Von Catania nach München (fast)

von: lytze

Von Catania nach München (fast) - 03.01.13 19:39

Vorbemerkung:
Der Bericht ist zeitgleich auch im ODS-Forum - allerdings unter einem etwas geänderten Titel - erschienen: Auch von dort hatte ich im Vorfeld viel Unterstützung erfahren.
Aber die Haupt-Tipps kamen hier aus dem Forum. Allen, die mir geholfen haben (und sei es durch gnädiges Schweigen...) nochmals vielen Dank!

Hier also der erste Teil, die anderen werden recht zügig nachgeliefert.
Viel Spaß beim Lesen
wünscht lytze




Die Idee

Wann und woher genau die Idee zu dieser Reise kam, weiß ich gar nicht mehr. Es sollte eine längere Fahrradtour sein, die auch alleine zu bewältigen ist, möglichst nicht mit vielen Mücken unterwegs und mit ausreichender Infrastruktur für alles, was der ältere und verwöhnte Radreisende unterwegs so braucht: Täglich ein richtiges Bett, eine (warme) Dusche und was Anständiges zu essen. Dazu noch die passende Landschaft, abwechslungsreich, schön, nicht zu kalt und nicht zu warm – und nicht zuletzt auch die Möglichkeit, gut, sicher, einfach und einigermaßen kostengünstig hin und zurück zu kommen. Also kurz und gut: Die eierlegende Wollmilchsau unter den Radreisen!

Italien an sich gefiel mir ja schon ganz gut. Landschaft und Klima sowie Infrastruktur passten zu meinen Anforderungen, das mit der Sprache sollte auch klappen (wozu hat man schließlich vor... 40 Jahre das Große Latinum gemacht... Und dann die Küche und der Wein!). Also: ITALIEN. Und zwar wenn schon, denn schon: Den ganzen Stiefel! Und da nach Hause fahren irgendwie einfacher ist (das zieht einen!): Von Süden nach Norden. Die erste Internet-Recherche ergab dann wegen der Flugverbindung auch schon die Streckenplanung: Von Catania nach München.

Das führte dann als nächstes zur Zeitplanung. Süditalien im Hochsommer mit dem Fahrrad ist nicht so das Wahre, zu früh oder zu spät im Jahr gibt es Probleme in den Bergen (Apennin und Alpen liegen ja im Weg): Also spätes Frühjahr oder früher Herbst. Ich entschied mich für spätes Frühjahr: Mai 2012. Und einen Anlass hatte ich auch. Ich habe mir die Tour selbst zu meinem 60. Geburtstag geschenkt!

In die ersten Überlegungen und Ideen mit noch reichlich unstrukturierten Anfangsplänen fiel die Radreise einiger Rennradfahrer aus unserem Gegend, die zu einem „Runden Geburtstag“ eines Bekannten vom Saarland aus nach Sizilien fahren wollten – allerdings mit Rennrädern, mit Begleitfahrzeug und ohne Gepäck – und zu mehreren. Noch dazu waren sie auch ein paar Jahre jünger als ich. Einen der Mitfahrer kannte ich, er versorgte mich nach der Rückkehr von der geglückten Tour mit weiteren Informationen und war somit eine Art Pate meiner Reise.

Und er gab mir dann vor dem Aufbruch die Zusage (und seine Handy-Nr.) mit auf den Weg: Sollte mir irgendetwas passieren, sollte ich Hilfe brauchen oder sogar abgeholt werden müssen – er stehe zur Verfügung! Ähnliche Unterstützungsangebote bekam ich noch zwei, und ich bin mir sicher, dass in jedem Falle jeder der drei an meiner „Rettung“ mitgewirkt hätte. Dieses Wissen im Hinterkopf ließ mich die Fahrt mit weniger Bedenken antreten – die Bedenken und Sorgen hatten allerdings andere (erst recht, als es kurz nach meiner Rückkehr in Norditalien zu folgenschweren Erdbeben kam und mich einige noch unterwegs wähnten...).

Nachdem 2010 meine erste Radtour in Deutschland (von Merzig im Saarland nach Dessau an der Elbe) mit etwas über eintausend Kilometer und 2011 meine Rundtour in den Alpen (mit Fern-, Reschen- und Brennerpass) ohne Probleme verlaufen war, war ich mir ziemlich sicher, dass auch eine weitere Strecke mit entsprechendem Berganteil zu machen sei. Es begann die Feinrecherche in den Internetforen, vor allem im Radreise & Fernradler Forum, wo auch wichtige Hinweise, Infos und Insider-Tipps zu finden waren (siehe hierzu auch später). In den Wochen vor der Reise kamen dann noch sehr persönliche Tipps von Fabio aus Bergamo hinzu, vor allem zur Rom-Durchquerung. An dieser Stelle noch allen, die mir bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung meiner Tour geholfen haben, ein dickes Danke-Schön. Nicht zu vergessen dabei auch der Dank an Petrus – aber dazu später mehr...


Mein Fahrrad und das restliche Gelump

Die Reiseausrüstung war bereits bei den beiden zurückliegenden kürzeren Touren erprobt worden; für eine Reise mit ein paar Kilometern mehr waren jedoch einige Besonderheiten zu beachten. Gedacht war weitgehend an eine Übernachtung in Hotels und Gasthöfen, also nicht generell auf Camping-Plätzen. Das hatte einerseits etwas mit dem mitzuführenden Gewicht zu tun, andererseits aber natürlich auch mit der Bequemlichkeit, auf die bandscheibengeschädigte Anfangsechsiger ja doch schon achten müssen. Im Laufe der Vorbereitung gelangte ich jedoch zu der Meinung, dass etwas Unabhängkeit angebracht sei – so nahm ich schließlich ein kleines Einmannzelt (Tarptent Contrail mit 750 gr) und eine leichte Luftmatratze (exped synmat UL 7 mit 450 gr) mit – zusätzlich zum leichten Daunenschlafsack (WM-summerlite mit 530 gr) den ich aus „hygienischen“ Gründen ohnehin mitgenommen hätte. Mein Not-Schlafzimmer schlug also mit etwas unter 2 kg zu Buche. Kochzeugs hatte ich nicht dabei: Wer in Italien verhungert, dachte ich mir, ist selber schuld....

Diese (letztere) Entscheidung hat sich dann auch als richtig herausgestellt: Nach dem morgendlichen landestypischen Frühstück (meist in Form eines süßen, nougat-, creme- oder marmeladegefüllten Blätterteighörnchens und einem Capuccino) gab es unterwegs tagsüber eigentlich fast immer nur Obst (Bananen und oder Apfelsinen, die ich am Abend vorher in einem supermercado oder am gleichen Tag an irgendeinem Stand am Straßenrand kaufte, die im Süden häufig zu finden sind) oder einen der Müsliriegel, die schon teilweise abenteuerliche Wege und Wanderungen hinter sich hatten (von früheren Touren) – und die bei dieser Fahrt auch nicht alle aufgegessen wurden...

Nur ein- oder zweimal habe ich tagsüber eine warme Kleinigkeit gegessen, das warme Essen gab es meist Abends, aber auch in einigen Fällen war es doch kalt: Weißbrot, Käse, Schinken, Tomaten, Oliven, eingelegter Fisch. Dazu gezuckerter Orangensaft in Litermengen (etwas, was ich sonst nie trinke) und ein Glas Wein als Gute-Nacht-Trunk. Natürlich gab es auch Pizza – die beste bekam ich bei Neapel (wie es sich gehört) und dann später wieder in Bozen(!).



Eigentlich überflüssig war ein Großteil des elektronischen Krempels: Ersatzakkus, die ich dabei hatte, aber nicht nutzte; ein Netbook, das ich mit meinem smartphone für Internet-Recherche usw. dabei hatte; das Outdoor-Navi „Garmin-etrex-vista hcx“, das ich doch nicht nutzte, weil ich mit den Kartenkopien und dem Sonnenstand prima zu Recht kam. Die bereits in Deutschland besorgte 1-Monats-prepaid-Karte von TIM mit der Datenflatrate funktionierte genau 2 Tage lang – dann war Schluss mit skypen mit daheim. Gut, dass ich noch meine deutsch 02-Karte dabei hatte, so konnte ich wenigstens smsen und gelegentlich Hotel-WiFi nutzen.

Wirklich gebraucht habe ich eigentlich nur mein Handy und den Sony ebook-Reader, mit dessen Hilfe ich täglich im Hotelzimmer lesen konnte. Dessen Akku-Ladung hielt auch die ganzen 3 Wochen durch. Täglich fotografierte ich auch mit einer Kompaktkamera (Fuji x10), auch deren Akku hielt die fast 3 Wochen ohne Nachladung durch (obwohl natürlich ein Ersatzakku vorhanden war...).

Auch an Kleidung hatte ich einiges dabei, was ich nicht oder so gut wie nicht benutzte (Softshell, Anorak, Regenhose usw.). An guten Radpolsterhosen hatte ich zwei dabei; es gab auch keine Probleme mit Druckstellen oder sogar Hautverletzungen, auch dank der präventiven morgendlichen „Einreibungen“ mit Ilon protect. Wegen der besseren Erkennbarkeit hatte ich eine gelbe Warnweste unterwegs (fast immer) an. Gut bewährt hat sich mein System mit dem täglichen Auswaschen der Funktionsunterwäsche auch diesmal. Die Kleidung waren morgens immer vollkommen trocken.

Zu meinem Rad: Gegenüber der Tour von 2011 war es unverändert (ein GIANT-Trekkingrad aus Alu mit Dameneinstieg, also ohne Oberrohr, 11,5 kg. leicht, mit 27-Gang-Kettenschaltung), lediglich zur besseren Erkennbarkeit in den (teils unbeleuchteten) Tunnels hatte ich Speichenreflektoren und am Radende eine rote Blink-LED angebracht, die ich dann nach Bedarf anmachte (zusätzlich zur normalen Radbeleuchtung von BUMM). Ich fuhr immer mit meinen Hörgeräten, benutzte immer den Rückspiegel und hatte natürlich immer den Helm auf....



Verpackt war mein Zeug in zwei Ortlieb-Backrollern; Zelt, Matte und Schlafsack waren in einem Ortlieb-Rollsack, den ich längs auf dem Gepäckträger platzierte. Die Sachen für tagsüber befanden sich in der Ortlieb-Lenkertasche. Zu Trinken für unterwegs hatte ich eine 0,7 l Radflasche unter dem Unterrohr und eine 1 ½ l SIGG an der Sattelstütze, letztere wurde nie leergetrunken. Aber ich habe bei entsprechendem Zucker- und Coffeinbedarf an der Strecke auch gelegentlich Flüssigkeit in Form von gekühlter Cola nachgefasst...

Um für die lange Strecke nicht zu viele Karten mitnehmen zu müssen (Platz- und Gewichtsproblem), hatte ich aus dem Hallwag-Italien-Atlas 1:250.000 die entsprechenden Seiten eingescannt und auf dem Farblaser ausgedruckt. Der jeweilige aktuelle Ausdruck lag immer vor mir in der Kartentasche der Lenkertasche (na ja, fast immer: Bei der Festlegung der wichtigen Seiten war ich wohl für den Bereich zwischen Innsbruck und Rosenheim etwas unaufmerksam, denn dieser Kartenteil fehlte mir – was aber nicht tragisch war, weil man sich auf dem Inntalradweg ohnehin nicht verfahren konnte: Einfach sturheil auf der Dammkrone entlang und alle 200 Meter gab es ein Schild). Das Navi blieb – wie oben erwähnt – unbenutzt. Dieses Dasein der Nutzlosigkeit teilte es – Glück muss man haben – mit der Luftpumpe, dem Radflickzeug, dem Ersatzreifen, den beiden Ersatzspeichen, den Kabelbindern und dem Erste-Hilfe-Beutel - usw.!

Fazit: Wenn ich genau gewusst hätte, was ich brauche und was nicht, hätte ich locker 5 kg einsparen können. Aber man weiß das ja eben nicht genau...


Planung und Vorbereitung

Das fing schon relativ früh an, also etwa 1 ½ Jahre vor der Tour. Und es fand überwiegend vor dem Computermonitor statt. Vor allem das Radreise & Fernradler Forum und die Tipps des ODS-Forums waren eine unerschöpfliche Quelle von Informationen und Tipps zu Radreisen allgemein und Italien insbesondere. Ich nahm zu einigen der Foristen auch Einzelkontakte auf, und es entwickelte sich ein für mich ergiebiger eMail-Verkehr – jetzt bin ich in der Lage und der Rolle, meine Erfahrungen und Kenntnisse weiter zu geben. Die Anfertigung eines Reiseberichtes über meine Tour gehört mit zu dieser selbst auferlegten „Verpflichtung“.

Daneben war ich zu Informationszwecken auch oft auf den Navigations- und GPS-Seiten unterwegs www.gpsies.com oder www.rennrad oder www.tourenplaner.de/Tourenplaner/Tourenplaner, aber auch auf vielen anderen. Für Ausrüstungstipps jenseits des Fahrrades waren die entsprechenden outdoor-Foren hilfreich (z.B. www.outdoorseiten.net/forum/forum.php oder speziell zu Leicht-Ausrüstung (www.ultraleicht-trekking.com/forum/index.php). Besonders informativ und unterhaltsam waren die vielfältigen Reiseberichte nicht nur von Fernradlern.

Vielleicht noch ein paar Worte zum Thema Sprache. Meine Latein-Kenntnisse sind natürlich längst versandet – und um der Wahrheit die Ehre zu geben: Sie waren nie (!) gut oder auch nur ausreichend... Französisch ging und geht wohl (hoffentlich) so la la, und auf Englisch kenne ich einige Alltagsbegriffe und Redewendungen. Eigentlich nicht genug für eine Tour, bei der man sich über Wochen verständigen sollte. Etwas Italienisch konnte ich noch aus einem Einsteigerkurs der Volkshochschule, aber auch der lag schon viele Jahre zurück.

Also begann ich im Herbst 2011 bei einer Nachbarin, die Italienisch-Kurse gibt, ein Einzel-Sprachunterricht speziell für Italien-Fern-Radreisende. Ziel war die Vermittlung von Alltagsbegriffen und der Angstabbau vor der Sprache. Ich kam (auch tatsächlich dank der Latein- und Französisch-Reste) in der Vorbereitung gut zurecht, baute mir einen Katalog von Überlebensfragen zusammen („Per favore, é possibile de mettere la mia tenda piccola qui in vicine???“ – und hatte nach drei Monaten Sprachunterricht wenig Zeit und keine rechte Lust mehr. Ich wollte keine Gespräche führen, sondern „klar kommen“. Und das Werkzeug dafür hatte ich ja (… so meine Überzeugung!). Und siehe da: Es langte tatsächlich! Es kamen unterwegs noch ein paar Spezialbegriffe dazu, die mit den geläufigen Handbewegungen unterlegt wurden (Kreisverkehr beispielsweise wird durch die rotierende Hand gezeigt, eine Ampel durch das schnelle Öffnen und Schließen der Finger bzw. Handfläche). Und – sehr gelegentlich – fanden sich vor allem im Süden ehemalige Gastarbeiter, die stolz waren, ihre früheren Deutschkenntnisse für mich hervorzukramen...
Auf jeden Fall kam ich ganz gut zu Recht!

Dann noch zur körperlichen Vorbereitung:
Meine bisher längste Radtour betrug ca. 1.000 km (von der Saar bis an die Elbe), ich brauchte dafür etwa 8 Tage, diese Tour lag zwei Jahre zurück. 2011 erfolgte dann die „kleine Alpenrunde“ mit 700 km in 7 Tagen und 6.500 Höhenmetern. Für die Italien-Tour rechnete ich mit über 2.000 km, und dass es nicht flach werden würde – trotz Küstenstrecke – war mir auch klar. Der Winter 2011/12 war zum Radtraining nicht so gut geeignet, von Dezember bis März war für mich daher radmäßig Pause angesagt. Aber ich konnte joggen und ging zwei mal wöchentlich zum Radfahren ins Fitness-Studio, zusätzlich zu meinen beiden regelmäßigen wöchentlichen Rücken-Trainings-Terminen. Im April 2012, also kurz vor Reiseantritt, war die Witterung dann doch so gut, dass ich noch etwa 300 km draußen fahren konnte. Mehr wäre natürlich besser gewesen. Und am 01. Mai ging die Reise los. Aber ich fühlte mich fit und vorbereitet.

Jetzt konnte es losgehen!

Den ersten konkreten Schritt dazu machte unmittelbar nach der Rückkehr von der Alpen-Radtour, im September 2011, indem ich bereits damals schon den Flug von München nach Catania buchte. Meinen vierwöchigen Urlaub beantragte ich rechtzeitig, nach und nach schaute ich meine Ausrüstung durch und ergänzte sie, das Zeltchen wurde an einem Vorfrühlingstag einmal auf dem Rasen probeaufgebaut und ein „Probepacken“ der kompletten Ausrüstung fand auch rechtzeitig statt. Etwas Sorge bereitete mir noch die Radverpackung für den Flug. Im Internet fand ich auf der AirBerlin-Seite dazu folgenden Hinweis „Lenkrad parallel zum Rahmen, Pedale nach innen gedreht; in Hülle o. ä. verpackt“. Die sicherste Hülle schien mir ein Radkarton zu sein, weshalb ich mir einen beim Radhändler besorgte. Auch der wurde schon einmal probegestülpt und für gut befunden: Sogar dermaßen verpackt konnte ich Vorder- und Hinterrad vor- und zurückbewegen und das Fahrrad somit sogar rangieren.


Sonntag, 29. April 2012
Es geht von zu Hause aus los, mit dem Auto ins Bayrische, da ich den Flug ab München gebucht und somit einen Direkt- und Non-Stop-Flug ohne Gepäck-/Radumladung hatte – das schien mir die radschonenste Variante zu sein!. Nach einem wettermäßig nicht so schönen April versprach die Vorhersage für die nächsten Tage aber gutes Wetter, das schließt die Anreise nach München/Penzberg bereits ein. Ich genieße den Tag bei Tochter und Enkelkindern und bin (natürlich) in Erwartung des Fluges und der Fahrt aufgeregt – schließlich kann immer noch einiges schiefgehen...