Re: Pyrenäen von Ost nach West

von: Tom72

Re: Pyrenäen von Ost nach West - 26.11.17 23:15

7. Tag (22.07.2016), La Seu d’Urgell – Sort
Strecke: 48 km
Fahrzeit: 3 Std. 36 min
Höhenmeter: 1150


Heute Morgen regnet es; auch, als ich gepackt habe und eigentlich losfahren will, wird das Wetter nicht besser. Der Wetterbericht ist auch nicht allzu vielversprechend. Ich finde Unterschlupf im netten Café meiner gemütlichen kleinen Pension, das ebenfalls von der rührigen älteren Wirtin betrieben wird, trinke einige Tassen Kaffee zum Zeitvertreib, während ich vergeblich auf besseres Wetter warte, und gehe schließlich davon aus, dass es heute keinen Sinn mehr macht, den Collado del Cantó in Angriff zu nehmen und ich am besten heute in La Seu bleiben sollte. Da ich den Tag ohnehin verlorengegeben habe, nutze ich die Chance, dass ich in einem für die Pyrenäen verhältnismäßig großen Ort bin, in dem ich auch einen Fahrradladen finde, und besorge mir neue Pedale, da mich seit gestern ein ständiges Knacken, das aus dem rechten Pedal zu kommen scheint, nervt. Als ich nach der Montage der neuen Pedale die alten vor dem Wegwerfen nochmal in Augenschein nehme, stelle ich fest, dass am rechten Pedal ein Kugellager fehlt – daher also das Geräusch. Glück gehabt; damit hätte ich am bevorstehenden Passanstieg keine Freude gehabt.

Am frühen Nachmittag hört der Regen doch noch endgültig auf, und ich entscheide, heute doch noch weiterzufahren. Einige Kilometer unterhalb von La Seu d’Urgell verlasse ich das Tal des Flusses Segre und biege bei Adrall auf die über den Collado del Cantó führende Passstraße ab. Auch diese Passquerung ist ein Teilabschnitt der N 260, der „Eje Pirenaico“, der ich seit gestern folge.



Obwohl mit ca. 1720 m für Pyrenäen-Verhältnisse von durchaus beachtlicher Höhe, zählt der Pass nicht zu den bekannteren in den Pyrenäen und erst recht nicht zu den Radsport-Legenden, und ich habe von ihm erstmals bei der Ausarbeitung der jetzigen Tour erfahren. Umso neugieriger bin ich. Die ersten paar Kilometer, auf denen ich durch ein oder zwei kleine Dörfer komme, haben es in sich mit knackigen 9 bis 10 Prozent Steigung. Dann wird die Steigung für den Rest der Auffahrt deutlich moderater, so dass ich den Cantó insgesamt als nicht besonders anspruchsvoll empfinde. Ich erreiche zum zweiten Mal auf der Tour die 1000-Höhenmeter-Marke



und genieße den Blick auf die Natur im Großen



und im Kleinen.



Die Fahrt hinauf zum Cantó ist nicht spektakulär, aber landschaftlich auf alle Fälle lohnenswert.



Mit dem Collado del Cantó bzw. Port del Cantó habe ich den (abgesehen von den noch vorgesehenen Wanderungen) zweithöchsten Punkt der Tour erreicht; in drei Tagen steht dann als höchster Pass der Port de la Bonaigua auf dem Programm.



Nun steht mir die verdiente, lange Abfahrt hinunter nach Sort bevor; die Freude ist allerdings etwas getrübt durch die zunehmende Bewölkung, die baldigen Regen befürchten lässt. Ich beeile mich also, um die Abfahrt möglichst trocken genießen zu können. Links im Bild erkennt man die hinabführenden Serpentinen.



Schließlich erblicke ich unten im Tal den bedeutenden Tourismusort Sort.



Er liegt an der Noguera Pallaresa, einem Nebenfluss des Segre. Das Flüsschen und generell der Ort sind ein bedeutendes Zentrum des Kanusports in den Pyrenäen.



Kaum habe ich den Ort erreicht, fängt der Regen an. Glück gehabt. Unter der Markise einer Tapas-Bar belohne ich mich für die Passquerung mit einer Cerveza und probiere aus Neugier erstmals auf meinen Spanien-Reisen Callos. Dabei handelt es sich um Innereien (Kutteln), mit einer pikanten Paprika-Sauce (die allerdings wohl der hauptsächliche Geschmacksträger ist) durchaus lecker zubereitet. Warum auch nicht – bei der Gelegenheit erinnere ich mich an eine andere zunächst gewöhnungsbedürftige, aber letztlich sehr schmackhafte Spezialität, die ich vor einigen Jahren auf einer Radreise in Spanien genossen habe, nämlich Schweineohren (oreja de cerdo) (ich meine nicht das Gebäck…).



Der Regen lässt nach, und ich finde im Ortszentrum ein preiswertes, aber sehr komfortabel ausgestattetes Zwei-Sterne-Hotel („Hotel Pey“), in dem ich mich einquartiere und mit dem ich sehr zufrieden bin (das Bild stammt bereits vom nächsten Morgen).



Fortsetzung folgt…