Armenien - der Nordwesten

von: love2.bike

Armenien - der Nordwesten - 05.10.19 06:34



15 Tage lang waren wir Anfang/Mitte September mit unseren Reiserädern in Armenien unterwegs – bei Weitem nicht genug, um das auf den ersten Blick so kleine Land auch nur ansatzweise „komplett“ kennenzulernen. Unser landschaftlicher Fokus lag auf dem nordwestlichen Teil der Kaukasus-Republik – den einsamen Hochebenen rund um den Arpi-See sowie auf der Querung der Geghama Vulkan-Berge, die uns 2 Tage lang auf scheinbar endlosen Pisten über 3.000m hoch permanent ins Staunen versetzte. Rückblickend war es für uns mit Sicherheit die bisher facettenreichste Radreise – sowohl vom Ablauf her als auch von den Kontrasten, Eindrücken und Emotionen.














Zuerst waren es wieder einmal sehr allgemeine Eckpunkte, die unsere Entscheidung für eine Radreise durch Armenien schnell besiegelten: die bergigen Regionen des Kaukasus in Kombination mit den – im wahrsten Sinn des Wortes – steinalten Schätzen armenischer Kultur. Dazu kommen relativ stabiles Spätsommer-/Herbstwetter (laut Klimatabellen) sowie eine angenehm kurze Anreise (ca. 3h Direktflug mit Austrian Airlines ab Wien).





Für viele Rad-Fernreisende auf dem Weg Richtung China ist Armenien nur ein „Durchreiseland“, um auf Wegen der alten Seidenstraße möglichst direkt von Georgien in den Iran zu gelangen.
Unser Interesse galt von Beginn an vorrangig den Regionen abseits dieser Haupt-Transitroute. Verschiedenste Routen und Tagesetappen speicherten wir bereits lange vor unserer Reise eifrig als GPS-Tracks, ohne zu ahnen, dass wir viele unserer Überlegungen gleich zu Beginn unserer Reise schnell wieder verwerfen mussten. Denn diesmal kam für uns alles so ganz anders als gewohnt: zuerst eine spontane Routenänderung der ersten 3 Etappen auf Grund einer massiven Schlechtwetterfront im Gebiet des Aragaz (mit 4.090 m der höchste Berg Armeniens), dann eine Pannenserie auf den dornigen Offroad-Pisten südöstlich von Jerewan, gefolgt von böser Übelkeit in der ersten Zeltnacht sowie am darauffolgenden Morgen von heftigen Gewittern, die uns das Fürchten lehrten.

Gefühlt so richtig los ging es für uns dann erst am 7. Tag unserer Reise - beim wunderschönen Arpi-See im nordwestlichen Dreiländereck Armenien-Georgien-Türkei.





Die Nacht oberhalb des idyllisch in die umgebende Hügellandschaft eingebetteten Arpi-Sees ist eiskalt. Morgens zeigt unser Thermometer minus 3 Grad und unser Zelt ziert eine dünne Eisschicht. Umso klarer ist dann dafür der Blick beim Frühstücks-Kaffee auf das uns zu Füßen liegende Gewässer.

















Bis zur M1 nördlich von Ashotsk cruisen wir auf einer breiten, erdig-steinigen Piste dahin, passieren einige kleine Dörfer – alle mit meterhohen Heu-Türmen gespickt – und entdecken prächtige Kreuzsteine am Friedhof bei Aghvorik.








Unsere Route durch abgelegene, einsame Täler im Grenzgebiet der Provinzen Shirak und Lori versetzt uns immer wieder ins Staunen. Anfangs prägen idyllische Dörfer (Bashgyugh und Pokr Sariar) die Landschaft – alles dreht sich hier scheinbar um die intensiven Vorbereitungen für einen langen Winter: wir blicken auf heuballenbeladene LKWs und Türme aus getrocknetem Vieh-Mist, der den Menschen in den abgeschiedenen Dörfern wertvolles Brennmaterial liefert.





Auf immer schmäler und ruppiger werdenden Pisten folgen wir unserem GPS-Track, einmal zu Fuß durch einen etwas breiteren, brückenlosen Bach, dann oft kurz steil auf- und wieder abwärts, bis zu einem traumhaften kleinen Plateau, auf dem wir unser Zelt platzieren – mit wunderbarem Fern-Blick auf die Bergwelt des armenischen Hochlands zwischen Bazum- und Pambak-Gebirge.








Ein paar Höhenmeter ober- und Kilometer außerhalb von Margahovit schlagen wir am Rande einer Wiese unser Nachtlager auf, um am nächsten Tag den 2.635m hohen Margahovit-Pass zu erklimmen – ein weiteres landschaftliches Highlight unserer Reise. Anfangs noch durch dichte Wälder schlängelt sich die teils von tiefen Löchern und Gräben zerfurchte Offroad-Straße in angenehmer Steigung berghoch. Selten ist der Belag mit gröberen Steinen übersät, wodurch eine Befahrung bei konzentrierter Spur-Wahl auch für schwerbepackte Reiseräder möglich ist. Auf der Passhöhe jausnen wir bei Wind und Sonne am Ufer des kleinen Bergsees und blicken in das nächste Tal, das wir nach einer schier endlosen Abfahrt über Wiesen-, Erd- und Geröll-Doubletrack-Pisten erreichen werden. Auf der ganzen Überquerung des Margahovit-Pass begegnen wir nicht einem einzigen Menschen.











Die 10. Etappe unserer Reise wird – neben der Faszination Sewan-See – kulturell die Interessanteste. Morgens statten wir dem im 9. Jhdt. gegründeten Kloster Sewanawank einen Besuch ab und blicken von der Anhöhe der Halbinsel bei Sonnenschein und noch relativ alleine auf die beiden Kirchen Surb Arakelots („Heilige Apostel“) und Surb Astvatsatsin („Mutter Gottes“). Nicht umsonst ist dieses Kloster einer der absoluten Magneten armenischer Bus-Touristen.








Nach gut 25 flachen Kilometern entlang des malerischen Sewan-Sees (auf einer Seehöhe von ca. 1.900 m mit 78 km Länge und einer max. Breite von 56 km der größte Süßwassersee im Kaukasus) erreichen wir das nächste klösterliche Juwel: Hayrawank, ebenso aus dem 9. Jhdt. und ebenso auf einer kleinen felsigen Anhöhe oberhalb des Sees errichtet. Vom klassischen Bus-Tourismus sichtlich verschont, genießen wir angenehm einsam die mystische Stimmung im Innenraum der steinalten Kirche.
Bevor es für uns richtig in die Berge geht, besuchen wir noch den Friedhof von Noratus mit seinen einzigartigen Kreuzsteinen (Chatschkaren). In der tiefstehenden Nachmittagssonne kommt die Vorderseite der Steine besonders prächtig zur Geltung.





Über Gavar tauchen wir anschließend in die faszinierende Bergwelt des Geghama-Gebirges ein, das sich zwischen Sewansee und der Region Ararat auf bis knapp 3.600 m erhebt. Vulkankegel und endlose Weidegebiete zieren das karge, nur von Hirten im Sommer besiedelte Hochland. Für dessen Überquerung haben wir 2-3 Etappen und mindestens 2 Nächte im Zelt eingeplant, sodass wir uns in Gavar nochmals mit genügend Wasser und Proviant rüsten. Gut 60 Kilometer – auf hinsichtlich Fahrbarkeit ungewissen Wegen – liegen vor uns, etwa 20 km davon in über 3.000 m Höhe. Die Wetter-Apps versprechen ringsum strahlenden Sonnenschein, jedoch auch kräftigen Wind, den wir am nächsten Tag heftig spüren werden.








In der bereits tiefstehenden Spätnachmittagssonne erreichen wir unser angepeiltes Hochplateau mit großartigem Blick auf die imposanten Vulkankegel der Geghama-Kette inkl. Azhdahak (3.597 m) sowie auf den knapp unter uns liegenden Akna Lich.











Nach einer abenteuerlichen, gewittrigen Nacht erwarten uns heute ungemein großartige und faszinierende Kilometer. Vom ersten Meter an fühlt sich alles unbeschreiblich leicht und vollkommen an. Die Landschaft, die Beschaffenheit der Wege, unsere Emotionen … alles ist perfekt. Wir cruisen durch goldene Graslandschaften und über grüne Wiesen, durch Lavafelder vorbei an blitzblauen Seen.











Und dann ist ER urplötzlich da – genau vor uns … und wird uns für die kommenden Stunden und Tage auch nicht mehr von der Seite weichen: der heilige Berg Ararat, mit seinem 5.137 m hohen, gleißend weißen Gipfel. Die ersten Tage rund um Jerewan immer in einer diesig-wolkigen Suppe versteckt, präsentiert sich das Nationalsymbol der Armenier heute klar und majestätisch.








Die Farbwelt früh morgens beim Azat-Reservoir ist wieder einmal eine Pracht. Als erster empfängt natürlich der Ararat das rötliche Licht der aufgehenden Sonne. Kurz darauf werfen die uns umgebenden Berge lange Schatten, welche die Landschaft rings um das Azat Reservoir kontrastreich und ungemein plastisch erscheinen lassen. Bis auf ein paar Jeeps, mit denen Fischer zum Angeln angefahren kommen, ist es mucksmäuschenstill.





Zum Abschluss unserer Reise machen wir noch einen Abstecher zum Kloster Chor Virap, bei dem man dem Ararat so nahe ist, wie nirgendwo anders in Armenien.








Die letzte Etappe unserer Armenien-Reise führt uns über Etschmiadsin nach Jerewan zurück. Die große Kathedrale von Etschmiadsin ist Sitz des geistlichen Oberhauptes (Katholikos) der Armenisch-Apostolischen Kirche. Leider ist die Kathedrale, die seit 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, auf Grund einer Restaurierung für uns nicht zugänglich. Wir trösten uns mit dem architektonischen Reiz der umliegenden Bauwerke, bevor wir über die Ruinenstätte Zvartnots (ebenso UNESCO-Weltkulturerbe) zum Ausgangspunkt unserer Armenien-Radreise zurückkehren.








Der komplette Reisebericht und noch viele Fotos mehr sind auf https://www.love2.bike/radreise-armenien/ online.
von: dhomas

Re: Armenien - der Nordwesten - 05.10.19 12:15

Großartige Bilder! Kommt auf meine Liste.
von: amati111

Re: Armenien - der Nordwesten - 05.10.19 13:49


Top Bericht! Bilder sind Hammer!
von: indomex

Re: Armenien - der Nordwesten - 05.10.19 17:04

Wirklich sehr schön. Toll fotografiert.
von: Keine Ahnung

Re: Armenien - der Nordwesten - 05.10.19 17:26

Beeindruckender Bericht - das war definitiv eine außergewöhnliche Radreise!

Vielen Dank für das Teilen!
von: natash

Re: Armenien - der Nordwesten - 05.10.19 18:45

Merci für die Eindrücke. Mir hat Armenien auch gut gefallen, obwohls bei mir erheblich grüner und blütenreicher war. Dafür allerdings auch recht nass.
Gruß
Nat
Nat
von: love2.bike

Re: Armenien - der Nordwesten - 06.10.19 14:36

vielen Dank euch allen für das positive, schöne Feedback :-)
von: talybont

Re: Armenien - der Nordwesten - 06.10.19 18:06

Ich knie nieder! Großartig!
von: Isaantourer

Re: Armenien - der Nordwesten - 07.10.19 11:49

Einfach superschön !
von: fabianovic

Re: Armenien - der Nordwesten - 11.10.19 11:36

Beeindruckende Bilder und ein toller Bericht. Danke!
von: iassu

Re: Armenien - der Nordwesten - 11.10.19 12:02

Große Klasse!
von: Rooppi

Re: Armenien - der Nordwesten - 19.10.19 11:05

Hallo Ihr Zwei,die Bilder machen wirklich Fernweh,
wie habt Ihr Euch in dieser Menschenleere mit Wasser und Lebensmitteln versorgen können?
von: love2.bike

Re: Armenien - der Nordwesten - 21.10.19 09:55

Hallo Rooppi, Versorgung war überhaupt kein Problem. Zumindest jeden 2. Tag war irgendwo ein kleiner Shop. Ansonsten hatten wir immer für mind. 3-4 Tage genügend Proviant/Essen und für mind. 2 Tage Wasser in den Taschen. Wasserfilter für Notfälle bzw. wenns sichtlich knapp wird hatten wir auch mit; war aber nicht in Verwendung.