Re: Warum sind Radreisen oft Solotouren ?

von: sdob

Re: Warum sind Radreisen oft Solotouren ? - 15.09.08 07:11

Hallo!

Gerade in diesem Sommer habe ich mir über dieses Thema viele Gedanken gemacht.
Ich war gut drei Wochen in Polen unterwegs, einmal quer durch den Süden; mit Bergen, Städten, Regen, Sonne, auch eine große Reparatur war nötig, etc... Sehr abwechslungsreich also und sehr, sehr schön.
In der ersten Woche bin ich alleine gefahren und habe dann einen guten Freund in Breslau am Bahnhof eingesammelt. Zu zweit sind wir dann bis zur ukrainischen Grenze und nördlich nach Lublin weiter gefahren.
Es waren zwei komplett unterschiedliche Phasen.
Und auch, wenn wir in der Fahrweise, dem Tagesrhythmus und einigem Anderen sehr unterschiedlich sind, wir also beide Kompromisse eingehen mussten, möchten wir diese Zeit nicht missen. Ich hätte sehr vieles nicht erlebt und mich vieles alleine einfach nicht getraut, wäre einige Wege nicht (weiter) gefahren, hätte vielleicht nicht mal wild gezeltet.
Im Nachhinein hätte ich es spannend gefunden, wie es wohl NACH der Zweisamkeit gewesen wäre, noch eine Woche alleine zu fahren. Am Anfang kam ja einiges Zusammen, wie, dass ich mich an das Land, die Sprache etc. gewöhnen musste...und ans Alleinesein nach dem trubeligen Arbeitsalltagsleben. Das war oft sehr schön, aber auch nicht immer leicht.
Und so großartig und romantisch es auch klingt oder sich hier im Forum lesen lässt, wenn jemand alleine um die Welt radelt oder jährlich seine Touren fährt. Dafür bin ich letztlich einfach zu schissig! Zumindest kann ich das nicht komplett genießen und bin auch immer wieder recht angespannt. Schade - aber isso. Dennoch werde ich nicht müde werden, es immer wieder zu testen und auszureizen.
Denn die Form des Fahradurlaubs mit Zelt und Kocher ist schon eine der schönsten Sachen, die es gibt.

Zu meinem Freund muss ich sagen, dass es wirklich nicht alltäglich ist, jemanden zu kennen, mit dem eine solche Reise geht. Eigentlich kennen wir uns nur aus einer dreimonatigen WG-Phase vor acht Jahren und sporadischem Kontakt per Telefon. Er war schon mal mit dem Rad in Polen, vier Wochen alleine im Norden. So rief ich ihn wegen ein paar Fragen kurz vor meiner Reise, an...und plötzlich meinte er:"Wann fährst denn Du eigentlich?" Wir hatten keinerlei gemeinsame Vorbereitungszeit und wussten trotzdem, dass es klappen würde und können uns beide niemand anderen vorstellen, mit dem das so funktioniert. (Obwohl er zB nie einen Kocher dabei hatte und mir das Kochen sehr wichtig ist u.a.). Sicher ein Glücksfall. Und als ich nach anfänglich widerstrebenden Gefühlen, dass da jemand einen anderen Urlaub aus meinem Urlaub macht, entschieden habe, dass er ruhig kommen solle (hätte ja auch nein sagen können), habe ich es als Herausforderung an mich, meinen Egoismus, meine Arroganz gesehen und gehofft, vieles Bereichernde zu erleben, was ich alleine nie gesehen und erlebt hätte. Und so kam´s.
Dazu hatten wir einfach mal wieder eine längere Zeit zusammen, in der wir uns wieder ein Stück mehr kennengelernt haben.

Natürlich wünsche ich mir auch eine Tour alleine, bei der ich so sorglos und voller Vertrauen alles so machen kann, wie wir es zu zweit erlebt haben. Aber so bin ich nicht - vielleicht immer ein Stückchen mehr?!...
Und die Vorstellung, bei aufziehendem Gewitter alleine im Zelt zu liegen oder mit immer lauter werdender Nabe (weil im A.....) bei Dauerregen auf Auschwitz zu zufahren oder vorübergehend Probleme mit der Visa-Karte zu haben...die Vorstellung möchte ich lieber nicht in die Tat umgesetzt wissen.
Ich weiß nicht, ob ich alleine durchgehalten hätte.

Soweit dieser, sicher teilweise off-topice, Reisebericht.

Sorry, dass es so lang geworden ist.

Liebe Grüße,
sdob