Ich hab mir mal so meine Gedanken gemacht. All diejenigen, die jetzt "Handwarm" schreiben, haben ihre ersten Erfahrungen mit schraubverbindungen normalerweise gesammelt, als noch alles aus Stahl war. Da war das Rantasten kein Problem: Zu wenig -> es lockert sich. Zu viel -> die Schraube wird geköpft. Wer dann genug Erfahrung hat, merkt vielleicht auch bei Alu, wann es sich genug gedehnt hat und zieht nicht weiter an.
Wenn man aber heutzutage mit dem Schrauben anfängt, hat man es desöfteren mit dünnwandigen (Alu) Teilen zu tun. Mit Stahlschrauben in Aluteilen (wie schnell das Gewinde da raus ist ...).
Dann ist die Technik auch komplizierter geworden. Früher hat man vieles mit einer Schraube mit Mutter daran gelöst. Man braucht 2 Schlüssel dazu, man kommt beschissen dran - aber wenn man die dritte Schraube abgedreht und einfach ersetzt hat, weiß man schon, was man tut. Heute dreht man hochfeste Schrauben in Alurahmen; braucht gleichmäßige Drehmomente, damit die Bremskolben richtig gleiten können. Etc etc. Da finde ich einen Drehmomentschlüssel schon sehr angenehm. Bei reinen Stahlverbindungen hab ich danach kein Bedürfnis - da merkt man ja genau, wann's passt (die kleinen lauwarm, die größeren handfest
- also 90% der Streckgrenze)
Zum Thema Klemmungen (dank Artikels in der RoadBike bin ich grad informiert):
Die geklemmten Teile haben unterschiedliche Durchmesser, in nem erstaunlich großen Bereich. Deshalb braucht man einigermaßen passende Drehmomente - dadurch verformen sich Rohr und Klemmteile so, dass alles trotz der Toleranzen glatt und vollflächig aneinandergepresst ist. Ist das Moment nun recht falsch, verbiegen sich die Teile zu viel oder zu wenig - eine richtige Verbindung ist nur noch bei einem (kleinen) Teil der Fläche vorhanden. Das ist nicht immer gut, knacks.
Ich selbst durfte neulich meinen Lenker austauschen, weil ich merken musste, dass ich die Hörner wohl wie ein Schmied an den Lenker geschraubt hatte (damals, vor meiner Beschäftigung mit Fahrradtechnik. oder doch nach der astronomischen Angabe der ADFC Technikseite und "Gefühl"?). Die Hörner hatten sich 2mm tief in den Lenker gearbeitet. Ein Andermal durfte ich auf einer Tour mit Gepäck über die letzten 20Km alle paar Minuten absteigen und die Befestigungsschrauben des Gepäckträgers wieder reinschrauben (bzw. sie dann später bei der Fahrt mit einer Hand festhalten). Genau so lernt mans eben, wenn man keinen Drehmomentschlüssel hat. Mal zu viel, mal zu wenig - beides mit den vielseitigsten Folgen.
Deshalb bin ich für Drehmomentschlüssel. Wenn man die Geräte bewusst einsetze, schult man dabei auch das Händchen - und kann auch auf Tour eine Verbindung perfekt anziehen! (sofern das Multitool nicht unterm Bett liegt)
@Mr. Pither
Eine typische Vorbauschraube (M5, 8.8) will maaaximal 6,5Nm. Bei 8 dürfte sich sich schon bleibend verformen - oder das Gewinde schädigen. Und bei 12 Nm sollte es schon lange vorbei sein. Bei 10.9er Schrauben kannst Du überall die Hälfte drauflegen (aber bitte nicht in Alu). Da verschätzt man sich eben doch schnell gewaltig! Wenn man über den Daumen mal eben so um 100% daneben liegt - vielleicht sollte man sich doch nochmal damit beschäftigen?
Ach ja, hier hat es ja schon jemand geschrieben: Drehmomentangaben sind immer Maximalangaben, 80% davon tuns meistens auch.
Schrauben richtig anziehen. Die Guten könnens schon (weil es in den meisten Lehrwerkstätten öfters mal gekracht hat). Die Anfänger können hier mal ein Gewinde aus dem Rahmen holen und da mal einen Lenker zerquetschen - sind Naturtalente - oder gönnen sich einen Drehmomentschlüssel. Den kann man auch noch brauchen, wenn er sich durch nicht zerstörte Teile und störungsfreie Ausfahrten schon lange bezahlt gemacht hat.