Re: Frankreich BeNeLux 2018

von: Gerhard O

Re: Frankreich BeNeLux 2018 - 18.12.18 09:53

Teil 3: Durch die Ardennen ans Meer


Tag 14: Samstag, 19. 5. 2018
Arlon - Bouillon, 70 km

Frühstück gab es auf dem Campingplatz nicht, das Restaurant hatte morgens geschlossen. Da gastronomische Bezirke meist in der Altstadt liegen, führte mich mein erster Weg des Tages ins Zentrum von Arlon. Das liegt auf dem höchsten Punkt der Stadt! Mit so einem steilen Anstieg hatte ich nicht gerechnet. 9% zeigte mein Navi und Anwohner spendeten mir Beifall. Das spornt an und somit konnte ich auch nicht absteigen! Bilder von Kirche und Rathaus konnte ich machen, eine Bäckerei fand ich aber nicht.



Entmutigt gab ich auf und schlug den Weg zur Stadt raus Richtung Bouillon ein. Auf der Ausfallstraße sah ich es plötzlich: eine Boulangerie Patisserie. Hier bekam ich alles, was das Herz begehrt.

Die ersten Kilometer blieb ich auf großen Straßen, aber in Sampont konnte ich auf eine ehemalige Römerstraße abbiegen. Sie war als Gallierweg beschildert und möglicherweise hatte man den Weg seit der Zeit unverändert gelassen.



Gut zu fahren war er jedenfalls nicht. Dafür war ich sehr naturnah!




Da ich durch das Kampfgebiet der beiden Weltkriege fuhr, kam ich bei Bellefontaine auch an einem Soldatenfriedhof vorbei. Soldaten mehrerer Länder liegen hier (auch deutsche), fein säuberlich nach Nationen getrennt!



Eben war mein heutiger Weg an keiner Stelle und so legte ich in der Nähe von Valansart am Waldrand meine Mittagspause ein. Ich glaube, man kann auf dem folgendem Bild meine Erschöpfung erkennen.



Im Prinzip folge ich schon seit Arlon dem Tal der Semois, nur konnte ich von einem Tal bisher nichts erkennen. Auch auf diesem Bild befinde ich mich hoch über Florenville, die Semois ist unten hinter der Stadt gerade noch zu sehen!



Eigentlich eine romantische Gegend, ich habe es aber nicht genießen können! Seit Pin fahre ich schon auf der N83 in der Hoffnung, daß die Steigungen weniger werden. Dem war aber nicht so, die Anstiege gingen immer höher, nur nicht mehr so steil.

Als es 200 Höhenmeter bergab ging und ich auch Bouillon unter mir liegen sah, glaubte ich mich am Ziel. Wenn die Zeit dafür reichte, wollte ich noch die Burg besichtigen und gemütlich essen gehen.



Ich mußte nur noch den Campingplatz aufsuchen, mein Zelt aufstellen und duschen. Daß ich dafür 115 Höhenmeter mit 9% Steigung (und manchmal noch mehr) bergauf mußte, hatte ich nicht bedacht. Der Blick ins Tal machte mir deutlich: hier fährst du heute nicht nochmal runter und wieder hoch und die Burg besichtigst du nur von oben.



Vor dem Campingplatz gab es ein Restaurant und da konnte ich auch gut essen!

Ich war wieder mal der einzige Gast auf dem Platz (ausgenommen Dauercamper). Mein Zelt konnte ich auf der leeren Zeltwiese ‚zufällig‘ neben einer Stromsäule (mit Schukosteckdosen) aufstellen. Nach dem Essen probierte ich dann, ob da auch Strom drauf ist – und es war Strom drauf. Als ich schlafen ging, war mein Handy, die Kamera, das Kindle und der Akku geladen.

Hatte ich schon geschrieben, daß es den ganzen Tag schönstes Wetter hatte?



Tag 15: Sonntag, 20. 5. 2018 (Pfingsten)
Bouillon - Monthermé, 57 km

Ich stand jetzt vor der Frage: Zurück ins Tal nach Bouillon zum Frühstück? Und dann auf Ravel RV2 weiter, natürlich über den Berg, oder die andere Richtung? Da dachte ich so bei mir: ‚Du bist jetzt oben, und da bleibst du auch! Was besseres als den Tod (Bremer Stadtmusikanten) Frühstück findest du überall‘. Also fuhr ich die andere Richtung. Auch hier ging es nochmal steil bergauf, aber ich hatte den Trost: ‚100m von diesem Berg hast du gestern schon gemacht!‘ Trotzdem fand ich die Steigung extrem, und so hieß die Gegend hier auch: L’extrémité!

Extrem heiß und sonnig war es übrigens auch schon!



Der erste Ort, den ich erreichte, war Corbion. Hier gab es keinen Bäcker oder Supermarkt. Also mußte ich weitersuchen. Dafür sollte ich laut Routenplanung einem supersteilen schottrigen Trampelpfad ins Tal folgen. Ein Blick von oben genügte mir und ich wußte: ich nehme die Straße, auch wenn es vier mal so weit ist.

Ich habe die Straße genommen und es war immer noch ziemlich steil. Nur Minuten später stand ich am Ufer der Semois. Das erste mal seit Arlon hatte ich das Gefühl: ‚Ich bin im Tal der Semois‘.



Vor mir lag der Ort Poupehan. Ein Hotel befand sich direkt am Ufer. Durch das Fenster konnte ich die Hotelgäste beim Essen sehen. Also trat ich ein und fragte nach einem ‚Petit déjeuner‘ – einem Frühstück. Die Dame an der Rezeption wies mich ab – nur für Hotelgäste!

Ich hatte aber Hunger! Angesichts dieser Freundlichkeit setzte ich mich auf eine Bank nahe am Hotel und packte mein eigenes Frühstück aus – gut, daß ich was dabei hatte. Und wieder war anschließend meine Packtasche etwas leichter!

Die Straße, auf der ich mich befand, gehörte zum RV2 und diesem Radweg wollte ich einige Kilometer folgen. Entlang der Semois, also im Tal, gab es nur Wanderwege. Mein Radweg führte bergauf. Wenn man mit durchschnittlich 6% Steigung Meter für Meter den Berg hoch kurbelt, komme zumindest ich auf die seltsamsten Gedanken:

Warum tue ich mir das an? Schließlich habe ich Krebs.
Kurbel, kurbel, kurbel … schon 30 Höhenmeter
Habe ich überhaupt noch Krebs? Schließlich bin ich operiert – aber warum muß ich dann alle 3 Monate zur Kontrolluntersuchung?
Kurbel, kurbel, kurbel …schon 50 Höhenmeter
Kann jemand, der solche Radtouren macht, ernsthaft krank sein?
Kurbel, kurbel, kurbel… schon 100 Höhenmeter
Sollte ich vielleicht eine Internetseite erstellen: ‘Cycling against cancer‘?
Kurbel, kurbel, kurbel … immer noch nicht oben!

Die Überlegungen werden immer abstruser. Irgendwann bin ich oben. Da hören solche Gedanken plötzlich auf. Vielleicht hatte ich aber auch nur schlechte Laune wegen des Hotelpersonals, das hungrige Radfahrer einfach abweist!

Die Semois liegt wieder mal tief unter mir.



Und dann komme ich doch wieder ins Grübeln. Kein Wunder, daß es so bergig ist. Ich habe mich verfahren und bin offensichtlich in der Schweiz.



Bald bin ich wieder an einem Fluß. Es ist nicht der Rhein, es ist die Semois! Am Ufer befindet sich ein Kanuverleih. Ob so ein Paddelbot auch mein Fahrrad und mein Gepäck mitnehmen kann?



Ich verwerfe den Gedanken und kurbel weiter. Mittags war ich in Vresse-sur-Semois. Hier gab es ein italienisches Restaurant. Da mein Frühstück heute nicht so reichhaltig war, gönnte ich mir einen großen Meeresfrüchtesalat mit reichlich Knoblauch und ein Bier. Normalerweise esse ich mittags nur wenig, aber manchmal zwingen mich die Umstände zu besonderen Maßnahmen.

Und um alle Zweifel zu beseitigen: ab jetzt nicht Schweiz, nicht Italien, nicht Belgien. Hier steht es: Ich bin wieder in Frankreich!



Das bedeutet, daß ich nicht nur das Land gewechselt habe: ich habe auch den Fluß gewechselt. Die Semois heißt in Frankreich ‚La Semoy‘.

Ab hier führt mich mein Weg mehr oder weniger dicht am Fluß entlang bis Monthermé.



Es war noch nicht mal 4 Uhr nachmittags, aber ich hatte keine Lust mehr zur Weiterfahrt. Ich steuerte den Campingplatz an. Monthermé ist eine Kleinstadt mit touristischer Infrastruktur. Außerdem standen da ein paar Kirmesbuden. Es war wohl irgendein Stadtfest.

Der entscheidende Punkt war aber: der nächste Campingplatz am Weg liegt in 20 km Entfernung auf einem Berg hinter einem Berg! Und für Berge hatte ich heute überhaupt keine Lust mehr!

Um 5 Uhr nachmittags begab ich mich auf einen Stadtspaziergang. In einem Französischem Restaurant (außer diesem fand ich nur noch eine Pizzeria) wollte ich einkehren. Der Wirt machte mir aber klar, daß ich um 19 Uhr wiederkommen müßte – vorher gibt es nichts!

Die Imbissbuden am Stadtfest sagten mir auch nicht zu, abends noch mal in die Stadt gehen wollte ich nicht, und so gab es eben nur Kekse und Rotwein am Zelt. Die Bewohner des Wohnmobils neben mir stellten sofort einen Stuhl hin, damit ich vernünftig sitzen konnte. Leider reichte mein französisch nicht für eine Unterhaltung.



Tag 16: Montag, 21. 5. 2018
Monthermé - Fourmies, 77 km

Ich war gerade beim Zusammenpacken, als die örtliche ‚Campingkontrollkommission‘ vorbei kam und mein Zelt inspizierte.



Die Untersuchung fiel negativ aus: ich bekam keinen ‚Stempel‘!

Für die Weiterfahrt mußte ich zuerst die Stadt und dann die Maas queren. Am Weg hoffte ich einen Bäcker zu finden. Der einzige Bäcker, den ich sah, hatte aber geschlossen – Pfingstmontag?

Ein Stückchen fuhr ich noch eben auf der Uferstraße entlang der Maas. In dieser Gegend hatte ich bei meiner Tour 2015 Walderdbeeren gepflückt.



Vor Deville verließ ich die Maas. Die Straße ging steil hoch in die Berge. Üblicherweise lege ich alle 100 Höhenmeter eine Pause ein. Aber schon vor Erreichen dieser Marke hat mich der Hunger so übermannt, daß ich auf die Idee kam, das Ablaufdatum meiner mitgeführten Müsliriegel zu prüfen. Ergebnis: Sie mußten unbedingt gegessen werden!

In Les Mazures fand ich dann einen Bäcker. Es gab hier zwar keinen Kaffee, aber Croissants, Pain au Chocolat und ein Baguette konnte ich erstehen. Die Croissants aß ich dann auf einer Freitreppe am Kirchplatz. Ein junge Frau kam aus der Bäckerei, sah mich und sprach mich an. Sie war sehr interessiert an meiner Reise und wir unterhielten uns längere Zeit auf Englisch miteinander. Kaum war ich wieder allein, kam eine ältere Dame und sprach mich an. Ihr englisch war allerdings genauso schlecht wie mein französisch, aber dafür konnte sie ein paar Brocken deutsch. Als sie erfuhr, daß ich Deutscher war, erzählte sie mir, daß sie eine Schwester in Wiesbaden hat und schon öfter in Deutschland war.

Beide Damen waren von meiner Fahrt sehr beeindruckt. Reiseradfahrer hatten sie in diesem Ort noch nie gesehen!

Es war noch nicht Mittag, als ich das Festungsstädtchen Rocroy erreichte. Hier handelt es sich um eine der vielen Vauban-Festungen mit sternförmigen Grundriss.



Die Besichtigung dauerte nicht lange, aber am Zentralen Marktplatz neben der Kirche blieb ich hängen. Ich hatte nämlich wieder Hunger und Durst und hier gab es ein Restaurant mit Außengastronomie und Schatten – und es hatte offen!



Als ich ankam, war die Küche noch geschlossen, aber ich bekam schon mal ein Bier und bald darauf auch mein Essen. Mehr als eine Stunde verbrachte ich hier, aber gegen 13 Uhr zog es mich weiter.

Bald hatte ich Baileux erreicht. Hier wird in einem Trappistenkloster das Chimay-Bier gebraut. Mein Bild zeigt aber nicht die Klosterkirche, sondern die Dorfkirche.



Baileux gehört heute zur Stadt Chimay, und hier weist man auch stolz auf die Brauerei hin.



Nebenbei: ich befand mich gerade wieder in Belgien, dem Land der unzähligen Biersorten.

Auf einer recht eintönigen welligen Landschaft strebte ich erneut gen Frankreich.



Bei Ohain sollte es einen Campingplatz geben. Hier wollte ich übernachten. Ich habe ihn aber nicht gefunden. Wahrscheinlich gibt es ihn gar nicht mehr!

Der nächstgelegene Campingplatz auf meiner Liste liegt bei Fourmies. Den steuerte ich jetzt eiligst an, denn am Horizont zogen dunkle Gewitterwolken auf.

Den Platz erreichte ich noch trocken. Ein Restaurant gab es hier nicht. In die Stadt zu fahren, traute ich mich bei dem heraufziehenden Gewitter nicht. Noch hatte ich das Baguette vom Bäcker und Wurst und Käse in meiner Packtasche! Unter einem überdachten Aufenthaltsbereich mit Tischen und Bänken (und Steckdosen!) verbrachte ich den Abend bei einem Gläschen Rotwein, verzehrte meine Vorräte und plante die weitere Tour. Das Gewitter hat auf sich warten lassen. Es kam erst in der Nacht!



Tag 17: Dienstag, 22. 5. 2018
Fourmies - Le Quesnoy, 51 km

Wieder begann ein schöner warmer Tag. Beim Zusammenpacken meiner Ausrüstung kam ich mit dem Belgier, der im Wohnmobil neben mir übernachtet hatte, ins Gespräch. Wir lamentierten über die französische Frühstücksmisere und wie gut das doch in Deutschland funktioniert. Auch in Belgien müsse man nur auf das Wort ‚Patisserie‘ achten und schon ist alles bestens. Als Selbstversorger war er natürlich auf alles eingerichtet und überraschte mich mit 2 Stückchen Kuchen und einen Becher Kaffee.

Bei der Durchfahrt durch Fourmies brauchte ich deshalb nicht zwingend nach einen Bäcker suchen, aber ich habe auch keinen gesehen. Langsam bekam ich Hunger. Die Straße verlangte mir mal wieder alles ab.



Die Hügel waren zwar nicht besonders hoch, dafür aber umso steiler. Immer wieder sah ich Autofahrer, die den Arm zu Fenster raus streckten mit dem Daumen nach oben! Das spornt zwar an, aber anstrengend ist es trotzdem.

Als ich Avesnes-sur-Helpe erreicht hatte, entdeckte ich einen Supermarkt neben der Straße. Hier deckte ich mich mit neuen Vorräten ein, vor allem mit Käse! Gemütlich frühstücken konnte ich hier allerdings nicht.

Bei der Weiterfahrt hielt ein Autofahrer am Straßenrand und winkte mir, anzuhalten. Er war begeistert von meiner Tour und erzählte, daß er früher auch Radtouren von Spanien bis in die Türkei und in Nordafrika gemacht hat. Er bot mir sogar ein Zimmer für die Nacht an (Warmshowers). Da es aber noch Vormittag war, konnte ich das nicht annehmen. Schließlich wollte ich noch weiter kommen. Als Frühstücksmöglichkeit riet er mir, in das Stadtzentrum zu fahren und eine Brasserie aufzusuchen: Das wäre die einzige Art von Gastronomie, die vormittags geöffnet hat!



Zwischen Rathaus und Kirche fand ich eine Brasserie. Ein Omlette mit Baguette und Milchkaffee konnte der Wirt mir anbieten. Nachdem ich zu Ende gegessen hatte, empfahl er mir noch, unbedingt das gute belgische Leffe-Bier zu probieren. (Französische oder sonstige Biere hatte er nicht im Ausschank) Ich entschied mich für Leffe blond, ein helles Bier mit Vanille- und Nelkengeschmack. Über den Geschmack kann man streiten, aber immerhin sah diese Sorte wenigsten optisch nach Bier aus.

Nach diesem Hochgenuß wirr machte ich mich wieder auf den Weg. Auf schnurgerader Straße ging es hoch und runter … hoch und runter … immer wieder auf und nieder…



Bald hatte ich den kanalisierten Fluß Sambre erreicht. Hier gab ich mich dem Trugschluß hín, bis ans Meer auf ebener Straße fahren zu können.



Gleich hinter der Kanalbrücke ging es wieder bergauf. Zwei Kilometer weiter wurde es noch schlimmer – ich sollte im hohen Gras weiter fahren.



Was bleibt mir übrig? – Karte raus, neu planen und weiter geht‘s! Die Kapelle am Straßenrand spendet mir zwar keinen Trost, aber für irgendjemand muß sie wohl mal gebaut worden sein!



Eine halbe Stunde später tauchte das Örtchen Le Quesnoy vor mir auf: wieder eine Vauban-Festung. (Die französischen Könige haben damals ihre gesamte Grenze mit solchen Festungen gesichert)



Da es noch früh war, radelte ich noch etwas durch die Stadt. Der Weg zum Campingplatz war dann doch weiter als gedacht, denn alle Wege führten zurück durch das Stadttor.



Um einen größeren Umweg einzusparen, schob ich durch eine Baustelle. Kurz nach 15 Uhr stand ich an der Rezeption vom Campingplatz: geschlossen bis 17 Uhr! Auf dem Weg dahin war ich am See an einer Ausflugsgaststätte vorbei gekommen. Da kehrte ich jetzt ein. Die Speisekarte lag aus und ich wollte bestellen. Die Küche war aber schon zu und es gab nur noch kalte Speisen. Ich erfuhr, daß das Lokal um 18 Uhr komplett schließt. Also zog ich mein Abendessen vor, bestellte eine Salatplatte und war pünktlich um 17 Uhr an der Anmeldung.

Gegen 19 Uhr erschien die Dame von der Anmeldung bei mir am Zelt und machte mir mit Händen und Füßen klar, daß ein Unwetter naht! Ich sollte dann unbedingt im Aufenthaltsraum Schutz suchen und keinesfalls im Zelt bleiben! Es kam aber nur ein leichter Regen.

Und abends für den kleinen Hunger hatte ich noch Baguette, Käse und einen Rest Rotwein von zu Hause!



Tag 18: Mittwoch, 23. 5. 2018
Le Quesnoy - Plouvain, 63 km

Die Gegend sah sehr ländlich aus und ich wußte nicht, wann ich einen Bäcker oder Supermarkt finden würde. So stärkte ich mich schon mal im Zelt mit ein paar Kekse.



Ich durchfuhr diverse Dörfer, einen Bäcker fand ich aber nicht. Dafür sah ich zum ersten mal einen Baguetteautomat . Gehört hatte ich davon schon, gesehen hatte ich aber noch keinen.



Wer betreibt die Automaten eigentlich: Örtliche Bäcker oder Supermarktketten?

Der erste Laden, den ich fand, war ein Aldi. Da habe ich dann auch eingekauft: Brot, Galette, Käse und Rotwein für unterwegs und Pain au chocolat und eine Dose Bier für sofort. Das habe ich gleich auf einem Mäuerchen nebenan verzehrt!

Bei Buchain erreichte ich den Canal de l’Escaut. Damit war ich fast auf Meereshöhe. Wieder freute ich mich darauf, daß jetzt der gemütliche, weil ebene Teil der Reise beginnt.



Mein Weg führte aber nicht am Kanal entlang, sondern kreuzte ihn nur. Wieder ging es die Hügel hoch und runter.



Ich kam durch kleine Orte mit großen Kirchen und bei Arleux stand ich am Canal de la Sensée



Auch dieser Kanal führte in Nord-Süd-Richtung, ich wollte aber nach Westen. Wieder kam ich durch kleine Orte mit großen Kirchen.



Die Hügel waren nicht mehr so hoch und ich war wohl wirklich im Flachland angekommen. Ab Sailly hätte ich auf kleinen Verbindungstraßen weiterfahren können, um nach Plouvin zum Campingplatz zu gelangen.

Meine Planungssoftware zu Hause hatte aber diese sehr ‚naturnahen‘ Feldwege für mich ausgesucht.



Was besser gewesen wäre, weiß man leider immer erst hinterher. Dafür kam ich ziemlich nah an Rebhühner ran. Meist flüchten sie schon, wenn ich noch weit weg bin.



Nachdem ich diesen Weg überwunden hatte, war ich in Plouvin am Zeltplatz.



Die Dusche auf dem Campingplatz war wie meist in Frankreich im Preis inbegriffen. Hier war sie aber so heiß eingestellt, daß ich mich beinahe verbrannt hätte! Kälter stellen ging nicht, aber dafür gab es an den Waschbecken nur kaltes Wasser (Zahnputzwasser habe ich an der Dusche geholt).

Noch ein Wort zu den Toiletten: Die WCs, wie wir sie kennen, gibt es inzwischen fast überall in Frankreich, aber sie sind eigentlich unzumutbar – keine WC-Brille und kein Papier (außer im Elsaß). Ab einer gewissen Sternequalität sind aber scheinbar Behindertentoiletten vorgeschrieben. Sie waren sämtlich sauber, bestens gepflegt und mit separatem Waschbecken und Papier ausgestattet. Diese habe ich meist benutzt (kein Extraschlüssel nötig!). Auf diesem Platz hier gab es das allerdings nicht. In so einem Fall wie hier benutze ich die traditionellen französischen Stehtoiletten, die es meist zusätzlich gibt.

Ein Restaurant gab es auch nicht in der Nähe. In den Ort fahren und lange suchen wollte ich nicht, denn es fing an zu regnen. Aber ich hatte noch Baguette, Sardinen, Würstchen und Rotwein!



Tag 19: Donnerstag, 24. 5. 2018
Plouvain - Beauséjour , 83 km




Plouvin hatte zwar eine große Kirche, aber keinen Bäcker. Ein paar Kleinigkeiten aus der Packtasche mußten genügen.

Auf kleinen Wirtschaftswegen fuhr ich durch das Land. Und wie man sieht, gibt es nicht nur große Kirchen, sondern auch große dampfende Haufen!



Die Kirchen sehen aber besser aus, vor allem, wenn man bedenkt, daß die Kirchengemeinde keine Steuergelder erhält, sondern die Gotteshäuser allein von Spenden unterhalten muß!



Hinter Lens geriet ich auf Wege, die nicht unbedingt dem Reiseradstandard entsprechen.



Umkehren und eine asphaltierte Straße suchen wolle ich aber auch nicht. Ich dachte, daß es vermutlich nur ein kurzes Stückchen ist und so handelte ich nach dem Motto: ‚Kommst du über den Hund, so kommst du auch über den Schwanz!‘

Hier hätte ich aber beizeiten umkehren sollen, denn plötzlich ging gar nichts mehr – das Rad war komplett eingesaut.



Durch den Regen der Nacht klebte der Dreck überall. Irgendwann konnte ich nicht mehr schalten und die Räder drehten sich nur mühsam.



Ich suchte ein Stöckchen und porkelte den schlimmsten Schmutz aus der Schaltung und vom Reifen. Danach sah ich selbst genauso versifft aus wie das Rad.

So verschmutzt kam ich dann um die Mittagszeit in Bethune an. Hier gibt es eine sehenswerte Altstadt mit Kirche, Rathaus und dem in ganz Flandern üblichen Rathausturm – den Belfried.



Gasthäuser gibt es natürlich auch. Es fing an zu regnen. Damit war klar, daß ich den Schauer in einem dieser Restaurants abwettern mußte. Das Mittagessen dehnte ich dann so lange aus, bis der Regen aufgehört hatte.

Bei der Weiterfahrt kam ich an einem Automat vorbei, den ich so noch nie gesehen hatte: Obst. Gemüse und Eier konnte man hier erstehen.



Am Nachmittag, ich hatte etwa 50 km gefahren, war ich am Canal d’Aire à la Bassée. Ab jetzt fuhr ich großenteils auf dem Treidelpfad mehr oder weniger dicht am Wasser: keine Berge mehr – alles topfeben!



Aber auch hier sah ich keine Radfahrer, bestenfalls mal einen Angler! Der Hase war auch nicht an Radfahrer gewöhnt – er flüchtete, sobald er mich gesehen hatte.



Hier am Kanal hatte ich das erste mal auf dieser Reise merklichen Gegenwind. Die Schwebefliege konnte wohl auch nicht mehr schweben. Sie stärkte sich zu Fuß auf der Blüte.




Um 17 Uhr erreichte ich einen Zeltplatz am Étang Beauséjour. Dieser Platz war nachts verschlossen. Für das Tor bekam ich eine Chipkarte – pfandfrei!

Einen Schlauch, um mein Rad abspritzen zu können, gab es nicht. Ich mußte mich für die Rad- und Taschenreinigungsaktion mit meiner Trinkflasche behelfen.

Ich hatte gerade mit dem Zeltaufbau begonnen, als ein Gewitter begann. Blitzschnell warf ich all mein Gepäck in das schon stehende Außenzelt. Nun konnte ich, während es draußen regnete, im Außenzelt sitzend trocken das Innenzelt einhängen und die Luftmatratze und den Schlafsack für die Nacht vorbereiten.

Eine Gaststätte hatte der Campingplatz nicht und im Regen wollte ich nicht in den mehrere Kilometer entfernten Ort fahren, um was zu suchen. Da ich schon mittags gut gegessen hatte, genügte jetzt wieder Baguette, Käse und Rotwein!


Tag 20: Freitag, 25. 5. 2018
Beauséjour - Calais , 58 km

Vom letzten Aldibesuch hatte ich noch die Gallettes und das war heute mein Frühstück.

Eigentlich hätte ich am Canal de Neufosse entlang weiter bis ans Meer fahren können, und das vermutlich ziemlich eben. Ich hatte aber Saint-Omer und Ardres auf meinem Besichtigungsplan. Dabei kam ich auch durch Arques, wo es evtl. eine Kirche zu besichtigen gab. Es war aber nur das Schloß, welches ein Bildchen hergab.

Saint-Omer hat eine wirklich große Kathedrale, die teilweise wie von Christo verpackt aussieht. Ich habe aber nur die schönen Seiten fotografiert!



Im Inneren war ich natürlich auch.



Es gibt viele Seitenkapellen für alle möglichen Heiligen. Welcher davon für erfüllten Kinderwunsch zuständig ist, habe ich nicht ergründet. Zum Dank legen ihm die Gläubigen Kinderschuhe auf den Altar.



Kann es sein, daß hier bei der Aufklärung Fehler passiert sind?

Egal, die nächste Kirche in Ardres wartete. Das Wetter hatte sich eingetrübt, aber es blieb trocken!



Gleich hinter dem Ortsausgang von Saint-Omer kam ich plötzlich und unerwartet in hügliges Gelände. Ein kleines Dorfkirchlein in Cormette kam mir da für eine kleine Besichtigungspause ganz gelegen.



Welche Überraschung: das Innere enthielt sehenswerte alte Wandmalereien. Leider waren sie sehr restaurationsbedürftig.



Bei der Weiterfahrt mit vielen kurzen giftigen Steigungen kam ich an diesem Wegweiser vorbei: ich war auf einen Pilgerweg geraten. Da pilgern was mit Leiden (und Erlösung von demselben) zu tun hat, erschienen mir die steilen Aufstiege jetzt logisch! Obwohl ich meinen weiteren Weg sofort neu überdachte und nicht auf dem Pilgerpfad fuhr, blieb es hügelig und steil (bis 11%). Das lag einfach daran, daß ich Ardres erreichen wollte, und das lag nun mal hinter einer Hügelkette!

Die Kirche in Ardres fand ich dann enttäuschend:



Es war der Mühe nicht wert – ich hätte am Kanal und in der Ebene bleiben können. Dafür fand ich eine Brasserie, wo ich mein Minimalfrühstück mit einem kräftigen und schmackhaften ‚Brunch‘ aufbessern konnte!

Ab Adres war ich endgültig im Flachland, und in Calais auch wieder an einem Kanal.



Auch wenn man es auf dem ersten Blick nicht glaubt: Calais liegt in Flandern! Man kann es am Rathaus und dem zugehörigen Belfried deutlich erkennen!



In der Stadtmitte traf ich dann noch das Ehepaar De Gaule, welches ich herzlich begrüßte.



Die Kirche aus dem 12. Jahrhundert (mehrfach zerstört) ist auch wieder aufgebaut!



Meine Besichtigungsrunde durch Calais endete am Leuchtturm.



Hiermit hatte ich das Meer erreicht. Jetzt mußte ich nur noch den Campingplatz aufsuchen, der einige Kilometer außerhalb der Stadt lag. Sofort, als das Zelt stand, machte ich mich auf zum Strand. Sandstrand und Dünen hatte ich schon lange nicht mehr erlebt.



Ein Regenschauer kürzte meinen Strandaufenthalt dann doch erheblich ab, ich bewegte mich schnellstmöglich wieder zum Zeltplatz. Im Regen wollte ich nicht nach Calais fahren, um ein Restaurant zu suchen. Der Campingplatz hatte ebenfalls eine Gaststätte, und die suchte ich jetzt auf. Sie hatte aber geschlossen. Zufällig kam gerade die Platzchefin vorbei. Die befragte ich nach der Öffnungszeit.
Antwort: „In der Saison!“
Ich: „Jetzt ist doch Saison: Mai bis Oktober“.
Platzchefin: „Nein, in den Schulferien: Juli – August!“

Und wieder saß ich im Zelt bei Baguette, Käse und Rotwein. Auf das Zeltdach trommelte romantisch der Regen!


Fortsetzung folgt