Re: Wieder einmal Bikepacking ...

von: Keine Ahnung

Re: Wieder einmal Bikepacking ... - 29.08.18 08:10

Lieber Andreas,

ich glaube, dass hier einfach völlig unterschiedliche Ansichten aufeinander prallen. Auch ich kann der "Bikepacking-Variante" für die von den meisten üblicherweise durchgeführten Touren nichts abgewinnen und den Sinn nicht nachvollziehen. Wenig Gewicht kann ich auch bequem mit dem von Dir erwähnten Leichtgepäckträger und gut zugänglichen Taschen erreichen und ein möglicher zusätzlicher Luftwiderstand dürfte bei hinten befestigten Taschen bei typischen Reisegeschwindigkeiten nicht wirklich merklich (wenn überhaupt) ins Gewicht fallen. Jahrelang immer wieder gepredigte Vorteile tief hängender Lasten werden über Bord geschmissen und plötzlich wird es im Gelände (auch wenn dort vielleicht keine extrem schmalen Passagen vorkommen) zum Vorteil, hinter dem Hintern einen Turm zu errichten, der auch die Möglichkeit reduziert, mit eben diesem Hintern hinter den Sattel zu gehen, wenn die steile "Downhill-Passage" zu bewältigen ist.

Wenn ich Minimalgepäck mitnehme, so ist das kein Argument für Bikepacking. Lediglich bei Geländetouren, in denen extrem schmale Passagen zu bewältigen sind, leuchtet mir ein Vorteil der Bikepacking-Taschen ein, wobei ich dann aber - siehe oben - andere Nachteile in Kauf nehme. Weniger disziplinierte Radreisende mögen durch ein erhöhten Platzangebot der seitlichen Packtaschen (wobei man hier ja auch hinten z. B. "Front Roller" befestigen kann) versucht werden, mehr Gepäck mitzunehmen. Wenn man aber seine Gepäckmenge festgelegt hat, werden die paar Gramm, die der Gepäckträger evtl. zusätzlich auf die Wage bringt, keine Rolle spielen. Dafür habe ich im Rahmendreieck wieder mehr Platz für Flaschen, die ich dann nicht - wie oft praktiziert - an der Gabel befestigen müssen, was ja wieder enorm den Luftwiderstand erhöht zwinker .

Ich glaube aber, dass die Anhänger des Bikepackings sehr häufig weniger der Logik folgen, die jemandem sagen würde, dass bei gleichem Gewicht eine einfachere Packweise Vorteile bieten würde, dass es angenehmer wäre, ohne Akrobatik auf und vom Fahrrad zu kommen, und dass ein niedrigerer Schwerpunkt Stabilität bringen würde, sondern eher dem Wunsch nachgeben, ein "schlank aussehendes" Fahrrad zu fahren. Das wirkt sportlicher und "jugendlicher".

Gerne wird auch argumentiert, dass in den USA Bikepacking vorherrschend sei. Und wie wir wissen, ist ja alles, was aus den USA kommt, gut zwinker . Man vergisst dabei aber gerne, dass (und ich kann das bestätigen, da ich dort gelebt habe und mir auch dort ein Fahrrad gekauft habe) in den USA der Zubehörmarkt für Fahrräder (Schutzbleche, Dynamos, Lichtanlagen, Gepäckträger, ...) traditionell eher einen Nischenmarkt dargestellt hat, und diese Teile zu einem großen Teil aus dem Ausland importiert wurden und entsprechend teuer waren. In den kalifornischen Fahrradläden, die ich durchstöbert hatte, gab es fast ausschließlich "nackte" MTBs oder Rennräder. Ähnlich sah es andernorts mit Leihfahrrädern aus. Dass dann Bikepacking zu einem Vorteil wird, ist klar. Ob dieser "Vorteil" aber ein Vorteil gegenüber Varianten darstellt, die Gepäckträger und ähnliche Anbaukomponenten beinhalten, ist eine ganz andere Sache.

Wie ich schon geschrieben hatte, verwende ich selbst Bikepacking-Komponenten an meinem Crossbike. Damit fahre ich Tagestouren und das häufig auch nur mit "Gepäck", welches aus Werkzeug, Ersatzschlauch und Minimalverpflegung besteht. Dafür würde sich tatsächlich kein Gepäckträger lohnen und so ist die Satteltasche mit diesen Komponenten und bei Bedarf mit Regenkleidung wirklich angenehm. Sie baut auch nicht hoch auf, da ja kaum etwas drinnen ist, und beinhaltet kaum nennenswertes Gewicht. In einer kleinen Tasche im Rahmendreieck landen Geld, Handy usw. Fängt es dann tatsächlich zu regnen an, ärgere ich mich kurz über die schlechtere Zugänglichkeit des Inhalts in dem Satteltaschenschlauch, aber da das ja nicht ständig vorkommt und diese Tasche ansonsten nur wenig enthält, kann ich das hinnehmen. Ich komme aber jedes mal erneut zur Überzeugung, dass ich so mein Gepäck auf einer Radreise nicht verstauen möchte.

Ich glaube, dass bei der ganzen Diskussion auch häufig beim Benennen der Vorteile des Bikepackings im Kopf der Vergleich zu einer Ausstattung mit wesentlich mehr Gepäck steckt. Es ist klar, dass 10 kg Zuladung einfacher durch die Lande zu transportieren ist als 25 kg. Das hat aber eben nichts mit der Transportart zu tun. Die 10 kg verstaue ich immer noch deutlich angenehmer in kleinen Packtaschen, die an meinem Gepäckträger eingehängt sind, der dann auch noch bequem längs das Zelt aufnimmt. Mit einem Griff habe ich die Taschen abgenommen und kann sie ins Hotel oder Zelt nehmen, ohne dass ich irgendetwas am Fahrrad zurücklassen muss.

Daher geht es mir wie Dir. Ich kann die Vorteile des Bikepacking für den "normalen Radreisenden" nicht nachvollziehen, wobei weder Teilnahmen an irgendwelchen sportlichen Events oder Extremtouren in unwegsamem Gelände für mich zu den "normalen Radreisen" zählen.

Dennoch folge ich der Devise: "Jeder soll nach seiner Façon selig werden." Ich werde mich daher definitiv nicht über dieses Thema streiten wollen. Ich bringe - so wie Du - meine Argumente vor und drücke mein Unverständnis aus, wenn es um die Argumente "pro Bikepacking" geht. Meine Argumente kann man dann berücksichtigen oder nicht zwinker .