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#1335555 - 06.05.18 00:37 Schottische Highlands im Herbst
Fürbringer
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 8
Dauer:12 Tage
Zeitraum:21.9.2004 bis 2.10.2004
Entfernung:200 Kilometer
Bereiste Länder:gbGroßbritannien
Externe URL:https://i.pinimg.com/originals/6c/08/66/6c0866da3c788852257647b278382926.png

DATEN:
Reiseziel: schottische Highlands, „einmal um den Loch Ness“
Zeitpunkt: 22.9. - 3.10.2009
Etappen: 1. Inverness - Ostküste - Cannich
2. Cannich - Drumnadrochit - Fort Augustus
3. Fort Augustus - Foyers
4. Foyers - Inverness
Fahrrad: Irgendeine englische Marke mit 5 Gängen!
Ausrüstung: 2 Ortlieb Taschen für den Gepäckträger, ein Kleidersack, wasserdicht, Redken Lenkertasche.
Einmannzelt von Wechsel, Ajungilak Schlafsack, Leichtpack-Isomatte, Luftmatratze, Trangia-Mini-Kocher, Küchenutensilien (1 Alutopf, 1 Plastikbecher, BW-Messer, Löffel-Gabel-Kombination, halber SChwamm, Tuch). Radlerhose lang, VD-Regenjacke, Radhelm, 2 TShirts, 1 Fleece Pulli. Joggingschuhe. Kamera: Fuji Feinpix .
Literatur: Schottland Reiseführer, „Cycling in Scotland“.
Dazu mein Reisebuch - eine gute Idee für Alleinfahrer!



Don’t try this at home!

Es war meine allererste Tour, sie war nur kurz, aber für mich sehr lehrreich. Ich erzähle von ihr, weil ich als Anfänger so ziemlich alles falsch gemacht habe, was man falsch machen konnte:
1. Als untrainierter Radler eine sehr anspruchsvolle Weltgegend - die schottischen Highlands - aussuchen.
2. Zu einer eher ungünstigen Jahreszeit - Ende September - fahren,
3. m it einem fremden Rad und
4. sehr dürftigem Kartenmaterial, und das alles ganz alleine.

Die Tour hing von Anfang an einem seidenen Faden. Eine Bekannte hatte mich auf diese Idee gebracht. Meine Freunde nickten anerkennend, aber mir war nicht ganz wohl bei der Sache. Mutete ich mir nicht zuviel zu?

Ich war dann, zugegeben, etwas erleichtert, als die Fahrt am Fahrrad zu scheitern schien.
Es mitnehmen schien mir damals zu kompliziert: Man hätte einen Fahradkarton besorgen müssen, Luft rauslassen, Lenker um 90° drehen. Und irgendwie zum Flughafen bringen. Ein Rad per Internet vorzubestellen ging nicht. Es blieb mir nur, nach Schottland fliegen, auf’s Geratewohl loszugehen und ein Rad zu leihen. Eins, an das die Packtaschen passen. Das gab’s nicht. Oder doch?
Um’s kurz zu machen: Ende September stand ich im einzigen Radladen von Inverness in den Highlands und stellte fest: Ja. Das gab's tatsächlich. Ich konnte eins für länger mieten!
Am nächsten Morgen holte ich das Rad ab, bepackte es mit zwei Ortlieb-Satteltaschen, über die ein wurstförmiger Kleidersack quer geschnallt wurde. Dazu eine kastenförmige Lenkertasche. Fertig.

Nächster Fehler: Die riesige, dünne Reisetasche verstaute ich in der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof. Als ich ihn hinterher wieder abholte, waren 42 Pfund Gebühren angelaufen! Der zuständige Herr, ein Bilderbuchschotte mit rotem Seemannnsbart und whiskeyrotem Gesicht schrie laut und lachte: „He pajs 42 Poynds for en empty bahg!“
Er hatte Recht! Von den Geld hätte ich locker die Tasche wegwerfen und eine Neue kaufen können!

1. Etappe: Von Inverness über Lentran, Kiltarlity bis Cannich (ca. 50km)

Der beste Moment ist immer das Losfahren. Ich war voller Euphorie! Ich hatte nichts vorgebucht. Ich war völlig frei, es gab kein festes Ziel! Aber eigentlich der nächste Fehler.

Ich fuhr nach Nordwest Richtung Moray Firth, einer Ausbuchtung der Nordsee. Dann entlang auf der Küstenstraße Richtung Norden. Problem: Kein Radweg, viel Verkehr, der nicht mit mir rechnete! Super gefährlich!
Zusätzlich machte der Wind im Helm einen derartigen Lärm, dass ich die Autos nicht kommen hörte! Also bog ich bei nächster Gelegenheit in Lentran links landeinwärts ab.

Das Hinterland war zunächst sehr malerisch, mit grauen Steinwällen als Weidenbegrenzungen, farblich passenden Dörfern. Beim ersten Halt in Kiltarlity hätte ich mir eine Bank gewünscht. Gab es nicht, nicht mal in der Bushaltestelle: Nur ein braunes Rohr in 1m Höhe zum dranlehnen! Das ist was sehr Unangenehmes beim Radreisen mit Minigepäck: Dass man auf dem Boden sitzt meist!
Dummerweise vertat ich mich danach beim Studium der Wegweiser: Die schlichte Zahl 20 hinter dem Ortsnamen Cannich waren Meilen - und nicht km! Der Radelführer „Cycling in Scotland“ war eine Fehlinvestition: Knappe Skizzen, Gedrehte Skizzen um Seiten zu sparen. Hat mich jedenfalls überfordert!

Von da an ging es auf einer schmalen, kurvigen Straße immer weiter bergauf. Die ersten Konditionsprobleme machten sich bemerkbar. Dreimal überholte mich das rote Postauto, das in Dörfern immer wieder halten musste: Hupen, winken, zurückwinken. Irgendwann war eine Art Plateau erreicht. Eine ärmliche Gegend mit ärmlichen Häuschen, die zu aller Schande mit cm dicken Waschkiesplatten verkleidet waren. Armut ist nicht immer pittoresk, wirklich nicht. War das das wahre Gesicht der Highlands?

Eine Weile ging es friedlich durch sonnenbeschienenes, hügelliges Weideland. Herrlichster Altweibersommer! Dann stürzte der Weg in einen Waldweg wie in einen dunklen Kühlschrank hinein. Eine Gefällstrecke über mehrere Kilometer. Das war das erste Mal, dass ich fror.
Im Tal gluckerte der breite, flache River Beauly in gleichförmigen Wellen über große Kieselsteine, ansonsten Totenstille! Unheimlich! Waren die Vögel alle schon gen Süden aufgebrochen? Angler harrten still im schnell fließenden Flüsschen. Landrover nickten über Bodenwellen, mit längs darübergespannten Ruten wie Antennen.


Cannich.

An einer Kreuzung dann eine Siedlung, der einen Campingplatz hatte.Erster Gedanke : OK, hier hört die ZIvilisation auf.
Aber es gab einen Laden. Unterhaltungen auf Schottisch. Ich hatte das Wörterbuch zuhause gelassen. Verflixt: WIe heißt Brennspiritus auf Englisch? Methylized Spirit.

Und es gab einen Campingplatz mit annehmlichem Standard. 
„It’s not so luxurious as in Germany but…“, sagte der Besitzer, aufrichtig besorgt.
„How do you know I’m German?“
„I just see it…“

Ich hatte nur das absolute Minimum dabei. Ich baute mein neues tropfenförmiges, Mini-Leichtgewichtzelt von Wechsel auf. Ein Standalone auch ohne Heringe - was auch ein Nachteil sein kann: Beim Abbauen am übernächsten Morgen im starken WInd flog es mehrfach davon und ich rannte hinterer!
Der Super Mini Trangia war nur ein Gestellchen, um einen Topf über einem Brenner zu positionieren. Absolut nicht zu empfehlen!
Und dann der dickste Fauxpas: Man darf an allem sparen, nur nicht an einem Topfdeckel. Es ist unglaublich, wie lange eine Portion Nudeln braucht, um gar zu werden. Oder auch nur eine halbe Tasse Wasser für den Kaffee, wenn eine Regenfront die Bäume des Glens durchkämmt und der vorauseilende Wind die Flamme wegbläst: Der Sturmkocher mini ist nur Kocher für ohne Sturm! Das Frühstück fand dann liegend im Zelt statt - ich bin groß und konnte nicht wirklich gut aufrecht sitzen im Minizelt - mit einer halben Tasse lauwarmem löslichen Kaffee, in dem noch ein paar unlösliche schwammen.

Der erste Tag war im nachhinein der bequemste, aber ich gönnte mir einen Tag Pause für Tagestouren.
Loch Beinn a’Mheadoinn: „Beinn“ ist der Berg, „Glen“ das Tal. Allein schon die Namen, urzeitlich, prähistorisch. Auch die Vegetation war fremd. Kein Wunder dass Loch Ness ein Dinosaurier beherbergen soll und nicht etwa eine Meerjungfrau.

Cannich liegt am Kreuzungspunkt mehrerer Täler (Glen).
Kam der Abend, kroch die Dunkelheit aus den Glens. Nachts ein fürchterlicher Hall. Und dann war da noch der Vogel, der so arg nach Jurassic Park klang, dass ich im ersten Moment eine Gänsehaut bekam. Erst recht, als er sich über meinem Zelt in einem Baum niederließ und schrie!
Bis ich zurückschrie, ins dunkle Geäst hinein. Plötzlich spürte ich einen Lufthauch, und ein schwarzer Regenmantel flog langsam ganz knapp über mich hinweg. Mit einem Satz war ich in meinem tropfenförmigen Leichtbauzelt und hatte mich im Schlafsack vergraben!


2. Etappe: Cannich - Drumnadrochit - Loch Ness - Fort Augustus (45 km)



Die Schwierigkeiten erahnend, die ich in allzu bergigem Gelände haben würde, besonders weitab jeder Zivilisation (und Einkaufsmöglichkeit), beschloss ich, die Tour stark zu kürzen und auf eine Runde um den Loch Ness zu reduzieren. Die weiseste Entscheidung der ganzen Tour.

Deshalb zunächst weiter nach Drumnadrochit, dem Ort, wo das Ungeheuer von Loch Ness wohnt. Gut: es gibt dort ein Museum. Statt des Monsters saß aber nur ein Schotte in voller Tracht auf einer Art Thron, und die Art, wie er dem Alkohol zugesprochen hatte, war in der tat auch etwas beängstigend - immerhin. Aber meine Packung Angst sollte ich noch bekommen.

Das geplante Foto von Urquhart Castle, DEM Fotomotiv am Loch Ness bei Abwesenheit von Nessie, fiel flach. Von der Straße aus war es mit meiner eigenen Kamera nicht gut zu erfassen, und näher heran ging nicht wegen eines riesigen gebührenpflichtigen Parkplatzes. Das ist ein Hauptproblem beim Alleinreisen: Wer beaufsichtigt das Gepäck? Niemand da. Also lieber weiter.

Und wieder ein dummer, gefährlicher Fehler. Eine Straße führte knapp am Ufer entlang nach Fort Augustus, meinem nächsten Ziel.
Selbst der dumme Reiseführer warnte eindringlich vor der Uferstraße! Eine gute halbe Stunde folgte, mit sich windender Uferstraße ohne Radweg, nicht mal einen Seitenstreifen gab es. Der Straßenrand war übersät mit Stoßstangenteilen und Resten von Blinkergehäusen. Zu allem Überfluss einigten sich Gegenwind und kurze, steile Steigungen, und wo der eine nicht nervte, quälte der andere! Nie wieder diese Route!!

In Invermoriston die erste Gelegenheit, auf den Highland Cycle Route auszuweichen. Wieso hatte ich das nicht früher getan? Nun würde ich zügig und sicher die letzten wieviele waren es? 15 Kilometer schaffen! Weit gefehlt! DIe Strecke war ideal - für Mountainbiker, aber erneut eine Tortur für untrainierte Radneulinge mit fremdem Rad! Steil ging es bergauf und wieder steil hinunter. Eine nicht enden wollende Achterbahn, deren Länge mangels Fahrradcomputer nur schwer zu schätzen ist! Gefühlt waren es etwa 45 km.

Völlg erschöpft landete ich in der Dämmerung in Fort Augustus. Die Sehnsucht nach einer richtigen heißen Dusche und einem echten Bett war groß. Aber wo eine Unterkunft herbekommen?
Internet im Handy war nicht.
Na es gab Schilder, kleine Wegweiser. Und wo immer drei Touristen sind, ist mindestens ein Deutscher darunter. Ich fand ein Pärchen aus Stuttgart.
„Nix mehr frei, alles voll. Nur ganz da hinten die haben noch ein einzelnes Bett. Aber WIr sind zu zweit…“
Na das war es doch genau! Die beiden wünschten mir Glück.

Die resolute Hausherrin des „Tigh na Mairie“-B&B hatte einen riesigen, verspielten Hund, eiene Katze, und litt an einer Art Zettelkrankheit. Überall hingen kleine Zettel mit Verhaltensmaßregeln: „Ring the bell twice if your looking for a room“, „No showers after 11 p.m.“ usw.
Egal. Ich war froh, den unangenehmsten Teil der Tour vermeintlich hinter mir zu haben. Eine richtige Dusche und ein echtes Bett! Welch ein Luxus. Ich nahm nicht mehr viel wahr. Nur gelegentliches Muhen oder Mähen, das wie aus Toilettenschüsseln kam. Das mit der Assoziation Jurassic Park hatten wir schon. Wenn es sowas gab wie das Ende der Welt, wo tapfere Seeleute ins Nichts stürzten: Hier fühlte man sich dem ganz nah, im kleinen B&B ganz weit draußen am Kanal in Ft. Augustus.


3. Etappe: Fort Augustus - Foyers (20 km)


Es gibt B&Bs, in denen man beim Frühstück nur wispert und andere, wo geredet wird. Dieser war anders. Ich saß lange mit einem pensionierten, englischen Lehrerehepaar am Tisch - sie mit großer Brille, er mit neugierig gezückten Augenbrauen. Bis die Landlady so laut mit dem Geschirr klapperte, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Sie bestand trotzdem auf einem Gästebuch-Eintrag.

Von jetzt an würde es nur am Ufer lang gehen. Kleinigkeit! Bis auf das erste Stück, Das irgendwie nicht mit auf der Karte war. Aber was konnte da schon groß passieren? Allerhand konnte passieren! Ein steiler Aufstieg konnte passieren, am Ortsausgang beginnend, auf geschätzte mehrere hundert Höhen-Meter. Ein Ausflug an den Rand der Welt nach oben hin, in großen Höhen, dachte ich. Keine Bäume mehr! Schneeschauer trieben in der Ferne über Schafherden, die als wollweiße Punkte an weit entfernten Hängen klebten. Atemberaubend schön. Es war allerdings keinesfalls höher als 1000m, aber der Anstieg war eben steil. Ich keuchte aus voller Lunge. Ich habe mein Gefährt praktisch komplett den Berg hinauf geschoben, und war davon bereits erledigt. Der Schnee kam näher und näher, und ich - hatte nur Regenjacke und T-shirt an! Es gibt einen Moment, da guckt man nicht mehr nach Landschaften, da geht’s - na, nicht um’s Leben, aber ein wenig um die Gesundheit.
Immer wieder lachende Schotten in französischen Kleinwagen. Ich war am Rande meiner Kräfte, irgendwann jenseits davon! Dann endlich der Gipfelpunkt. Es folgten 5km Abstieg im rasenden Tempo. Auch nicht gut im Nachhinein, denn 1) kühlte ich aus mangels Bewegung und 2) hatte ich am Ende der Gefällstrecke keine Luft mehr im Reifen! Ein bisschen eher, und ich hätte vielleicht den Abgang gemacht!

Unter einer Tanne hockend wartete ich einen Regenguss ab, dann machte ich mich ans Werk. D.h. ich wollte ans Werk gehen. Nun zeigte sich, dass ich doch schlechter ausgerüstet war: Kein Reparaturset. Keine Reiseapotheke.
Ich musste das Rad anderthalb Meilen zu Fuß nach Foyers schieben, das am Ufer des Loch Ness gelegen war, zu allem Überfluss auf einem hohen Felsen.
Einen Radladen gab es nicht, aber eine Art Kiosk-Post. Aber wie hieß nochmal Flickzeug auf Englisch? Ich versuchte mein Glück trotzdem, schilderte mein Problem.
„Yer lockin for e cycle shop, not e bike shop!“ Peinlich. Ich schilderte ihre mein Problem gestenreich, mit aufgeblasene Backen. Sie folgte allen meinen Bewegungen mit den Augen, schließlich sagte sie:
„You need a pynctshrr ootfet! ("puncture outfit29“). Dann kurvte sie gekonnt davon, verschwand in kleinen Wald überbordender Regale. Bis sie strahlend mit Flickzeug wieder auftauchte. Good girl.
Auf ihre Empfehlung hin schob ich mein lahmes Rad einen Hang hinauf zum „Social Club“, dem einzigen erkennbaren Gasthaus weit und breit, beschirmt von hohen Fichten.
Es dauerte einen Moment, bis jemand erschien: Eine Art Rockerbraut, Mitte 50, attraktiv. Sie half mir mit 2 Esslöffeln aus, und ich flickte mein Rad. Neben dem Gasthaus standen Bigfoot-Trucks mit 2m hohen Rädern.
„My husband tunes these things“, sagte sie mir. Ich durfte in der Küche Hände waschen. Überall hingen Fotos eines Rennfahrers.
„My husband used to be a racing car driver!“
Beim Abendessen erschien der Hausherr.
„I am Neil of the Clobb!“ Und dann gossen Anekdoten über Gott, die Welt und besonders die Schotten herunter auf mich. Es musste lange niemand hier übernachtet haben.


4. Etappe: "Foyers - Inverness" (35km)

Zeitdruck ist ein schlechter Gefährte, besonders bei schlechtem Wetter. Man muss manchmal Tage lang warten, bis man weiterfahren kann. Ich musste anderntags in Inverness sein. Die ganze Nacht hatte der Regen auf ein Blechdach genagelt. Die Baumkronen zischten im Wind. Gegen Morgen war es allerdings trocken.

Eine sehr malerische Strecke von Foyers nach Inverness. Das Ufer des Loch Ness zur Linken. Alles romantisch, baumbestanden. Aber dann drehte ich mich um und sah die dunkelblaue Regenwand, die bis auf die Wasseroberfläche herunter reichte. Was tun? Verzweifelt trat ich in die Pedale. Die 20km wird es noch halten! Ganz leise und zart setzte dann der Regen ein. Hier ein paar Tropfen, da ein paar. Als ich das baumbestandene Ufer verlies und auf eine Hauptstraße einbog, goss es nur so herab.

Unnötig zu erwähnen, dass ich schnell völlig durchnässt war. Das Wasser rann in einem Strahl von der Helmspitze herunter. Es stand in den Schuhen. 10 km noch, vielleicht hörte es ja wieder auf? Es tat es nicht.

Eine Tortur, erneut! Dann endlich die ersten Roundabouts von Inverness. Ich atmete auf: Ich hatte es geschafft. Hatte ich wirklich?

Was ich nicht bedacht hatte: Ich hatte noch kein Zimmer, musste wieder mal auf’s Geratewohl eine Bleibe suchen. Ich bot ein merkwürdiges Bild: Gelber Helm, schwarze Regenjacke und enge „Hamlet-Hose“ - und triefend wie ein Taucher. Wie lange würde es dauern, bis es mir klapperkalt werden würde?
Es gibt viele B&Bs in Inverness. Die ersten beiden machten gar nicht erst auf. Vorhänge wackelten. Nummer drei sah mich entgeistert an, überlegte, bot mir ein Zimmer für 45 Pfund an. Viel zu teuer. Nummer vier schüttelte den Kopf. Also erneut zu Nummer drei: „I’ll take it for 45!“

Zufällig bekam ich mit, wie seine Frau nach hause kam. Es gab ein Riesentheater und am anderen Morgen musste ich ausziehen. Egal: Es war tatsächlich das bis dahin schönste Zimmer mit dem schönsten Marmor-Messing-Bad, das ich je gesehen hatte.

Bei einem Spaziergang am Kanal traf ich - oh Wunder! - das englische Paar wieder. Ein Riesen-Hallo, als wären wir alte Bekannte. Sie waren ebenfalls in den Regen geraten - und hatten ihr Zelt beim Gehen über sich gespannt! Sie waren zu Fuß unterwegs. Wir lachten.
Manchmal merkt man, dass alles gesagt ist. Rechtzeitig bevor schlechte Stimmung entstand, verabschiedeten wir uns, wissend, dass wir uns nie wieder sehen würden. Die Dame drehte sich nochmal um:
"What did you write into the guest book, this place was so horrible?"
"I liked the animals!"
Nochmal ein herzliches Lachen. Und aus! Aber bis dahin war es sehr nett gewesen. Eine Weile saß ich auf einer Bank am Kanal, das Wasser hatte es eilig.
Was war nun mein Fazit?
Das Problem war der Reiseführer gewesen. Ich hätte merken müssen, dass er f ür Mountan-Biker geschrieben war! Ich hatte mich an den Rand der Erschöpfung gebracht, ganz zu schweigen von den Gefahren im Straßenverkehr1 So eine Tour braucht doch etwas Planung. Ein letzter Blick in die Landschaft. Anfnang Oktober. Die Bäume waren noch grün, aber raschelten, als wären sie am Packen. Die ersten Damen trugen Handschuhe. Der Herbst stand vor der Tür, aber so richtig würde ich ihm nicht mehr begegnen. Morgen ging mein Flieger.

Geändert von Juergen (07.05.18 17:39)
Änderungsgrund: Link berichtigt und Kalendereintrag entfernt
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#1335578 - 06.05.18 08:09 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
amarillo
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 1.134

Sollte deine Reise unter einigen Anfängerfehlern gelitten haben, so aber nicht dein Reisebericht.
Danke für deinen mit viel britischem Humor geschriebenen Bericht.
Ich hoffe, deine Erfahrungen halten dich nicht von weiteren Radreisen ab.

Gruß Hildegard
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#1335582 - 06.05.18 08:23 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
JSchro
Nicht registriert
Der externe Link funktioniert nicht.
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#1335587 - 06.05.18 08:52 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
jochenfranke
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 517
Hi,
Klasse Bericht, lass dich durch deine Fehler nicht aufhalten und durchlebe bessere Zeiten bei unserem wunderbaren Hobby.
Gruß Jochen
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#1335593 - 06.05.18 09:18 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
indomex
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 1.450
Danke für den Lesegenuss, den du mir bereitet hast. Sehr schön geschrieben.
Und sollte es gelingen, den Link noch herzustellen, schaue ich mir auch gerne die Bilder dazu an.

LG, Peter
Leben und leben lassen
Liebe Grüße, Peter
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#1335598 - 06.05.18 10:30 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
HanjoS
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 1.472
Auch ich habe Deinen Bericht mit Begeisterung gelesen. Keine Aneinanderreihung statistischer Werte sondern nachfühlbare Schilderungen ließen mich Deine Emotionen nachempfinden aund auf Deinem Weg dabei sein, klasse!

Fehler haben wir sicherlich alle schon gemacht. Und falls es Dich beruhigt: wer schnell viele Fehler macht, hat auch die Chance, schnell viel zu lernen zwinker . Lass Dich bloß nicht von weiteren Touren abhalten.

[offtopic]
In Antwort auf: indomex
[...] Und sollte es gelingen, den Link noch herzustellen, schaue ich mir auch gerne die Bilder dazu an. [...]
Das hättest Du selber aber auch hinbekommen träller Aber sei's drum, hier der korrigierte Link: http://i.pinimg.com/originals/6c/08/66/6c0866da3c788852257647b278382926.png
[/offtopic]
Lieben Gruß aus Bielefeld
Hanjo
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#1335657 - 06.05.18 16:50 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
Keine Ahnung
Moderator
abwesend abwesend
Beiträge: 12.863
Ich werde dieses Jahr - wenn nichts dazwischen kommt - Ende Juni bis Mitte Juli durch Irland, Schottland und England fahren. Ich denke, dass ich hierdurch besseres Wetter haben werde. Die Tour habe ich hier im Forum zuvor diskutiert (Vorschläge: Irland - Schottland - England (Länder)), so wie ich das die letzten Jahre immer gemacht habe. Das hat sich durchaus immer gelohnt.

Dein Bericht war interessant. Ich hoffe, dass Du von der Tour nicht abgeschreckt wurdest. Übrigens liegt es in der Natur der Menschen, im Rückblick doch eher die angenehmen Aspekte im Gedächtnis zu behalten. Den Rest kann man unter "Abenteuer" abheften und dann immer wieder für Unterhaltungen hervorholen zwinker .
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)

Geändert von Keine Ahnung (06.05.18 16:55)
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#1335693 - 06.05.18 22:09 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Keine Ahnung]
Fürbringer
Mitglied
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Beiträge: 8
Hallo Arnulf,
Danke für den Kommentar! Es war auf jeden Fall eine unvergessliche Tour. War seitdem eher im Flachland unterwegs, besonders in Dänemark und Schweden.
Ich drücke dir die Daumen für deine Tour! Der Zeitpunkt ist günstig, aber es kann immer mal regnen. Da würde ich mich drauf einstellen. Viele Grüße, Uwe
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#1335697 - 06.05.18 23:23 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: amarillo]
Fürbringer
Mitglied
Themenersteller
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Beiträge: 8
Hallo Hildegard,

Vielen Dank für den netten Kommentar. Es war nicht meine letzte Radreise, insofern habe ich mich nicht abschrecken lassen. Die Neueren sind vielleicht nicht so spektakulär, aber unterhaltsam vielleicht doch.
Viele Grüße, Uwe
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#1335698 - 06.05.18 23:27 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: HanjoS]
Fürbringer
Mitglied
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Beiträge: 8
Hallo Hanjo,

Danke für die Link-Korrektur! Irgendwas hat nicht funktioniert. Die kleine Skizze ließ sich nicht in den Text einfügen, also habe ich sie "gepinnt" und dann den Link eingetragen. Auch ein Anfängerproblem!

Viele Grüße, Uwe
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#1335699 - 06.05.18 23:37 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: indomex]
Fürbringer
Mitglied
Themenersteller
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Beiträge: 8
Hallo Peter,

Danke für das Lob, aus dem Mund eines "Weltenradlers" hört man das sehr gern. Bilder liefere ich noch nach.

Viele Grüße, Uwe
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#1335747 - 07.05.18 10:37 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
bohater
Nicht registriert
Danke für den absolut lesenswerten Bericht. Gibt wohl doch einiges zu beachten für "Neulinge" Ich werd' mir mal "keine Ahnung's" Vorschläge für unsere Schottland-Planung anshehen (Danke Arnulf)

Helmut
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#1335821 - 07.05.18 15:53 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: amarillo]
Fichtenmoped
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 412
Hallo Uwe,

schöner Bericht. Ich kann aber nicht erkennen, dass Du etwas falsch gemacht hättest.

Losgefahren, etwas erlebt und heile zurückgekommen. Heißt es nicht, die bitteren Erlebnisse bringen die süssen Erinnerungen?

Gruß
Günter
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#1335851 - 07.05.18 17:31 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
ro-77654
Gewerblicher Teilnehmer
abwesend abwesend
Beiträge: 5.765
Viel gelernt in vier Tagen...
Anmerkung 1: Der Mini von Trangia ist KEIN Sturmkocher, wird auch von Trangia nicht behauptet.
2. Das Schottland-Buch von Wewior ist gut.
http://www.paradiseguide.de/die-buecher/das-schottland-gps-radreisebuch.html
Gewerblich: Autor und Lastenrad-Spedition, -verkauf, -verleih
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#1335854 - 07.05.18 17:44 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
blue
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 672
In Antwort auf: Fürbringer
...Das geplante Foto von Urquhart Castle, DEM Fotomotiv am Loch Ness bei Abwesenheit von Nessie, fiel flach. Von der Straße aus war es mit meiner eigenen Kamera nicht gut zu erfassen, und näher heran ging nicht wegen eines riesigen gebührenpflichtigen Parkplatzes. Das ist ein Hauptproblem beim Alleinreisen: Wer beaufsichtigt das Gepäck? Niemand da. Also lieber weiter...
Danke für den unterhaltsamen Bericht grins
Nur kurz zum Gepäck: Beim Zu-Zweit-Reisen macht man Besichtigungen auch nicht einzeln, damit einer aufs Gepäck aufpassen kann zwinker Wertsachen mitnehmen, logisch. Aber das restliche Gepäck lassen wir tagsüber üblicherweise am Rad, bisher problemlos. Gut, einmal in Äthiopien haben wir einen gelangweilten Jungen mit der Aufsicht beauftragt. Schottland würde ich in der Hinsicht sowieso eher als unproblematisch einstufen.
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#1335860 - 07.05.18 18:01 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
Rennrädle
Mitglied
anwesend und zufrieden anwesend
Beiträge: 7.828
Ich finde den Reisebericht echt auch nett und witzig geschrieben und ich glaube, dass dir die Erlebnisse wahrscheinlich mehr gebracht haben, als wenn alles "glatt" verlaufen wäre.

Mach ruhig weiter so - so hat man viel zu erleben und zu erzählen.

Irgendwann wirst Du Dich doch wieder nach Schottland trauen, da bin ich fest davon überzeugt.

Viele Grüße Rennrädle
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#1335904 - 07.05.18 20:17 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: ro-77654]
Fürbringer
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 8
Hallo,
Das mag sein, dass der Trangia-mini nie von sich behauptet hat, er hält einem Sturm stand. Aber auch ohne Sturm hat er mich enttäuscht. in meinen Augen nicht empfehlenswert, im Gegensatz zum Sturmkocher.
Danke für den Buchtipp.
Und allen anderen vielen Dank für euer Interesse!

Viele Grüße, Uwe

Geändert von Fürbringer (07.05.18 20:19)
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#1335948 - 08.05.18 07:06 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: Fürbringer]
ro-77654
Gewerblicher Teilnehmer
abwesend abwesend
Beiträge: 5.765
Hi!
Der Mini funktioniert eigentlich nur gamz gut bei Windstille. Hatte den in Schottland auch dabei. Ich bin mittlerweile auf Gas gewechselt.
Was ich vergessen hatte: sehr nett geschrieben!

In der Ecke war ich auch, hier der Bericht:
http://www.roland-schmellenkamp.de/fahrradreisen/von-glasgow-nach-deutschland/
Gewerblich: Autor und Lastenrad-Spedition, -verkauf, -verleih
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#1336253 - 09.05.18 18:41 Re: Schottische Highlands im Herbst [Re: ro-77654]
Fürbringer
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 8
Hallo.
Habe deinen Bericht gelesen. Das ist schon eine andere Kategorie, das ist professionell! Und meine Geschichte ist mehr so "aus der Lameng", wie die Menschen hier um mich herum sagen (Wäre auch ein Buch wert mittlerweile: Ein Oberhesse in Berlin). Von den Midges habe ich zum Glück erst hinterher gehört. Ich hätte ja keine Sekunde ruhig in meinem Zelt geschlafen.
Viele Grüße aus Berlin, Uwe
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www.bikefreaks.de