Re: Wegfindung auf einer längeren Radreise

von: veloträumer

Re: Wegfindung auf einer längeren Radreise - 21.10.21 13:31

In Antwort auf: Toxxi
In Antwort auf: veloträumer
Auf Papierkarten sind die Wege- und Straßenhierarchien immer noch am besten zu erkennen.

Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Wie kommst du zu dieser Aussage? verwirrt

Das stimmt weltweit insofern nicht, weil es nicht von jeder Weltgegend genügend Karten in der richtigen Auflösung gibt. Die elektronische Abdeckung ist in manchen Ländern einfach besser.

Da muss ich einräumen, dass meine Sicht recht eurozentristisch ist und ich international nicht mitreden kann. Ich habe allerdings bereits sehr früh die Ansicht vertreten, dass in den weiten ferner Länder ein digitale Navigatiuon teilweise sogar überlebensnotwendig ist. (Ich glaube, du kannst das hier sogar irgendwo in den Diskussionsfäden zu Navis vor zig Jahren nachlesen.) Ferner ist mir bewusst, dass gute Papierkarten für ferne Länder nur schwer oder gar nicht erhältlich sind - schon gar nicht zur Planung hier in Deutschland. Ich hab edas nur mal für Südafrika angedacht und hatte über eine Tourisitkmesse eine Adresse erhalten, wo man gute Papierkarten erhalten - alleine die Bestellung war aber schon recht kompliziert. Insofern kein Widerspruch zu deiner Ansicht.

Für mein süd- und mitteleuropäisches Reiseareal gilt das Gesagte aber. Wenn es für dich nicht zutrifft, hängt es wohl damit zusammen, dass du Papierkarten nicht mehr so gut lesen kannst wie die Old-School-Klientel. Ich habe hier schon einige Falschbehauptungen über Papierkarten gelesen, auf denen die Schreiber beharrt haben, obwohl ich den Gegenbeweis auf meinem Schreibtisch liegen hatte. Insofern Vorsicht, wenn es um "Meinungen" geht. Tatsächlich haben ja gute Digitalkarten auch keine andere Daten zur Verfügung als die Papierkarten.

Wie iassu gesagt hat, ist die Darstellung der Papierkarten übersichtlicher, weil sich im Digitalen jeder Zoomstufe auch die Darstellungsweise ändert. Das ist aber längst nicht der einzige Grund. Die Umgebungsinterpretation gelingt nur, wenn du auch entsprechend große Ausschnitte betrachtest. Das gelingt mit Digitalkarten im besten Fall nur bedingt, oft gar nicht. Gute topografische Darstellungen (Schummerung etc.) sind zudem digital immer noch die Ausnahme. Man muss natürlich solche Analysen auch mit Hintergrundwisssen verbinden können - auf der Karte findet man oft nur Indizien, Symbole usw. Das kann eben auch nicht jeder, entsprechend unterschiedlich fallen Bewertungen aus. Ein einfaches Mittel wie grüne gekennzeichnete Routen (für "landschaftlich schön") auf klassischen Straßenkarten habe ich bisher auch noch nicht auf Digitalkarten gesehen. Warum eigentlich nicht?

Für Offroadwege gilt auch ein gewisse Beliebigkeit, welche Art Karten du verwendest. Du kannst zumindest in unseren Breiten davon ausgehen, dass Pistenwege nur wenig bis gar keinen Verkehr haben. Das kann man nicht irgendeiner Kartenart zuschreiben. Wer also bewusst Wald- und Feldwege bevorzugt, fährt somit immer verkehrsarm, nicht aber immer die schönste Route. Auch das kommt oft durcheinander. Manche schönste Strecken sind eben auch begehrt - das ist eigentlich logisch. Auch wenn 500 Motorräder vorbeirauschen bleibt eine Großglockner- oder Nockalmstraße eine schöne Alpenstraße, eine Amalfistraße bleibt eine Traumstraße, egal wieviel Verkehr dort. Andersum finde ich manch einsame Monowaldpiste langweilig - andere mögen das evtl. mehr um besser meditieren zu können o.ä.

Es gibt übrigens auch Papierkarten, die die Wegehierarchien umkehren - z.B. spezielle Radkarten. Diese Art Karten mag ich überhaupt nicht, weil sie eine falsche Realität vorspielen (dicke rote Linien für Radwegen, nahezu ausgegraute Land- und Bundesstraßen usw.). (Beim digitalen Routing ist das auch ein Problem, weil die Markierung die Wegegierarchie verdeckt.) Insofern muss man auch immer erst die Papierkarten finden, die für die eigenen Bedürfnisse am besten gemacht sind. Da habe sich auch meine Ansprüche geändert. Früher dienten mir klassische Straßenkarten in 1:200.000 als ideale Begleiter fast aller Touren, heute brauche ich mehrheitlich höher aufgelöste Maßstäbe. Mehr Details heißt aber nicht immer mehr und bessere Infos, sondern schlicht andere Infos. Im Detail gehen auch immer manche Infos verloren, was bei Zoomen von Digitalkarten noch brisanter ist.

Noch was habe ich natürlich vergessen: Viele Nebenwege findet man auch einfach vor Ort durch Zufall, über lokale Kartentafeln usw. Auch kann man vor Ort manchmal besser entscheiden, ob die Route für mein Velo tauglich ist oder nicht. Ab und an hilft auch mal Einheimische zu fragen. Das bringt nicht immer ein schlüssiges Ergebnis, aber es geht um das Portfolio der Möglichkeiten. Egal wie gut oder schlecht die Kartensysteme sind, die man nutzt, man kann nie alles überblicken oder nur aus Karten ableiten. Wieviel alternative Routen man spontan in eine Tour einbauen kann, hängt aber auch vom Tourraster ab. Evtl. muss man auch schönere Varianten streichen, weil man sonst nicht rechtzeitig sein Ziel erreicht. Es geht also auch immer ums Abwägen.