ruinen von den Moscheen haben etwas trauriges an sich.





Ich war nicht mal einen ganzen Tag in Serbien, da war Ich auch schon auf der Grenze vom Kosovo. Hier wird dann doch deutlich, dass man die Sache noch nicht so ganz ruhen lassen kann/will. Überall KFFOR-Fahrzeuge, Schreine für gestorbene UCK-Kämpfer und Schreine für Serbische Soldaten die ihr Leben gelassen haben im blutigem Bürgerkrieg.



Für Leute, die nicht genau wissen worüber Ich rede, hier eine sehr kurze Zusammenfassung:



Daneben gibt es natürlich auch viel anderes zu sehen. Zum Beispiel dieses halbverfallene Hotel aus der Jugoslawischen Glanzzeit:



Was mich dann wieder wunderte, war, dass die Leute hier zum Teil Holländisches Bier trinken. Bitte! Erstens ist das einheimische Bier prima, zweitens: Wenn Ich als Balkanbewohner Bier importieren würde, Ich würde es aus Tschechien holen (Pilsener, hallo?!), und drittens: Bavaria! Das ist gerade noch so eine A-marke; wenn man in Holland die Wahl hat, fällt sie meistens nicht auf dieses Bier. Wie dem auch sei, man trinkt es hier. Ich fragte jemand danach, und der war überzeugt, dass es Deutsches Bier wäre. Bavaria kriegt für sein Marketing von mir ein dikkes ‘Chapeau’.



Ich weiss, in meinem Reisebericht gibt es viele Krabbeltiere. Aber dass hier finde Ich wirklich besonders: Eine Spinne (‘Opilliones’), die befallen ist von parasitären Milben. Und hier noch ein paar nutzlose Fakten über Oppiliones: Auch die einheimischen Sorten haben sehr starkes Gift, dass manchmal genug sein könnte um einen Erwachsenen zur Strecke zu bringen. Keine Bange, denn die Giftzähne sind so klein, dass sie nicht durch die Haut eines Menschen kommen.



Die Landschaft im Süd-Kosovo ist sehr schön.





Leider wird hier sehr deutlich, dass es wenig Regulationen gibt. Es wird wie wild gerohdet, und Abfall wird einfach neben dem Weg geschmissen. Wo viel Touristen sind, ist viel Dreck. Wenn das so weiter geht, ist Kosovo wohl in ein paar Jahren vollkommen verdreckt und gerohdet. Ein trauriges Vorbild, wie man nicht mit Natur umgehen sollte.





In einem Laden machte Ich einen ziemlich blöden Balkan-Anfängerfehler: Ich kaufte Paprika, ohne zu schauen ob sie scharf waren oder nicht. Die schnitt ich dann ohne zu testen in die Abendmahlzeit. Naja, und weil man dann ja nicht ohne Essen zu Bett will, wurde es eine ziemliche Herausforderung. Stöhnend und schwitzend schob ich meine Mahlzeit hinein; auf 50meter entfernung stand ein Junger Viehhirte und starrte mich ungläubig an.



Was mir im Kosovo, aber auch in vielen anderen Ländern des Balkans auffiel, waren die vielen halbfertiggestellten Luxusbauten. Später erklärte mir jemand, dass viele Leute für eine Weile im reichem Westeuropäischem Ausland arbeiteten. Wenn sie dann eine Menge Geld gespart haben, fangen sie an, ein Haus zu bauen. Gebaut wird, bis das Geld alle ist, und dann geht’s wieder ins Ausland. So kann es dan Jahre dauern bis so ein Haus fertiggestellt ist.



Ich nahm die Strasse von Pec zum Cakor-pass; man hatte mir mehrmals glaubhaft versichert, dass der Grenzübergang dort kein Problem wäre. Die Strasse hoch war wunderschön, das wussten auch viele Einheimische in dicken Autos (Wenn sich jemand wundert, wer zB den AudiQ7 kauft, der sollte mal in den Kosovo fahren...).





Im Kosovo habe ich mich durchgehend sicher gefühlt, aber es ist für mich nicht das beste Radreiseland. Die Strassen, die ich befahren habe, waren nicht immer schön und oft sehr voll. Ich habe auch eine zwiegespaltene Haltung zu den Leuten hier.
Ich ärgerte mich unheimlich über die Haltung gegenüber der Natur. Klar, um Abfall richtig zu entsorgen braucht es eine ausgereifte Infrastruktur. Trotzdem sieht es so aus, als ob es ganz normal ist um seinen Abfall einfach aus dem Autofenster zu werfen. Mir gefällt es auch nicht, dass Statussymbole scheinbar so einen hohen Wert in der Gesellschaft haben. Ich habe noch nie so viele Luxus-SUV’s auf einem Haufen gesehen. Es fiel mir auch auf, dass Kinder sehr weniger streng erzogen werden als das ich das von Holland und Deutschland gewohnt bin. Sich hinten in der Reihe anstellen in einem Laden ist nicht so wichtig, zum Beispiel.
Aber die Leute haben auch etwas unglaublich freundliches und offenes. Ich wurde sehr oft angesprochen, in Englisch, Deutsch und Holländisch. Mir wurde viel Hilfe und noch mehr Slivoviche angeboten, man freute sich richtig, mich zu sehen. Für mich waren die Leute hier wilder, lauter und extremer als in anderen Regionen dieser Reise.


Zur Grenze hin wurde die Strasse auf einmal ein Feldweg, und der Grenzübergang war dann eine Strassensperre, aber mit einem deutlichem Fusspfad. Auf der anderen Seite lockte frischer Asphalt. Mit dem Gedanken an Landminen im Kopf war ich doch etwas nervös, aber wie man dann so ist, habe Ich den Fusspfad gefolgt, und alles ging gut.





Der Pass selbst belohnte mit einer wunderschönen Strasse und grandiosen Aussichten.











Nachdem Ich einen Polizisten gefragt hatte, ob Ich denn jetzt illegal eingewandert war, erschrak der gute Mann sichtlich und schickte mich unverzüglich zur nächsten Polizeistation. Dort wieder helle Aufregung, nachdem man erst mal fünf minuten dafür gebraucht hatte, um zu verstehen, dass ich über die Grenze gekommen war. Man wusste nicht was man machen musste. Das ganze zusammen mit einer grossen Dosis Sprachbarriere machte die Situation für mich zwar spannend, aber auch unheimlich komisch. Man stelle sich mich vor, inmitten von vier freundlichen, aber wild gestikulierenden Polizisten. Ich musste mich doch sehr einhalten, um nicht breit zu grinsen. Zum Glück konnte man den Chef erreichen, der Englisch sprach. Am Telefon wurde dann ganz schnell klar, dass das alles kein Problem ist: Ich bin ja EU-Bürger.
Im nächstem Dorf fand man das ganze auch sehr lustig, Grenspolizisten werden nicht allzu ernst genommen hier. Man erzählte mir, dass sehr viel illegaler Grenzverkehr über diese Berge geht, und lachte herzlich über die unvollständige Stempelsammlung in meinem Reisepass: Einreise Serbien, aber keine Ausreise (da ich über die Grenze des Kosovos ausgereist war, und die Grenze erkennen die Serbischen Autoritäten nicht an). Dann Einreisestempel vom Kosovo, aber natürlich kein Ausreisestempel, da Ich ja ‚illegal‘ in Montenegro eingereist war. Bald würde ich dann wieder einen Ausreisestempel kriegen....
Weiter ging es durch Montenegro, wo alles auf einmal viel sauberer war. Die Leute waren freundlich, und ich machte den Fehler um einen selbstgebrannten Slivoviche nicht abzuschlagen. Nur einen! Aber dann aus einem türkischem Teeglas. Ich fand ihn wirklich lecker, aber auf leerem Magen hat das einen ziemlichen Effekt. Ich fuhr etwas weiter, und legte mich dann unter einen Baum um drei Stunden zu schlafen; Fahrradfahren ging beinahe nicht mehr.
Wieter ging es richtung dem Tare Canyon, wieder ein superschönes Gebiet. Hier hatte es vor einer Weile einen Waldbrand gegeben, man konnte es noch riechen wenn man durch den Wald fuhr. Sofort sieht man dann auch Anzeichen von Erosion.







Der Tare Canyon war ein absolutes Highlight, wunderschön tief eingeschnitten, mit einem klarem Fluss. Während der Nacht, dass ich dort schlief, regnete es stark; das gab am nächsten morgen eine tolle Atmosphäre. Wirklich magisch.















Danach ging es gleich weiter mit den landschaftlichen Highlights: Der Durmitor Nationalpark. Das fast Alpine Gebirge ist ein absoluter Knaller, die Strasse war ruhig. Mann, habe ich das genossen.















Danach wurde es Zeit, um mal wieder an eine Rückreise zu denken. Die erste Stadt in der Nähe war Sarajevo. Also ging es bald Richtung Bosnien&Herzegowina, entlang einem tief eingeschnittenen Canyon mit einem Stausee, mit vielen Tunneln. Hier wünschte Ich mir eine funktionnierende Lichtanlage! Ich fand das hier auch toll: Zum Durmitor Nationalpark, einfach im Tunnel links!



Der Stauwall war riesig und beeindruckend. Gross bauen konnten sie schon in der Yugoslawischen Zeit





Montenegro war klein aber fein, voll von Landschaftlichen Leckerbissen, ruhiger und sauberer als die Umliegenden Länder.
In Bosnien&Herzegowina wurde dann das Erbe des Bürgerkrieges ziemlich schnell deutlich: Minenfelder, und zerbombte Häuser sind hier überall entlang des Weges zu ‘bewundern’. Nicht zu Nahe treten, Blindgänger und Boobie-traps sind nicht überall geräumt...



Ich begegnete noch zwei Franzosen, die Ihren Trip ganz anders machten als Ich: Sie hatten fast nichts dabei, und hatten sich in Podgorica zwei Fahrräder gekauft, für 160€ das Stück. Mit dem fuhren sie dann nach Zagreb. Dort wollten sie dann die Räder verkaufen oder verschenken. Es funktionierte ganz gut für sie, aber es ist klar dass man dann natürlich auf einem eingesessenen Brooks sitzt, und Duct-tape und Kabelbinder zu einem sehr wichtigem Teil der Ausrüstung gehören. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass sie mich ziemlich oft am Berg stehen haben lassen, obwohl ich nach mehr als einem Monat vielleicht mal fit sein sollte. Naja, ihr erster Gang war um einiges schwerer als meiner, und sie hatten nur minimalst-Gepäck dabei. Auf jeden Fall mal eine andere Art, mit dem Rad zu reisen.
In Sarajevo nahm ich schon wieder Abschied von den Jungs, und schlug mein Kwartier auf einem Campingplatz auf. Am nächsten Tag ging es zum Busbahnhof. Ich wollte mich erkunden, wie ich nach Hause kommen könnte, ich finde im Internet noch immer keine gute Übersicht über die Routen von den verschiedenen Buslinien. Ich kam beim Busbahnhof an, und eine halbe Stunde später saß ich im Bus nach Utrecht. Unglaublich, wie viel glück ich da hatte! 30 Stunden später stieg Ich gerädert aus dem Bus, und bald danach war ich wieder zuhause.
Es war mal wieder eine tolle Reise! Mütter mögen es wohl nicht so, wenn die Söhne alleine durch den Balkan radeln, aber ich habe mich kein einziges mal bedroht gefühlt, ausser halt vom Verkehr im Kosovo. Die Türkische Gastfreundschaft hat mich vom Hocker gehauen. Die Türkei ist ein tolles Land für Radreisen, Ich würde auch wieder im Sommer dorthin fahren. Einmal durch würde mich sehr reizen. Der Balkan war auch grandios, die Unterschiede zwischen den Ländern waren sehr lehrsam. Ich habe in Gesprächen mit vielen Leuten dort einige neue Ideeën bekommen. Ich war überrascht um zu hören dass viele Leute hier der Demokratie um einiges kritischer gegenüberstehen als dass ich es in meinem Umfeld gewohnt bin.
Ich habe die Reise sehr genossen, auch wenn die Hitze stark an meinen Reserven geknabbert hat, aber ich habe gemerkt, dass alleine Reisen in diesen Ländern schwieriger ist als erst gedacht. Nicht, weil die Leute gefährlich sind, sondern gerade weil die Leute so freundlich und offen sind. Man wird so oft am Tag angesprochen, und dann wurde mir oft klar, dass das einzige, was ich an so einem Tag gesagt hatte war: ‚Es tut mir leid, aber ich spreche deine Sprache nicht.‘ Nächstes mal, wenn ich alleine Reise, geht’s in ein Land, von dem Ich die Sprache spreche, oder in ein Land mit weniger Menschen.
Trotzdem habe ich hier eine tolle Reise machen dürfen, und der Balkan hat ein spezielles Plätzchen in meinem Herz bekommen. Es ist einfach eine wunderschöne Region mit interessanten Menschen. Die Türkei lockt auch, dort will ich sicher nochmal hin. Wenn’s sein muss, im Sommer.
Gute Reise!
Benno