Hercules Fun Road - mein erstes Reiserad

von: zut

Hercules Fun Road - mein erstes Reiserad - 08.08.18 20:29

Nach meiner Anmeldung möchte ich doch gerne mal mein erstes Reiserad vorstellen. Da es heute nur noch für mittlere Tagestouren verwendet wird, unter dieser Rubrik. Vielleicht mache ich aus Nostalgie nochmal eine Mehrtagestour damit.

Das Original

Gekauft habe ich das Rad in Braunschweig 1992, als reduziertes Vorjahresmodell. Bei einem Wehrsold von etwa 330DM war ein Preis von 600DM das Maximum, was ich ausgeben wollte. Während ein Kumpel satte 1400DM für ein Rad mit 2x7-Schaltung ausgeben konnte, mußte ich kleinere Brötchen backen.
Vorher hatte ich ein 6-Gang Kettenschaltungsrad. Dieses machte mir nicht den Eindruck, daß ich damit längere Touren fahren sollte. Im Laufe weniger Jahre ging an ihm so ziemlich alles kaputt.
Das Hercules machte im Laden einen erheblich robusteren Eindruck. Die Cantilever-Bremsen griffen für damalige Verhältnisse gut zu, das Geröhr war steifer; besonders die Gabel bog sich nicht zentimeterweise nach hinten, wenn man bremste. Das in die Hinterradnabe zusätzlich zum Ritzelpaket integrierte Planetengetriebe mit einer Untersetzungsstufe versprach immerhin eine etwas bessere Bergtauglichkeit als bisher, auch wenn die Bezeichnung 2x6 natürlich zuviel versprach – die Untersetzungsstufe entsprach eher 2 zusätzlichen Gängen nach unten.
Der Kettenschutz, die Blechschutzbleche und die Lötmuffen des Rahmens entsprachen der Zeit.
Doch, ich war der Meinung, damit leben zu können. Also angezahlt, einen dieser neumodischen Digitaltachos montieren lassen und ein paar Tage darauf abgeholt und die 28km nach Hause gefahren.
Wenn man "Hercules Fun Road" in eine Bild-Suchmaschine eingibt, findet man momentan einiges.

Kurz nach dem Kauf erfolgte die erste mehrtägige Tour von Gifhorn über Müden / Örtze und Soltau nach Ritterhude und ein paar Tage darauf wieder zurück. Insgesamt 5 Tage mit etwa 100km Tagesschnitt.
Im folgenden Jahr -nach meinem zweiten Studiensemester- konnte ich einen Kumpel überreden, in sieben Tagen mit mir von Gifhorn aus über Clausthal, Göttingen, Eschwege, Fulda, Würzburg, Rothenburg bis nach Nürnberg zu radeln. Ich genieße die Erinnerungen immer noch. Hier ein Bild auf dem Weg nach Göttingen:



Die Farbgestaltung in Oliv und Lila war der Zeit angemessen. Die mühsam anschnallbaren bunten Satteltaschen auf dem Gepäckträger aus dünnem Draht gehören wohl auch in die Zeit.

So fuhr ich das Rad im Alltag in Clausthal, später in der Nähe von Stuttgart und bei Mehrtagestouren im wesentlichen unverändert. Auf geschätzt 20.000km habe ich einmal die Kette gewechselt (die zweite sprang zunächst auf den kleinen Ritzeln, aber das gab sich bald), einmal den linken Innenkonus der Hinterradnabe. Der Original-Sattel hielt auch nur ein wenige tausend Kilometer.

Die erste Renovierung
2002 kam ich auf die Idee, den Triebstrang mal zu erneuern. Ich hatte bis dahin nicht all zu viel an Fahrrädern geschraubt, aber das kann man ja lernen. Ein befreundeter Radladenbesitzer bot mir an, günstig Teile, die auf Kundenwusch bei Neurädern getauscht worden waren zu kaufen und in seiner Werkstatt zu montieren. Also verbrachte ich einen ganzen Tag in der Werkstatt: Kettenschutz ab, Halterungen abflexen, neue Felgen montieren, neue Schalt-/Bremshebel, neues Tretlager, neue Bowdenzüge, vorne ein Umwerfer für die neue 3-fach-Kurbel. Den Seitenläuferdynamo wollte ich behalten, da er inaktiv weniger bremst als ein Nabendynamo. Hier das umgebaute Rad auf Radtour in der Lüneburger Heide:




Im Laufe der Jahre ärgerte ich mich immer mal wieder über die furchtbar fummelige Einstellarbeit, wenn ich das Hinterrad mal gelöst hatte – nach vorne offene lange Ausfallenden sind nicht so richtig kompatibel zu Umwerfern. Auch schliff immer irgend eine extreme Gangkombination. Ich fing an, über einen extra großen Rahmen mit Rohloff-Schaltung nachzudenken, der Preis schreckte dann aber zunächst ab. Es kamen somit wiederum etwa 20.000km auf das Rad, bis mich nach einem Wechsel des Ritzelpaketes und der Kette nach stundenlanger Justiererei der Umwerfer, der Achse in den Ausfallenden und dem Umwerfer meine Finger aufgerissenen waren, mich die Wut packte und ich beschloss, mein derzeitiges Reiserad aufzubauen.

Die zweite Renovierung

Nachdem mein jetziges Reiserad aufgebaut und in Betrieb gegangen war, überlegte ich, was mit dem alten Rad werden sollte. Ich wollte mich nicht mehr mit der nur halb passenden Kettenschaltung herumärgern, und der Allgemeinzustand des Rades war auch nicht übermäßig attraktiv. Die Bowdenzüge waren inzwischen schwergängig, die Bremswirkung im Vergleich zu aktuellen V-Brakes deutlich schlechter.
Auf der anderen Seite hatte ich so viele Jahre auf diesem Rad gesessen, die Geometrie paßte mir gut und das alte Ding wegzuwerfen schien mir falsch. Nach etwas Überwindung habe ich das Rad also zerlegt. Auf den Müll mit den rostigen Schutzblechen, der rostigen Klingel, Sattelstütze, Gepäckträger, Kettenschaltung, Tretgarnitur, Umwerfer.
Rahmen, Gabel, Lenker von allen Anbauteilen befreit und zum neu Pulverbeschichten gegeben.

Neuteile:
  • Von CNC Bikes ein neuwertiges Hinterrad mit Inter-8 (SG-C 6010V, die mit den Wälzlagern). Ein 21-Ritzel.
  • Kette
  • Die für das neue Reiserad etwas zu schmalen 45er Schutzbleche
  • Der schmale Gepäckträger war vorher auch am Reiserad
  • Neue V-Brakes
  • Ein Oktalink-Lager mit Truvativ-Kurbel 175mm und 42-Zahn-Blatt
  • BUMM-Minimalrücklicht mit Zulassung.
  • Books B17
  • Sattelstütze.
  • Ein drahtlos-Tacho.
  • Neue Züge
  • Felgenbänder


Übernommen:
Bleiben durften
  • der BUMM Eyc
  • die Griffe (der rechte wegen Drehgriffschalter gekürzt)
  • die Lenkerhörnchen
  • Rahmen
  • Gabel
  • Vorbau
  • Mäntel und Schläuche
  • Ständer


Besonderheiten / Auffälligkeiten:

  • Zur Rostvorsorge habe ich Fluid Film in die Rohre gesprüht.
  • Die Weite zwischen den hinteren Ausfallenden ist vermutlich 130mm; auf jeden Fall muß ich für das Einfädeln des Hinterrades ein wenig Kraft aufbringen, um sie auf heute gängige 132-135mm aufzubiegen. Der Kraftaufwand hält sich auf Grund des dünnen Geröhrs aber in Grenzen.
  • Die Bowdenzüge habe ich mit gelben Kabelbindern befestigt; diese fallen auf dem Rahmen kaum auf.
  • Der Achsabstand der vorderen Bremsaufnahmen ist geringer als für moderne V-Brakes. Durch Tauschen von innerer und äußerer Scheibe der Bremsklotzaufnahme kann das zum Teil kompensiert werden, so daß die Bremshebel fast senkrecht stehen.
  • Für den vorderen Aufnahmepunkt des Gepäckträgers mußte ich ein wenig improvisieren. Ein Aluprofil leistet hier jetzt als Adapter zwischen alter Befestigungsplatte und neuem Gepäckträger gute Dienste.
  • Die 307% Spreizung der Inter-8 reichen für die Ebene voll aus. Mehr hatte ich ursprünglich wohl auch nicht zur Verfügung.
  • Der neue Steuersatz hielt leider nur 1200km, bis er rastete – jetzt ist wieder der wegen Dichtpackung leicht schwergängige etwa 12 Jahre alte verbaut.
  • Die Umbaukosten betrugen grob überschlagen 650€
  • Das Fahrrad ist jetzt zumindest in Teilen 26 Jahre in meinem Besitz, 27 Jahre alt und ich möchte es nicht missen.


Hier ein paar Bilder vom jetzigen Zustand: