Re: Germans Cycles, das wars

von: superaxel

Re: Germans Cycles, das wars - 04.07.12 06:58

Die Diskussion ist schwierig. Ich arbeite selber seit 1995 im Radsporthandel und war ausserdem in der Industrie und Nebenbereichen tätig.

Was die meisten Menschen verkennen ist, dass der Radsporthandel "stark erklärungsbedürftige" Produkte vertreibt. Der Fahrradkauf braucht in aller Regel MEHR Beratungszeit als ein Autokauf oder gar der Kauf einer Einbauküche. Dazu kommen geringe Händlermargen. Im Endeffekt heisst das, due investierst jede Menge Zeit und Kompetenz für verdammt wenig Ertrag. Wenn der Kunde dann nach einer ausführlichen Beratung woanders kauft, weils da billiger ist, tut das verdammt weh.

Ich selber hatte als bestes Beispiel einen Kunden der sich für ein Reiserad für ca 4500 € interessierte. Der Kunde war 5x im Laden, hat JEDES Mal das Rad 40min probegefahren, ich habe ihm eine Lösung für seinen Gasentladungsscheinwerfer aus dem Motorradbereich erarbeitet und seine Freundin bis zur Kante mit Espresso befüllt.

Irgendwann kam er nicht mehr, nach ein paar Wochen traf ich ihn mit dem Wunschrad im Biergarten "bei einem Kollegen hab ich 10% bekommen!" - Hätte ich auch gemacht: WENN er mit einer fertigen Liste gekommen wäre und keine 6 Stunden Beratungszeit gekostet hätte. Logo! Allein die Beratung hat hier meinen Chef ca 400€ gekostet. Wie soll man da Nachlässe gewähren?

In anderen Branchen sind Beratungshonorare üblich, die beim Kauf des Produktes erstattet werden. Für das Aufmaß einer Einbauküche und den Entwurf zahlt man einige hundert €, und in aller Regel bekommt man nichtmal Detailmaße an die Hand. Beim Anzugkauf wird das Maßnehmen extra berechnet. Selbst im Fliesenhandel musste ein Freund, der grad ein Haus baut ein Beratungshonorar hinterlegen.

In der Fahrradbranche ist so etwas nicht üblich, die Menschen haben oft und besonders im hochpreisigen Segment eine Mitnahmementalität. Ganz sicher wird das durch den familiären Ton in vielen Betrieben noch bestärkt.

Ich kann verstehen, dass German enttäuscht ist und ihm das Wasser langsam bis zum Halse steht. Seine Nachricht so zu beginnen ist vielleicht nicht kundenorientiert, aber das ist in seiner Situation auch nicht mehr sooo wichtig.

Über die Qualität und die Besonderheiten seiner Produkte zu streiten ist müßig. Seine Waren sind bestimmt Nischenprodukte und eine Diskussion stark vom Geschmack und den Wünschen der Menschen abhängig. Schaut euch um: hier fahren Leute bewusst mit einem Baumarktrad und wir diskutieren über Rohloffschaltungen und SON Dynamos.

Ich finde es einfach schade, dass ein weiterer Exot vom deutschen Markt verschwindet, es wird jedoch jemand neues diese Lücke füllen, sofern Bedarf für seine Produkte da ist. Das war schon immer so, wird immer so sein und ich kenne jede Menge Beispiele dafür aus der Branche.

Glückauf!

Axel