Re: Nordböhmen, vorzugsweise da wo es Berge hat

von: buche

Re: Nordböhmen, vorzugsweise da wo es Berge hat - 14.08.18 08:35

25.07.2018: Janske Lazne-Nove Mesto nad Metuji

Zufälligerweise liegt Johannisbad am Fuße des 1300m hohen Schwarzenberg (Cerna Hora). Zufälligerweise habe ich diesen markanten Gipfel mit seinem Fernsehturm schon von der Schneekoppe aus ins Auge gefaßt. Also erst mal rauf. Die Seilbahn lasse ich selbstverständlich aus zwinker


Der Fernsehturm ist wieder so ein charakteristisches 70er-Jahre-Modell. Erinnert mich irgendwie an James-Bond "Moonraker" zwinker


Daneben gibts auf dem Gipfel noch ein schönes Moor.


Sowie gutes lokales Bier. Überhaupt wars hier oben lustig. Um 11 Uhr auf dem Gipfel, um mich herum das Zischen von den Bierdosen, die die tschechischen Wanderer aufmachen.


Der Aussichtsturm auf dem Gipfel ist der ziemlich enge Mast einer ausgedienten Seilbahn.


Der Schwarzenberg steht am südöstlichen Ausläufer des Riesengebirges. Entsprechend hat man eine sehr schöne Aussicht in die Tiefebene.


Mein nächstes Tagesziel ist die Adersbach-Weckelsdorfer Felsenstadt in 50km Entfernung. Also erst mal raus aus dem Riesengebirge und ein bisschen Flachstrecke überwinden.


Die Felsenstadt erinnert mich von außen stark an das Elbsandsteingebirge. Außerdem ists heute extrem überlaufen. Ich verzichte auf eine Erkundung zu Fuß und düse schnellstmöglich weiter.


Unterwegs sehe ich etwas interessantes. Ich bin schon an vielen Sühnekreuzen vorbeigekommen. Sühnekreuze mussten vom Täter errichtet werden, wenn dieser jemanden ohne böse Absicht getötet hat. Hier finde ich jedoch ein Kreuz das keine lateinische Inschrift trägt - hebräisch vielleicht?


Ich folge mittlerweile der Radroute 22, einfach weil's schön ist.


Ich komme an riesigen Mohnfeldern vorbei. Vermutlich aber keine Opium-Plantagen zwinker


Mein Tagesziel ist Neustadt an der Mettau (Nove Mesto nad Metuji), eine Renaissancestadt auf einem Bergsporn.


Ich übernachte im ältesten Haus am Platze.


Diese Nachttischlampe musste ich einfach fotografieren! Wo kann man sowas heute noch kaufen?


Das Essen war jedenfalls wieder überaus lecker!


26.07.2018: Nove Mesto-Hradec Kralove

Da mir nichts besseres einfällt, beschließe ich heute, ins 30km östlich gelegene Adlergebirge (Orlicke hory) auf die höchste Erhebung (Deschneyer Großkoppe, Velka Destna auf 1100m) zu fahren. Unterwegs komme ich am Hexenhäuschen von Hänsel und Gretel vorbei, glaube ich.



Lange Bergauf-Passagen lassen sich durch Blümchenfotografieren immer schön unterbrechen! Schau nur, dieser tolle Fingerhut!


Oben auf dem Gipfel musste ich allerdings feststellen, dass (a) die Aussicht, falls es eine gab, längst zugewachsen war, (b) es in Strömen regnete und (c) die einzige Schutzhütte weit und breit von mehreren Großfamilien mit Kleinkindern belegt. Nichts wie weg.


In einem Restaurant bei Destne bekomme ich mein schönstes Essen in ganz Tschechien. Knoblauchsuppe (Foto), Schweinebraten mit Knödeln und Klößen, zum Abschluss Palacinka mit heißen Erdbeeren. Leider kann ich nicht den ganzen Tag hier bleiben.


Ich möchte als nächstes wieder an die Elbe. Und zwar interessiert mich besonders Königgrätz (Hradec Kralove), eine Stadt mit einer tausendjährigen Geschichte. Dafür habe ich nach dem Adlergebirge noch 50 flache Kilometer vor mir. Schön ist der Weg trotzdem! Außerdem hört nach dem Gebirge der Regen auf wie abgeschnitten.


Begafft von einer Kuhherde. Wie finde ich denn das?


Die Altstadt von Königgrätz liegt auf einem langgestreckten Hügel, der sich am Zusammenfluss von Elbe und Orlice erhebt. Es gibt viele schöne Bürgerhäuser zu sehen, Kathedralen, Plätze, alles im hier üblichen Baustil gehalten. Schön.


Ebenfalls typisch für diese Gegend sind die Arrangements von Säulenheiligen auf dem Marktplatz. Beinahe jede Stadt hat eine Heiligenfigur auf einer hohen Steinsäule, wenn auch meist nicht so aufwendig wie in Königgrätz.


Die Elbe ist hier schon ganz schön breit.


In mehreren tschechischen Städten bin ich Oberleitungsbussen begegnet. Früher waren die auch in Deutschland durchaus üblich, bis man sie gegen die "moderneren" Diesel-Busse ersetzt hat. Im Zuge der Energiewende wird man sich in Tschechien jetzt vermutlich sehr darüber freuen, diese Infrastruktur nicht weggerissen zu haben.


Ich übernachte heute im Adalbertinum, einem riesigen ehemaligen Jesuitenkolleg, das recht geschmackvoll und zurückhaltend zu einem stilvollen Hotel umgebaut wurde.


27.07.2018: Hradec Kralove-Jicin

Heute Abend möchte ich in der Nähe vom Böhmischen Paradies sein. Dafür folge ich zunächst dem Elberadweg ein Stückchen.


Dabei komme ich am Schloss von Pardubice vorbei, einer riesengroßen ehemaligen Wasserburg, die im 16. Jh zu einem Renaissance-Schloss mit Sgraffito-Fassade umgebaut wurde.


Mit ein paar leuchtendbunten Pfauen davor sieht allerdings jedes Schloss edel aus zwinker


Ich beschließe, der Elbe so lange weiter zu folgen bis mir das zu langweilig wird.


Das ist dann 30km weiter der Fall zwinker Ich habe einen interessanteren Weg entdeckt, der nun auch direkt in Richtung Böhmisches Paradies führt.


Unterwegs komme ich an mehreren Schlössern vorbei, unter anderem dem Schloss Karlova Koruna.


Habe ich schon erwähnt, dass auch die abgebröckeltste Fassade mit ein paar Pfauen davor elegant aussieht?


So langsam sehe ich wieder ein paar Höhenzüge am Horizont. Endlich!


Was ebenfalls für die Gegend typisch ist, sind diese alten "Ortsrufanlagen", in praktisch jedem Dorf an der Hauptstraße an Stromleitungen oder Straßenlaternen zu finden (vermutlich wegen der Stromversorgung) und mit einem Funkempfänger ausgestattet. Manche von den Dingern sehen auch noch aus wie aus dem Dritten Reich. Ich kann nicht sagen, wozu die gebraucht werden. Flieger-Alarm?


So eine Holzkirche habe ich allerdings nur einmal gesehen. Erinnert ein bisschen an die norwegischen Stabkirchen.


Dies ist *nicht* die gleiche Stelle wie drei Bilder zurück zwinker
Aber die Landschaft ähnelt sich doch stark, auch wenn sie schön ist. Zeit, dass die Berge näher kommen.


Da ich im Böhmischen Paradies nicht übernachten möchte, beschließe ich, heute in Jicin Station zu machen. Das ist eine hübsche böhmische Kleinstadt am Fuße der Felsenlandschaften. Entsprechned war mein Hotel dann auch voller Wanderer.


Das riesengroße Schloss nimmt eine ganze Seite des großzügigen Marktplatzes ein.


Am Eingang zur Fußgängerzone begrüßt mich dieses Tierchen.


Heute Abend bin ich mal mutig und bestelle im Restaurant die Spezialität des Hauses. In Ermangelung ausreichender Sprachkenntnisse weiß ich nicht so richtig, worauf ich mich einlasse. Mich erwartet Kasslerbraten, Kartoffelklöße mit Röstzwiebeln und eine sehr, sehr süße Pflaumensauce. Mein Fall ist es nicht, wäre ich mal beim Gulasch geblieben zwinker


28.07.2018: Jicin-Zittau

Eines der ersten Bilder, die man angezeigt bekommt wenn man nach dem Böhmischen Paradies googelt, ist diese Doppelburg auf zwei gegenüberliegenden Felsnadeln.


Hurra, Berge! Die Landschaft erinnert wieder an das Elbsandsteingebirge. Ich finde einen wunderschönen, nicht ausgeschilderten, gut geteerten Weg mitten durch die Felsen.


Auf einer Burg ist gerade Mittelalterfest, komplett mit schwertschwingenden Rittern und Kanonen. Ich möchte aber heute noch Zittau erreichen und beschränke mich auf ein Bier.


So riesig ist das böhmische Paradies nicht. Rasch habe ich das kleine Mittelgebirge durchquert. Ich stoße in Turnov auf den Jizera-Radweg - Richtung passt, gut ausgebaut ist er auch, also nehme ich ihn.


Um nach Zittau zu kommen, muss ich über das Iser-Gebirge, das heißt, vom Jizera-Tal (deutsch: Iser-Tal) über einen 600m hohen Bergrücken ins Neiße-Tal. Vorher möchte ich aber noch etwas essen.


Nun gehts nur noch aufwärts! Das Iser-Gebirge gefällt mir.


Allerdings habe ich von der schönen Auffahrt fast keine Fotos. Direkt am Fuß des Anstiegs wagt es ein Tscheche, mich zu überholen! Wir liefern uns dann ein kleines Rennen bergauf, das erst wieder unten im Neißetal auf dem Marktplatz von Jablonec endet. Kurz vor dem Gebirgskamm habe ich ihn überholt, trotz Zeltgepäck und zwei Bier zu Mittag zwinker


Jablonec ist keine besonders schöne Stadt. Das in den 30er Jahren gebaute, sehr schön restaurierte Neue Rathaus im damals üblichen funktionalistischen Stil gefällt mir aber.


Wie alt mag dieses Gebäude sein?


Der Neiße-Radweg ist bei Jablonec nur an ganz wenigen Stücken so gut ausgebaut wie hier.


So, Grenzübergang, gleich bin ich wieder in Zittau und steige in den Zug nach Hause.


Abschluß

Insgesamt bin ich in acht Tagen 700km in 50h gefahren (Werte vom Tacho, da ist noch der Weg von/zum Bahnhof dabei), bei fast 15.000 Höhenmetern. Wenn ich meine Fahrleistungen mit den letzten Jahren vergleiche, haben meine zwei Jahre im Flachland meine Kondition nicht beeinträchtigt. Ich hätte auch jeden Tag noch länger fahren können -- allerdings geben die Hotelübernachtungen einen gewissen zeitlichen Rahmen vor. Das heißt, man muss halt da anhalten, wo man ein Hotel findet, und man sollte gerade in kleineren Orten auch nicht unbedingt später als 18 Uhr aufschlagen, weil sonst der Koch schon nach Hause gegangen ist und man kein ordentliches Abendessen mehr bekommt. Mein Zeltgepäck habe ich jedenfalls völlig umsonst mitgeschleift. Das heißt, ich habe von meinen drei Packtaschen zwei praktisch nicht aufgemacht. Alles für den Trainingseffekt zwinker
Mit Englisch, Deutsch und Gesten (auf die Eismaschine zeigen und mit weit ausgebreiteten Armen die Größe andeuten)
kommt man mühelos zurecht. Gerade die Jüngeren sprechen sehr oft gutes Englisch.

Besonders reizvoll fand ich die weniger überlaufenen Teile des Riesengebirges mit ihren vielen Bauden, die tatsächlich nur von Wanderern und Radfahrern frequentiert werden und häufig einen familiären Charme haben. Ziele wie die Schneekoppe, die mit der Seilbahn vom Parkplatz aus zu erreichen sind, sind oft sehr voll, und die Bauden dort haben sich mit Buffet-Verköstigung und Kantinenausstattung auf Massenabfertigung eingestellt.
Die Adersbacher Felsenlandschaft und das Böhmische Paradies würde ich mir sehr gern mal zu Fuß anschauen, insbesondere wenn vielleicht nicht gerade Hochsaison herrscht.Mit dem Adlergebirge hatte ich wohl nur das Pech, dass der höchste Gipfel nicht derjenige war, auf dem ein Aussichtsturm zu finden war. Die Elbe unterhalb von 500m Höhe ist mir generell zu flach zwinker