Da das Radfahren in Polen wirklich Spaß macht, ich Teile des Baltikum nur bedingt kenne und noch nie in Russland war, stand das Ziel des diesjährigen Urlaubs schnell fest. Es sollte nach Russland, genauer gesagt, nach Moskau gehen.
Dazu wurde sich ein hoffnungslos optimistischer Zeitplan zurechtgeschustert, der allerdings nach bereits 3 Tagen den Bedingungen der Strecke sowie dem Urlaubszeitrahmen an sich, angepasst werden musste.
Ich darf es vorwegnehmen: wir sind nicht radelnderweise mit dem Rad nach Moskau gekommen.
Los ging es am Montag, dem 15.07. um Punkt 8 Uhr in Potsdam. Entlang des Berliner Südens, rollten wir u.a. am Flughafen BER vorbei, hinein nach Grünau und via Schmöckwitz, Erkner und Müncheberg den Seelower Höhen entgegen und weiter nach Küstrin, von wo aus es nur noch gute 20 km zum Campingplatz in Witnica waren. Leider waren die letzten Kilometer übelster Sandweg. Auf dem leeren Campingplatz – es war nur ein Caravan da - nahmen wir uns eine Hütte, ich duschte unter einem Rinnsal lauwarmen Wassers, und wollte Nudeln kochen, als plötzlich kein H²O mehr aus den Hähnen tropfte. Es brauchte geschlagene 2 Stunden, um dem trockenen Campingplatz wieder kühles Nass entlocken zu können. Kann passieren. Dafür schmeckte der Nudelmatsch mit Ketchup umso besser.
In der Hütte auf dem Campingplatz - Unordnung muss seinDie nächsten Tage ging es, begleitet von vielen Störchen und leichtem bis anstrengendem Auf-und-Ab, in Richtung Masuren. Als Wermutstropfen blieb uns, dass der Plug-In meines Reisepartners nicht funktionierte, sodass wir noch ein Ladegerät für sein Routenplaner-Telefon kaufen mussten. Auf einem Campingplatz bekamen wir von holländischen Caravancampern eine große Pfanne Nudeln mit Bolognesesoße. Dank solcher Erlebnisse und den zurückhaltenden Autofahrern vergingen die Tage mit Kurzweil.
Leckere Nudeln, die uns holländische Camper reichten. Danke!Neben der Papierkarte half uns das Handy bei der NavigationWaldweg in PolenAm Ende des 5. Tages gab es dann den ersten Regenschauer. Ab diesem Zeitpunkt konnten wir die Sonnencreme getrost in der Tasche lassen. Wir verbrachten die Nacht im Hotel auf der Burg Nidzica inklusive mittelalterlichen Folterinstrumenten im Hof. Wirklich schön dort.
Kleine Wellen in PolenWäsche waschen muss auch mal seinWer findet die Folterinstrumente?Da wir unserem Zeitplan bereits hinterherhinkten, planten wir, nur noch bis Russland zu radeln und uns kurz hinter der lettisch-russischen Grenze in Sebez in den Zug zu setzen, um einige Kilometer auf den Gleisen zu überbrücken. Diese Entscheidung nahm mächtig Druck von uns, konnten wir die Etappen doch nun nach Herzenslust verkürzen und auch einen Extra-Tag in Vilnius einplanen.
Auf dem Weg in Richtung LitauenRast im BushäuschenEs ist nicht mehr weit bis nach Litauen und VilniusAm achten Tag querten wir endlich die polnisch-litauische Grenze. Ein feister Wind aus Nord-Nordwest machte uns allerdings ganz schön zu schaffen.
Hinein nach LitauenUnd wieder dient ein Bushäuschen als RastplatzNach den Wäldern der letzten Tage, gab es nun auch wieder mehr Felder und grasende Kühe zu sehen. Die Störche blieben uns aber treu. Auch kamen die ersten pittoresk windschiefen Holzhäuser in unser Blickfeld. Wir schliefen die Nacht in Alytus und machten uns am nächsten Morgen auf den Weg nach Vilnius. Leider gab es an diesem Tag nur Regen, Regen und Regen.
Im Regen nach VilniusNach dem welligen Terrain der letzten Tage mit mitunter fiesen Anstiegen und reichlich Höhenmetern, ging es heute dafür flach daher. Allerdings gab es kein rechtes Reinkommen nach Vilnius. Radwege endeten an der Stadtautobahn und so war Improvisation und Schieben von Nöten, um sicher in die litauische Kapitale zu gelangen. Dort angekommen besserte sich Wetter und unsere Laune und wir machten uns am späten Nachmittag auf, die Stadt ein wenig zu erkunden und ein paar Einkäufe zu tätigen. Eine 24/7-Kaufhalle half uns dabei. Allerdings mussten wir dort ernüchtert feststellen, dass Alkohol nur bis 22 Uhr verkauft wird, und wir somit ohne unser wohlverdientes Feierabendbier den Weg zum Hotel antreten mussten. Der folgende Tag stand ganz im Zeichen von Vilnius. Wir erkundeten Stadt und Altstadt, genossen den Blick von der Burg, tranken gemütlich Kaffee und aßen leckere Pizza. Den Weg aus der Stadt heraus, fanden wir einen Tag später dank dem am Fluss entlangführenden Europaradweg problemlos. Zwei Tage später waren wir in Lettland.
Blick auf Vilnius...und raus auf dem EuroparadwegAm vorletzten Tag in LitauenNein, ein Bus hat uns nicht mitgenommenLinks nach Lettland, rechts nach Belarus. Wir steuern links.litauisch-lettische GrenzeDieses begrüßte uns auch sogleich mit 20 km Schotterweg. Mmmhhh, da hatte ich mir Anderes vorgestellt. Nach einem Sturz in Polen gab es auf dem Schotter dann auch 1-2 heikle Situationen zu meistern.
Ein guter Schotterweg. Es gab auch schlechte.In Kraslava angekommen, suchten wir unter Mithilfe von 6 lettischen Radreisenden eine Unterkunft für unsere einzige Nacht in Lettland, denn schon morgen ging es nach Russland. Lettland verabschiedete sich doppelt so herzlich, wie es uns empfing – mit über 40 Kilometern Schotterpiste, welche vor allem meinem Mitradler, der eh schon Rückenprobleme hat, zu schaffen machte. Auch die immer mal wieder aus den Gärten herausschießenden (noch relativ kleinen) Hunde forderten Konzentration und einen schnellen Antritt.
Nette Bushaltestelle in LettlandAm 13. Tag standen wir trotzdem nach gut 100 Kilometern an der russischen Grenze. 15 Kilometer später waren wir in Sebez, von wo aus uns der Nachtzug ins 350 km entfernte Rzew bringen sollte.
Noch 5 Kilometer bis RusslandIrgendwo bei SebezIch mag die russischen Ortseingangsschilder.Selbst in kleineren Orten erscheinen die Denkmäler monumental......und sind......im ganzen......Stadtbild zu finden90 Minuten bevor der Zug kam, öffnete auch der Bahnhof Pforte und Schalter und wir erwarben unter Mithilfe eines jungen Russen, der mit Freunden in der Nähe Urlaub machte, Tickets für uns und unsere Räder. Der Zug aus Riga kommend rollte ein, wir wollten einsteigen, als uns der Zugbegleiter zurückrief und meinte, wir können nicht mit den Rädern in den Zug. Wir boten an – bzw. hatten eh vor – die Laufräder zusätzlich auszubauen und hatten bereits Pedale abgeschraubt und den Lenker quergestellt, doch es half alles nichts. Der Bahnbedienstete stellte sich nach kurzem Telefonat mit seinem Chef quer. Na tolles Ding! Und nun? Gott sei Dank war es die Nacht von Sonnabend zu Sonntag, an dem neben dem üblichen 23:40 Uhr Zug auch noch einer gegen 1:30 Uhr fährt. Diesen galt es nun zu bekommen. Die jungen Russen und eine Frau besorgten uns dafür Mülltüten in denen wir zusammen die Räder einpackten, einer telefonierte mit der lettischen Bahn, ein anderer erklärte der Frau am Ticketschalter nochmals unsere missliche Lage und versuchte für uns, soviel Geld wie nur möglich für das nicht genutzte Ticket erstattet zu bekommen. Eine Erstattung des Geldes ist dort eine Sache von Minuten und eigentlich aussichtslos, sobald der Zug losrollt. So habe ich es verstanden. Da wir letztlich nur einen kleinen Teil des Fahrpreises wiederbekamen, und wir auch nicht genügend Bargeld für ein neues Ticket hatten – Kartenzahlung ist auf dem Bahnhof in Sebez nicht möglich – gaben uns die jungen Russen, die nach Hause nach Nischni Nowgorod wollten, letztlich noch das fehlende Geld. Ich bot ihnen dafür Euro an, was diese aber ablehnten. In diesem Moment fühlte ich mich nicht nur glücklich, sondern vor allem schlecht, dachte ich doch daran, wie man möglicherweise und ohne Verallgemeinern zu wollen, einem gestrandeten russischen Touristen in Deutschland begegnen würde.
Diesmal klappte dann aber alles, wir und die Räder wurden anstandslos mitgenommen und so erreichten wir nach knapp 6 ½ stündiger Fahrt morgens kurz nach 8 Uhr Rzew, wo wir uns sofort ein Hotel suchten und den fehlenden Schlaf – ich kann in Zügen nicht wirklich gut schlafen – sowie der allgemeinen Mattheit mit einer Runde Schlaf begegneten. Gegen Mittag machten wir uns auf in die Stadt, schauten hier und da, aßen Pizza und waren jedoch schnell wieder im Hotel, wo wir unsere Beine langstreckten, den Tag einfach mit Faulheit, Fernsehen und Wäsche waschen genossen, denn es sollte ja am nächsten Tag weitergehen. Wir planten über kleine Strassen nach Zubcow und weiter nach Starica zu fahren. Leider war die Karte für diesen teil völlig unbrauchbar und auch die elektronische Variante gab nicht viel her. So folgten wir irgendwelchen Wegen, fanden uns am Ufer der Wolga wieder, ehe der nun nur noch kaum erkennbare Fußweg im Nichts, aber mit einem Tisch und einem halben Brot endete. Ein hübsches Fleckchen zum Angeln.
An der WolgaAuf der Suche nach dem richtigen WegNein, das war er nichtJetzt aber!Also wieder kehrt gemacht, abermals den falschen Weg genommen, wieder retour und beim dritten Anlauf und nach kurzer 'Frage' in einem Dorf den richtigen Weg gefunden. Doch auch hier dominierten die verschiedenen Spielarten des Typ Schotterpiste, die uns zu schaffen machten.37mm breite Reifen sind dafür vielleicht doch zu wenig? An einem einsamen Gehöft jagte zudem plötzlich ein Hund der Marke
sollte-das-mal-ein-Pferd-werden hinter uns her. Mein Reisepartner konnte noch antreten und gab alles, während der Hund ihm hinterherwetzte. Ich blieb einfach stehen. Nach etwa 30 Metern drehte der Hund dann um und rannte knurrend auf mich zu, während zwei andere Hunde gleichen Kalibers auf dem Hof an ihren Ketten rissen. Ich stellte nur das Rad zwischen uns beide und redete mir ein, dass ich doch gar keine Angst habe. Nach etwa einer Minute – gefühlt waren es einige mehr – verlor der Hund dann aber das Interesse an mir und sein Herrchen rief ihm aus der Einfahrt zu, doch zu ihm zu kommen. Ufff! Unsere Herzen hingen auf jeden Fall in Höhe Kniekehle. Die letzten Kilometer in Richtung Zubcow fuhren wir mit einem unguten Gefühl.
Ortseingang in ZubcowPause und Verpflegungsstop an einer KaufhalleDort angekommen, eröffnete mir dann mein Mitradler, dass er keine Lust mehr auf die kleinen Strassen mit der schlechten Oberfläche und den Hunden hat, da das Eine an seinem Rücken, das Andere an seinen Nerven zehre. Da es schon nach 14 Uhr war, wir erst 40 Kilometer zurückgelegt, aber noch 70 Kilometer Schotterweg zum eigentlichen Ziel hatten, war klar, dass wir dieses Ziel heute nicht mehr erreichen würden. Wir überlegten, dass man ja zumindest heute ein Stück auf der augenscheinlich nicht so sehr befahrenen M9 und direkt in Richtung Moskau fahren könne. Eine Schnapsidee! Nach 3-4 Kilometern außerhalb der Stadt nahmen wir die erste Ausfahrt auf eine Tankstelle. Wir holten uns einen Kaffee und überdachten unsere Lage. Die kleinen Strassen waren nervig und zeitraubend, die großen durch den Verkehr zu gefährlich. Wir würden es also jedenfalls auch nicht von Rzew nach Moskau mit dem Rad schaffen. Sollten wir umkehren und von Zubcow aus mit der Bahn nach Moskau fahren? Wahrscheinlich. Spaßeshalber überlegten wir zu trampen. Um diese Option wenigstens getestet zu haben, sprach ich jemanden mit einem Kleintransporter an, zeigte auf unsere Räder und fragte nach „Moskwa?“. Zu unserer Überraschung sagte der Fahrer sofort zu und nahm uns und die Räder die ca. 230 Kilomter mit nach Moskau. Jaaaa! Auf einer Tankstelle in Höhe Krasnogorsk/MKAD ließ er uns raus, und wir radelten zu einem Hostel, das wir schon in Deutschland, allerdings erst für 2 Tage später, gebucht hatten und quartierten uns dort für nun also insgesamt 3 Nächte ein. Es war Montag abend, unser Flieger ging erst am Sonnabend uns somit hatten wir 4 volle Tage um uns Moskau anzuschauen. Ist ja auch nicht schlecht. Mit der Metro benötigten wir vom Hotel ca. 40 Minuten ins Zentrum.
Lenin haben wir leider nicht gesehen, da er nur von 10-13 Uhr Einblick gewährt und uns die Schlange zu lang war.Ein Zoobesuch jedoch, gehört bei mir in jeder Stadt zum PflichtprogrammDer Eingang zum Terrarium. Stylisch.Auch eine Fahrt......mit der Monorail...durfte nicht fehlenDiese führt am Fernsehzentrum vorbeiDa wir von Donnerstag bis Sonnabend ein preiswertes Hotel in Moskau unweit des Roten Platz gebucht hatten, fuhren wir am Donnerstag die restlichen ca. 30 Kilometer bis eben dahin. 15 Kilometer davon, legten wir auf den breiten Bürgersteigen zurück, die restlichen 15 dann auf einem Radweg entlang der Moskwa. Hier radelte es sich wirklich gut.
Das Olympiastadion samt Park lag auch auf dem Weg. Ein Besuch war Pflicht und so konnten wir den Vorbereitungen zur Leichtathletik-WM beiwohnen.Eingang zum Gorki-Park......in dem am 02.August irgendein militärisches Treffen stattfand. Die ganze Stadt war zudem von Armisten bevölkert, die ihre Truppenfahnen schwenkten. Ein bizarres Schauspiel.Den Weg entlang der Moskwa ging es dann auch am Sonnabend zurück zum Kiever Bahnhof, von wo aus der Zug zum Flughafen ging.
Eine schöne Fahrt fand hier ihr Ende. Letztlich haben wir unseren Plan, mit dem Rad nach Moskau zu radeln, zwar nicht umsetzen können; wir sind nur gut 100 km in Russland geradelt, haben die Entscheidung mit Zug und Auto abzukürzen allerdings nicht bereut, da wir somit mehr Zeit für Moskau hatten und uns Stress ersparten.
Ein Foto vor der Basilius-Kathedrale musste dennoch seinSchöne Landschaften, freundliche Menschen und eine insgesamt tolle Zeit machen die Fahrt für uns jedenfalls unvergesslich.