Re: Aufbau (Reise-)Rennrad

von: Udo HH

Re: Aufbau (Reise-)Rennrad - 19.07.05 08:46

Hallo Lars,

bislang habe ich immer nur interessiert die vielen interessanten, lehrreichen, amüsanten und gelegentlich auch ärgerlichen Beiträge mitgelesen, aber selbst noch nichts geschrieben.

Deine Frage nach einem Reiserennrad und das Stichwort „klassischer Audax-Rahmen“ motivieren mich zu meinem ersten Beitrag im Radforum.

Ich bin auch einer derjenigen, die auf einen Rennlenker auch für das Alltags- und Reiserad bestehen (na gut, im Gelände, auf einem Lieger oder fürs Brötchen holen kann ich mir auch andere Lenker vorstellen...)

Ich habe bis vor kurzem einen Woodrup-Renner gefahren (das sind die mit der eleganten Führung der hinteren Streben ums Sattelrohr, very british, indeed). Natürlich mit Rennlenker, ergänzt durch Campas Ergopower sowie Blackburn Gepäckträger und StVO-Ausstattung.

Nachdem mir dummerweise die Schaltung ins Hinterrad gekommen ist (lag wohl an der falschen Montage der neuen Schalträdchen), hatte ich keine Lust, dem betagten Rad (15 Jahre) noch wieder neue Investitionen angedeihen zu lassen und habe mich nach einem Nachfolger umgesehen. Da musste ich feststellen, dass neue Räder mit Rennlenker sehr viel teurer ausfallen als vergleichbare Räder mit Brezeln oder Besenstilen – die Nachfrage ist wohl einfach zu gering.

Statt mir ein indivudelles Fahrrad aufbauen zu lassen, habe ich mir dann vor einigen Wochen bei Brügelmann den World-Traveller von Barellia mit Ultegra-Ausstattung bestellt. Der Alurahmen ist wohl von Fort.

Im Vergleich finde ich das neue Rad eher besser, allerdings liegen die Ergopower Bremsschaltgriffe besser in der Hand als Shimanos STI. Dafür punktet der Japaner mit geringeren Bedienkräften, was vermutlich an der direkteren Zugführung liegt. Was nervig ist, dass es keine Schnellentspannung für die Bremsen gibt – zumindest nicht in Verbindung mit den montierten Cantileverbremsen (Campa war da vor 15 Jahren schon weiter und hat dafür am Bremshebel eine simple Entspannungsvorrichtung angebracht, die einen Radwechsel blitzschnell ermöglicht).

Der Rahmen scheint mir eher verwindungssteifer als das Reynolds-Geröhr zu sein; wenngleich der Test mit vollen Gepäck noch aussteht. Der Federungskomfort ist schlecht vergleichbar, da Brügelmann das Rad mit einer Federsattelstütze von Airwings ausstattet, während der Woodrup ohne Federung auskommen musste (mit einem Brooks-Sattel ist das kein Problem, solange die Kopfsteinplaster-Passagen sich nicht häufen - das mag man im Berliner Wedding anders bewerten als in Hamburg).

Hinsichtlich der Spritzigkeit muss man im Vergleich zu einem Rennrad Abstriche machen, vor allem das Mehrgewicht an Felgen und Reifen muss ja erst mal beschleunigt werden. Bei kürzeren Rennen wie den HEW-Cyclassics ist man mit einem reinen Rennrad sicherlich besser dran, aber Langstrecken wie die Vätternrundfahrt wird man mit dem Barellia oder einem vergleichbaren Randonneur gut bestreiten können.

Wenn man dann noch bedenkt, dass ich für das neue Rad den gleichen Preis (1.400 EUR ) wie vor 15 Jahren für den Woodrup-Renner bezahlt habe (trotz solcher Zugaben wie Tubus-Lowrider, Airwings-Sattelstütze und Nabendynamo), bereue ich den Kauf in keinster Weise, wenngleich ich mit dem alten Rad noch gerne einige 10.000 km gefahren wäre.

Fazit: So ein klassischer (englischer) Randonneur mit gemufftem Stahlramen ist schon was Besonderes (wie eine mechanische Armbanduhr); schnell fahren und Spass haben kann ich auch mit dem etwas langweiligen Barellia.
Vielleicht hilft es Dir ja bei Deinen Überlegungen.

Udo