Re: Südwest Europa

von: veloträumer

Re: Südwest Europa - 20.08.14 15:42

Ich weiß jetzt nicht, ob ich dir antworten soll, ob du schon meine Ansichten dazu kennst, ob du vielleicht schon meinen Pyrenäenbericht aus dem Jahre 2011 gelesen hast? - Grundsätzlich gilt für Andorra: Nur einmal durchradeln, wie das viele auf der Hauptachse über den Port d'Envalira tun - wie ich auch im Jahre 2004 -, entnervt durch die Hauptstadt und dann nach La Seu raus (oder umgekehrt) - das lohnt in der Tat nicht. Damals hatte ich ein einseitig schlechtes Bild von Andorra. Auf der Passhöhe gibt es eine Esso-Tankstelle und zu beiden Seiten im Grenzbereich unzählige Einkaufshops, Tankstellen usw., die ihr Geschäft mit Spaniern oder Franzosen machen ob der günstigen Steuer (tatsächlich können Markenwaren erheblich günstiger sein). Zu beiden Seiten der Hauptstadt sind die meisten Talbereiche so eng, dass man kaum ein Bergpanorama genießen kann. Andorra hat zu wenig Fläche für viele Menschen - entsprechend dicht werden auch Steilhänge bebaut. Andorra La Vella selbst ist oft ein Verkehrsmoloch, zwangsläufig führen Baustellen zu großen Staus, da keine Ausweichstrecken vorhanden. Auch der Jetset trifft sich dort. Das ist die eine Seite Andorras.

Die andere ist: Andorra ist eben auch ein Bergland - sogar ein reines Hochgebirgsland. Nicht alle Berghänge sind zugebaut oder kommerzialisiert durch Skilifte etc. Leider sind einige schöne Gegenden eben nur Stichtäler. Der m.E. schönste Straßenpass, der sich als Rundkurs fahren lässt, ist der Col d'Ordino (1980 m). Man zweigt in Canillo von der Hauptachse ab und fährt rüber nach Massana - auch in dieser Reichtung zu empfehlen, da die panoramareiche, eindrucksvolle Auffahrt auf der Ostseite liegt. Oben gibt es urtümliche Haine und blütenreiche Bergwiesen. Ein weiterer spannender, aber nicht ganz so eindrucksvoller Übergang besteht von Anyos nach Encamp, im Osten aber teils Schotterpiste. Ein wohl dann noch schwierigerer Teilschotterpass wäre der serpentinenreiche Collado de Gallina (bin ich aber nicht gefahren). Sicherlich auch nicht die erste Garde von Bergpässen, aber oben doch mit eindrucksvollem Panorama ist der Port de Cabús (2300m), der auf Andorra-Seite asphaltiert ist. Der große Reiz dieses Passes liegt auf der Spanischen Seite, nach Tor hinunter Piste, besonders danach auf engem Asphalt durch blumig-wassereiches Felstal nach Alins. Es besteht damit ein durchaus fahrbarer Anschluss an den Port de la Bonaigua z.B. (einziges echtes Hindernis ist ein Bergbach, der ggf. ohne Schuhe durchquert werden muss). Für die Geschichte um Tor sei unbedingt mein Bericht und das dort erwähnte Buch empfohlen (auch wenn auf spanischem Boden, hat es sehr viel mit Andorra und der dortigen Grenze zu tun). Weiters sind in Andorra mehrere Radrouten nummeriert und ausgewiesen - dazu gibt es m.W. auch eine Broschüre (Tourist-Info fragen).

Wie alle Füstentümer ist auch Andorra eine Stadt der Künste und Museen - sofern man sich dafür Zeit nimmt, wird man auch das schätzen lernen. Neben historischen Gebäuden bietet Andorra la Vella auch etliche moderne Bauwerke, die eines Blickes würdig sind. Wenn du Zeit für Andorra hast, nimm sie dir. Wenn du in Eile und Hast bist, lass es lieber.