Re: Nochmal Deutschland Nord-Süd

von: Holger

Re: Nochmal Deutschland Nord-Süd - 17.10.20 11:13

Donnerstag, 25. Juni. Veitshöchheim – Ellwangen.

Dialekte-Safari. Vom Fränkischen ins Schwäbische. Frühstück mit Hildas Segen, dann am Main entlang bis Ochsenfurt. Die Würzburgdurchquerung lief recht problemlos, und auch weiter bis Ochsenfurt konnte ich locker rollen. Mainradweg. Vormittag an einem Werktag, wenig los.


Hilda wacht über das Frühstück


Würzburgbeweisfoto

Zur Abwechslung war es mal bewölkt, sogar einzelne Regentropfen fielen. In Ochsenfurt machte ich eine kurze Bäckereipause und verließ dann das Maintal.


Giebel in Ochsenfurt

Das beste, was aus einer Bahnstrecke werden kann (wenn sie schon nicht mehr Bahnstrecke bleiben darf): Ein Radweg. In diesem Falle der Gaubahnradweg. Gemächlich steigend nach oben, und gemächlich fallend wieder runter. Ins Taubertal, auf den nächsten Radtourismushighway, den Radweg im Taubertal. Fest in der Hand von ü65+E.


Gaubahnradweg. Wenige Schienen liegen noch.

Auch das Taubertal musste ich verlassen, diesmal leider nicht auf einem Bahnradweg, es war also etwas steiler. Oben dann die Hohenloher Ebene, und die war dann doch sehr, sehr ländlich. In Brettheim gab es immerhin einen Edeka, und somit kalte Getränke. Und ein bisschen was zu essen.

Crailsheim wirkte auf mich dann fast wie eine Metropole, aber letztlich ist es auch nur eine schwäbische Kleinstadt. Immerhin mit Eisdiele. Mit Spaghettieis im Magen machte ich mich auf die letzten 25 km bis zum Ziel für heute, Ellwangen. Entlang der Jagst, also steigungsarm.

Meine Unterkunft war der Braurereigasthof Hotel Roter Ochsen – es hörte sich so an, als gäbe es hier was richtiges zu essen. Ich entschied mich für Regionalität und Saitenwürstchen mit Linsen. Dann ein kurzer Rundgang durch die Altstadt, die sicher mehr Zeit verdient hätte. Aber ich war denn doch auch ein bisschen müde. Immerhin war das Ende in Sicht, bis Oberstdorf waren es nun nur noch 200 km.


Schwäbisch Food.


Barock trifft Romanik.


Freitag, 26. Juni. Ellwangen – Memmingen.

Endspurt. Die Alpen kommen näher, heute werde ich Baden-Württemberg verlassen und endgültig nach Bayern kommen. Hm, ist das zu feiern? Nee, einfach fahren.


Frühstück im Brauereigasthof Roter Ochsen.

Von der Jagst an den Kocher, kurze Pause in Aalen, von der Kocher an die Brenz. Es ging ein bisschen hoch, oben das Kloster Königsbronn - aber vor allem war das eine hydrographische Zäsur: Ich startete auf Sylt sozusagen in der Nordsee, und alle Täler, durch die ich bisher fuhr, entwässerten irgendwie in eben diese Nordsee, über Elbe, Weser oder Rhein. So auch der Kocher, der über den Neckar bei Heidelberg, ääh, Mannheim in den Rhein fließt. Und jetzt flösse mein Urin, sollte ich in eins der Gewässer pinkeln, ins Schwarze Meer.

Eisdiele in Heidenheim (und insgeheimes Daumendrücken, dass der ortsansässige Fußballverein es schafft, den HSV vom Relegationsplatz fernzuhalten. Hat er dann nicht geschafft, das musste der HSV ganz alleine regeln...). Heidenheim ist eine stark industriell geprägte Stadt, steht in Wikipedia, und das merkte ich, als ich rausfuhr. Voith, ein Maschinenbauunternehmen hat hier seinen Hauptsitz, also durchaus auch Unternehmen, die man kennt.


Burg Heidenheim.

Hinter Heidenheim wartete der nächste Pass, nun kam ich an die Donau. Ein paar Kilometer Donauradweg, der aber sehr eng war – vielleicht ist er am anderen Ufer breiter? Wie dem auch sei, ein Foto machte ich vom Ulmer Münster, dann fuhr ich weiter.



Beweisfoto.

Neu-Ulm, Senden, Föhringen, Illertissen – richtig schön war das nicht, es ging häufig durch Gewerbegebiete. Irgendwo musste ich auch Kilometer 1.000 erreicht haben, leider gibt es beim Garmin Edge keine Funktion Reisekilometer. Nur Tageskilometer und Gesamtkilometer, also alle mit dem Gerät gefahrenen Kilometer. Was auch immer das bringen soll.


Symbolfoto Kilometer 1.000.

Es befiel mich zwar hin und wieder auf der Reise ein recht heftiges "Axxx-der-Welt"-Gefühl, aber so rein landschaftlich ist das schon schöner als ein Gewerbegebiet am anderen. Es wurde aber auch wieder ländlicher. Und sah schon ein bisschen nach Allgäu aus. Bei Kellmünz an der Iller zeigte ein Radwegschild ab von der Straße, die komoot für mich aussuchte. Nach Memmingen war es sogar etwas kürzer. Und die Straße nach Kellmünz ging klar bergauf. Sollte es einen Radweg an der Iller geben? Man muss auch mal was wagen.

Ich hätte es nicht tun sollen. Ja, es gibt einen Radweg an der Iller. Der ist aber definitiv nicht rennradtauglich. Leider war er es am Anfang noch, wurde dann etwas schlechter, und dann noch etwas schlechter und als es ganz übel war, war ich zu stolz, um umzukehren. Und schlich fluchend weiter, bis endlich eine Brücke kam. Denn, blöderweise, der Radweg verlief zwischen Iller und Bahnstrecke, da konnte man nicht einfach eben mal so drüber.


Kann man als Allgäu durchgehen lassen, oder?

Memmingen erreichte ich also auf der Straße. Da Freitag war, und ziemlich sommerlich, machte ich mir ein wenig Sorgen, ob noch ein freier Platz im Hotelrestaurant zu finden war. Klappte aber, trotz Abstand. Es war schon wieder ein Brauereirestaurant, und wieder aß ich nicht unbedingt leicht. Einen kurzen Verdauungsspaziergang legte ich noch ein, durch den "Verkehrsknotenpunkt Oberschwabens auf der Straße, Schiene und in der Luft". Sagt Wikipedia. Außerdem sagt Wikipedia, dass überraschend viele mehr oder weniger bekannte Profifußballer hier geboren sind. Mario Götze, Holger Badstuber, Timo Gebhardt, Reinhold Mathy, Michael Mutzel...


Memmingen. Letzte Station vor Oberstdorf.


Samstag, 27. Juni. Memmingen – Oberstdorf.


Auf zur (fast) letzten Etappe.

Das Hotel in Oberstdorf hatte ich schon vor ein paar Tagen gebucht, als absehbar war, dass ich es heute schaffen würde. Gut so, dort war absolute Hochsaison. Und ich hatte für zwei Nächte gebucht, da ich nicht an einem Sonntag mit der Bahn zurückfahren wollte. Und da ich möglicherweise heute nicht mehr ganz ans Südende fahren wollte, weil für den Nachmittag Gewitter vorhergesagt waren. Gewitter in den Alpen mag ich nicht so.


Es wurde etwas nass.

Nass wurde ich aber schon vor Kempten, ein ziemlich heftiger Schauer erwischte mich. Klatschnass fuhr ich noch in die Innenstadt und machte eine etwas längere Busbahnhofpause. Hat sich gelohnt, danach kam die Sonne raus und es ging bei bestem Wetter und sogar etwas Rückenwind in die Alpen. Und das ist immer schön.


Fast schon ein bisschen klischeehaft.

In Oberstdorf bezog ich mein Hotel, fast schon ein bisschen sehr luxuriös. Aber gut, das kann man sich mal leisten am Ende einer solchen Tour. Die Sonne war noch da, wenige Wolken, sollte ich es doch versuchen, heute noch in den Südzipfel zu fahren? Warum nicht? Ich fuhr also los – und drehte bei der Skiflugschanze wieder um. Nix neues, aber es kann sich schon sehr schnell zuziehen in den Alpen. Also morgen. Abendessen im Hotel, ausnahmsweise mal drinnen, wg. Regen draußen.


Sonntag, 28. Juni. Ans Südende.


Morgenstimmung.

Nach dem Frühstück brach ich zu den letzten 18 Kilometern auf. Und gefühlt verdoppelte ich auf diesen 18 Kilometern meine Höhenmeterzahl. Okay, ganz so schlimm war es nicht. Aber teilweise fies steil, bis zu 15 %. Ich war zu stolz zu schieben – aber zu schwer zu fahren. Das Gewicht siegte über den Stolz und ich schob ein paar Kilometer. Und nein, die E-Bikes, die an mir vorbeifuhren, ärgerten mich nicht. Nein. Taten sie nicht. Und wenn, dann nur ein ganz kleines bisschen.



Ende Gelände.

Als folgsamer Staatsbürger hörte ich am Schild auf zu fahren, das ein Verbot für Fahrzeuge aller Art bedeutet. Möglicherweise hätte ich noch ein bisschen weiterfahren können – aber für mich war Schluss. Das Südende erreicht. Am 19. Juni auf Sylt losgefahren und am 28. Juni hier angekommen. Uff.


Määääh!

Es folgte ein großer Teil der auf dieser Reise in Richtung Norden gefahrenen Kilometer - zurück nach Obersdorf. Fahrrad in den Fahrradkeller, Radklamotten nicht waschen und mit dem Bus nochmal raus, ein bisschen Sightseeing. Heini-Klopfer-Schanze. Beeindruckender Name, beeindruckendes Bauwerk. Wirkt in echt dann doch noch etwas imponierender als im Fernsehen.


Heini-Klopfer-Skiflugschanze.

Dann hatte ich noch etwas Zeit, um durch Oberstdorf zu schlendern. Ist schon sehr touristisch, und trotz Corona war ziemlich viel los. Oder eher wegen Corona, viele Menschen machten ja wegen der Pandemie in Deutschland Urlaub und nicht im Ausland. Ich auch. Und es hat sich gelohnt.


Fazit

Das war mal eine neue Art Radreise für mich. Wenig Gepäck, Rennrad, nur Hotels, komplett vorgeplant, ohne Papierkarten. Soviel Neues auf einmal muss man auch erstmal verkraften. Okay, das habe ich geschafft – fast, stelle gerade fest, dass ich das schon im Eingangsbeitrag geschrieben habe. Etwas Verwirrungs scheint geblieben zu sein.

Mit dem Rad so einen Querschnitt, oder besser Längsschnitt, durch ein Land zu legen hat was. Innerhalb von 10 Tagen habe ich sehr viel Deutschland gesehen, auf gut 1.000 km auch sehr viel Unterschiedliches. Nordsee, Alpen. Großstadt, Land (ziemlich Land...). Flach, bergig. Moin, Servus. Fachwerk-rot, Fachwerk-weiß. Grützwurst, Saitenwürstchen. Mäh, muh.

Was war das Schönste? Vieles war schön, wenn ich zwei Highlights herausheben sollte, dann tatsächlich der äußerste Norden, der Lister Ellenbogen, und der äußerste Süden, das Rappenalptal.

Ach ja, Corona. Eigentlich kein großes Thema. Gut, verschiedene Arten, mit Frühstückstücksbuffetts umzugehen, Telefonnummern hinterlassen – das war es auch schon.

Die Strecke bei Komoot: Klick.

Die Strecke in Zahlen:


Viel Niedersachsen, wenig Thüringen.


Am meisten Kilometer im nördlichsten und im südlichsten Kreis.


Am gefährlichsten: Nordfriesland


Okay, dass bei einer Nord-Süd-Durchquerung Deutschlands südliche Richtungen überwiegen, ist nicht überraschend. Aber hier der Beweis.

Die Downloads der Charts sind nicht so richtig gut, im Original gibt es sie hier.

Das war's, thank you for reading.