Re: Taiwan 2014

von: hansano

Re: Taiwan 2014 - 17.04.14 17:43

Yulin 90 km

Leichter Nieselregen erwartet mich bereits, im Café werden die Kohlenhydratvorräte aufgefüllt und los geht’s.
Weil die kleinen Straßen so nett sind, beschließe ich die „197“ zu nehmen. Wie zu erwarten wenig Verkehr, viele Kurven und etwas steigig. Es ist eigentlich alles bestens, wenn es denn wärmer wäre…
Da das Wetter mich so ein bisschen nervt und ich noch bis Yulin radeln will, beschließe ich auf die „9“ zu wechseln, schade, diese kleinen Landstraßen sind wirklich toll.
Unten im Tal pfeift der Wind, ein 7/11 nimmt mich auf. Eine Mischung aus Eis, Kaffee und Keksen nimmt seinen bestimmungsgemäßen Weg und ich wenige Minuten später den meinigen.
Der Verkehr ist ruhig, ab und zu ein Bus oder LKW. Parallel zur Bahnlinie radelnd erreiche ich Yulin. Es ist schon 16:00, der Gegenwind hat gewirkt. Auf der Suche nach einem Hotel frage ich bei der Polizei nach, die im Reiseführer angegebenen Hotels sind nicht mehr aktuell. So fährt ein Einsatzfahrzeug vorneweg und ich im Windschatten hinterher. Das Hotel hat ein Zimmer für mich und ich darf noch ein Foto vom Beamten mit Fahrzeug machen. Überhaupt hat die regionale Polizei in Taiwan eine Art Service für Radfahrer, Wasser und Pumpe sind meist vorhanden, oft auch ein Rastplatz im Schatten. Find ich als Nutzer gut.
Die Stadt selbst ist recht unspektakulär, viele take-away asiatischer Art, kleine Geschäfte, die Genossenschaft direkt in der Stadt füllt noch ab. Ein Bäcker hat leckere Backwaren (Pizzaähnliches + Süsskram).
Mit einer Suppe und einem Bier mache ich es mir vor dem Hotel auf einer Bank gemütlich und flicke noch einen Schlauch. Die Müllwerker [url=http://www.bildschirmarbeiter.com/video/muellabfuhr_in_taiwan/][/url] kommen mit ihrem Lied vorbei, der Bahnhof gegenüber erstrahlt in diversen LED-Farben. Feierabend in Yulin.

Hua Liang 92 km

Das Wetter bleibt bescheiden, dicke Wolken, ein paar Schauer, Wind, trotzdem sind die Reisbauern fleißig. Die Landschaft ist recht nett, rechts und links vom Tal Wälder, nach 20 km kommt ein kleiner Berg mit einer Teeplantage. Ein entgegenkommender Busfahrer zeigt wieder den Daumen.
Ein Schauer zwingt mich in die Regensachen, um sich nach 5 km wieder auszupellen. Trotz des Regens sind die Flüsse fast leer, große breite Brücken überspannen große breite Flusstäler ohne Wasser, dafür mit vielen Wackersteinen.
Irgendwann stelle ich beim treten ein Geräusch fest, ein etwas metallenes „ping- ping“, nach kurzer Suche ist die Ursache gefunden – das kleinste Kettenblatt, welches mit vier Schrauben befestigt ist, hängt nur noch an einer (???). Aha, so etwas hatte ich noch nie. Fazit: Beim nächsten Zusammenbau alle Schrauben auf festen sitz prüfen.
Ortseingang schüttet es richtig, Grund genug beim ersten Radladen nach den Schrauben zu fragen, leider sind die vorrätigen zu kurz.
Von weitem sehe ich ein Hotel, für 1600 NT$ incls. Frühstück darf ich sogar das dreckige Rad aufs Zimmer nehmen, ich stelle es nach kurzer Reinigung in die Tiefgarage, das Personal muss ja nicht unnötig belastet werden. Weil das Hotel mir gefällt und ich nur eine Tagesetappe zur Taroko-Schlucht machen möchte, bleibe ich zwei Tage.
Die Stadt lebt vom Tourismus welcher die Schlucht besucht, entsprechend gibt es viele Geschäfte, Restaurants, Imbissbuden etc., ein Giant-händler verkauft mir die vier Schrauben für das Kettenblatt.

Taroko Schlucht 70 km

Die Hinfahrt zur Schlucht verläuft unspektakulär an einer viel befahrenen Straße. Am Taleingang steht eins von vielen Zementwerken welche in der näheren Umgebung das Bild beeinträchtigen. Nach einem kurzem Besuch der Parkverwaltung, wo es ein Café und Souvenirshop hat, fahre ich in die Schlucht. Zwei kurze Tunnel (ein paar hundert m) lassen mich schneller treten um dann vor den steil aufragenden Wänden zu stehen. Eine kleine Tempelanlage in unmittelbarer Nähe lässt sich auch besichtigen. Nachdem 35 km auf dem Tacho stehen habe ich genug Taroko gesehen um umzudrehen, so richtig habe ich keine Lust heute.
Ich plane für die nächsten Tage. Inlands fahren wird kalt, ich habe nicht die entsprechenden Sachen mit, selbst wenn ich alles anziehen würde. Schweren Herzens beschließe ich den Zug bis nach Suao zu nehmen, um dann, der Küste folgend, Richtung Norden zu radeln. Also noch zwei Tage auf dem Rad bis Tai Peh. Der Grund den Zug zu nehmen sind die Zement LKWs und einige unbeleuchtete Tunnel welche dafür sorgen, dass selbst Touristenbusse diese Strecke meiden – zu gefährlich.
Am Abend habe ich dann eine interessante Begegnung mit der chinesischen Kultur: In einem Schaufenster eines Künstlers sehe ich eine kleine Metalldose welche mir gefällt, würde ich gerne kaufen als Geschenk. Der Künstler beschreibt gerade kunstvoll mit seinem schwarzen Pinsel Leinwände - ich störe. Also warte ich bis er fertig ist, was so ca. 20 min dauert. Eine Dame im Hintergrund kommt zu mir, erklärt dass der Meister immer schwer arbeitet. Kann ich sehen und ich bin auch sehr beeindruckt, Kalligraphie hat was. Die Dose könne ich kaufen, leider habe ich nicht genug Geld bei mir. So gehe ich zum Hotel, hole Bargeld, um dann wieder beim Künstler vorstellig zu werden. Jetzt ist Essenszeit, ob ich denn nicht später noch einmal vorbeischauen möchte (?), möchte ich ehrlich gesagt nicht. Und plötzlich ist die Dose überhaupt nicht mehr käuflich zu erwerben, sie würde der Schwester der Dame gehören und wäre nur ein Ausstellungsstück. Grummelnd ziehe ich von dannen, ich habe so das Gefühl, dass beide Parteien nicht zufrieden sind.

Zug bis Suao, Jo long 71 km

Um 8:00 bin ich am Bahnhof, ein Zug, welcher auch die Räder mitnimmt, geht in einer Stunde, der nächste erst am Nachmittag - Glück gehabt. Ein Fahrschein für mich, einer für das Rad und ich darf auf den Bahnsteig. Eine ausgewiesene Stellzone für Fahrräder gibt es auch, überhaupt hat es viele Hinweisschilder (Gebote, Verbote, Informationen).
Drei junge Männer (22) fahren auch mit dem Rad um die Insel, wir kommen ins Gespräch, es sind Studenten welche mal die Tour machen möchten. Unbedarft, ohne Erfahrung was reparieren oder flicken angeht (selbst das ölen der Kette hatten sie nie gemacht) haben sie nun auch, ohne Probleme, die Reise fast hinter sich. Der Zug entpuppt sich als Bummelzug, an jedem Bahnhof wird gehalten. Macht mir nichts aus, wir unterhalten uns gut, viele Mitreisende sorgen für Abwechslung und nach ca. zwei Stunden sind wir da. Unterwegs sah man den Grund dafür dass wir im Zug saßen, jede Menge Zementwerke. An einer neuen mächtigen Straße wird gebaut.
In Suao treffen wir auch auf Horden von Festlandchinesen welche nun per Bus wieder zurück nach TaiPeh oder woanders gekarrt werden. Selbst als Tourist stellt man einen Unterschied der beiden Kulturen (Festlandchinesen und Taiwanesen) fest, Interessant.
Die Jungs fragen mich wie weit ich fahren will, da ich nur so eine ungefähre Idee habe, schlagen sie vor, dass wir zusammen bis Jo long radeln und uns eine Unterkunft teilen, klasse Idee. Brauche ich nichts zu suchen und zusammen ist besser als allein.
Grauer Himmel schützt gegen zu viel Sonne, so geschützt radeln wir los, nach GPS was die Jungs haben und erstmal in die falsche Richtung. An der Küste entlang gehts Richtung Norden. Die Straße ist gut befahren aber der Verkehr nervt nicht. An einen Museum machen wir Rast, nicht um die Exponate zu bewundern sondern um dort im Restaurant Pause zu machen. Die Jungs holen ihre Lebensmittel raus, das scheint, im Gegensatz zu hier, toleriert zu werden. Eine Polizeistation gibt neues Wasser und an einem Leuchtturm ist ein fotoshooting angesagt. Kurz später, nach durchfahren eines Schlaglochs, habe ich einen Platten. Radausbau, Schlauchwechsel und Radeinbau dauert ca. 7 min. , die Jungs sind beeindruckt. In Jo long finden wir die Unterkunft, wir teilen uns ein 5 er Zimmer mit einer Dusche. Es hat genug freie Zimmer aber ich finds witzig so. Nach dem Duschen gehen wir noch los holen ein paar Bier und etwas fastfood. Die Jungs sagen dieses fastfood wäre gut und außerdem weit bekannt, nachdem ich die Styroporschale auf dem Tisch habe und die ersten Bissen im Magen sind kann ich die Begeisterung nicht nachvollziehen. Gut, die sind noch jung und begeisterungsfähig. Satt sind wir allerdings nicht und gehen noch auf eine kräftige Suppe in einen anderen Laden.
Abends wird dann TV geschaut, Basketball, gegen 1:00 Uhr bitte ich den Ton etwas runter zu drehen … der Altersunterschied macht sich bemerkt.

Danshui 111 km (TaiPeh)

Früh stehe ich auf, die Jungs schlafen noch, eine kurze Notiz und einen netten Geldschein (400 TW$ hatte die Übernachtung gekostet, da können die Jungs das gesparte für Bier oder Kaffee gut gebrauchen) hinterlasse ich.
Die Wolken sind immer noch da, etwas Nieselregen gesellt sich dazu. Diverse LKWs nerven mich, durch drei kurze Tunnel haste ich durch. So richtig macht das radeln gerade keinen Spaß.
In Keelung verfahre ich mich und zwar richtig so dass ich wieder in die Richtung fahre von der ich komme. Und ich denke immer, so ein großer See war gar nicht auf der Karte verzeichnet ……… nach fünf km erkenne ich meinen Irrtum und drehe um. Keelung ist recht groß ca. eine Stunde brauche ich um durch zu kommen. Dann wird der Verkehr weniger, zumindest keine LKWs mehr sondern PKWs welche Einheimische Touristen an die Nordküste spülen. Die Sonne kommt raus, ruckzuck die Gelegenheit ergriffen und nach meinem Hinterrad geschaut wo gerade etwas Luft entweicht. Der Flicken harmonisierte nicht so mit dem Schlauch, den vorletzten Flicken verflickt und das sollte es eigentlich gewesen sein, zumindest mit Pannen.
Danshui ist mit TaiPeh durch die Bahn verbunden, große Wohnblocks bestimmen das Bild. Die Mitnahme von Rädern ist an bestimmten Stationen nicht gestattet, so muss ich eine Station weiter fahren. Das Ticket kaufen und auf den Bahnsteig zu kommen ist kein Problem, fast alles ist in english vorbildlich beschrieben, Broschüren gibt es auch. Auf dem sauberen WC wasche ich mich schnell und wechsel die Sachen, schließlich will ich nicht mehr stinken. Die Radmitnahme ist kein Thema, die Mitfahrenden sind rücksichtsvoll und nach ca. 30 min. bin ich in Taipeh.

TaiPeh,

find ich gut. Wenig Individualverkehr im Vergleich zu anderen Städten auf Taiwan. Busse und Taxis bestimmen das Bild, Roller hat es auch. Wenig Fahrradfahrer obwohl es einen Service zu ausleihen gibt. Das Bahnsystem ist klasse, mit einer aufladbaren Karte lässt es sich preiswert und schnell innerhalb der Stadt bewegen.
Da das Wetter so bescheiden war, auch in den nächsten Tagen wird es teilweise stark regnen, habe ich beschlossen einen Aufenthalt zu verkürzen. Eine Woche Taipeh mag ich nun doch nicht und bei China Airline konnte ich mein Ticket kostenfrei umbuchen.
Ansonsten kann man es in Taipeh aushalten, Nachtmärkte, der 101 tower und ganz besonders das National Museum sind zu empfehlen. Jeder Museumsdirektor in D würde vor Freunde weinen wenn er diese Massen an Besuchern hätte. Die chinesischen Kaiser hatten vor vielen Jahren angefangen Güter des täglichen Lebens zu sammeln. Und was man da an Porzellan sieht ist schon beeindruckend. Zu einer Zeit wo in Europa der Bunke noch den Holzschaber für die Toilette nutzte (wenn überhaupt) gab es dort schon Töpfe aus Porzellan. Nach drei Stunden bin ich raus weil es einfach zu viel der Eindrücke war, da bin ich weich geworden.

Fazit

Taiwan ist vielleicht ein ungewöhnliches Reiseziel, zumal wenig Sandstrände und die Infrastruktur für Pauschaltouristen fehlt. Für Individualtouristen ist es recht preiswert, wobei man durchaus für 40 € die Nacht in einem sauberen Bett in einem sauberen Hotel mit TV und WIFI verbringen kann. Nach oben und unten sind natürlich keine Grenzen. Die Jungs erzählten mir, dass der Süden wesentlich preisgünstiger ist als der Norden. Eine Nacht hatten sie mal ein Gemeinschaftszimmer für 250 TW$. Ich habe jetzt nicht groß nachgerechnet denke aber, dass mich der Aufenthalt ca. 1200 € gekostet hat. Wer mal schnell um die Insel möchte kann das in ca. zwei Wochen mit 1000 km erledigen. Reizvoll sind natürlich die Bergregionen und der Süden. Die Menschen sind hilfsbereit und im Großen und Ganzen kommt man mit dem LP Phrasebook gut durch. Bilder werde ich die tage hochladen und eine links setzen