Re: Welcher Motor für das neue E-bike

von: Anonym

Re: Welcher Motor für das neue E-bike - 09.03.20 08:54

Dein Post ist ein wichtiger Punkt, um ein paar Ergänzungen zu machen, die mMn so aussehen:
Bei den Katalogschlachten um Newtonmeter wird mit gezinkten Karten gespielt. Gesetzlich darf ein Pedelec mit maximal 250W DAUERleistung unterstützt werden. Jetzt rechnen wir das mal auf einen Mittelmotor um, der die Kurbelbewegung des Fahrers unterstützt:
Trittfrequenz 60 (1rps): 250W/2/pi/1ps = 39,8Nm. D.h. der Mittelmotor darf nur gesetzlich festgelegt dauerhaft mit 39,8Nm unterstützen und auch nur bis 25km/h. Bei (guten!!) 70% Wirkungsgrad zwischen Akku-Klemmen und Motorwelle wird der Akku mit 250W/0,7 = 357W belastet. Ein 500Wh-Akku wäre somit nach 1h 24min leer und würde bei 25km/h ganze 35km weit kommen. Die Erfahrung zeigt das nicht. Grund: Es werden keine 250W und damit 39,8Nm in der Ebene dauernd gebraucht, sondern im Mittel vielleicht 100W bei 15,9Nm (plus Eigenleistung des Fahrers). Jetzt wäre die Zeit 3h 30min und dabei die Reichweite 87,5km (also schon deutlich realistischer).
Wenn der Motor dauernd 120Nm an die Welle abgeben könnte, dürfte er nur bis 250W/2/pi/120Nm = 0,33rps (Trittfrequenz 20!) unterstützen. Das heißt den Berg im größten Gang bei Trittfrequenz 20 hoch. Das ist doch Unsinn und damit ist es sinnlos, einen Motor einzusetzen, der ein Dauerdrehmoment von 120Nm zeigt, aber im normalen Betrieb nur im Mittel mit 15,9Nm belastet wird. D.h. das sind alles Kurzzeitspitzen für den Kick am Berg oder übertriebene Beschleunigungsfähigkeit in der Ebene. Natürlich wird dieser Fahrbetrieb mit kurzer Akku-Laufzeit bestraft. Je nach gewähltem Fahrprogramm werden die 120Nm wahrscheinlich gar nicht erreicht, weil einfach zu viel. Noch gar nicht davon geredet, was die Mechanik aushält.
Zu den Unterstützungsprozenten: Die werden bezogen auf das gemessene/berechnete Fahrerdrehmoment. Also wenn die Fuhre mit zusammen 150W konstant in der Ebene läuft und der Fahrer gemütliche 50W tritt, liefert der Motor die "restlichen" 100W (wer unterstützt hier wen?) und erzeugt somit 200% Unterstützung. Gleichzeitig muss die Steuerung noch die 250W- und 25km/h-Grenze überwachen und runterregeln, wenn eine von beiden verletzt wird.
Für ein vernünftiges Fahrgefühl, was sich übrigens mathematisch nicht einfach beschreiben lässt und was zwischen Nutzern auch unterschiedlich ausfällt, ist die ganze Steuerungs-SW zuständig. Verschiedene Philosophien erzeugen komplett unterschiedliches Empfinden beim Fahrer, aber die Physik zu Leistung, Drehmoment, Drehzahl, Wirkungsgrad, thermische Grenze ist für alle gleich.
Selbst fahre ich ein E-Laste-Trike mit Nabenmotor und nur "Gasdrehgriff". D.h. hier bestimmt man den Schub des Motors über den Gasdrehgriff, nicht eine komplexe Software, die versucht Fahrerempfinden mathematisch nachzubilden. Die Steuerungselektronik überwacht nur die 25km/h und die 250W und eventuell noch als letzten Schutz Motorübertemperatur. Alle sonstigen Pedelecs sind aber hier komplett anders, habe aber zu wenig Fahrversuche mit denen gemacht, um die zu klassifizieren.
Wie würde ich ein Pedelec aussuchen? Erst einmal möglichst viel Zahlen zum Produkt holen und nachrechnen. Dann:
- Prio 1: Sehr gute Mechanik zwischen Motor/Fahrer und Hinterrad. Das Rad muss ohne Motor fahrbar bleiben.
- Prio 2: Geringes Gewicht (der Hobel muss in den Keller getragen werden).
- Prio 3: Guter Gesamtwirkungsgrad zwischen Akku-Klemmen und Motorwelle (spart Akku).
- Prio 4: Keine übertriebenen Turbo-Spitzen (spart Akku).
- Prio 5: Test, ob ich mich gut an die Fahrphilosophie der SW anpassen könnte.
Wer sich schwer tut, Prio 1 - 4 incl. die ganze Rechnerei durchzuführen, muss sich auf Prio 5 verlassen, ist aber den Aussagen der Kataloge und Händler vollkommen ausgeliefert.