Re: Alaska - Yukon Territories - British Columbia

von: joeyyy

Re: Alaska - Yukon Territories - British Columbia - 11.02.10 22:54

Na gut. Aber eigentlich darf ich ja so gar nicht schreiben, sondern muss alles in den ersten Beitrag stecken, der dann allerdings ziemlich lang werden würde und es mindestens noch bis Herbst dauern würde, bis ich ihn zusammen hätte. Außerdem kriege ich hier meine Bilder nicht eingebaut, was ich gerne würde, was aber nicht funzt, weil ich nicht persönlich bekannt bin. So dann...

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21.5.2009

Wild gezeltet - kalte Nacht - brr... Gut geschlafen, um 8 kommt die Sonne raus, wärmt. Überall Elch-Kacke - habe gestern abend zwei gesehen.

Vor den Riesenviechern habe ich den meisten Respekt. Bären sind neugierig, klopfen an, machen sich bemerkbar, stellen sich zum Kampf. Elche? Elche nicht. Die laufen einfach drauf los. Und wenn ein Zelt im Weg steht, wo einer drin liegt, ist denen das auch egal.

55 km / 4:30 h / Vmax 70,6 km/h! Fährt sich wie ein Motocross-Motorrad, der vollgefederte Trecker, wenn er beladen ist. Absolut ruhig. Bin begeistert. Bergauf dann aber nicht. Gefühlt habe ich schon die ersten 25.000 von insgesamt 30.000 Höhenmetern hinter mir.

Der erste Tag, an dem ich die Weite dieses wunderschönen Landes einatmen konnte. "There's no spot in Alaska that isn't beautiful!" sagte ein alter Mann, der einen Handel mit alten Autos betreibt.

Der Typ ist echt schräg. Aber das sind hier alle. Wer hier lebt, muss das wohl sein. Und da ich mit einem vollbepackten Fahrrad im Land der unbegrenzten Möglichkeiten unterwegs bin, wo es doch Pickups oder Motorhomes oder Trucks gibt, halten mich die Schrägen für mindestens genauso schräg. Das sorgt für schnelles Warmwerden miteinander.

"Where'u from?"

"Germany"

"My Grandparents're from Germany too. From Schduddgoord. Moved to Alaska in ninetyeight."

"Oh - YOUR Grandparents are still ALIVE?"

"In EIGHTEENninetyeight you Joker!"

"Oh!"

Ich konnte feststellen, dass das amerikanische Gesundheitssystem Gebissrenovierungen in den Regionen des Polarkreises nicht mit einschließt. Das hustende Lachen ließ auf einen ordentlichen Konsum von Lucky Strikes in diesem Leben schließen.

"Now I've got to work again!" Gab mir seine Visitenkarte und verschwand in der "Werkstatt".

Schräg eben.

Auf seinem Hof standen alte Chevys und Cadillacs aus den Fünfzigern und Sechzigern. Die aus den amerikanischen Gangsterfilmen mit James Cagney. Rostlauben, denen sogar ich als Nicht-Autofahrer mal wieder etwas abgewinnen konnte. Ein alter Cadillac-Krankenwagen mit diesen Sirenen auf dem Dach ist zum Werkstattwagen umgebaut worden. Geil. Wie der Jaguar E als Leichenwagen in Harold und Maude. Es gibt Autos, die würde ich sogar kaufen.

Mittags fuhr ich an eine Baustelle. An den wartenden Autos vorbei bis nach vorn. Da stand ein Mädel mit 'ner Fahne in der Hand und teilte mir mit, dass der "Headcar" unterwegs sei. Ich schaute offensichtlich so stutzig, dass sie mir gleich erklärte, dass ich die Baustelle nicht mit meinem Rad befahren dürfe und dass ich gleich abgeholt werden würde. ??? Häh ??? Da in Alaska Zeit und Raum unendlich vorhanden ist, erklärte sie mir, wie Baustellen dort funktionieren.

Diese Baustelle sei rund acht Kilometer lang. Der Winter habe den Straßenbelag aufplatzen lassen und das müsse jetzt repariert werden. OK. Verstanden.

Aus versicherungstechnischen Gründen müssen alle Verkehrsteilnehmer durch die Baustelle GEFÜHRT werden. Es fährt also ein Auto mit einem Fahrer - hier allerdings eine Fahrerin - den ganzen Tag in der Baustelle hin und her und bringt die Autoschlangen von einem Ende zum anderen. Und ich hätte Glück, dass dieses Auto ein Pickup sei und mein Fahrrad aufladen könne.

Da ist sie - diese amerikanische Besonderheit mit den Versicherungen. Man darf Katzen nicht zum Trocknen in die Mikrowelle stecken. Das muss in der Bedienungsanleitung stehen, sonst zahlt die Versicherung nicht, wenn's jemand macht und hunderttausend Dollar Schadenersatz verlangt.

Egal. Einer in der Baustellenwarteschlange kam nach vorn zu mir und fragte wer mich den sponsern würde. Ich sagte, dass das meine Idee wäre, ich Werbung nicht mögen würde und insofern das einfach nur für mich täte. Unabhängig und frei - Werte, die den Amerikanern doch eigentlich sympathisch sein müssten. Wenn ich gesponsert wäre, müsste ich mich nach den Geldgebern richten und wäre nicht mehr frei, sagte ich. Pause. "Just for yourself? Unbelievable!"

Nach einer knappen halben Stunde kam der Baustellen-Pickup und eine Frau stieg aus. Ihre Kollegin hatte sie schon per Funk über den "Stranger" mit dem Fahrrad informiert. Eine Frau. Hmm, na ja, sagen wir mal so: Sie behauptete von sich selbst, dass sie "tough" sei. Und selten habe ich einen größeren Einklang von Wort und Bild erlebt.

Die Ladefläche des Pickup war ungefähr einsfünfzig hoch. Die Kante der Heckklappe lag ungefähr bei einsachtzig. Die Heckklappe ließ sich nicht öffnen. "Don't work!". Ich begann also schon mal, die vorderen Packtaschen abzuhängen.

"No, no - I'm tough!" lachte sie mir entgegen. Ich richtete mich auf und sah sie fragend an. "Let's lift it!" forderte sie mich auf. "That's sixty Kilos!" versuchte ich einzuwenden. Aber da die Amis nur in Pound rechnen, ignorierte sie mich und ließ mich auf die Ladefläche klettern.

Was soll ich sagen - es folgte ein Bewegungsablauf, der mich an diese chinesischen Gewichtheberinnen bei Olympia 2008 erinnerte. Und auch die Laute waren ähnlich. Jedenfalls stemmte sie das Interconti mit hinteren Gepäcktaschen, Zelt, Schlafsack, Isomatte, Schloss, Werkzeug, etc. über die nicht arbeitende Heckklappe auf die Ladefläche des Autos. Ich nahm mein Gefährt entgegen und dachte an meinen Bandscheibenvorfall und meine Lendenwirbel. "That's what I said. I'm tough!" Ihre Kollegin mit der Fahne lachte laut, ich kletterte von der Ladefläche auf den Beifahrersitz und ließ mich von Mary durch die Baustelle chauffieren.

Mary ist mit Leib und Seele Baustellenführungsfahrzeugfahrerin. Ganz stolz erklärte sie mir die ganzen Maschinen, die da so arbeiteten und winkte laufend ihren Kolleginnen und Kollegen zu. Das erinnerte mich an die Straßenbahnfahrer in Hannover, die sich auch immer zuwinken. Egal wie oft am Tag sie sich sehen. Also ob ich jedesmal meinem Bürokollegen "Hallo" sage, wenn er oder ich mal aus dem Büro raus- oder reingehen. Hat wohl was von Ritual.

Frauen. Auf den großen Maschinen sitzen in der Regel Frauen. Zierliche Frauen - not tough. Sie seien eben weiter in USA mit der Frauenemanzipation lachte Mary, als ich mein Erstaunen erwähnte. "And we're tough!". Das hat sich mir irgendwie eingeprägt.

Mary zeigte mir ihre Lieblingsstelle in dieser Baustelle. Jedesmal fühlte sie sich ganz stolz, wenn sie hier vorbeikäme.

Letztes Jahr war hier noch ein Berg. Die Leute wären hier Schlitten gefahren, den Berg runter. Aber im Herbst haben ihre Kollegen den Berg in die Luft gesprengt, um die Straße durch zu bauen. Das sei ja doch wohl eine ingenieurstechnische Meisterleistung. So was könnten nur die Amerikaner.

Ich fragte sie ob sie schon mal in Österreich oder der Schweiz gewesen wäre. Dort würde man Löcher in die Berge bohren und durchfahren. Das nenne man "Tunnel" bei uns und das Prinzip würde die Berge schonen. Und als ich noch versuchte, zu erklären, dass - wenn die Berge alle weggesprengt wären - dann keiner mehr käme, weil die Berge weg wären und dann die Straßen und Parkplätze, die durch die Berge gebaut wurden, auch nicht mehr benötigt würden, weil ja keiner mehr käme, war sie erst stutzig und dann - glaube ich - beleidigt.
Ich machte noch ein paar Komplimente und witzelte rum, da ich daran dachte, dass ich das Fahrrad ja wieder von der Ladefläche bringen musste und Mary dabei eine Schlüsselrolle übernehmen müsste.

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Fortsetzung folgt...