Re: Ein Lob der Papierkarte

von: iassu

Re: Ein Lob der Papierkarte - 10.06.21 09:34

Und natürlich verändern sich auch unsere Gewohnheiten, dagegen kann man ja nicht prinzipiell etwas haben. Allerdings habe ich nie nachvollziehen können, worin der Wert liegt, in der elektronischen Planung jedes Detail der Strecke und dessen, was am Wegesrand liegt, bzw liegen soll, vorab munutiös festzulegen, wie das hier immer wieder zu lesen ist.

Ich finde, hier hat sie die elektronische Planung verselbständigt. Dieser Eigenwert rangiert offensichtlich bei manchen als Parallelwelt zur eigentlichen Reise. Selbstverständlich sind die tatsächlichen Eindrücke, wenn man die Planung dann draußen abarbeitet, nochmal ganz anders, aber das ist es ja gerade, was ich seltsam empfinde. Daß man versucht, im Vorfeld genau das Wesentliche der Reise, die Erlebnisse vor Ort, vorweg zu nehmen, schon früher irgendwie haben zu wollen. Eine Virtualisierung der ganzen Unternehmung.

Sehr bald scheint sich dabei die Vorstellung breit zu machen, daß es ohne elektronische Planung und Durchführung garnicht geht. Zugegeben, in Städten wird es häufig bei zunehmender Allmacht des Autoverkehrs und seiner Infrastrukturen, immer schwieriger, sich mit dem Rad zurecht zu finden. Und die Eigenorientierung wird auch nicht gerade trainiert, wenn man sich immer routen läßt.

Trotzdem: wie konnten die Reisenden bis vor 10,15 Jahren ohne Smartphon&Garmin&Co überhaupt reisen? Nur mit Papierkarten, womöglich nur mit Maßstäben von 1:500 000 ? Waren die mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet?

Genau in diesem Spannungsfeld des Nichtwissens, des Nichtgeplanthabens, des Trotzdemweiterkommenwollens und -müssens, vor dem wir eine fundamentale Angst zu entwickeln scheinen, liegt für mich ein Grundwert des Radreisens überhaupt.