Re: Ein Lob der Papierkarte

von: Indalo

Re: Ein Lob der Papierkarte - 15.06.21 07:56

Ich saß vor ein paar Jahren in Katalonien auf Radreise in einem Straßencafé in einem kleinen Ort und war mit Papierkartenstudium beschäftigt, als ein anderer Reiseradler vorbeifuhr, stoppte, und mich begann auszufragen. Wo wir denn wären, ich hätte ja eine Papierkarte und was es denn mit all diesen „SI“ und „No“ – Schildern an den Häusern auf sich hätte (Es war wenige Wochen vor dem Referendum zur Unabhängigkeit von 2017). Es stellte sich heraus, dass der gute Mann auf einem vorgegebenen Track von Perpignan nach Alicante unterwegs war und einfach stumpf seinem Navi hinterher fuhr. Ich war neugierig wo er denn die Pyrenäen überquert hätte, aber das konnte er mir nicht sagen. Auch so Fragen, ob er denn am Meer vorbeigefahren wäre, oder die Grenze in der Nähe einer Autobahn überquert hätte, oder ewig lang ein Tal und dann eine Passstraße hochgefahren wäre, konnte er mir nicht beantworten, außer dass es wohl nicht am Meer gewesen wäre. Er bot mir aber an, mir nach der Reise seinen Track per Email zu schicken, dann könnte ich selber kucken, aber jetzt und hier könne er sein Navi nicht auslesen.
Auch auf die Frage, wie denn seine Reiseroute weiter verlaufen würde, eher an der Küste runter, oder durchs Inland, gar die holländische Route über Teruel und Cuenca, konnte er mir nicht antworten. Er würde einfach seinem Navi folgen, jeden Nachmittag um Punkt Fünf seinem Sohn per Whatsapp seine Position schicken, der ihm daraufhin in der Nähe ein Hotel mit Halbpension bucht und ihn per Telefon dorthin leitet.
Auch von Katalonien hatte er noch nie gehört, auch nicht von politischen Konflikten mit der Zentralregierung, noch dass eine eigene Sprache gesprochen wird. Er hatte sich aber irgendwie schon gewundert, weil er war ja schon paarmal weiter südlich gewesen und hätte den Eindruck gehabt sprachlich rudimentär ein bisschen zu verstehen, und aber auf dieser Reise irgendwie auch nicht.

Er fuhr dann weiter mit seinem Navi Richtung Süden, ich Richtung Norden mit meiner Papierkarte, was er „total mutig“ fand und ich war leicht irritiert mit wie wenig Wissen man doch so unterwegs sein kann.