von: 7schläferfahrrad
"Tauschen, bitte!" - 27.12.04 22:57
Wie sehen uns eigentlich die anderen, die Dauerinsassen unserer "Radelparadiese". Nicht immer ist der Radtourist ein lemminggleiches Rudeltier, also frage ich gar nicht erst das Bodenpersonal der PassauWien-Stampede.
Es gab einmal eine ziemliche Verwirrung an der Grenzbrücke in Bratislava: 2 Zöllner steckten die Köpfe zusammen, um zu beratschlagen, welcher Stempel für diesen Deutschen mit dem Fahrrad der gültige sei -"Autobus"oder "PKW"; in der Hoffnung auf eine elegante Lösung wurde ich erstmal zum Zwangsumtausch geschickt...
Meine erste Einreise in ein sozialistisches Land wird ermöglicht -durch "AmericanExpress"! In Bratislava verlasse ich mein bepacktes Rad, um nach einer Stunde 2 dichte Menschentrauben vorzufinden. Im Zentrum der einen: ein superteurer Sportwagen (mit tschechischem Kennzeichen!), als ich mich mit gelinder Panik durch die andere Gruppe drängle, finde ich -mein unversehrtes Fahrrad! Erleichterung!
Was zu Hause niemand für besonders wertvoll gehalten hätte, verursachte hier einen Volksauflauf. Die unvermeidliche Frage nach dem Preis musste ich -Trottel!- dann auch noch wahrheitsgemäss beantworten..., das letzte Mal auf dieser Tour!
Die fast scheue Zurückhaltung der Menschen, denen ich danach begegnete, liess mich hemmungslos lügen: von ´nem Freund ausgeliehen, gebraucht gekauft und neu lackiert, all sowas.
Die folgenden Wochen waren Schizophrenie pur, jede Übernachtung in einem zur Jugendherberge "geadelten" Parteierholungsheim brachte die Polit-Concièrge an den Rand des Nervenkollers -was passiert, wenn der die "linientreuen" Jugendgruppen indoktriniert?
Das "richtige" Leben tagsüber auf der Landstrasse lief dagegen ab wie in einem schlechten Agenten-Krimi: Traktoristen, Mopedfahrer und -Wanderer zischelten im Vorübergehen: "Ost- oder Westdeutschland?" Meine Antwort brachte mich oft in Situationen ...,dass ich meinen Sozialkunde-und Geschichtslehrern auf Knien hätte danken mögen! Ich wurde als eine Mischung aus Tagesschau und Politikseminar herumgereicht und hatte die grössten Schwierigkeiten, einen lückenlosen Übernachtungsnachweis zusammenzubringen.
Schonmal 3 Stunden einen Vortrag über Europapolitik imrovisiert? Am Ende war ich permanent heiser von nächtelangen Diskussionen in 3 1/2 Sprachen, hatte keine Bücher und Reiseführer mehr, keine Karten und keinen Fetzen bedrucktes Papier grösser als eine vergessene Kinokarte, dafür mehr Brot, Salami und Lageräpfel als ich in einem Monat verzehren könnte.
In meinen Taschen das Geld, das ich nirgendwo ausgeben durfte. Verwirrt, beschämt, so manches Mal sogar richtig sprachlos(!), so näherte ich mich Prag. Leistete mir den dekadenten Luxus eines "teuren" Hotelzimmers, um endlich mal 8 Stunden am Stück schlafen zu können, bekam aber gleichzeitig einen solchen Gross-Stadt-Koller, dass ich schon ans Weiterfahren dachte. Es war schier unmöglich, den Wenzelsplatz zu überqueren, ohne zig Mal von illegalen Geldwechslern angesprochen zu werden. In meiner Verzweiflung kaufte ich mir ein komplettes tschechisches Outfit, um endlich in Ruhe gelassen zu werden -völliger Misserfolg! Abends beim Bier klage ich ein paar Studenten mein Leid: grosser Heiterkeitsausbruch! Sie erzählten mir, warum meine "Verkleidung" mit tschechischer Hose, Jacke, Hemd und Schuhen nicht funktioniere: "...du schaust Leuten auf der Strasse geradeaus in´s Gesicht, trägst eine Brille so teuer wie 3 Monatslöhne und hast Bart wie Revoluzzer, du musst einfach Tourist sein...!"
6000 Seiten Literatur und 50 Langspielplatten in den Packtaschen machten eine Weiterfahrt unmöglich, also nehme ich nach 2 Tagen Fahrkarten-Beschaffung den Nachtzug. Der letzte spricht mich auf dem Bahnsteig an: "Tauschen, bitte!"
Auf meiner ganzen Reise in diesem August 1981 war ich nie weiter als 1000 km von Daheim weg, aber -zum ersten Mal in meinen damals 24 Lebensjahren- in einer völlig anderen Welt!
Axel
Es gab einmal eine ziemliche Verwirrung an der Grenzbrücke in Bratislava: 2 Zöllner steckten die Köpfe zusammen, um zu beratschlagen, welcher Stempel für diesen Deutschen mit dem Fahrrad der gültige sei -"Autobus"oder "PKW"; in der Hoffnung auf eine elegante Lösung wurde ich erstmal zum Zwangsumtausch geschickt...
Meine erste Einreise in ein sozialistisches Land wird ermöglicht -durch "AmericanExpress"! In Bratislava verlasse ich mein bepacktes Rad, um nach einer Stunde 2 dichte Menschentrauben vorzufinden. Im Zentrum der einen: ein superteurer Sportwagen (mit tschechischem Kennzeichen!), als ich mich mit gelinder Panik durch die andere Gruppe drängle, finde ich -mein unversehrtes Fahrrad! Erleichterung!
Was zu Hause niemand für besonders wertvoll gehalten hätte, verursachte hier einen Volksauflauf. Die unvermeidliche Frage nach dem Preis musste ich -Trottel!- dann auch noch wahrheitsgemäss beantworten..., das letzte Mal auf dieser Tour!
Die fast scheue Zurückhaltung der Menschen, denen ich danach begegnete, liess mich hemmungslos lügen: von ´nem Freund ausgeliehen, gebraucht gekauft und neu lackiert, all sowas.
Die folgenden Wochen waren Schizophrenie pur, jede Übernachtung in einem zur Jugendherberge "geadelten" Parteierholungsheim brachte die Polit-Concièrge an den Rand des Nervenkollers -was passiert, wenn der die "linientreuen" Jugendgruppen indoktriniert?
Das "richtige" Leben tagsüber auf der Landstrasse lief dagegen ab wie in einem schlechten Agenten-Krimi: Traktoristen, Mopedfahrer und -Wanderer zischelten im Vorübergehen: "Ost- oder Westdeutschland?" Meine Antwort brachte mich oft in Situationen ...,dass ich meinen Sozialkunde-und Geschichtslehrern auf Knien hätte danken mögen! Ich wurde als eine Mischung aus Tagesschau und Politikseminar herumgereicht und hatte die grössten Schwierigkeiten, einen lückenlosen Übernachtungsnachweis zusammenzubringen.
Schonmal 3 Stunden einen Vortrag über Europapolitik imrovisiert? Am Ende war ich permanent heiser von nächtelangen Diskussionen in 3 1/2 Sprachen, hatte keine Bücher und Reiseführer mehr, keine Karten und keinen Fetzen bedrucktes Papier grösser als eine vergessene Kinokarte, dafür mehr Brot, Salami und Lageräpfel als ich in einem Monat verzehren könnte.
In meinen Taschen das Geld, das ich nirgendwo ausgeben durfte. Verwirrt, beschämt, so manches Mal sogar richtig sprachlos(!), so näherte ich mich Prag. Leistete mir den dekadenten Luxus eines "teuren" Hotelzimmers, um endlich mal 8 Stunden am Stück schlafen zu können, bekam aber gleichzeitig einen solchen Gross-Stadt-Koller, dass ich schon ans Weiterfahren dachte. Es war schier unmöglich, den Wenzelsplatz zu überqueren, ohne zig Mal von illegalen Geldwechslern angesprochen zu werden. In meiner Verzweiflung kaufte ich mir ein komplettes tschechisches Outfit, um endlich in Ruhe gelassen zu werden -völliger Misserfolg! Abends beim Bier klage ich ein paar Studenten mein Leid: grosser Heiterkeitsausbruch! Sie erzählten mir, warum meine "Verkleidung" mit tschechischer Hose, Jacke, Hemd und Schuhen nicht funktioniere: "...du schaust Leuten auf der Strasse geradeaus in´s Gesicht, trägst eine Brille so teuer wie 3 Monatslöhne und hast Bart wie Revoluzzer, du musst einfach Tourist sein...!"
6000 Seiten Literatur und 50 Langspielplatten in den Packtaschen machten eine Weiterfahrt unmöglich, also nehme ich nach 2 Tagen Fahrkarten-Beschaffung den Nachtzug. Der letzte spricht mich auf dem Bahnsteig an: "Tauschen, bitte!"
Auf meiner ganzen Reise in diesem August 1981 war ich nie weiter als 1000 km von Daheim weg, aber -zum ersten Mal in meinen damals 24 Lebensjahren- in einer völlig anderen Welt!
Axel