Re: Pyrenäen von Ost nach West

von: Tom72

Re: Pyrenäen von Ost nach West - 11.12.17 21:59

13. Tag (28.07.2017), Busfahrt Vielha – El Pont de Suert durch den Túnel de Vielha

Bis Vielha hatte ich die Tour bereits vor Reiseantritt im Wesentlichen so geplant, wie ich sie dann auch gefahren bin. Alles Weitere hatte ich mir allerdings offengelassen. Also gilt es nun für den weiteren Verlauf eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen:

Zum einen könnte ich die Tour auf der Nordseite des Pyrenäenhauptkamms, auf der ich sowieso schon bin, das heißt letztlich auf der französischen Seite, fortsetzen. Das würde bedeuten, das Tal der Garona/Garonne abwärts zu fahren, über den Col du Portillon (1320 m) die Grenze nach Frankreich zu überqueren, denn über den Col de Peyresourde (1569 m) und den Col d’Aspin (1489 m). Dann käme der berüchtigte Tourmalet (2115 m). Danach würde ich in Argelès-Gazost auf die mir bereits von einer Radreise drei Jahre zuvor bekannte Strecke über den Col d’Aubisque (1709 m) treffen und hätte anschließend mit der mir ebenfalls bereits bekannten Überquerung des Pyrenäenhauptkamms über den Pourtalet erstmals seit Vielha eine Möglichkeit, wieder auf die spanische bzw. Südseite der Pyrenäen zu wechseln (wenn man von dem offenbar für Fahrräder verbotenen Bielsa-Tunnel absieht). Landschaftlich sicher eine lohnenswerte Route; für meinen verbleibenden Zeitrahmen wären das allerdings eigentlich zu viele anstrengende Pässe, zumal ich den Aubisque und den Pourtalet (die allerdings landschaftlich wunderschön sind und auch eine Wiederholung verdient hätten) schon kenne.

Zum anderen könnte ich auf der spanischen Südseite der Pyrenäen weiterfahren, was nach meiner Einschätzung mit weniger anspruchsvollen Pässen verbunden wäre und somit auch besser zu meinem nun doch recht knappen Zeitplan passen würde. Einige sicher interessante Pässe auf französischer Seite würde ich so zwar verpassen, unter anderem den legendären, aber sicher auch sehr anstrengenden Tourmalet, aber den Aubisque und den Pourtalet kenne ich ja bereits. Und ich könnte dann schließlich z. B. über den Col du Somport wieder auf die französische Seite wechseln (oder auch vorher über den Pourtalet). Allerdings muss ich für diese Variante von Vielha aus zunächst den Pyrenäenhauptkamm wieder nach Süden überqueren, was nur durch den gut 5 km langen Túnel de Vielha möglich ist.

Ich entscheide mich schließlich für die Variante auf der spanischen Seite, auf die ich irgendwie neugieriger bin. Es stellt sich also die Frage, wie ich durch den Vielha-Tunnel komme. Im Tourismusbüro in Vielha meint man, das sei mit dem Rad kein Problem und auch offiziell zulässig, man solle sich beim Tunnelpersonal melden (Meldung über die Notruf-Einrichtung beim Kontrollzentrum), und dann würde von den in meine Fahrtrichtung im Tunnel, da er in dieser Richtung ansteigt, zwei vorhandenen Fahrspuren eine speziell für den Radfahrer reserviert und für den Kfz-Verkehr gesperrt werden und über die elektronischen Hinweistafeln der Verkehr auf die Anwesenheit von Radfahrern im Tunnel hingewiesen werden. Eine offizielle Quelle dazu kann man mir im Tourismusbüro allerdings nicht angeben (lediglich den Ausdruck einer privaten E-Mail auf Katalanisch von jemandem, der seine persönliche Erfahrung mit der Tunneldurchquerung schildert), so dass ich skeptisch bleibe und mich für die mir im Tourismusbüro ebenfalls genannte Alternative mit dem Bus entscheide, in dem die Fahrradmitnahme (ohne das Rad verpacken zu müssen) möglich ist. Ich habe die Problematik "Mit dem Rad durch den Vielha-Tunnel" nach der Reise hier im Forum thematisiert. Selbst wenn die Fahrt durch den Tunnel tatsächlich möglich und zulässig sein sollte, wäre die Fahrt wegen des starken (auch Lkw-) Verkehrs auf dieser bedeutenden Pyrenäenquerung sicher sehr unangenehm gewesen.

Ich verlasse also mein Hotel in Vielha (Hotel Riu Nere), in dem ich drei Nächte verbracht habe und mit dem ich sehr zufrieden war



und finde mich am späten Vormittag an der Haltestelle ein. Der Bus, den das Unternehmen ALSA, einer der Marktführer im spanischen Überland-Busverkehr, auf der Strecke einsetzt, stellt sich als überraschend kleines Fahrzeug heraus, das aber im Gepäckraum im Heck ausreichend Stauraum für mein Rad mitsamt (abgehängten) Packtaschen bietet; es hätte auch noch mindestens ein weiteres Fahrrad hineingepasst.



Blick aus dem Busfenster hinunter auf Vielha



und auf die Landschaft nach Durchquerung des Túnel de Vielha auf einer Höhe von 1396 m (Nordportal) bis 1593 m (Südportal) auf der Südseite des Pyrenäen-Hauptkamms



Der erste Halt des Busses nach Vielha ist leider erst wieder in El Pont de Suert, ca. 28 km südlich des Tunnelausgangs und ca. 40 km südlich von Vielha auf einer Höhe von ca. 850 m. Der Preis für die doch recht lange Fahrt war, wenn ich mich richtig erinnere, einschließlich des Fahrradtransports lediglich ein einstelliger Euro-Betrag.

Für eine Weiterfahrt ist es heute zu spät, da für die nächste Etappe als Ziel Aínsa und die Überquerung von zwei Pässen (Coll de l’Espina und Coll de Fadas mit jeweils gut 1400 m) vorgesehen ist. Ich quartiere mich daher in einem netten, preisgünstigen Hotel ein



und sehe mich im Ort um. Ich befinde mich nach wie vor in Katalonien.



Eine der Sehenswürdigkeiten von El Pont de Suert ist eine architektonisch interessante Kirche aus den 1950er Jahren.



14. Tag (29.07.2017), El Pont de Suert – Aínsa
Strecke: 88 km
Fahrzeit: 5 Std. 14 min
Höhenmeter: 1263


Heute werde ich wieder der Nationalstraße N 260, der „pyrenäischen Achse“ (Eje pirenaico), weiter Richtung Westen folgen, die ich vor einigen Tagen in Sort verlassen habe. Dazu muss ich allerdings zunächst einige Kilometer zurück, aufwärts, auf der Straße fahren, auf der ich gestern mit dem Bus vom Vielha-Tunnel abwärts nach El Pont de Suert gekommen bin, um dann Richtung Westen auf die N 260 abzubiegen.

Direkt nach dem Abzweig verlasse ich Katalonien (auf Spanisch/Kastilisch (Castellano) Comunidad Autónoma Cataluña, auf Katalanisch Comunitat Autònoma de Catalunya) und komme in die Autonome Gemeinschaft Aragonien (Comunidad Autónoma de Aragón), die im Gegensatz zu Katalonien offenbar keine ausgeprägten sprachlichen Besonderheiten aufweist und jedenfalls im Wesentlichen „rein spanischsprachig“ ist.





Nun geht es, bei nicht allzu anstrengender Steigung, hinauf zum Coll de l’Espina auf 1407 m



und bald darauf, nach nur wenigen „verlorenen“ Höhenmetern, über den Coll de Fadas (1470 m).



Dann kann ich eine längere Abfahrt genießen.



In Castejón de Sos mache ich Rast. Der auf ca. 900 m Höhe gelegene Ort ist eine Hochburg des Gleitschirmfliegens. Laut meinem Reiseführer ist die kleine Gemeinde bis heute stolz darauf, dass sie 1997 die Weltmeisterschaft in dieser Sportart ausgetragen hat.



Kurz unterhalb von Castejón de Sos erwartet mich ein landschaftliches Highlight: Die N 260 verläuft mehrere Kilometer durch eine enge, tiefe Schlucht, den Congsto de Ventamillo.









Anschließend eröffnen sich wieder traumhafte Ausblicke auf die umliegenden Gebirgsmassive.



Ich folge weiter der N 260; es geht ein weiteres Mal aufwärts über den „nur“ 1020 m hohen Collado de Foradada.









Das heutige Etappenziel, Aínsa mit seiner malerischen Altstadt, ist um diese Jahreszeit, Ende Juli, touristisch ziemlich überlaufen. Viele Unterkünfte sind ausgebucht; erst nach einigem Suchen finde ich ein recht preiswertes Hotelzimmer (einen Campingplatz scheint es nicht zu geben). Das Hotel befindet sich wie auch zahlreiche weitere in dem nicht besonders reizvollen modernen Viertel unterhalb der Hügelkuppe, auf der der historische Ortskern liegt. Den eigentlichen Charme Aínsas erlebe ich dann abends oben in der Altstadt. Allerdings ist der zentrale Platz, um den sich die zahlreichen Restaurants gruppieren, derart voll von Touristen, dass ich eine Weile warten und suchen muss, bis ich einen freien Tisch finde, um den Tag mit einem Abendessen und dem Blick auf die stimmungsvoll beleuchteten historischen Gebäude ausklingen zu lassen.





15. Tag (30.07.2016), Aínsa – Jaca
Strecke: 66 km
Fahrzeit: 4 Std. 21 min
Höhenmeter: 862


Auch heute folge ich weiter der „Pyrenäischen Achse“ N 260 (Eje pirenaico). Zunächst geht es landschaftlich recht reizvoll über Boltaña nach Fiscal.







Ab Fiscal wäre die landschaftlich sicher lohnenswertere Variante über Broto und Biescas (an der vom Col du Pourtalet herabführenden Straße, wo ich vor einigen Jahren nach einer Überquerung des Pourtalet übernachtet habe) nach Sabiñánigo gewesen. Aufgrund meines nunmehr recht knappen Zeitplans entscheide ich mich aber für eine in meiner Karte verzeichnete direktere Route (weiterhin als N 260 bezeichnet) zwischen Fiscal und Sabiñánigo. Ich wundere mich aber, dass in meiner Michelin-Karte ein Stück dieser Route gestrichelt dargestellt ist.

Die von mir ab Fiscal gewählte Route stellt sich schließlich als eine ganz neue, erst 2012 eröffnete direkte Straßenverbindung zwischen Fiscal und Sabiñánigo heraus. Der in meiner Karte gestrichelt, also als im Bau befindlich, gekennzeichnete Abschnitt ist der zu meinem Glück mittlerweile fertiggestellte Túnel de Petralba. Trotz seiner Länge von ca. 2600 m gestaltet sich die Fahrt durch den Tunnel, obwohl er in meine Fahrtrichtung ansteigt, völlig problemlos, da der Autoverkehr auf dieser neuen und gut ausgebauten Strecke überraschend gering ist (zum Glück gibt es keinerlei Hinweise auf ein Fahrradverbot). Dies ist somit der neue Verlauf der N 260 in diesem Bereich; die ursprüngliche Route über Broto und Biescas wird aber offenbar nach wie vor ebenfalls unter der Bezeichnung N 260 (bzw. N 260 a) geführt.





Ich denke zurück an die mit dem Bus bewerkstelligte Durchquerung des Vielha-Tunnels vor einigen Tagen und frage mich, ob ich angesichts meiner jetzigen „positiven“ Tunnel-Erfahrung nicht doch auch die Fahrt mit dem Rad durch jenen „nur“ etwa doppelt so langen Tunnel hätte riskieren sollen, zumal ich ja Informationen hatte, wonach das grundsätzlich möglich sei. Aber auf der Strecke durch den Túnel de Vielha (bedeutende Transitstrecke durch die Pyrenäen) war eben auch wesentlich mehr Kfz-Verkehr als hier.

Nach dem auf ca. 1200 m gelegenen Tunnel geht es abwärts nach Sabiñánigo. In dem Ort, den man nicht unbedingt gesehen haben muss, mache ich eine kurze Rast.



Dann geht es weiter Richtung Westen in relativ flachem Gelände (ich habe die eigentlichen Pyrenäen nun verlassen und fahre parallel zu ihnen, mit Blick auf die Pyrenäen im Norden und die vorgelagerten Höhenzüge im Süden, bevor morgen die nächste Überquerung des Pyrenäen-Hauptkamms folgt). Ab hier ist mir die Strecke bis Jaca bereits bekannt von einer Radreise vor drei Jahren, als ich nach der Überquerung des Pourtalet hier langgekommen bin (und anschließend von Jaca weiter Richtung Westen nach Kantabrien und in die Picos de Europa gefahren bin).

In Jaca, bedeutend als erster größerer Ort am Jakobsweg nach dessen Überquerung des Col du Somport, über den mich mein Weg morgen führen wird, gibt es zwar keinen Campingplatz, aber mit Hilfe der Tourismusinformation finde ich eine preiswerte Pension. Abends lasse ich den Tag in der netten, von zahlreichen Touristen bevölkerten Altstadt ausklingen.





Fortsetzung folgt…