Re: Speichen brechen alle paar km

von: BaB

Re: Speichen brechen alle paar km - 18.05.24 09:31

In Antwort auf: EmilEmil
Zum Verständnis der Speichenvorspannkraft: Diese Kraft sorgt dafür, daß die Speiche im Hinblick auf die dynamischen Belastungen (während der Fahrt) durch 1) Gewicht 2) Antrieb (Bremsen) 3) Seitenführung immer auf Zug beansprucht wird (Speichen können durchaus auf Biegung belastet werden, jeder Spannkraftmesser tut das bzw beim Verflechten zweier Speichen kann man das Verbiegen einer Speiche kaum vermeiden, obwohl das nicht günstig ist; selbst auf (geringe) Druck-Kräfte kann eine Speiche beansprucht werden; die Konstruktion der Speiche zwischen Felgenkreis und Nabenkreis läßt das aber nicht zu. Der Nippel steckt im Felgenloch, der Speichenkopf steckt im Nabenloch. In der Theorie sind beides "Kugel-Gelenkige Lagerungen", wobei die Lagerung der Speiche in der Felge noch eine Verschieblichkeit in Speichen-Richtung vorsieht. Das hat aber eigentlich nur den Grund, daß man die Nippel auf das Speichengewinde aufschieben und andrehen kann. Die (nicht sichtbare !) Längenänderung der Speiche bei der Belastung (Fahrt) wird komplett durch die sich ändernde Summe der Vorspannkraft plus Belastung bewirkt. Die Belastung auf Zug (bei Dauerfestigkeits-Betrachtungen = Schwell-Festigkeit) setzt zwei Material-Grenzwerte: Die obere Grenze ist etwa die Fließgrenze, die untere ist die völlige Entlastung. Die Vorspannung ist dann mit dem halben Wert an zu setzen. Es sei darauf hin gewiesen, daß die Vorspannung zur Bestimmung der Vorspannkraft mit dem Querschnitt der Speiche multipliziert werden muß. Selbstverständlich muß man da in der Praxis Sicherheits-Margen vorsehen (z.B. 80 % von der Fließgrenze). Für überschlägige Rechnungen geht das ohne. Bei höheren Anforderungen muß man sich ein Dauerfestigkeits-Diagramm nach Smith generieren.

Bei den Belastungen gibt es belastende (zusätzlich zu den Vorspannkräften = posiitive) und entlastende ( = negative) Anteile. Bei den Anteilen, die dem Antrieb (Bremsen) geschuldet sind, wechseln diese Anteile auf einer Seite alternierend von Speiche zu Speiche. Bei den Anteilen aus der Gewichsbelastung gibt es einen kleinen Bereich (z.B. 4 Speichen), der entlastet wird und einen größeren Bereich z.B. 28 Speichen der zusätzlich belastet wird). Ähnliches gilt für die beiden anderen Lastfälle. Zum Glück treten nicht immer alle Belastungen gleichzeitig auf. Das stellt aber den Konstrukteur vor die Aufgabe, sich eine geeignete Lastfall-Kombination (Größe und Häufigkeit der Belastungen) für eine Dauerfestigkeits-Beurteilung her zu leiten. Das ist aber eigentlich unmöglich. Denn auch der beste Konstrukteur (z.B. Daniel Düsentrieb) weiß nicht, wie der Radler sein Gefährt benutzt.

Dennoch werde ich hier konkret: In diesem Fall gibt es Dauerbrüche in dem Gewinde der Speiche. Mit einiger Wahrscheinlichkeit liegt das daran, daß die Speiche Probleme hat, sich auf den Speichenwinkel, wie er vom Felgen-Referenzpunkt zum Naben-Flansch-Referenz-Punkt erforderlich ist, ein zu stellen. Der ungünstigste Fall ist der, daß der Speichennippel durch seinen Sitz im Felgenloch eine Normale (Senkrechte) zum Lochkreis vorgibt. Das Spiel, das jedes Gewinde hat, mildert das zwar ab, aber nach Lage der Dinge ist das nicht ausreichend. Auch örtliche "Setzungen" helfem dem Problem nicht ab. Ich weiß aus Erfahrung (406-er Faltrad mit "dicker" (betrifft Lochkreis und Flanschabstand) Nabe (Sram i-Motion9), daß 15 [Grd] Speichenwinklel zur Normalen (Felgenloch) zuviel sind. Da gab es bei mir, schon bei KM-Stand 1000-plus, einen Speichenbruch nach dem anderen im Gewinde. Da liegt der TE mit KM-Stand 6000-plus auf der günstigeren Seite. Damals habe ich erstmal ein ganz dummes Gesicht gemacht, bis dann getreu dem Spruch "dem Ingenieur ist nichts zu schwör" der Wille einsetzte, das Poblem zu erschlagen. Das Felgenloch wurde auf 4.8 [mm] aufgebohrt und der Gefahr, das der Nippelkopf sich duch das aufgeweitete Loch durchzieht, wurde mit Unterlegscheiben (A2) in Sattelkurvenform (wegen den Platz-Verhältnissen umweit der Borungen) begegnet. Der Speichenwinkel ging von 15 [Grd] auf 7.5 [Grd] zurück. Weiterhin wurde ein Parktool TM-1 Spannkraftmesser angeschafft und die Außreißer in der Speichenspannkraft egalisiert (auf plus/minus 100 [N]) bei ca. 900 [N] Sollwert. Diese Maßnahmen haben sich bis heute (ca. 15 000 [km] später) ohne weiteren Schaden bewährt. Eine geringe Biegung scheint dauerfest zu sein (Vgl verflochtene Speichen-Kreuzung !). Da bei dem TE eine Nabe für Kettenschaltung vorliegt, gibt es sowieso zwischen Links und Rechts einen großen Unterschied. Das ist der Forderung: "Querzug von rechter Seite = Querzug von linker Seite" geschuldet. Da geht der SINUS-Anteil der Speichenspannkraft ein und wegen des auf der linken Seite größeren (2-fach ?) Schrägungswinkel darf die Spannkraft Links nicht so stark sein wie Rechts. Häufig findet man für diesen Sachverhalt eine Skizze, wobei der Versatz der Speichen (Speichen stehen auf Lücke beim Vergleich Links/Rechts) meist nicht erwähnt wird. Den Ausgleich zwischen rechten und linken Speichenkräften macht die Felge !

Evtl. könnte der TE mal ein Foto von der Situation Nippelbereich machen und den Winkel zwischen Speiche/Normale(Speichenloch) messen. Eines solche Messung ist nicht so ganz einfach, weil diese neben der seitlichen Schräge auch die "Schräge" in einer Laufrad-Längsebene enthalten muß (Die Speichen laufen mit einem Winkel ungleich 90 [Grd] in die Felge !

Den Einsatz von Ösen aus Stahl halte ich in diesem Zusammenhang für negativ, weil sie dem Nippel praktisch die Normalen-Richtung des Lochs 1:1 aufzwingen. Also selbst kleine "Setzungen" ( = Schrägstellung der Nippelauflage) sind dann nahezu ausgeschlossen.

Die gute Lösung für das Problem: Gepunzte Felgen (Mit Schrägstellung der Nippel ohne den Gewindeteil der Speichen zu biegen, ist machbar, aber da muß Alles (Felgenkugelpfanne/Felgenbohrung/Nippel-Gegenstück sowie Speichenkopf/Nabenloch-Gestaltung) aufeinander abgestimmt sein. Solange aber wegen der unterschiedlichen Abmessungen unterschiedliche Winkel erforderlich sind, muß das jetzige System im Einzelfall immer zu Problemen führen. Die Entscheidung, ob ein abgestimmtes Problem ohne Flexibilität (proprietäre Lösungen ) oder Flexibilität mit gelegentlichen Problemen besser ist, ist da der Gegensatz. Über Verbesserungen nachdenken lohnt sich eigentlich schon. Evtl geht das Eine ohne das Andere afzugeben...
Hmmm... In meinen geösten Felgen können sich die Nippel in den Ösen (sind die nicht meistens aus Stahl?) eigentlich immer ganz gut ausrichten. In ungeösten, hohen Felgen (die durchaus auch ausgerechnet deswegen ungeöst sind!) sind mitunter die Bereiche der Nippelaustritte sehr dick und das verhindert schon eher eine Ausrichtung des Nippels perfekt zur Speiche.
Kennst du ungepunzte Felgen? Mir fällt auf Anhieb gerade keine ein.
usw.