Auvergne, Causses und Cevennen 2019

von: Reisetreter

Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 09.05.20 16:39

Liebe Radler, nachdem ich diesem Forum schon viele Anregungen und Tipps zu verdanken habe, ist es höchste Zeit, endlich mal was zurückzugeben. Ich hoffe, es gefällt Euch!

Reisebericht Auvergne-Causses-Cevennen 2019

Anreise Sonntag 1.9.19

Mit dem Fahrrad im Zug nach Frankreich zu kommen ist ja bekanntlich nicht so leicht. Deshalb haben wir (mal wieder) die Räder auf‘s Auto geschnallt und sind nach Vichy gefahren. Das ist einerseits selbst ein interessantes Ziel, andererseits „inländisch“ gut mit dem Zug erreichbar und noch recht übersichtlich. Auf dem Campingplatz Croix St. Martin südlich der Stadt können wir uns schnell über die "garage mort" (Camper-Jargon für ein unbewohntes Fahrzeug auf dem Platz) einigen und sind das Gefährt bald los. Die Rezeption ist hier mehr oder weniger ganztägig geöffnet - günstig für die spätere Abholung.

Der Zeltaufbau ging noch einigermaßen von der Hand und so war es noch nicht zu spät, zum Abendessen in die Stadt zu fahren. Wir hatten uns vorgestellt, dass es in dieser Kurstadt nur so von Restaurants wimmeln müsste, aber sonntags sieht es auch hier mau aus. Eine Pizza bekommen wir schließlich doch noch und müssen nicht hungrig in die Schlafsäcke kriechen.

1. Tag, Vichy – St. Gal (50km)

War die erste Nacht im Zelt wie üblich noch etwas gewöhnungsbedürftig, folgt am Morgen der Schock: ausgerechnet den Kaffee zu Hause vergessen. Mit Mühe haben wir‘s überlebt und nach dem kargen Frühstück eine weitere Runde durch die Stadt gedreht – diesmal mit Tageslicht. Vichy hat ganz nette Ecken und schöne Einzelbauten, ist aber keineswegs so glanzvoll und mondän, wie wir uns das vorgestellt hatten.



Ausgestattet mit einem Vorrat der achteckigen Pfefferminzen (nicht so groß wie im Bild) nehmen wir die erste Steigung in Angriff: aus der Allier-Niederung heraus, durch hügeliges Terrain auf kleinen Sträßchen nach Westen. Da gibt es zunächst viel Wald und wenig Fernsicht. Das Städtchen Gannat ist zur Mittagszeit so gut wie ausgestorben, hat aber etwas versteckt einen schönen Park, der zum Picknick einlädt. Auf der nächsten Hügelkuppe ist die Sicht frei und wir können zum ersten mal in der Ferne den markanten Puy de Dome mit seiner Vulkankette erkennen. Da fahren wir aber zunächst mal nicht hin, sondern stürzen uns steil hinunter ins Tal der Sioule.

Karte - nördlicher Teil

Der avisierte Campingplatz in Ébreul ist geschlossen, aber ein paar Kilometer flussaufwärts soll der nächste sein. Hier beginnt das eigentliche Gebirge, durch das der Fluss die Gorge de la Sioule gegraben hat. Viel sieht man von der Straße (D915) aus allerdings nicht, sie verläuft darüber. In St. Gal geht es wieder zum Ufer hinunter, und da ist unser kleiner und einfacher, aber wunderbar idyllischer Campingplatz. Versorgung gibt es weit und breit nicht, wir müssen von unseren Vorräten zehren. Dafür macht uns der Camping-Wirt einen detaillierten Plan aller Sehenswürdigkeiten der Auvergne, die wir unbedingt ansteuern müssen.

2. Tag, St. Gal – St. Gervais d‘ Auvergne (35km, 600Hm)

Früh am nächsten Morgen rollt eine Fahrzeug-Kolonne auf den Platz und heraus steigt mehr als ein Dutzend robust gekleideter Personen, die umfangreiche Ausrüstung aufbauen, einen Generator anwerfen, und alsbald im Wasser plantschen. Einer geht mit einem Elektroschocker voran, für den zwei andere das Kabel tragen. Zwei weitere holen mit ihren Keschern erstaunlich große betäubte Fische aus den Fluten, die dann an Land gewogen, vermessen und interviewt werden. Sie haben es wohl überlebt – das Tal ist ein Natura 2000-Gebiet, da gibt es wohl ab und zu eine Bestandsaufnahme.



Auf sehr ruhiger Straße fahren wirweiter flussaufwärts. In Pont de Menat wird der Fluss auf der befahrenen D2144 gequert – oder besser noch auf der historischen Brücke aus dem 13. Jahrhundert. Kurz danach taucht über uns das Château-Rocher auf – "incontournable" laut unserer gestrigen Beratung. Einen Fahrradweg gibt es nicht, also besteigen wir den Berg zu Fuß und werden mit einem hübschen Ausblick auf das Flusstal belohnt. Die Burg selbst ist allerdings nicht so außergewöhnlich…



Die Kehrseite der herrlichen Ruhe in diesem Tal ist, dass es keine Einkaufsmöglichkeiten gibt. Die Mittagspause wird immer weiter aufgeschoben, an der nächsten Flussquerung kehren wir schließlich im Imbiss eines Bootsverleihs ein, wo wir leider ziemlich lange auf unser immerhin sättigendes Essen warten müssen.



In Châteauneuf-les-Bains (auch kein Laden) endet die Talstraße. Wir müssen uns jetzt zwischen zwei Zielen entscheiden, die eigentlich beide ein "Muss" sind: der Aussichtspunkt Belvédere du Méandre links des Flusses oder den Viaduc des Fades, Frankreichs höchste Eisenbahnbrücke. Nicht zuletzt wegen der Quartierlage fahren wir nach rechts auf die D227 und 350 m nach oben bis St. Gervais d‘ Auvergne. Dort endlich ein gut sortierter Carrefour, und ein weniger idyllischer (viele Chalets), aber hübsch gelegener Campingplatz mit direktem Zugang zum See. An diesem gibt es wunderbare Picknik-Tische, wo wir beim Abendessen Reiher und Schwalben bei der gleichen Tätigkeit und der Sonne beim Untergehen zuschauen.

Die Nacht ist lausig kalt, aber der Sternenhimmel eindrucksvoll.

3. Tag, St. Gervais – Orcines (54km, 850 Hm)

Nach St. Gervais geht es noch ein bisschen weiter nach oben bis zu einem Aussichtspunkt, von dem aus wieder die Chaine des Puys erkennbar ist, die markanten Vulkankegel am Ostrand der Auvergne. Da wollen wir heute hin.

Alsbald stoßen wir auf die Bahnlinie Lapeyrousse – Volvic, die wegen Baufälligkeit des Viadukts 2007 stillgelegt wurde. Es geht steil bergab, und bald sehen wir die Bahnlinie hoch über uns das Tal überqueren. Wir selbst queren die Sioule auf dem Staudamm Barrage des Fades-Besserves mit optimaler Aussicht auf die Brücke. Sie wird als historisches Monument wohl unterhalten, aber nicht mehr für den Bahnverkehr ertüchtigt. Ein Fahrradweg dort oben hätte uns nicht schlecht gefallen.





Nachdem wir uns auf der anderen Seite die Serpentien hochgeschraubt und uns mit einem ausführlichen Picknick belohnt haben, gelangen wir über Les Ancises auf die D90 – dabei sehen wir unsere Bahnlinie mehrmals wieder. Nach einer langgezogenen Steigung haben wir endlich wieder Sicht auf die Puys, diesmal schon ganz aus der Nähe. Die Straße passiert den Puy de Paugnat und wendet sich immer steiler zu Tal, der Ebene zu. Bevor es richtig losgeht, biegen wir aber ab zum Bahnhof von Volvic. Er liegt weit außer- und oberhalb der Stadt (mehr als 300m) und ist erstaunlich groß. Von „unserer“ Linie müssen wir hier Abschied nehmen.



Zwischen der Vulkankette (bis 1400m) und der Ebene (350m) gibt es einen schmalen Balkon auf etwa 750m. Wir versuchen, oben zu bleiben – eigentlich sollte man (immer noch auf der D90) bis Orcines fahren können. Zunächst geht das auch gut, streckenweise kann man das Panorama über das Tal des Allier auf die Berge des Livradois genießen. Hinter Ternant erwartet uns aber die Mitteilung „route barrée“ und ein entgegenkommender Rennradler signalisiert uns: da ist kein Durchkommen. Immerhin führt die Umleitung nicht ganz bis ins Tal – trotzdem haben wir genug, als wir in Orcines ankommen und mieten uns im „Les Hirondelles“ ein, ein angenehmes, kleines Hotel mit bodenständiger Küche. Zum ersten mal essen wir Pounti und Truffade, auvergnatische Spezialitäten aus der einfachen ländlichen Küche. Probieren lohnt sich, auch wenn man das nicht täglich essen muss.

4. Tag, Orcines – Mont-Dore (50km, 1000 Hm)

In der Nacht hat es gestürmt und geregnet, heute ist es kühl und wolkig. Trotzdem wollen wir heute auf den Gipfel. Bis zum Puy de Dome sind es nur wenige km. Trotz frühem Aufbruch ist an der Talstation der Bergbahn schon Einiges los. Wir haben Glück und können fast sofort losfahren. Ja, mit der Bahn, denn die Straße zum Gipfel ist seit langem gesperrt, und außerdem ...





Dass die Aussicht von hier oben überwältigend ist, kann man manchmal durch kurz aufreißende Wolkenlücken erahnen. Schon die Römer waren von diesem Ort fasziniert, davon zeugen die Überreste eines erstaunlich großen Merkur-Tempels.

Nach einer Stunde Spaziergang fahren wir wieder hinunter und schwingen uns auf die Räder um den ersten Pass des Tages zu erklimmen: der Col de Ceyssat (1078m) passiert die Chaine des Puys und ist der wichtigste Ausgangspunkt für Wanderer, die zu Fuß auf den Gipfel wollen – also gibt es in der Pause immer etwas zu gucken.



Für die Abfahrt ziehen wir alle verfügbaren Klamotten übereinander an. Die Landschaft ist jetzt eher unspektakulär – bis auf den Blick zurück natürlich. Über Ceyssat und Olby kommen wir zur D216 und überqueren einen kleinen Bach – die Sioule mal wieder. Über einen Hügelrücken geht es ins Nachbartal des Sioulet und schon bald kommen wir in Orcival an.



Orcival ist ein winziger Wallfahrtsort und wartet mit einem Musterexemplar der Auvergnatischen Pyramide auf – wer davorsteht muss nicht lange rätseln, wie diese Bezeichnung zustande kommt. Der romansiche Bau ist wuchtig und eindrucksvoll, hat aber keine Westfassade, sondern ist direkt an den Hang angebaut. Die Legende weiß, dass die die heilige Jungfrau das dem Architekten persönlich in den Block diktiert hat.

Als nächstes folgt die Rampe zum zweiten Pass des Tages, dem Col de Guéry (1268m). Die Steigung ist lang, aber gemäßigt. Nach Verlassen des Tals öffnet sich ein Panorama markanter Gipfel (die Monts d‘Or), einer davon mit schönen Säulen­basalt-Formationen. Die wirkliche Sensation ist aber der Blick vom Pass zwischen den Zwillingsgipfeln Roche de Tuilliere und Roche de Sanadoire hindurch. Ich dachte bisher, so emblematische Formationen gäbe es nur im Auenland.



Der See hinter dem Pass lädt heute nicht zum Baden ein, und so sausen wir nach Mont-Dore. Es geht gar nicht so weit runter, denn der Ort liegt 1000m hoch am Fuß des Puy de Sancy, mit 1885m der höchste Berg der Auvergne. Während die Vulkane der Chaine des Puys nur wenige 10000 Jahre alt und ohne große Eruptionstätigkeit entstanden sind, hat dieser jede Menge Lava ausgestoßen, aber auch schon einige Millionen Jahre Erosion hinter sich.



Mont-Dore ist ein klassisches Thermalbad (einschließlich Spielcasino) mit zusätzlichem Ski-Betrieb. Die verspielte Architektur strahlt den Charme aus, den wir in Vichy nicht wahrgenommen haben.
Die beiden Campingplätze im Ort erweisen sich allerdings als ziemlich ungastlich. Der erste hat schon um 18:05 Uhr die Rezeption geschlossen und verweigert die selbstständige Installation. Der andere ist ausschließlich auf Wohnmobile ausgerichtet und hat nur Schotterplätze. Weil es außerdem noch kalt ist, suchen wir schnell auf Booking ein Hotel und mieten uns im Les Mouflons am oberen Ortsende ein - ein hübsches, offenbar erst kürzlich wiedereröffnetes Haus, wo wir charmant in holländischem Deutsch begrüßt werden. Die Fahrrad-Garage befindet sich wegen der steilen Hanglage 2 Stockwerke tiefer, und auf dem langen Weg dorthin muss man einen kleinen Bach überqueren: die frisch entsprungene Dordogne. Abends gibt‘s Galettes und wir fallen zufrieden ins Bett.

5. Tag, Mont-Dore – Bort-les-Orgues (52km, 600Hm)

Halb im Ernst spielen wir mit dem Gedanken, uns von der hölzernen Bergbahn, einer der hiesigen Sehenswürdigkeiten, 200 m hochhieven zu lassen. Die Frage, ob sie Fahrräder mitnimmt, stellt sich letztlich nicht, denn sie verkehrt heute gar nicht. Also wieder selber treten. Die D645 führt westlich von Mont-Dore relativ konstant auf 1200 m Höhe durch den Wald, es gibt nur selten mal einen Durchblick. Gefühlt zweimal pro Stunde begegnet man einem anderen Verkehrsteilnehmer.

Kurz vor dem Ende der Hochfläche endet auch der Wald und gibt den Blick frei auf unser nächstes Ziel, die Monts de Cantal (natürlich auch ein Vulkan, noch älter und noch größer – sogar der größte Europas). Hier hat schonmal jemand aus Steinen und Brettern einen provisorischen Picknickplatz gebaut, den wir wieder in Betrieb nehmen. Vom Markt in Mont-Dore haben wir ein Riesenstück Cantal-Käse mitgebracht (kleine sind dort nicht erhältlich) und beginnen mit dem Verzehr, während eine Rinder-Großfamilie gar nicht verstehen kann, warum wir das leckere Gras verschmähen.



Die Abfahrt führt nach La Tour-d‘ Auvergne, einem Städchen auf einem Bergvorsprung ohne jede gerade Straße. Nur mit Mühe finden wir wieder heraus auf die D47, die uns fast 20 km durch idyllisches Bauernland führt. Zwei km auf der stark befahrenen D922 (viele LKW) können wir nicht vermeiden, dann aber geht es rechts ab und nach steilen 100 Höhenmetern stehen wir am Ufer. Die Dordogne, heute Morgen noch ein Rinnsal, ist hier bereits zu einem großen See aufgestaut. Der wäre wahrscheinlich noch größer ausgefallen, wenn ihm nicht das Château de Val im Weg gestanden hätte, das - einst auf einem Felssporn erbaut - heute mit den Füßen im Wasser steht. So ein Märchenschloss lässt man nicht einfach absaufen.



Der Campingplatz ist nicht weit, und die Wirtin gibt uns ihren besten Platz. Traumhaft! Leider irrt sie sich bezüglich der Öffnung des einzig erreichbaren Restaurants und es gibt mal wieder Picknick. Aber die Vorräte sind gut gefüllt und an so einem Platz lässt sich das aushalten.



6. Tag, Bort-les-Orgues – Mauriac (50km, 950Hm)

Bort-les-Orgues liegt unterhalb des Staudamms, 160 steile Höhenmeter vom Campingplatz entfernt. Mit seinen fast 3000 Einwohnern wirkt es in dieser Umgebung ausgesprochen städtisch. Sogar eine Einkaufsstraße gibt es, die zum Bummel einlädt – wenn auch viele Geschäfte einen etwas prekären Eindruck machen. Ihren Namen hat die Stadt von einer langen Felswand aus Basaltsäulen – den Orgelpfeifen – hoch über dem Tal.

Karte - mittlerer Teil

Ein paar km hinter Bort beginnt das Tal der Dordogne schluchtig zu werden, und wir wollen den Gorges de Dordogne einen Besuch abstatten – ein Tipp aus unserem Führer „Nordwest-Frankreich per Rad“ von Stefan Pfeiffer. Das bedeutet einen erheblichen Umweg in x-, y-, und z-Richtung, denn es gibt keine Talstraße, auf der wir einfach weiterfahren könnten. Wir verlassen die verkehrsreiche D922, gewinnen auf der D15 Höhe und fahren nach Champagnac heftig ins tiefe Tal ab. Der Fluss ist leider nicht wild, sondern gestaut und fast giftig grün.



Auf der anderen Seite geht es wieder hoch und nach ein paar Schlenkern erreichen wir den Belvédère de Gratte-Bruyère, wie geschaffen für die große Pause. Von hier geht es schön langsam wieder zum Wasser herunter und wir können endlich ein paar km im Tal weiterfahren. Die Schlucht ist zwar tief und eng, aber waldig und insgesamt nicht sehr aufregend. Die schöne Pont de Saint-Projet führt über den hier wieder breit-gestauten Fluss.



Dann wieder raus aus dem Tal, und zwar gründlich, denn unser Ziel Mauriac liegt schon in den Ausläufern der Cantal-Berge. Der Campingplatz liegt etwas außerhalb an einem kleinen See, wo es erfreulicherweise auch ein Restaurant gibt. Lust auf weite Wege haben wir nicht mehr, also kehren wir ein und schlagen auch ganz schön heftig zu. Auch dem Wirt macht das Spaß, und als wir schließlich nach einem Digestiv fragen, kann er sich nicht für eine Empfehlung entscheiden und stellt uns eine kleine Batterie von Gläschen mit Flüssigkeiten in allen Farben auf den Tisch. Den Shootout gewinnt der Limoncello mit großem Abstand – auch wenn er kein Franzose ist.

7. Tag, Mauriac – Salers (22km)

Zu den Nachwirkungen des gestrigen Abends gesellen sich heute noch Kälte und Gegenwind. Außerdem gibt es ein Planungsproblem, weil wir eine in unserem Buch besonders empfohlene Route über die Hänge des Cantal fahren wollen, dort aber kein Quartier in angemessener Entfernung ausfindig machen können. Wir entschließen uns zu einem halben Pausentag in Salers. Selbst die Mini-Etappe dorthin ist heute anstrengend durch etliche querlaufende Bachtäler. Hier ist praktisch reines Weideland, Bäume sind selten.

Salers ist offiziell eines der „les plus beaux villages de france“ und so eine Art bewohntes Freilichtmuseum. Quartiere gibt es hier genug, nur billig sind sie nicht. Dafür haben wir im „Saluces“ ein wirklich großzügiges Zimmer mit dem traditionellen riesigen Kamin, in den man sich neben das Feuer hineinsetzen kann (leider außer Betrieb). Nach einem gepflegten Tee in der hoteleigenen Crêperie schließt sich eine sehr ausführliche Besichtigung des Ortes an, der überwiegend aus schwarzem Basalt erbaut wurde. Auch das Lokalmuseum lassen wir nicht aus, es ist interessanter als gedacht. Besondere Ehre in Form eines zentralen Denkmals wird hier Tyssandier d'Escous zuteil, der im 19. Jahrhundert das Salers-Rind gezüchtet hat, eine robuste Rasse, die in dieser Gegend bis heute allgegenwärtig ist. Am Abend gibt es kräftige traditionelle Kost im la Diligence.





8. Tag, Salers – Aurillac (53km, 1000 Hm)

Wer richtig Mumm in den Oberschenkeln hat, fährt von hier auf den Pas de Peyrol (1575m) und nimmt dann noch ein paar Stufen zum Puy Mary, einem der Cantal-Gipfel, bekannt für die sagenhafte Aussicht. Nichts für uns, denn der Schlussanstieg hat bis 15% - hier wurde schon Tour-Geschichte geschrieben. Wir bleiben lieber auf halber Höhe – aber was heißt schon bleiben: während die alten Lavaströme der Erosion gut standgehalten haben, sind die Abschnitte dazwischen inzwischen tief ausgewaschen und wollen bezwungen werden. Gleich nach Salers geht es steil runter (D35), und das wiederholt sich noch zweimal. Pässe sammeln kann man auch hier, denn die Franzosen sind ja nicht geizig mit „Col“-Schildern.

Die Mühe wird reich belohnt, denn die Landschaft ist hier sehr abwechslungsreich, und immer wieder gibt es tolle Fernblicke. Natürlich treffen wir auch hier immer wieder die Rohstoff-Lieferanten für die Käsesorten Cantal und Salers.





Wir nehmen nicht den direkten Weg (über den Col de Legal), sondern biegen nach St. Projet mit seiner hübschen Kirche ab, um schließlich in das zweite "schönste Dorf Frankreichs" für heute zu gelangen, nach Tournemire. Gewiss ein hübsches Dorf, aber was die Touristenmassen hierher zieht (allerdings nicht heute – Glück gehabt) ist zweifellos die Burg Anjony. Erst im 15. Jahrhundert errichtet, diente sie offensichtlich mindestens so sehr der Repräsentation wie der Kriegsführung. Aus heutiger Sicht staunt man aber schon, wie so ein Prachtbau in diese menschenleere Gegend kommt.



Am Col de Bruel stoßen wir wieder auf die D35, die jetzt als Route des Crêtes (Kammstraße) nach Aurillac hinunterführt. Noch eine tolle Genußstrecke. Die 400 m Gefälle werden immer wieder durch Zwischenanstiege unterbrochen – was den Vorteil hat, dass wir nicht einfach runterrasen, sondern immer wieder den Ausblick über das Tal der Jordanne auf- und abwärts genießen.



Aurillac ist mit 25000 Einwohnern für hiesige Verhältnisse eine Mega-City. Dem Autoverkehr völlig entwöhnt, erwartet uns am Ende der ruhigen Route des Crêtes ein Schock. Aber oh Wunder: schon nach 200m auf vielbefahrener Straße zweigt eine Fahrradstraße ab, die uns im Nu und ohne weitere Belästigung direkt ins Zentrum bringt. So etwas hätte ich auch gern zu Hause!

Das Handwerk der Regenschirm-Herstellung hat in Aurillac eine große Tradition, und standesgemäß kommt just in time der angekündigte Regen. Wir sind ganz schön faul geworden und gehen schon wieder ins Hotel – ins erstaunlich preiswerte „Square“ direkt in der Innenstadt. Essen gehen ist mal wieder schwierig, aber die winzige Pizzeria, die wir schließlich finden, ist gar nicht übel.

9. Tag, Aurillac – St. Amands des Cots (70km, 1200Hm)

Der Tag begrüßt uns grau und regnerisch. Nach Auffüllen der Vorräte verlassen wir die Stadt durch schier endlose Gewerbegebiete. Falls es auch in dieser Richtung eine Fahrradstraße gibt, haben wir sie nicht gefunden. Über den Vorort Arpajon-sur-Cère gelangen wir zur D990, die endlich wieder in die Berge führt. Das ist weder die kleinste Straße noch die kürzeste Route, vermeidet aber die Schlucht des Goule. Deshalb führt sie zuerst nach Osten, dann nach Süden durch waldiges Gelände mit gelegentlichen Fernblicken. Schließlich taucht weithin sichtbar das Städtchen Mur-de-Barrez auf, natürlich auf einer Hügelkuppe.

Das wuchtige Stadttor Tour de Monaco erinnert an die ehemaligen Besitzer, die monegassischen Grimaldis. Dahinter verbirgt sich eine Altstadt aus grau-schwarzem Basalt mit einigen interessanten Gebäuden und einer pittoresken Dachlandschaft, und ein Burgberg, allerdings ohne Burg. Trotzdem können wir dort unter militärischer Bewachung unser (spätes) Mittagsmahl einnehmen.





Für uns Schluchten­fans steht jetzt ein Besuch der Gorges de Truyere auf dem Programm – durch müssen wir sowieso. Eine durchgehende Talstraße gibt es nicht, aber einen Abschnitt erreichen wir auf unserer Straße über Brommat (an der Bromme) und die D621. Bevor es in die Schlucht hinab geht, weist ein riesiges Umspannwerk auf die intensive Nutzung der Wasserkraft der Truyere hin. Der Grund dafür sind die enormen Höhenunterschiede: seit Brommat sind wir ca. 100m gestiegen, jetzt geht es auf kürzester Strecke 450m hinunter (zu steil um Spaß zu machen). Unten treffen wir die Bromme an ihrer Mündung wieder, die auf den wenigen km mehr als 300m „abgestiegen“ ist.



Die Steigung ist das spektakulärste an der Schlucht; weder wildes Wasser noch wilde Felsen zeigen sich. Auch nicht spektakulär ist unsere Lust, spätnachmittags um 5 Uhr nochmal 400 m hochzufahren. Da müssen wir jetzt durch und schaffen es schließlich (auf der D97) nach St. Amands.

Viel ist hier nicht los, speziell der camping communal ist wie ausgestorben, die Rezeption geschlossen. Das wär‘ nicht so schlimm, wenn nicht auch die Duschen geschlossen wären, die brauchen wir jetzt dringend. Ein alter Herr, der mit seinem Dackel in einem Chalet zu wohnen scheint, hat keine Ahnung. Unter der ausgehängten Telefonnummer ist nur ein AB zu erreichen. Weit und breit keine Alternative in Sicht, der erreichbare Drei-Sterne-Platz meldet bereits Winterpause. Kurz bevor wir zusammenbrechen meldet sich aber doch noch das Telefon, und Madame entschuldigt sich wortreich (ich verstehe 20%) und eilt herbei. Sie weiß aber auch, dass wir im Dorf keine Chance auf eine warme Mahlzeit haben, und so wetze ich noch auf den letzten Drücker zum Spar-Markt. Ein romantisches Picknick am Teich mit allen Pullovern in Betrieb, Heißgetränk und jeder Menge Rillettes rettet doch noch den Abend.
Karte - südlicher Teil

10. Tag, St. Amand-des-Cots – St. Côme d‘ Olt (40km)

Erstmal müssen wir runter zu einem der Stauseen des großen Wasserkraft-Systems. Nach Überquerung der Barrage de Maury geht es wieder auf die Hochebene. Sie liegt auf etwa 800m und bildet das südliche Ende des Aubrac-Plateaus. Das Landschaftsbild ist von Weidewirtschaft geprägt, aber nicht eintönig. Von der D97 biegen wir auf die D42 ab und schließlich auf die kleine D655.



Vergeblich halten wir Ausschau nach einem Rastplatz - touristische Einrichtungen gibt es hier nicht. Plötzlich bricht die Landschaft vor uns ab, und wir richten uns für die Mittagspause notdürftig zwischen Disteln und Brombeeren ein, um noch etwas von der Aussicht zu haben. Dann geht es heftig zu Tal und durch das winzige aber hübsche Dörfchen La Monastère. Noch ein Buckel überquert, dann sind wir am Lot auf der verkehrsreichen D920. Und stellen fest, dass es heute zum ersten mal richtig schön warm geworden ist.



Mit Rückenwind sind wir schnell in Espalion. Endlich mal wieder eine Stadt. Hier nehmen wir uns Zeit für einen Bummel, das lohnt sich besonders wegen der schönen Fluss-Kulisse. Auch das Tauch-Museum "Le Scaphandre" wäre interessant gewesen, aber dann wäre es zu spät geworden.



Wir bleiben am Fluss, können aber der großen Straße auf dem anderen Ufer ausweichen. Bald schon sind wir in St. Côme d‘ Olt, einer pittoresken Kleinst-Stadt, von Touristen gut besucht. Der Campingplatz liegt idyllisch am Ufer, und die Stellplätze sind auffällig saftig grün statt von der Saison ausgebleicht – wie auch immer das kommt. Die Begrüßung ist mal wieder sehr herzlich, und vom Nachwuchs der Wirtin (schon 8 Jahre!) werden wir gleich in die Hausaufgaben mit hineingezogen.



Heute hat leider nur ein Lokal im Ort geöffnet und ist entsprechend voll. Wir bekommen aber noch ein Plätzchen und nach ein wenig Wartezeit auch ein gutes Essen. Hätte ich vorher genauer recherchiert, was Gésiers sind, hätte ich etwas anderes bestellt. Vorurteilsfrei gegessen hat‘s aber gar nicht schlecht geschmeckt.

11. Tag, St. Côme d‘ Olt – St. Rome (60km, 950Hm)

Die D6 führt noch kurz am Lot entlang, dann verlässt sie das Tal und führt uns auf die nächste Hochebene, die Causse de Sauveterre. Statt Basalt befindet sich jetzt Kalk unter unseren Reifen, die Landschaft ist hier schon trockener, aber noch nicht so karstig wie weiter im Süden. Sehenswert das Festungsdorf (village fortifée) Vimenet, das wegen der einschnürenden Mauer besonders eng gebaut ist. Außerhalb der Mauer liegt ein kleiner Park mit dem Dorfteich, über dem sich eine Unzahl Schwalben tummelt. Ein alter Kühlschrank ist nicht etwa illegal entsorgt, sondern eine boite á livres, ein Büchertausch-Regal.



Es geht noch eine Weile auf und ab, bis wir auf den hier noch jungen Aveyron stoßen. Unser ruhiges Sträßchen ist hier zu Ende und wir müssen für einige km auf die N88 nach Sévérac-le-Château. Vielleicht eine schöne Stadt, aber wir navigieren schlecht, umfahren den Burgberg auf der falschen Seite und haben keine Geduld zum Umkehren.

Die D995 führt uns immer weiter aufwärts, zunächst an der Aveyron-Quelle vorbei, unter der Nord-Süd-Autobahn A75 hindurch bis nach Le Massegros. Hier gibt es einen kleinen kooperativen Dorfladen, der zum Glück in 10 Minuten öffnen soll. Eine Verspätung führt zur Solidarisierung der wartenden Kunden, und wir können ein bisschen Französisch außerhalb der touristischen Routine üben. Der Einkauf fällt ausführlich aus, denn unsere Tourplanung sieht vor, heute Abend noch oben zu bleiben, wo es kaum Aussicht auf ein warmes Abendessen gibt. Auf dem Weg zum Campingplatz überqueren wir ohne nennenswerte Steigung noch einen Pass, auf der eine besondere (etwas verblasste) Begrüßung für Radler wartet – leider nur für die aus der anderen Richtung.



Direkt unterhalb des Passes liegt das Dörfchen St. Rome-de-Dolan, das von einem klotzigen 4-stöckigen „Hochhaus“ beherrscht wird, das wohl so eine Art katholisches Seminarhaus beherbergt. Viel schöner ist das Rathaus mit angeschlossenem Camping (Sanitärs sind aber extra und ganz neu!). Von den besten Stellplätzen hat man direkten Blick in die Tarn-Schlucht, ca. 500m tiefer. Sie sind schon belegt, aber unser Zelt hat ohnehin keine Fenster. Keine Konkurrenz machen uns die Wohnmobilisten zum Glück um den einzigen Essplatz, von dem man runterschauen und heute den Vollmond aufgehen sehen kann.





12. Tag, St. Rome – Meyrueis (50km, 600Hm)

Nach einer kleinen Ortsbesichtigung (Aussichtsterrasse!) brechen wir zu einem Abstecher zum Point Sublime auf, einem berühmten Aussichtspunkt oberhalb einer Flussbiegung, die den Blick direkt ins Tal in zwei Richtungen erlaubt. Dazu fahren wir zurück zum Pass und dann auf einem Sträßchen ohne Nummer an der Kante entlang nach Osten, bis die D46 den Rest übernimmt. Die Aussicht von hier ist tatsächlich ziemlich imposant, nur leider haben wir am Morgen ungünstiges Gegenlicht.



Auf der gleichen Straße zurück zum Einstieg in eine legendäre Abfahrt nach Les Vignes: Asphalt glatt, Gefälle beherrschbar, Aussicht grandios, und lang genug, dass es am Schluss wirklich reicht. Außerdem ist endlich richtig schönes Wetter. An der ersten Spitzkehre müssen wir halten und schauen, weil eine Schar riesiger Vögel mit auffallend geraden Flügeln über uns kreist: Geier.



Tarn-aufwärts in Le Rozier ist touristisch einiges los, und so gut gefällt es uns nicht, so dass wir gleich ostwärts weiterfahren, in die Gorges de la Jonte. Natürlich geht es aufwärts, wir sind auf der Sonnenseite und diese brennt jetzt schon kräftig. Kilometer für Kilometer suchen wir vergeblich nach einem Schattenplatz. Bei der Maison de Vautours, dem Geierhaus, endlich Rettung: der Kiosk verkauft zwar nur Getränke, hat aber nichts gegen ein Picknick auf seiner wunderbaren Terrasse. Dort sind wir unter uns, können aber einer Schulklasse dabei zusehen, wie sie etwas über Geier lernt. Diese konnten sich einst von den großen Schafherden auf den Causses ernähren, weil die Schäfer keine Möglichkeit hatten, gestorbene oder verunglückte Tiere abzutransportieren. Mit der Modernisierung der Weidewirtschaft fiel diese Nahrungsquelle weg, die Geier starben aus. Heute sind sie wieder angesiedelt, müssen aber gezielt gefüttert werden.



Von unten betrachtet ist die Schlucht der Jonte noch toller als die des Tarn; eine Felsformation nach der anderen ist in der Realität viel eindrucksvoller als später auf den Fotos. Erfrischt kurbeln wir weiter bis Meyrueis, einem stark besuchten Fremdenverkehrs-Ort. Der Campingplatz Champ d‘Ayres ist groß, hat Sterne, und ist der teuerste bisher, aber die Sanitärs sind geradezu abstoßend. Heute Abend haben wir eine Riesenauswahl an Restaurants. Bevor das seinerseits zum Problem wird, setzen wir uns auf die Terrasse bei Sully‘s und lassen uns ein Menü schmecken. Schlecht war‘s nicht, hat aber auch kaum Spuren in unserem Gedächtnis hinterlassen.

13. Tag, Meyrueis – Florac (40km, 600Hm)

Nachdem wir einen Regenschauer im Café ausgesessen haben, fahren wir weiter talaufwärts bis zum Col de Perjuret (1031m). Die Hochfläche Causse Méjean, um die wir gestern und heute immer links herum gefahren sind, liegt wie eine Insel zwischen den tiefen Schluchten von Tarnon, Tarn und Jonte. Ihre einzige Verbindung zum „Festland“ ist dieser Pass, einst unverzichtbar für die Schafzüchter – also ein Pass, der längs und quer begangen wird.

Wir nutzen das aus und biegen links ab auf die Causse. Mit 450 Einwohnern auf 340km² bietet sie eine neue Dimension von Einsamkeit. Wir kommen am „Chaos de vieux Nimes“ vorbei, eine Art Labyrinth aus verwitterten Kalksteinblöcken. Das muss man nicht unbedingt gesehen haben – im Gegensatz zum Aven Armand, einer Höhle ein paar km weiter westlich, die aus einer riesigen (wirklich!) Halle mit bizarrsten Kalkgebilden besteht. (Dort waren wir vor ein paar Jahren.) Eine hübsche Kulisse für die Mittagspause gibt es allemal ab, mit unseren Wasserflaschen stoßen wir auf den 10000. Höhenmeter an.





Das Sträßchen ohne Nummer ist eher ein asphaltierter Feldweg, aber gut zu fahren. Es führt schließlich wieder an die Hangkante, wo wir vor der Abfahrt noch einen Blick bis zum Mont Aigoual genießen. Auf dem engen, gewundenen und holprigen Weg kostet die Abfahrt viel Bremsgummi, ist aber nicht sehr berauschend. In Vebron ist die Einsamkeit zu Ende, die D907 hat schon ein bisschen Verkehr. Da es entlang des Tarnon leicht bergab geht, ist das nicht schlimm und wir kommen zügig nach Florac. Wir wählen den Camping Municipal Pont du Tarn; der ist ein bisschen zu groß für unseren Geschmack, hat aber etwas Abstand zur lauten N106 und ist ganz o.k. Es ist nicht ganz leicht, einen freien Platz zum Abendessen zu finden, auf dem Rathausplatz bekommen wir schließlich doch noch ein eher schlichtes Menü.

14. Tag, Florac – Peyremale (65km, 800Hm)

In Florac haben wir wieder den Tarn erreicht, in den der Tarnon hier mündet. An diesem fahren wir jetzt aufwärts auf der D998 in die Cevennen hinein, genauer gesagt ins Massiv des Mont Lozère. Es fallen ein paar dicke Tropfen, aber die Wolken verziehen sich bald. Le Pont-de-Montvert liegt unterhalb des Gipfels, von hier könnte man auf fester Straße fast die 1699m des Sommet de Finiel erreichen. Mühelos zügeln wir unseren Ehrgeiz und bleiben auf unserer Straße. Der Ort ist mit Touristen gut gefüllt; wir fahren durch, obwohl er vielleicht einen Blick wert sein könnte. Stattdessen hüpfen wir an einer nahen Badestelle des Tarn ein bisschen über die Steine.



Der Tarn biegt links ab, aber die Steigung geht noch lange weiter bis zum wenig spektakulären Col de la Croix de Berthel (1088m). Geradeaus geht es im Tal des Luech wieder bergab, aber die abzweigende D35 sieht auf der Karte viel interessanter aus, weil sie lange fast auf dem Bergkamm bleibt. Das müssen wir ausprobieren, und schon bald zeigt sich ein grandioses Panorama bis in blaue Fernen. Ist der Schatten da hinten der Ventoux? Gut möglich… Dann geht es fast 800m bergab, aber nicht hektisch, sondern gemütlich mit Zwischenanstiegen und wechselnden Ausblicken. Das gemäßigte Tempo trägt auch dazu bei, dass die Begegnung mit einer Wildschweinfamilie auf der falschen Spur ohne Blessuren abgeht. Die Schweine waren damit übrigens vermutlich in der Überzahl gegenüber den Autos. Diese Straße ist einfach optimal! Eine Abkürzung, die unsere Karte zeigt, finden wir nicht und müssen daher ein Stück auf der vielbefahrenen D906 fahren – bergab ist das aber verkraftbar.



In Chamborigaud stoßen wir wieder auf den Luech, dem wir auf der schmalen D29 folgen. Zum ersten mal begegnen wir der Cevennen-Bahn und durchqueren dann eine schön felsige, wenn auch nicht besonders tiefe Schlucht. Hier begegnet uns doch tatsächlich eine Radlergruppe – die erste und zugleich letzte.



Am Fluss unterhalb von Peyremale liegt der kleine camping municipal. Der junge Platzwart erklärt uns ausführlich die handwerklichen Limonaden und Craft-Biere in seinem Kühlschrank, und wir können seinem Charme (verstärkt durch die Höhenmeter bis zum nächsten Restaurant) nicht widerstehen. Tragisch ist, dass man beim Zeltaufbau zwangsläufig viele Herbstzeitlosen zertrampelt – sie wachsen so dicht, dass man nicht ausweichen kann. Zumindest eines der Biere schmeckt ganz gut, und wir kriechen zeitig wie immer in die Schlafsäcke.



15. Tag, Peyremale – Villefort (32 km, 950 Hm)

Zum letzten mal planen wir heute unseren Tourverlauf um – statt nach Alès zu fahren, bleiben wir noch ein bisschen im Gebirge und wenden uns nach Norden in Richtung Villefort. Gerne würden wir an der Cèze entlangfahren, in die der Luech wenige 100m unterhalb des Campingplatzes mündet. Aber es gibt keine Talstraße, also geht es wieder auf und ab. Zunächst zum Cèze-Stausee, dann auf der D156 und schließlich auf einer nummernlosen Straße aufwärts. Heute ist es richtig heiß und die Steigungen werden ganz schön anstrengend.

Nach einer besonders heftigen Rampe finden wir eine schattige Bank unter zwei riesigen Haselbüschen. Es dauert eine Weile, bis wir begreifen, dass die beiden Steine nicht zufällig auf der Bank liegen, sondern perfekte Nussknacker für Besucher wie uns sind. An Nüssen ist kein Mangel, also greifen wir zu.



Die D155 bringt uns rasant wieder hinunter zur Cèze, der wir die verbliebenen Kilometer bis in ihr Quellgebiet folgen. Ein öffentlicher Wasserhahn in einem kleinen Dorf rettet uns vor dem Verdursten, denn der Weg aus dem Tal liegt in praller Sonne. Plötzlich sind wir am Pass und dann auch schon in Villefort.

Nach einer Erfrischung fahren wir weiter zum Bahnhof, wo zum Glück gerade der Fahrkartenschalter offen hat. Die Fahrkarten nach Clermont-Ferrand sind ziemlich preiswert, Fahrräder im TER kostenlos. In der Bahnhofshalle wird zum 150. Jubiläum der Cevennenbahn (le Cévenol) eingeladen; gleichzeitig muss man zum Kampf für ihren Erhalt aufrufen. Nebenbei macht der Bahnhofsvorsteher Werbung für sein privates Museum für Eisenbahnermützen.



Wir haben eine Unterkunft in Bahnhofsnähe gebucht, um morgen früh weniger Stress zu haben. Uns erwartet eine großzügige und gut ausgestattete Ferienwohnung, die wir gar nicht so richtig ausnutzen können.

Im Ort gibt es viele Lokale, aber heute (Mo) abend haben alle geschlossen. Nur ein kleiner „Produits Regionaux“-Laden hat Tische rausgestellt. Tatsächlich ist es ein ziemlich chaotischer Laden für alles Mögliche. Die Wirtin ist sehr herzlich, wirkt aber total aufgeregt und drückt uns eine handgemalte Speisekarte mit vielen Ausstreichungen und Änderungen in die Hand (Spezialität Steinpilze). Trotz gewisser Zweifel lassen wir uns darauf ein. Wir stellen uns ein etwas unkonventionelles Menü zusammen und lösen damit hektische Aktivität aus. Aber alles funktioniert und das Essen schmeckt prima. Und als eine 5-Köpfige Truppe von Monteuren (oder so) aus einem Kleinbus steigt, werden auch sie zur Zufriedenheit versorgt.

16./17. Tag Villefort – Clermont-Ferrand – Vichy (Bahnfahrt)

Die Cevennenbahn von Nîmes nach Clermont-Ferrand gilt als eine der schönsten Bahnstrecken Frankreichs, und sie soll uns den größten Teil unseres Rückwegs abnehmen. Besonders gut gepflegt sieht die Strecke nicht aus, und es fahren auch nur wenige Züge.



Um die Hälfte der Cevennen-Durchquerung haben wir uns selbst gebracht, indem wir sie mit dem Fahrrad absolviert haben. Auf dem Reststück gibt es tatsächlich wenig zu sehen, denn die Strecke verläuft entweder im Tunnel oder ist zugewachsen. Danach folgt der Zug dem Allier, der ab Langogne durch eine 40km lange Schlucht fließt. Die Gorges d‘Allier ist felsig und stellenweise spektakulär, und es gibt hier keine Straße und anscheinend nicht mal einen Wanderweg. Wegen des schlechten Wartungszustands benötigt der Zug eine ganze Stunde und lässt uns viel Zeit zum Gucken.

Dann sind die Sensationen vorbei, aber die Fahrt zieht sich noch hin. Wir steigen in einem nagelneuen Großhotel ab (mit Blick auf den Puy de Dome) und verbringen den Nachmittag mit Stadtbesichtigung. Es gibt ziemlich viele Fahrradwege in der Stadt, manche komfortabel, aber ein richtiges Netz bilden sie nicht. Abends ist sehr viel Volk auf den Straßen, es gibt zwar viele Restaurants, aber trotzdem kaum freie Plätze.



Mit einem anderen TER (diesmal richtig schnell) fahren wir am nächsten Morgen nach Vichy, nehmen unser Auto in Empfang, laden wieder auf und sagen für diesmal au revoir.

von: Anonym

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 09.05.20 18:48

Vielen Dank für den tollen Bericht durch das "Massif Central". bravo jetzt will ich erst recht auch noch hin!
Viele Grüße
Harry
von: Biotom

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 10.05.20 03:35

Ich finde es total unverantwortlich, uns während des Confinement dermassen den Speck durch den Mund zu ziehen zwinker grins Eigentlich hatte ich Frankreich für dieses Jahr einfach mal abgeschrieben damit ich nicht zu viel überlegen muss, aber euer Bericht weckt Zweifel an der Richtigkeit dieser Strategie schmunzel
Jedenfalls vielen Dank fürs Zeigen!
von: StefanS

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 10.05.20 08:18

Sehr hübscher Bericht, vielen Dank dafür! Auf dem netten CP in Mauriac war ich auch letztes Jahr, aber im Juni (an einem der heißesten Wochenenden, die ich je erlebt habe). Und Alès zum Schluss auszulassen, war kein Fehler, da habt Ihr nichts verpasst.

Viele Grüße,
Stefan
von: Pierrot

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 10.05.20 15:31

In Antwort auf: Biotom
Eigentlich hatte ich Frankreich für dieses Jahr einfach mal abgeschrieben damit ich nicht zu viel überlegen muss, aber euer Bericht weckt Zweifel an der Richtigkeit dieser Strategie


In der FAZ stand, dass, wenn die Corona-Zahlen stimmen, ab dem 15.Juni die 100km-Grenze für die Franzosen aufgehoben wird, und die Grenzen zum europäischen Ausland peu à peu geöffnet werden. Laschet und die Kommunalpolitiker hier im SW legen sich ja auch ins Zeug, dass der deutsch-französische Motor wieder anspringt.
Insofern pflege ich einen latenten Optimismus.
von: Pierrot

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 10.05.20 15:38

In Antwort auf: StefanS
Und Alès zum Schluss auszulassen, war kein Fehler, da habt Ihr nichts verpasst.


Bei Alès bilden die HLMs eine Art Stadtmauer, darüber hinaus ist der Straßenverkehr sehr dominant ...
von: Juergen

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 12.05.20 17:03

Nun auch hier ganz offiziell: zwinker Willkommen im Forum und herzlichen Dank für den wunderbaren Bericht. party dafür
Nachdem ich deine Bilder neu eingestellt habe, war das Lesen eine Freude. Salers-Mauriac dauerte bei mir auch einen halben Tag im Starkregen. Der CP hat diese wunderbaren Hütten, in denen man durchaus drei Tage Starkregen ausliegen kann. schmunzel

LG
Jürgen
von: JoMo

Re: Auvergne, Causses und Cevennen 2019 - 14.05.20 20:09

Super! Diese ätour werde ich mir vormerken. Das einzige, was mich von diesem Gebiet immer etwas ferngehalten hat, war das Wetter. Ist halt DIE Wasserscheide Frankreichs. Abernwunderschön.