Re: Die kleine Maus und die große Null

von: Mütze

Re: Die kleine Maus und die große Null - 05.12.18 17:05

Di, 21. Aug: Hagenau - Brumath - Krautwiller - Radwanderweg V52 bis Lutzelbourg: 56 km
„Je ne sais pas quoi prendre“
„Allez, goûtez-moi les trois sortes, et nous allons voir.“



Die Welt durch den Blick meines Kochers: Der Campingplatz von Hagenau.

Mein Aufbruch am nächsten Morgen wurde mal wieder durch das Photoshooting der Maus verzögert. Ich drückte mich dabei tunlichst woanders rum, denn ich möchte auf keinen Fall auf Facebook oder so landen.
Dann ging es los, ich wollte heute auf den Radwanderweg V 52 (den Canal de la Marne au Rhin) stoßen und bis Lutzelbourg fahren. Feinstes Wetter, eine ausgeschilderte Radstrecke, es lief klasse. Bei dem Moulin des Moines (mit Bio-Geschäft) stieß ich nach einem kleinen Einkauf in Brumath auf den Kanal und freute mich über die Landschaft und den angenehmen Streckenverlauf.




Mit ausführlichen Vesperpäuschen radelte es sich urgemütlich bis nach Saverne. Das hätte ich eigentlich besichtigen wollen, aber ein paar andere Leute hatten anscheinend die gleiche Idee gehabt. Es war mir einfach zu voll, aber ich komme wieder, bestimmt. Es sah nämlich wirklich richtig nett aus.

Es war das allererste Mal in meinem Leben (glaube ich zumindest), daß ich schon am frühen Nachmittag auf einem Campingplatz war. Der ganz neue Pächter kam aus Indien und war sehr zuvorkommend. Ich suchte mir auf der Zeltwiese das allerschönste Plätzchen aus
und ging dann erstmal ins Camping-Schwimmbad.
Brrr - war das eisig !!!




Nach einem Genußschläfchen in der Sonne, radelte ich mit Glenkinchie zu einer ganz nah gelegenen Glasbläserei - die Schilder dazu hatte ich schon am Radwanderweg bemerkt. Also das war toll. Man konnte den Glasbläsern bei der Arbeit zusehen, bekam gut formulierte Erklärungen, und einen Ausstellungsraum gab es auch. Mit richtig schönen, wie kleine, ferne Welten geformten Kunstwerken.


Wer dieses Bild sieht, weiß übrigens gleich, warum die Maus so viel Anklang findet. Echt charmant, gell ?

Tja, ich fläzte mich noch auf der Picknickkdecke herum, fragte den Pächter, warum in den WCs ständig das Radio lief (um gewisse Geräusche zu übertönen, erklärte er mir) und kochte mir dann noch Nudeln zum Abendessen.

Später brach ich zu einer Abendrunde auf, das alte Schleusental hoch. Es war so eine angenehme Luft, die 17 Schleusen, die durch das Schiffshebewerk ersetzt worden waren, waren zum Teil wieder bewohnt, ein kleines Café hatte eröffnet, Künstler hatten sich angesiedelt. Aber trotz des neuen Lebens meinte ich, noch die Vergangenheit zu spüren. Der Klang der Pferdehufe, die die Schiffe treidelten, die Rufe der Schleuser … es war wirklich eine Genußtour in vergangene Träume.

Oben angekommen fuhr ich noch ein kleines Stück Richtung Schiffshebewerk, aber es wurde dunkel. Ich ließ mich zurückschweben und setzt mich noch auf ein Bier in die Campingschenke. Und da dort eigenes Bier gebraut wird, und ich mich nicht entscheiden konnte, entstand der obige Dialog. Die Chefin stellte mir drei Sorten zum Kosten vor die Nase, und ich bestellte das leckerste.


Mi, 22. Aug: Lutzelbourg - Arzviller - Hesse - Xouaxange - Kerprich-aux-Bois - Langatte: 36 km
„Nice bike you have.“
„It is my joy and pride“


Das war die Morgenplauderei mit dem Radwanderer aus England (auf dem Weg nach Italien), der gestern Abend noch eingetroffen war (ich hatte ihn schadenfroh beim Zeltaufbau beobachtet, das muß ich ja jetzt nicht mehr machen …). Und wie er dann so liebevoll die Kette ölte und ein neues Lenkerband aufzog … sein Rad (Marke Galaxy) liebte er wirklich.


Die Welt durch den Blick meines Kochers: Der Campingplatz von Lutzelbourg.


Derweil war Glen übermütig geworden und versuchte sich an unmöglichen Dingen ...

Jetzt fuhr ich das alte Schleusental nochmal ganz langsam hoch.



Dann ging es durch Arzviller und in dem Örtchen rechts ab, über einen kleine Berg, während der Kanal in zwei hintereinander liegenden Tunneln verschwand. Also insgesamt keine nennenswerte Steigung, auch wenn ich einmal kurz schieben mußte. Und das auch nur, weil mich zwei Mausbewunderer jäh in meinem Schwung gestoppt hatten, sie wollten unbedingt knipsen und plaudern.


Die Strecke war bestens ausgeschildert - auf der Abfahrt bekam ich den Kanal wieder zu Blick, dann machte ich am Port Fluvial von Niderviller direkt am Ausgang des zweiten Tunnels eine ausführliche Vesperpause, ich wollte nämlich Bootchen zu sehen bekommen, die da rausfuhren. Leider war absolut nichts los.
Faule Bande !

Bis Hesse blieb ich auf der V 52, dann bog ich auf den Zubringer zum Kohlekanal ab, denn ich wollte nach Langatte, um dort einen Ruhetag einzulegen.

Den Ort liebe ich einfach. Bei Kerpich-aux-Bois wurde es nochmal richtig steil, dann war ich da - auch mal wieder echt früh. Beim Durchqueren von Langatte hatte ich mit Schrecken festgestellt, daß es den örtlichen Tante Emma Laden nicht mehr gab. Und nach Auskunft an der Rezeption (es war immer noch die gleiche nette Angestellte da), wurde mir das leider bestätigt.
Mist !
Eine örtliche Post gab es auch nicht mehr … Zum Glück durfte ich meinen Aufenthalt mit Scheck bezahlen, sonst wäre ich mit Bargeld nicht mehr weit gekommen. Jetzt legte ich mich erstmal an den Badestrand des Etang du Stock, schwamm mehrmals genüßlich, ruhte mich aus und entschied mich dann für einen Ausflug (42 km) nach Mittersheim an den Etang de Mittersheim, also den Kohle-Kanal entlang. Da gab es doch noch einen Laden und mit viel Glück auch eine Post.

Die Strecke kenne ich ja schon. Die Gegend gefällt mir irgendwie. Und während ich so fuhr, dachte ich über mein nicht funktionierendes Handy nach, ich - die doch immer fest davon überzeugt gewesen war, absolut vernünftig damit umzugehen.
Dabei merkte ich jetzt, wo ich es seit Tagen gar nicht benutzte, ganz deutlich, wie stark es doch mein Leben beeinflußte. Es fehlte mir absolut nicht, ganz im Gegenteil, ich fühlte mich ohne es deutlich leichter. Eben mal ein Bild zu knipsen führte halt doch immer dazu, mal schnell in die Mails zu linsen, eine Nachricht über Telegram absetzen oder zu überprüfen, ob jemand angerufen hatte. Eigentlich erschreckend, wie man ständig mit der Welt verbammselt ist, statt ganz für sich zu sein.

In Mittersheim kaufte ich ein, die Post war leider zu, ich gondelte zurück. Und da in der Auberge du Stock, wo man wirklich gut ißt, heute Pizza-Abend mit Schunkelmusik war, setzte ich mich in den Bowling-Club am Empfang und aß zwei riesengroße Salate. Später bewunderte ich bei einem Eis die Bowlingkünste der Spieler, dann ging ich schlafen.

Fortsetzung folgt.