Re: Transandaluz MTB-Route im Herbst 2019

von: ajahn

Re: Transandaluz MTB-Route im Herbst 2019 - 02.09.19 13:18

Hallo allerseits,

Roland kennt das Nachfolgende schon, aber vielleicht ist es ja auch für andere interessant.

Ich habe als relativer Mtb-Novize aber erfahrener Radreisender/Rider im Sommer 2019 einige mittlere Etappen in der Provinz Malaga und alle deutlich, leichteren in der Provinz Cadiz gefahren, und möchte meine Erfahrungen hier teilen. Werde bestimmt irgendwann die noch offenen 1400km fahren, weiß aber noch nicht wann.

1.) Die Empfehlungen auf der spanischen Fassung der Homepage sollte man Wort für Wort ernst nehmen. Das heißt:

a.) Dies ist kein Kurs für Mtb-Neulinge sondern für sehr fortgeschrittene Mtb-Fahrer bis Profis. Anfänger werden auf die Mtb-Strecke der "ruta francesa" verwiesen, die leichter sei, wobei sehr
wenige Teilstrecke der Transandaluz an den Küsten entlang vermutlich jeder fahren kann. Das Ziel des Kurses der Transandaluz ist jeden Meter Asphalt möglichst zu vermeiden, außer es gibt keinen Kurs, der gar kein Asphalt beinhaltet.

b.) Am besten gar kein Gepäck, nur was, in einen mittelgroßen Rucksack geht und auch nicht übernachten auf Campingplätzen, weil Zelt, Schlafsack, Kocher &sw... all das wiegt. Bitte, keine Satteltaschen. Sie verführen nur dazu, mehr als das absolut, notwendige Minimum mit sich zu führen.

Ich hatte am Ende wirklich noch ein Satz Kleidung kurze Hosen, T-Shirt, Schuhe fürs Fahren und einen für den Abend. Alles andere außer Zahnbürste, Ersatzschläuchen, Navi, Smartphone samt Powerbank, Luftpumpe, Arbeitshandschuhe, Nachtausrüstung und einem Handtuch habe ich im Verlauf der Fahrt weggeworfen. Das zuzüglich 3,5 Liter Wasser, die jeden Morgen da sein müssen, da nicht klar ist, wann und wo es Neues gibt, einige Gegenden sind sehr dünn besiedelt, halte ich für das Minimum.

c.) Packe nichts ein für den Fall eines Falles. Dieses Zeug erhöht das Gewicht. Der Fall eines Falles tritt nie ein, und wenn hilft es dir erfahrungsgemäß auch nicht wirklich weiter. (Kann ich bestätigen. Der sündhaft, teure, superleichte Notfallschlafsack war unnötig, und was kann man mit einem Erste-Hilfe-Set für Wanderer im Ernstfall wirklich anfangen?)

d.) Es wird ein Hardtail- oder Full-Suspension Mtb empfohlen, und das würde ich auch so sehen.

Der Grund ist, dass das Wort "Pista" mindestens fünf verschiedene Arten von Schotterpisten meint. Die einfachste ist feinkörniger Schotter, den man auch in Deutschland findet, nur dass diese Pisten dort deutlich stärker auch von Autos benutzt werden. Mittlere Pisten sind in etwa Gleisbettschotter, also ca. eiswürfelgroße Steine, noch härtere Pisten sind einfach noch größere Steine. Da tut einem am Abend selbst auf einem Hard-Tail-Mtb der Rücken weh, nachdem man auf diesem Belag den ganzen Tag gefahren ist.

Für ein Reiserad müsste man also den Kurs entsprechend ändern. Es gibt oft einen alten Parallelkurs über Landstraßen, der in den Roadbooks erwähnt wird. Nur weiß man selten vorher, welche Art von Piste gemeint ist. Wirkliche Enduro-Downhill-Single-Tails sind mir allerdings nicht begegnet bzw. nur zu einem sehr kleinen Teil. Das dürfte allerdings in anderen Provinzen z.B. der Sierra Nevada oder in den nördlichen Regionen (z.B. Jaen ab den ersten 100km von Westen aus gesehen, anders sein).

Auf jedem Fall mit einem Reiserad fahren kann man aber vermutlich die leichteren Etappen an den Küsten, z.B. Cadiz & Sevilla, evtl. Teile in Almeria. Streckenweise könnte man
auch Bahntrassenradeln andenken, nur gibt es in Andalusien wenige, aktuell fahrbare "via Herdes".

2.) Meine eigenen Empfehlungen sind:

a.) Mehrere Tage bis zu zwei Wochen damit verbringen sich mit dem Kurs und den Roda-Books vertraut machen. Markierungen für wichtige Details in den Dateien machen. Als Papier ist all das viel zu schwer. Man hat am Abend meistens keine Lust mehr, das Roadbook für den nächsten Tag genau zu lesen, und ich musste das in den "contrafuegos" (langen, sandigen Brandschneisen) im Raum Algeciras durchaus bereuen: Man sollte einfach, soweit möglich, durch den Wald daneben heizen, statt sein Rad knapp 10 km bergauf durch sehr, sehr tiefen Sand zu schieben.

Die Navigation klappt am besten über Google-Maps mit Satelliten-Bildern, nachdem man den Kurs dahin importiert hat, weil man vermutlich aufgrund des meist wolkenlosen, andalusischen Himmels dort jeden Strauch erkennen kann. Das ist manchmal notwendig, und das kann keine Karte leisten. Dennoch gibt es manchmal seltene Punkte, an denen weder all die Hightech noch eine Karte samt Kompass weiterhelfen. Keine Ahnung warum. Vielleicht war dort mal ein Weg, als die Bilder aufgenommen wurden oder die Karte erstellt. Man ist am richtigen Punkt, doch da ist kein irgendwie erkennbarer Weg, nirgends. Einer dieser Punkt liegt z.B. gleich am Anfang ca. 35 nördlich von Malaga, Richtung Antequerra in irgendeinem Dorf.

Selten brauchbar sind spanische Wanderwegmarkierungen, auch wenn der Kurs oft irgendeinem "Gran Recorrido" folgt. Meistens sind die in und 5km um jeden Ort sehr häufig und klar. Auf den 30 bis 50 km zum nächsten Ziel, wo man sie brauchen würde, sind aber gar keine.

c.) Selbst wenn man gute, fortgeschrittene Spanisch-Kenntnisse hat, sich vorher in den andalusischen Akzent einhören. Man versteht sonst anfangs kein Wort. Das ist so gut wie eine andere Sprache. Nicht mal in ländlichen Gebieten sondern selbst in eher touristischen wie der Costa de la Luz muss man manchmal froh sein, wenn Hotel- oder Restaurantpersonal, das nicht überall Englisch kann, sich wenigstens die Mühe macht verständliches Castellano zu sprechen. Nur in wenigen Radläden wird man jemanden finden, der Englisch kann.

d.) Ich werde für die Weiterfahrt bestimmt ein örtliches Miet-MtB für € 20 am Tag nehmen, statt mein eigenes mitzunehmen. Andernfalls kann es einem passieren, dass man nach einer Panne mehrere Tage in irgendeinem Dorf festhängt, und auf passende Ersatzteile wartet. Spanier sind z.B. im Durchschnitt kleiner als Mitteleuropäer, weswegen die Bestell- und Lieferzeit für eine neue 29-Felge eine Woche beträgt. Das ganze Theater mit dem Flugtransport lohnt sich nicht und rechnet sich einfach nicht meiner Erfahrung nach. Unter €300 ist es kaum möglich und das sind schon 15 Miet-Mtb-Tage. Natürlich kann es einem passieren, das man auch mit einem Miet-Mtb das Tagesziel nur ein Fahrrad in drei Teilen tragend erreicht, aber wenigstens hat man am nächsten Tag das nächste und kann weiterfahren.

e.) Immer mindestens zwei Ersatzschläuche dabei haben und vorher recherchieren, wo man die für den nächsten Tag kaufen kann. Am Ende war ich richtig fahrradladensüchtig. Hätte mich jemand in
Cadiz gefragt, wo die Kathedrale sei, hätte ich gesagt: "Oh, die ist doch gleich im Mittelpunkt des Dreiecks, das der Fahrradladen, der montags Ruhetag hat, der der keine 29er-Schläuche hat und dem der sie hat, bildet. (Antiplattfolie und die Schläuche mit dieser grünen Paste aus England helfen gegen die regionalen Pollen und Dornen nicht wirklich. Das sahen auch die Spanier, mit denen ich darüber redete, so.)

f.) Wenn man nicht wild campen will, würde ich von einem Tagesbudget von mindestens Euro 50 ausgehen. Dazu müsste man aber bereit sein, etwa in gemischtgeschlechtlichen Mehrbettzimmern in Hostels zu übernachten. Ansonsten sind es €20 bis €30 mehr.

g.) Sich mit den örtlichen Wegerechten vertraut machen. Manchmal führt der Kurs durch private Jagdgebiete, die auch als solche gekennzeichnet sind und komplett abgesperrt, die besser umfahren. Das sollte man beachten. Manchmal stehen da auch noch alte Schilder "militärisches Sperrgebiet" rum, die längst überholt sind. Nur hat da wirklich jemand, jemals Mienen geräumt?

h.) Bei Öffnen dornenumrankter Viehgatter, was erlaubt ist, zwei paar Arbeitshandschuhe übereinander anziehen.

i.) Nichts, das irgendwie die Farbe Rot hat, mitnehmen. Der Weg führt zu großen Teilen über Viehtriebpfade, und da sind auch Kuhherden samt Stieren. Meistens halten sie etwas Abstand (20 bis 40 Meter zum Weg) aber eben nicht immer oder der Hirte treibt sie über den Kurs. Dann einfach warten, bis die alle weg sind. Das kann dauern, aber nicht ewig.

j.) Keine Angst vor Hunden, die kläffen nur, die werden zurückgerufen oder man ist auf dem Mtb sprintend auf lange Sicht einfach schneller.

k.) Signaljacke und 600 Watt Helmlampe sind hilfreich, falls man es nicht mehr vor Sonnenuntergang zum Schlafplatz schafft.

l.) Gepäck- und wenn man sein eigenes Rad mitnimmt, beide gegen Diebstahl versichern. Ich mag auch kein Vollkaskoleben, aber ganz am Ende mussten beide einspringen, wenn auch auf einer anderen Tour im Anschluss an Andalusien. Als Alleinreisender ist man halt relativ leichte Beute.

m.) Diese Backchecker-App ist für Alleinreisende vielleicht hilfreich.

n.) Auch wenn es schwer fällt, nicht vergessen Regenjacke, Arm- und Beinlinge zu vergessen.

o) Keine Probleme mit Insekten und Temperaturen. Auf der spanischen Seite steht noch, dass man die Transandaluz ganzährig fahren kann. Allerdings muss man zwischen November und März in der Sierra Nevada im Süden und in den Höhenlagen von Huelva und Jaen mit Schnee rechnen.

3.) Die Quintessenz für mich selbst lautet:

a.) Zuvor hatte ich befürchtet an den Grenzen meiner eigenen Physis zu scheitern. Dazu ist es nicht gekommen, weil die Grenzen des Materials Fahrrad viel schneller erreicht waren.

b.) Trotz all der Mühsal, der ich diese Erkenntnisse verdanke, muss ich doch sagen, es hat sich gelohnt. Landschafts- und Naturerlebnis dürften unschlagbar sein, solange man nicht mit einem Zelt und Waffen durch Gegenden mit wirklich wilden Tieren wie Bären und Wölfen radeln will, wie man sie angeblich auf dem Great-Divide-Kurs durch die Rocky-Mountains finden soll.