Hallo an alle,
schon ein paar Jahre nutze ich die gesammelte Erfahrung hier aus dem Forum und möchte nun auch etwas beitragen.
Als passionierter Alltagsradler und schon ein wenig Radreiserfahrener wollte ich seit längerer Zeit mal wieder eine richtige Radreise unternehmen. Nach einiger Überzeugungsarbeit konnte ich auch meine Freundin überzeugen, dass ein Radurlaub genau das richtige für uns ist. Dank unserer beiden Begeisterungen für Portugal war das Ziel schnell klar. Da die Algarve ja bereits ab dem zeitigen Frühjahr eine beliebte Destination für Radler ist und wir von anderen Reiseberichten (danke @haegar & @juergen hier aus dem Forum) begeistert waren, entschieden wir uns für eine Tour entlang der Costa Vicentina. Dass es für den portugiesischen Teil des Eurovelo eine eigene Internetseite mit gpx-Tracks gibt, war ein weiteres Argument, welches die Tourenplanung sehr erleichterte.
Also Flüge gebucht und uns nach Mieträdern erkundigt. Die größte Auswahl haben wir in Faro gefunden und uns für einen Verleih im Zentrum entschieden (darf man hier Empfehlungen namentlich nennen?).
Doch dann ein paar Monate vor dem Urlaub eine Nachricht, welche die Urlaubsplanung durcheinander würfelt: Nachwuchs kündigt sich an! Es stellt sich die Frage ob ein Radurlaub da noch drin ist. Nach Rücksprache mit der medizinischen Zunft und der Aussage die Schwangerschaft ein Zustand und keine Krankheit ist entscheiden wir uns für die Tour. Etappen werden verkürzt und Ruhetage eingeplant.
Ein holpriger Start: Lissabon - Faro
Anfang Juni geht es von Frankfurt nach Lissabon, wo wir 2 Tage verbringen. Das Wetter ist kühl und stürmisch, anders als wir es erwartet hatten. Aber etwas dickere Sachen sind eingepackt. Von Lissabon soll es dann mit dem Zug nach Faro gehen. Die Tickets sind unschlagbar günstig, vor allem mit dem portugiesischem Sparticket, welches man schon von Deutschland aus über die englischsprachige Website der portugiesischen Bahn buchen kann.
Doch am Bahnhof dann der Schock: Unser Zug fällt aus! An der Reiseinformation erfahren wir, dass am Nächten Tag in ganz Portugal das Zugpersonal streikt. Deshalb fahren auch heute schon keine Fernzüge mehr, da das Zugpersonal ja nicht mehr nach Hause kommt.
Portugiesische Gelassenheit schlägt in Lethargie um: Nein, man könne uns nicht weiterhelfen, nein man wisse keinen anderen Weg um nach Faro zu kommen. Aber wir können dieses Beschwerde- und Reklamationsformular ausfüllen um evtl. unser Geld wiederzubekommen (Spoiler: Wir haben es tatsächlich zurückbekommen, zwar nach fast einem halben Jahr, aber immerhin :D). Jetzt ist guter Rat teuer. Flüge von Lissabon nach Faro sind preislich an der Schmerzgrenze und starten auch erst so, dass man nach Mitternacht ankommt. Jemand gibt uns den Tipp mit dem Fernbus zu fahren. Schnell per Smartphone gecheckt wie da die Lage ist: der einzige Bus, der in Frage kommt fährt in 20 Minuten. Ein Taxi vor dem Bahnhof steht da wie gerufen und wir erklären dem Fahrer wohin wir wollen und dass es schnell gehen muss. Die eh schon rasante Fahrweise der Lissaboner Taxifahrer wird noch einmal getoppt und wir kommen rechtzeitig am Busbahnhof an, um noch ein Paar Tickets zu ergattern und Snacks zu kaufen.
Dann geht es los Richtung Süden. 4 h im Bus sitzen machen leider nirgendwo Spaß, auch nicht in Portugal. Erschöpft aber glücklich, dass wir es geschafft haben, verbringen wir den Abend in Faro. Es ist recht kühl und die Straßen sind leer, man merkt, dass die Hauptsaison noch nicht begonnen hat. Ein leckeres Abendessen gibt’s dann im 2 Irmaos (haegar hat das auch in seinem Bericht erwähnt, witzigerweise muss ich das überlesen haben, denn wir sind rein zufällig dort gelandet :))
Am nächsten Morgen geht´s zum Fahrradverleih. Uns erwarten nettes Personal und zwei nagelneue Trekkingräder. Während diese für uns eingestellt werden kümmern wir uns um unser Hauptproblem: den nicht existenten Zugverkehr aufgrund des Streiks. Eigentlich wollten wir mit den Rädern vormittags im Zug nach Lagos fahren und von dort starten, aber daraus wird nichts. Der Regionalbus ist auch keine Option, da keine Fahrräder mitgenommen werden. Die Mitarbeiter der Fahrradverleihs helfen uns, indem sie einen Shuttleservice auftreiben, der uns und die Räder nach Lagos fährt. Und so geht es kurz nach 13 Uhr mit einem schicken Mercedes-Shuttle die knapp 100 km gen Westen. Natürlich beträgt der Preis ein Vielfaches des Zugtickets ist aber dennoch akzeptabel und am Ende ist es die einzige Möglichkeit unseren Zeitplan mit den bereits gebuchten Unterkünften einzuhalten.
In Lagos lassen wir uns in den Randbezirken nahe der Eurovelo 1 Route (EV1) absetzen. Die Räder werden hergerichtet und beladen. Nach einem kurzen Mittagsimbiss mit Galao und Pasteis de Nata (eines unserer Grundnahrungsmittel für die nächsten Tage 😉) starten wir endlich unsere Tour.
1. Etappe Lagos – Sagres: 40,5 km
Durch die etwas edleren Vororte von Lagos geht es vorbei an Golfplätzen und Wohngebieten, welche fast an Gated-Communities erinnern. Den Kennzeichen nach verbringen hier mehrheitlich ältere Briten ihren Lebensabend und lassen sich dabei mit Golfkarts umherfahren. Die noch sehr urbane Landschaft bietet wenig Reize fürs Auge. Die Straßen sind dafür in gutem Zustand (von einem kurzen Stück Schotterpiste abgesehen).
In Luz nehmen wir eine Abkürzung von der EV1 und bleiben auf der M537. Dadurch verpassen wir wohl einen etwas freieren Blick auf die Küste, aber aufgrund der späten Stunde müssen Kilometer schaffen um pünktlich unser Ziel zu erreichen. Hinter Luz endlich weitet sich die Landschaft und man kann endlich auch mal das Meer und die Steilküsten sehen. Im Geschwindigkeitsrausch einer kleinen Abfahrt kurz vor Barrancao verpassen wir die Abzweigung der EV1 und bleiben auf der Straße. Etwas, das ich aber allen, die kein explizites Mountainbike haben, auch empfehlen würde (Erklärung folgt bei der Beschreibung des Rückweges).
Es folgt ein kleiner Anstieg, der einen ersten Vorgeschmack auf das Fahren an der Algarve gibt, ohne gleich völlig zu demotivieren. An der Spitze machen wir einen kurzen Abstecher und folgen Tafeln zu einer Festung (Forte do Almádena). Schilder zeigen an, dass der Weg aufgrund von Bauarbeiten gesperrt ist, aber die Bauarbeiter, welche rauchend am Wegesrand sitzen, lassen uns passieren, ist ja eh gerade Pause. Die Festung selbst ist unspektakulär, da sehr verfallen und gesperrt. Diesmal halten wir uns an die Absperrung, da vor Felsabstürzen gewarnt wird und das wollen wir nun doch nicht riskieren.
Aber es ergibt sich ein toller Blick auf die Praia Boca do Rio, welche am Ende eines malerischen Flusstales liegt. In dieses Tal führt auch die Straße, allerdings mit 16 % Gefälle, was mit einem voll bepacktem Reiserad weniger Spaß macht als ich mir gedacht habe. Wir durchqueren das Tal auf einer kleinteilig gepflasterten Straße, die sich trotzdem angenehm fahren lässt und stehen am anderen Ende vor einer Wahl: eine Asphaltstraße mit 20 % Steigung erklimmen oder erst mal zum Strand fahren.
Wir entscheiden uns natürlich für den Strand auch wenn das Wetter überhaupt nicht zum Baden einlädt (20°C, bewölkt und immer mal wieder Nieselregen). Nach einer kurzen Pause am fast leeren Strand sind die Akkus wieder einigermaßen aufgeladen und wir machen uns Gedanken über die Weiterfahrt. Ein Blick auf die offizielle Route zeigt, dass diese über eine Schotterpiste führt und die 20%-Rampe umfährt. Die Piste liegt oberhalb des Strandes und wir entschließen uns, querfeldein über kleine Wege zu ihr zu gelangen um nicht zu ihrem Anfang zurückradeln zu müssen. Die Wege entpuppen sich allerdings als zu sandig und die Räder als zu schwer, so dass wir am Ende alles abladen und die Fahrräder und das Gepäck 50 m tragen müssen. Ob die anderen Varianten eine bessere Lösung gewesen wären bleibt unklar, da es einfach eine eklige Stelle ist.
Nach Salema geht es dann wieder steil bergab. Die Abfahrten kann man allerdings nur selten genießen, häufig sind die Straße sehr kurvig und schlecht einsehbar und die Abfahrten enden in einer sehr engen Kurve oder Kreuzung. So auch in Salema. Und weil es so viel Spaß macht geht’s natürlich auch gleich wieder hoch.
Die EV1 führt falschherum in eine steile Einbahnstraße, die legale Route über eine Serpentine mit geringerer Steigung, so dass wir diese Ausweichmöglichkeit sehr gerne nutzen. Der Anstieg aus Salema heraus hat es aber in sich und so entscheidet meine Freundin, dass sie sich das nicht antut. Ich fahre erst mein Fahrrad die Straße hoch und dann ihres, während sie läuft, aufgrund ihrer besonderen Umstände natürlich ohne murren
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Von der Küste weg geht’s nun durchs Hinterland, mit seiner geschwungenen Landschaft, kleinen Dörfern, halb verfallenen Höfen, Weiden und Wiesen. Endlich stellt sich auch das meditative Gefühl einer Fahrradtour ein. Auf den kleinen Landstraßen herrscht kaum Verkehr und so ist ein bedächtiges nebeneinander fahren ohne Probleme möglich. Der Wind weht angenehmer Weise abwechselnd aus dem Rücken oder von der Seite also eher aus Osten, eine ungewöhnliche Windrichtung für die Algarve. Aber auch sonst ist das Wetter wenig Algarve-like für Juni und wir sind froh, doch auch ein paar Schlechtwetterklamotten eingepackt zu haben.
Wir folgen der Route und queren die große N125 in Raposeira, danach geht es auf Staubpisten mit erheblichen Schlaglöchern durch die Felder. Wenn es mal richtig geregnet hat, ist das sicherlich kein Spaß. So langsam wird es auch dunkel und wir müssen uns beeilen, rechtzeitig zu unserem Quartier zu kommen. Dank eines Anrufes weiß man dort aber schon bescheid und hat uns versprochen bis 21 Uhr auf uns zu warten (ein Hoch auf die neue Möglichkeit in der EU zu surfen und zu telefonieren ohne Extrakosten zu bezahlen).
In Vila do Bispo führt die EV1 direkt an einem auch in Deutschland ansässigem Discounter vorbei und so ist auch die Verpflegung für den Abend gesichert. Der restliche Weg nach Sagres ist großartig. Anscheinend hat man vor einiger Zeit die Nationalstraße neugebaut und die alte Landstraße aber belassen. Auf dieser radelt man entspannt entlang und wird dabei nur selten von Autos oder Traktoren gestört
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Erschöpft kommen wir noch pünktlich in Sagres auf dem Zeltplatz an und beziehen unseren Bungalow, welcher komfortabler ist, als wir uns gedacht haben. Nach heißer Dusche und Nudeln zum Abendessen geht´s dann glücklich über den doch irgendwie geglückten Start unserer Tour ins Bett.