In die Slowakei reingeschnuppert - 2010

von: Radreisender

In die Slowakei reingeschnuppert - 2010 - 28.02.12 18:54

Der Reisebericht Ungarn & Slowakei 2010 findet hier seine Fortsetzung. Von den Hügeln Nordungarns geht es jetzt weiter in die Slowakei.

Dieser kleine Reisebericht wird Stück für Stück fortgeschrieben und vielleicht das eine oder andere mal noch umgeschrieben werden. Ich bitte daher um etwas Geduld schmunzel



Es ist mein zweiter Besuch in der Slowakei. Die Slowaken haben erst seit 1993 einen eigenen Staat. Zuvor waren sie in der Ehe mit den Tschechen nicht glücklich gewesen. Von den 1000 Jahren als "Dienstbotenvolk" unter den Ungarn, als die Slowakei noch Oberungarn hieß, und von der Zeit unter den Habsburgern mal gar nicht zu sprechen. Doch sind dies die historischen Wurzeln dieses schönen Landes.



Auf verkehrsarmen Straßen fahre ich von Aggtelek in den Nationalpark Slowakischer Karst.



Selbst auf der Hauptstraße nach Rožnava ist wenig Verkehr und ein breiter Seitenstreifen.

Alle Radfahrer kommen mir mit Helm entgegen. In der Slowakei ist Helmpflicht! Ich fahre ohne. Doch die Polizeipräsenz ist unübersehbar. Nachdem ich die fünfte oder sechste Polizeikontrolle passiert habe, setz ich ihn halt doch auf.



Rožnava (Rosenau), die wichtigste Stadt der Germer. Nach Goldfunden von deutschen Siedlern im Mittelalter gegründet. Manches alte Haus ist über einem ehemaligen Stollen errichtet. Heute leben hier viele Ungarn. Daher hat das "Rathaus" viele Namen.

Ohne nennenswerte Steigungen fahre ich weiter nach Dobšiná. Die ehemals deutsch geprägte Stadt förderte einst Kupfer-, Gold-, Silber- und Eisenerz.

Es waren Bergleute u.a. aus Thüringen und Sachsen die sich im Mittelalter mit ihren Kenntnissen in dieser einst erzreichen Bergwelt niederliesen. Ich werde durch viele ihrer Ortschaften hier und in der Zips kommen, in der damals Handel und Handwerk blühten. Arm war dieser Landstrich keineswegs, das kann man entlang der Straße der Gotik sehen. Die Augsburger Fugger sind hier mit Kupfer reich geworden.

Meine Vermieter in Dobšiná bezeichnen sich selbst noch als Deutsche. Bei ihnen verbringe ich den Abend.

Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Eurobus zurück nach Rožnava. Eine Speiche ist aus der Felge herausgebrochen. Erst am Nachmittag fahre ich weiter. Nun gehts den Berg hinauf.







Blick auf Dedinky südlich vom Slowakischen Paradies.



Eigentlich wollte ich nach Stratena auf einer ruhigen Straße durch das Slowakische Paradies radeln und dann weiter durch die Zips, der Hohen Tatra entlang über die Niedere Tatra ... naja, hier hätte ich ins Slowakische Paradies abbiegen sollen. Bin aber daran vorbei gefahren.

Dann fahre ich auf der Hauptstraße 67 nach Poprad. Wenig Verkehr.



Unvermittelt taucht die Hohe Tatra in der Abenddämmerung vor Poprad auf.
Wunderschön!

Von Poprad bin ich nicht so begeistert. Auf der Suche nach einer Unterkunft treffe ich auf einen Musikprofessor und seinen Schüler. Wir unterhalten uns auf deutsch. Wir laufen nach Spišská Sobota (Deutschendorf), heute ein Stadtteil von Poprad, wo ich mir ein Zimmer nehme.







Spišská Sobota ist ein hübscher Ort mit vielen Unterkünften.



In der Nacht bekomme ich kein Auge zu. Schuld daran ist das Pärchen nebenan, das sehr verliebt zu sein scheint zwinker





Die Hohe Tatra von Poprad aus gesehen.



Auf der Straße 18 von Poprad nach Levoca fahre ich zunächst ohne nennenswerten Verkehr und auf einem breiten Seitenstreifen. Doch dann endet die parallel verlaufende Autobahn und der ganze Verkehr ergießt sich auf meine Straße, die nun ihren Seitenstreifen verliert. Das war ein "Spaß".



Die Kirche von Spišský Štvrtok



Die Zips



Levoca (Leutschau) das alte Zentrum der Zips, dem Land unter der Hohen Tatra. Hier steht der mit 18,62 m Höhe größte gotische Flügelaltar der Welt, geschaffen von Meister Paul von Leutschau. So weit weg von mir daheim und doch gleichen seine Werke denen von Tilmann Riemenschneider bei mir in Franken. Vielleicht ist man hier gar nicht so weit weg.



Dieser Mini-Geysir mit Travertinbildung liegt im kleinen Naturschutzgebiet Graubart (Sivá brada) und ist direkt an der Straße von Levoca zur Zipser Burg. Dazu gab es schon einmal von mir ein Bilderrätsel. Früher soll es hier mal Eruptionen von bis zu fünf Meter gegeben haben. Dieses Schauspiel soll sich alle fünf Stunden wiederholt haben. Aber das ist schon lange her und findet nur noch in slowakischen und veralteten deutschen Reiseführern statt. Mehr als auf dem Foto zu sehen, hat er zurzeit nicht drauf zwinker

Dann taucht dieses Bild vor mir auf.



Das Zipser Kapitel und die Zipser Burg



Zipser Kapitel, das einstige geistige Zentrum der Deutschen in der Zips.

Ich radel einmal um die Zipser Burg, die schön auf einem Travertinberg liegt. Dabei komme ich nach Zehra.



Die Kirche von Zehra
Sie ist ebenso wie die Burg Weltkulturerbe. Man sieht dieser unscheinbaren Kirche nicht an was in ihr steckt: einzigartige Wandmalereien aus dem 13. und 15. Jahrhundert!



Danach komme ich unerwartet durch eine Zigeunersiedlung. Ich halte dort an um mich auf meiner Karte zu orientieren. Auch war ich neugierig auf die Menschen, die hier leben. Als mir ein kleiner Junge mit seiner Bitte nach Zigaretten und Süßigkeiten zu aufdringlich geworden ist, fahre weiter. Der nächste Junge greift reflexartig nach meinem Gepäckträger und versucht einen Beinling herunter zu ziehen. Ich muss mit einem Schwenk ausweichen. Dann wirft mir ein anderer Junge unabhängig davon etwas hinterher, ein anderer ruft etwas nach, was sehr unfreundlich klingt. Schon ist meine Neugierde gestillt und ich fahr mit erhöhter Geschwindigkeit an unglaublich armseligen Hütten vorbei und an neu gebauten Häusern, die schon in wenigen Jahren nicht mehr als solche zu erkennen sein werden; die die Europäische Union gebaut hat, um zu verhindern, dass diese Menschen sich zu uns in den reichen Westen aufmachen.

Wie wir wohl auf diese Nachbarn reagieren würden? (rethorische Frage!)

Wie an vielen Roma-Siedlungen, steht auch hier die Polizei und das weist auf einen tiefen Konflikt in diesem Land hin. Auf der einen Seite die "Weißen", auf der Seite die "Schwarzen". Apartheid, Mißverständnisse, Armut, Kulturvergessenheit. Man sieht gleich, wo wer zuhause ist und spürt die Spannungen.

Ich möchte hier darauf gar nicht weiter eingehen. Zu diesem Thema - beide sind in dieser Region entstanden - empfehle ich den Dokumentarfilm Zigeuner 2007 auf YouTube und das Buch Die Hundeesser von Svinia. Der Autor hat Zigeunersiedlungen besucht und beschreibt behutsam seine Erlebnisse. Er erzählt von einem Kastensystem, in denen die Degesi, als "Hundeesser", die Unberührbaren sind. Er schreibt von einem Volk, das vieles, was uns selbstverständlich ist, vergessen zu haben scheint. Selbst Alltägliches. Er sieht auch Licht, wo andere nur das Dunkel sehen.





In Spišské Podhradie (Kirchdrauf) nehme ich mir für 10 Euro ein schönes Zimmer mit Blick auf die Burg. Zumindest vom Grillplatz aus, den mein Vermieter gerade dabei war zu bauen. Nach einer netten auf deutsch geführten Unterhaltung, ging ich in ein Lokal. Kulinarisch hat mich die Slowakei dabei nicht vom Hocker gehauen. Auch Kofola, der hiesige Cola-Ersatz ist nicht mein Fall traurig



Mein Vermieter vor der Zipser Burg



Bei Nacht

Am nächsten Tag fahre ich auf ruhigen Seitenstraßen durch die Zips. Komme durch Ortschaften, die mit den überall an Masten angebrachten Lautsprechern beschallt werden. Heute wird Volksmusik gespielt, es folgen Durchsagen aus dem hiesigen Supermarkt.

Ich genieße es in diesen kleinen Geschäften einzukaufen. Vermutlich haben die Verkäuferinnen an meinen Einkäufen und meinen Sprachversuchen noch mehr Freude als ich schmunzel



Die Plattenbauten der sozialistischen Ära verbergen auf dem ersten Blick manch Sehenswertes.



Ich bin jetzt im schönen Spišská Nová Ves (Zipser Neudorf). Mit 87 Metern steht hier der höchste Kirchturm der Slowakei.



Es ist gerade Gottesdienst. Sonst ist diese Kirche verschlossen. Dabei konnte ich wieder die Schnitzkunst von Meister Paul betrachten.



Nach dem Gottesdienst komme ich mit zwei jungen Müttern ins Gespräch. Einer der Ehemänner arbeiten gerade in Deutschland und ist damit von seiner Familie längere Zeit getrennt. Was dieser Familie schwer fällt. Ein wenig später werde ich mit einem Deutschen sprechen, der hier arbeitet und dem es ähnlich geht.







Am Nachmittag fahre ich von Hrabušice auf einer ruhigen Straße - mir kommt ein Auto und ein Bus entgegen - durch den Nationalpark Slowakisches Paradies, bekannt durch eindrucksvolle Schluchten und "Himmelsleitern" an Wasserfällen sowie dem Thomas-Ausblick.

Doch dieser Thomas muss an sein Reiseende denken.



In diesem "Saloon" nehme ich mir ein Zimmer.



Als ich mit dem Rad ankomme, preschen an mir zwei Pferde vorbei. Ich sage dem Rancher bescheid, aber er meint, das wäre kein Problem, alles Ok.

Etwas später. Die Dusche ist kalt. Warmes Wasser geht gerade nicht. Die Männer sind alle weg: Pferde einfangen grins

Da ich der einzige Gast bin, hat die Bedienung Zeit für ein ausgiebiges Schwätzchen. Sie ist aus Dobšiná und hat ebenfalls deutsche Vorfahren und spricht auch noch ein wenig deutsch. Ich bitte sie meine Vermieterin in Dobšiná lieb zu grüßen. Wieder erfahre ich in einem Gespräch ein wenig mehr über die Slowaken und ihr schönes Land. In dem Fall von den Perspektiven junger gut ausgebildeter Menschen im Osten der Slowakei. Sie überlegt eine Auswanderung nach Kanada. Gerne geht sie nicht.



Am nächsten Morgen besuche ich die Dobschauer Eishöhle . Danach genieße ich endlich eine heiße Dusche. Dafür ist jetzt im Saloon mein Mittagessen kalt zwinker



Ein wenig geht es nun den Berg hinauf und dann fahre ich den Fluß Hron (Gran) hinunter.



Hier ist der Hund verreckt. Kein Verkehr.





Dafür immer wieder Hirten mit ihren Kuhherden. Einmal hatte eine Bäuerin ihre Kuh am Strick mitten auf der Hauptstraße durch das Dorf geführt als ich ums Eck geschossen kam. Sie hatte Glück, dass ich kein Lkw war.

Den leckeren Käse aus dieser Gegend habe ich schon kennengelernt verliebt



Die Niedere Tatra



Traditionelle Holzhäuser bei Hel´pa







...auch mal ein Neubau



"Sie haben Ihr Ziel erreicht!"...würde mein Navi sagen, wenn ich denn eines hätte. Ich besuche in diesem Tal meine slowakischen Arbeitskollegen und sag einfach Dobry.

In Brezno komme ich privat unter. Den nächsten Tag verbummel ich hier.



Die alte Synagoge

Mit dem Auto gehts komfortabel in die Heimat.



Noch ein kurzer Halt bei der Artikularkirche in Hronsek. 1100 Sitzplätze und ohne einen Nagel erbaut. Sehenswert!

Diese Tür ist auch ein Sinnbild. Ich schließe sie jetzt und damit auch diesen Reisebericht.

Aber eine Tür kann jederzeit wieder geöffnet werden und die Türe in die Slowakei werde ich ganz bestimmt wieder öffnen und eintreten in dieses schöne Land mit seinen netten Menschen.

Wer möchte, kann sich ja noch 10 Minuten für das Filmchen Slovakia: The Unknown Beauty nehmen.

Bis dahin vielleicht slowakische Musik?

Hier geht`s zurück zum Anfang meiner Reise, die in Wien ihren Anfang nahm.

Dovidenia!

Thomas

Fortsetzung folgt... der nächste Reisebericht geht wieder in das schöne Frankreich zwinker