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#774753 - 27.11.11 21:46
Pyrénées Cathares-Catalán
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Beiträge: 17.403
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Dauer: | 1 Monat, 7 Tage |
Zeitraum: | 18.6.2011 bis 24.7.2011 |
Entfernung: | 3209 Kilometer |
Bereiste Länder: | Andorra Frankreich Spanien
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Tour des Pyrénées Cathares-Catalán de Narbonne à Lourdes (F/AND/E)Gesamt: 37 Tage | 3.209 km | 58.470 Hm| 169 Pässe | 4300 Fotos (brutto) Durchschnittswerte: 87 km/d | 12,0 km/h | 7:09 h/d | 1.580 Hm/d Track auf GPSies (am PC nachgebaut): Pyrenees Cathares-CatalanWarnung! Dieser Bericht kann BILD-Leser und Facebook-Nutzer überfordern. Fragt vor euren Kommunikationstherapeuten oder euren Hausdrachen! InhaltsverzeichnisProlog I – Tourgedanke, Geschichte, Leistung, Wetter (gleich hiernach) Prolog II – Schlafen, Essen & Trinken, SouvenirsProlog III – Karten & Wege, Pech & Pannen1. Pays du Cathare – Aude, Corbières2. Roussillon, katal. Grenzland, Côte Vermeilles3. Rund um den Canigou4. Vulkanland Garrotxa, Ripolles5. Serra del Cadí-Moixeró, Andorra6. Vall d’Aneu, Vall d’Aran, Luchon7. Hautes-Pyrénées8. Exkurs Aragonien, Serra del Cadí nochmal9. Cerdagne, Têt-Tal, Capcir10. Aude/Ariège-Tal mit Pays de Sault, Pays d‘Olmes11. Pays de Foix, Couserans12. Comminges, Bigorre, Nachträge mit GedichtPROLOG Allgemeines und Geschichte(n)Zusätzlich zu diesem Prolog folgen noch 12 regionale enger umrissene Teile mit jeweils einer Bildergalerie. Das soll die Reise in halbwegs überschaubaren Häppchen verdaulich machen. Die einzelnen Teile werde ich in unregelmäßigen Abständen nachschieben. Den Prolog serviere ich im Drei-Gänge-Menü. Die Etappenbeschreibungen werde ich dafür etwas geraffter darstellen und mich auf Besonderheiten konzentrieren. Im Zweifel bitte ich jetzt schon um etwas Geduld, wenn das Folgekapitel länger auf sich warten lassen sollte. Wer nur an der zweifellos opulenten Auswahl an Reisebildern interessiert ist, kann sich den episch ausladenden Prolog auch sparen und sich auf die 12 Bildergalerien ab TEIL 1 beschränken. Der Tourverlauf ist auch damit weitgehend nachvollziehbar. Es soll niemand klagen, er sei des Schlafes beraubt worden. Die Nur-Bilderstürmer können erst mal zurück zur Theke gehen, wenngleich auch im Prolog schon ein paar Auflockerungsbildchen untergebracht sind. Tourgedanke und GeschichteDie Pyrenäen bereiste ich schon insgesamt dreimal – davon zweimal in der ganzen Kammlänge des Gebirges. Es ging folglich diesmal nicht um einen raschen Durchritt, sondern um Ausschnitte, Nischen und Lücken – um ein thematisches Konzept in engeren Grenzen. Da mir bisher die Pyrénées Orientales und das Vorgebirge im Weinland Corbières sowohl von den Menschen als auch von der Landschaft her am besten Gefallen hatte, fiel die Wahl auf den östlichen, aber auch zentralen Anschlussteil der Pyrenäen. Auf der spanischen Seite habe ich u. a. die bedeutende Lücke der Serra del Cadí geschlossen, die ich zuvor nur mit dem Städtchen La Seu d’Urgell gestreift hatte. Der Tourname „Cathares-Catalán“ erklärt sich wie folgt. Ein Grundgedanke der Tour war es, wesentliche Teile des Katharerlandes abzuradeln, das auch unter dem historischen Namen Okzitanien bekannt ist. Dazu sollten die wichtigsten Burgen gehören, von denen ich nicht alle, aber immerhin einige besucht habe. Wichtige Orte der Katharer außerhalb der Pyrenäen wie Albi (Katharer werden auch als Albigenser bezeichnet) mussten zwangsläufig außen vor bleiben. Weitere Hochburgen der Katharer – wie etwa das schöne Carcassone – lagen ebenfalls nicht auf der Route, um Überschneidungen mit alten Touren weitgehend zu vermeiden. Die Katharer oder Katharer – neuere Forschung oder Katharer-Geschichte im Video (9 Min.) waren eine christliche Glaubensrichtung, die sich von der katholischen Kirche abwandte, um der reinen christlichen Lehre nachzueifern. Sie waren die Vordenker des Protestantismus und haben sich gegen den Papst aufgelehnt. Sie nannten sich Bonne Homme (= Gutmenschen). Während es Ihnen anfangs gelang, mit den mächtigen irdischen Herrschern zu koalieren, begünstige die Rückbesinnung auf die religiöse Askese und die Abkehr vom Schutz der weltlichen Könige letztlich die Vernichtung der Katharer. Sie wurden von der katholischen Kirche mit allen inquisitorischen und kriegerischen Mitteln verfolgt – es war eine Art Holocaust – vergessen, verdrängt – wie so häufig in den selbstherrlichen Institutionen der Religionen. Folgerichtig zogen sie sich zum Schutz auf schwer zugängliche Burgen zurück. Das Château de Queribus wird sogar heute noch bei starken Winden für Besucher gesperrt, der Zugang gilt auch bei gutem Wetter als schwierig und Eltern mit Kindern werden zu besonderer Vorsicht aufgerufen. Radlerisch bedeutet das stets eine große Herausforderung, zumeist sind die Burgen aber allein per Rad nicht zu erreichen – ein zusätzlicher Fußmarsch ist oft nötig. Die Burgen wurden letzte Zufluchtsstätte und nur im südöstlichen Frankreich sind so zahlreiche Relikte der Katharer heute zu besichtigen. Als Symbol des endgültigen Untergangs gilt die Burg von Montségur, die 1299 erstürmt wurde. Katharer gab es überall in Europa – doch nirgendwo hatten sie einen so hohen Organisationsgrad wie in dieser französischen Ecke. Was treibt mich als Ungläubiger um, den Spuren einer religiösen, ausgestorbenen Gruppe zu foglen? – Es ist nicht die reine Lehre – eine Lehre, die als höchstes Gut sexuelle Enthaltsamkeit bis hin zum Verzicht auf Fortpflanzung ebenso predigte wie den Verzicht auf Fleisch als Nahrungsmittel – es ist vielmehr die Faszination einer Gruppe, die sich gegen den übermächtigen Papst und gegen die Heuchelei der etablierten Kirche aufgelehnt hat. Eine Haltung, sich der schlichten Doktrin, der blinden Gefolgschaft zu verweigern. Eine Haltung zu Selbstbestimmung und Eigenständigkeit. Es ist auch ein Irrtum, dass die Katharer sich ausschließlich in der Knechtschaft einer reinen Lehre bewegten. Vielmehr war es einem engen Kreis vorbehalten, diese idealen Ziele anzustreben. Für den Sympathisantenkreis galt eine weitreichende Toleranz und wohl gar eine große Freizügigkeit. Bemerkenswert ist auch das Maß an Gleichberechtigung, dass Frauen bei den Katharern genossen – einschließlich in der der damaligen Berufswelt. (Vieles über das Leben der Katharer ist noch nicht ausreichend erforscht, sodass teils falsche Mythen die Sachliteratur prägen.) Auf dem Wappen des Languedoc findet sich das Zeichen der Katharer wieder und es ist wohl kein Zufall, dass dieser Landstrich samt des katalanischen Roussillons heute zu den liberalsten und gleichfalls selbstbestimmtesten Regionen Frankreichs gehört. Innerhalb der Pyrenäen liegt das Kerngebiet der Katharer in den heutigen Departments Aude und Pyrénées Orientales sowie im östlichen Ariège. Einige entlegende Täler des Couserans im westlichen Ariège waren gleichfalls späte Rückzugsgebiete, wenngleich die sichtbaren Spuren dort seltener sind. Schließlich reichen die Spuren noch weiter nach Westen in etwa bis Lourdes im Department Hautes-Pyrénées, das auch den Endpunkt meiner Reise markierte. Eine kartographische Übersicht findet ihr hier. Genau genommen wollte ich lieber einen Rundkurs fahren, und nicht so weit nach Westen, aber buchungs-bahn-technisch verblieb mir nur diese Möglichkeit. (Näheres zu den Eigenheiten der SNCF und dem Dilemma europäischer Bahnen gab und gibt es immer wieder an anderer Stelle im Forum, daher hier nichts dazu.) Auch die spanischen Grenzregionen Katalonien (mehr) und Aragonien (weniger) waren Rückzugsgebiete der Katharer. Eine der bekanntesten Fluchtroute verläuft mitten durch die Serra del Cadí in die Cerdagne. Schutz fanden die Katharer z.B. in den Festungen von Gósol und Bagá. Die Katalanen sind bis heute ein besonders selbstbestimmtes Volk mit eigener Sprache – nicht nur in Frankreich sondern auch – und noch mehr – in Spanien. Tradition und Modernisme geben sich hier die Hand. Poesie, Musik, Kunst und Essenskultur haben von hier aus die Welt erobert (Antonio Machado, Isaac Albéniz, Pablo Casals, Tete Montoliu, Montserrat Caballé, José Carreras, Salvador Dalí, Antoni Gaudí, Aristide Maillol, Kubismus über Picasso in Cerét, Fauvismus über Matisse in Colliouré, molekulare Küche). Lebenslust, Toleranz und Freizügigkeit haben hier den höchsten Stellenwert innerhalb Spaniens. Mallorca, Ibiza, Barcelona sind typischerweise Teile Kataloniens. Die Katalanen haben sich politisch einen gehobenen Autonomiestatus gesichert wie die Basken und – wie die Aragonier. In dieser Nachbarregion wird nicht nur im östlichen Teil gleichfalls katalanisch gesprochen, sondern Katalonien war in Zeiten der Katharer (12./13. Jh.) Teil des Königreiches Aragonien. Also alte Freunde unter sich. Auf der spanischen Seite habe ich die katalanische Sprachgrenze kaum überschritten – vermutlich nur bei der Überfahrt von Frankreich im Bielsa-Tal. Nicht zu vergessen seien auch die Wege des jüngeren Holocaust, die ich immer wieder kreuzte. Über die Pyrenäen führten zahlreiche Fluchtwege der französischen Resistance und durch die Nazis verfolgter Juden und Intellektueller. Eine der Hauptrouten dieser „chemins de la liberté“ führt über das Massiv vom Mont Valier etwa über den Col de Py, das Vall d’Aran und den Puerto de Beret, der eine Pistenalternative zum Straßenpass Col de Bonaigua darstellt. Es ist schon beklemmend, mitten in der Bergidylle zwischen scheinbar gelangweilten Kühen an eines der größten Menschenverbrechen erinnert zu werden. Einige dieser Fluchtwege dienten aber auch in umgekehrter Richtung nahezu zur gleichen Zeit den spanischen Republikanern als rettender Anker vor dem sich etablierenden Franco-Regime in Spanien. Am Tunnel von Vielha, heute Autoschnellverbindung vom Vall d’Aran ins Vall del Noguera, von Frankreich nach Aragonien und Katalonien, klebt das Blut zahlreicher Zwangsarbeiter, die Opfer das spanischen Faschismus unter Franco wurden. Aktuelle Zusatzanmerkung: Die Tränen zu unterdrücken, fällt an solchen Orten schon schwer genug. Ich möchte aber auch nicht noch von der Wut über dreckige Zeitgenossen erfüllt werden. Leider hat unrühmliche Aktualität meine nachsinnenden Gedanken auf und von der Reise bereits eingeholt: Es gibt auch in diesem Radreiseforum Auf-den-Kopf-Gefallene, die aus der anonymen Virtualität raus schmutzige Attacken auf einzelne Mitglieder führen.
Damit es auch ungebetenen Lesern klar ist, ich dulde hier keine Geschichtsverunglimpfung – keine Nivellierung von Menschenrechtsverbrechen, keine Schmutzkampagnen von Gossendeutschen gegenüber aufrichtigen Deutschen, keine Dumpfbackenpolemik gegenüber wachsamen Geistern – aus welchem Blute sie auch immer sind. Ein Radreiseforum ist zwangsläufig mit Reisen beschäftigt – und entsprechend zwangsläufig mit der Begegnung mit anderen Kulturen, mit Menschen, die an Ausgrenzung leiden oder gelitten haben. Bisher bin ich noch auf fast jeder größeren Radreise auf die Mahnmale der fatalen Folgen der Menschen- und Kriegsverbrechen im Namen vergangenen deutschen Größenwahns gestoßen – so wie auch auf dieser Reise. Jede Art von Faschismus ist geradezu ein Widerspruch zum Radreisegedanken an sich. Nazis, macht euch hier vom Acker!!Der bekannteste chemin de la liberté ist aber der „Chemin Walter Benjamin“ im Küstengebirge zwischen Banyuls-s-Mer und Port Bou, der dem deutschen Philosophen und Schriftsteller und seiner Fluchthelferin Lisa Fittko gewidmet ist. Benjamins vielleicht wegweisendstes Werk ist eine gleichwohl heute immer noch aktuelle Abhandlung über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ (Reclam, ISBN 978-3-15-018830-9), in dem er durch die beliebige Reproduzierbarkeit von Musik und bildender Kunst den Verlust der Aura des Kunstwerkes konstatiert, was zur Entwertung des Kunstwerkes führt. Im Gegensatz zu Adorno wertet er diesen Weg zur Massenkunst aber eher positiv. Eine gerade vor dem heutigen Hintergrund – des allseitig verfügbaren Internets, der Downloads bis hin zur Digitalisierung von Wissen und Kunst, dem Kopierwahn der Chinesen als wirtschaftliche Weltmacht – ein zu interpretierendes Theoriegebäude von hoher Aktualität. Benjamin suchte nach einem Fluchtversuch 1940 den Freitod, weil er nach erschöpfender Wanderung über den Col de Rumpissa von den spanischen Grenzbeamten abgewiesen wurde und nächsten Tages wieder an die Franzosen ausgeliefert werden sollte – damals gleichbedeutend damit, wieder in die Hände der Gestapo zu geraten. Dieser Weg ist ein Wanderweg, vielleicht mit einem Mountainbike machbar, nicht aber mit einem gewöhnlichem Reiserad. Ich habe mich auch auf das Denkmal am Beginn des Weges unweit Banyuls beschränkt (Station 2 des Weges). Einige Meter bin ich zuvor auf einem ähnlichen chemin de la liberté abgeschritten, der über einen nahe gelegenen, aber anderen Pass führt. Kennzeichnend sind die ansteigenden Weinberge, von denen man weiter oben gute Aussicht auf das Meer hat. Es muss für die Flüchtlinge ein beklemmender Zwiespalt gewesen sein, die Schönheit der Landschaft zu sehen und gleichzeitig den Verlust von Heimat mit ungewisser Zukunft zu beklagen. Wer nach Port Bou kommt, sollte das dortige Denkmal besuchen, das zum Meer hin begehbar ist und zwischen dem rostigen Stahl das Pfeifen des Windes sich sinnhaft zur Klage der Flüchtlinge erhebt. Ich habe diese Gelegenheit vor drei Jahren verpasst, da ich unter Zeitdruck für den Rückreisezug stand. Auf der Glasplatte am Ende steht einer von Benjamins letzten Notizen zum Begriff der Geschichte: „Schwerer ist es, das Gedächtnis der Namenlosen zu ehren als das der Berühmten. Dem Gedächtnis der Namenlosen ist die historische Konstruktion geweiht…“ Körperliche Leistung und WetterAbwechslungsreichtum in den Pyrenäen bedeutet automatisch eine Vielzahl von Passfahrten. Anders als in den Alpen gibt es weniger lange Täler, dafür mehr kleinteilige Folgen von Pässen und Tälern, ohne dass eine eindeutige Hauptkammroute erkennbar ist. Insbesondere im Couserans gibt es geradezu einen Pässebauch von zahlreichen parallelen Ost-West-Pass- und Tal-Routen. Ursprünglich hatte ich mal eine Tour mit allen restlichen Grenzkammpässen der Pyrenäen geplant. Das ergab aber ein zu stressiges Programm, bei dem wichtige Landschaften heraus gefallen wären. Die noch ausstehenden westlichen Grenzkammpässe müssen also noch warten. Die Tour hatte ich eigentlich für zwei Jahre zuvor geplant. Mittlerweile habe ich aber im letzten Jahr einen Knieschaden erlitten, der – chronisch geworden – eine bleibende, wenn auch nur kleine Einschränkung bedeutet. Zudem ist meine Leistungsfähigkeit altersbedingt signifikant geringer geworden, wie die Vergleichswerte auf den heimischen Trainingsstrecken zeigen. Noch nie hatte ich so langsame Geschwindigkeitswerte. Lange Strecken machen mir immer weniger Spaß. Das alles spiegelt sich wohl auch in den Daten der Reisetour wieder. Zwar habe ich bis kurz vor dem Start versucht, den Tourplan zu entschärfen – doch blieb die Route immer noch deutlich überplant – heftige Streckenstreichung unvermeidlich. Letztlich trugen auch die Buchungsprobleme der Züge zu einer ungünstigeren Routenwahl bei. Sowohl die Höhenmeterwerte als auch die Etappendistanzen blieben unter denen einiger vergangener Alpentouren. Trotzdem seien Nachahmer gewarnt, die Tour als Leichtmatrosenkommando zu unterschätzen. Es waren immerhin mit ca. 170 Pässen mehr als jemals zuvor – kurze Tagesetappen die logische Konsequenz. (Technische Anmerkung: Die barometrische Höhenmessung verlief nicht störungsfrei. Ich hatte Tage, wo anhand von -Kartendaten nachweislich über 300 Hm fehlten. Andere Tage waren wiederum recht präzise. So gesehen könnten auch einige Werte fehlerbehaftet sein. Ein Nachbauversuch auf GPSies lieferte insgesamt über 25000 Hm mehr. Das dürfte allerdings der freien Fantasie digitaler Rasterkarten entspringen, zumal einige Strecken nicht exakt nachgeführt werden können und das System als fehlerbehaftet bekannt ist.) Neben dem extremen Auf-und-Ab und der verminderten Leistungsfähigkeit haben aber auch noch andere Faktoren zu niedrigen Geschwindigkeiten und geringen Tagesdistanzen geführt. Durch die vielen Nischenstrecken werden die Straßen in der Summe immer schlechter und rauer als die bekannten Passrouten. Vielfach konnte ich abwärts gar kein typisches Abfahrtstempo erreichen. Das ist ohnehin typisch für die Pyrenäen im Vergleich zu den Alpen. Nicht zuletzt denken die Organisatoren der Tour de France darüber nach, diese kleinen, rumpeligen Pyrenäenstraßen aus dem Programm zu nehmen, weil offenbar dieses Jahr dadurch einige Unfälle verursacht wurden. Auch nimmt bei Nischenrouten die Anzahl von Pässen mit starken Steigungen zu. Das erfordert überdurchschnittlich viel Zeit für die Anstiege. Schließlich habe ich auch einige Offroad-Projekte absolviert, die sich teils länger dehnten als erwartet oder auch gar nicht so geplant waren. Ein anderer limitierender Faktor war eine bewussteres Reisen mit mehr Zeit zum Fotografieren und Besichtigen. Dabei dauerte auch manche Visite länger als ich erwarten konnte. So musste ich etwa für die Weinfassbesichtigung in Thuir 1 ½ Stunden warten, weil trotz offizieller Öffnung um 9 Uhr der Besichtigungstermin mehrfach verschoben wurde. Das Fotografieren dauerte schon deswegen länger, weil ich erstmals mit Wechselobjektiven hantierte und ich eine Reihe zeitintensiver Makroaufnahmen gemacht habe. Letztlich waren die 87 km pro Tag noch eher zuviel als zu wenig. Ein kaum abschätzbarer Faktor in der Zeitprognose bleibt das Wetter. Pyrenäen-Wetter ist üblicherweise wechselhaft und mit nieseligen Wolkenregen muss man immerzu rechnen. Doch in einer derart dichten, ununterbrochenen Folge, wie das in den letzten 10 Tagen der Fall war, bei gleichzeitig sehr niedrigen Temperaturen, blieb der Sommer auch hier deutlich unter seinen Möglichkeiten. Konnte ich mit den Streichungen im ersten Teil der Reise weitgehend gut leben, da sie ja meinem Genuss dienten, so wurden mir die Streichungen einiger Kernstrecken in dem letzten Teil der Reise aufgrund der Witterung doch mehr als lästig. Es gab sogar Momente, in denen der Spaß am Radfahren nicht mehr aufkommen wollte. Eine Frau musste mir einmal Trost spenden als sie mich bei ziemlich ungezügelten wütenden Gesten beobachtet hatte, die sich gegen den imaginären Wettergott richteten. Insgesamt muss ich rückblickend aber mit der Ausbeute an Sommer zufrieden sein, hatte ich doch knapp vier Wochen ausreichend gutes Wetter mit nur wenigen Einbrüchen (typischerweise mal wieder am Ruhetag). Das Sommerwetter in Deutschland war wohl schlechter. Auffällig war aber eine insgesamt recht kühle Witterung, die Hitzeschlachten auf ein Minimum reduzierte. Das ließ aber schon ahnen, dass der Sommer nicht richtig in Gang kommen würde. Dabei zogen die Luftmassen selbst für Pyrenäenverhältnisse ungewöhnlich schnell über die Berge. Egal ob Sonne oder Regen, ein Faktor sorgte stets für eine kräftige Bremse: Der Wind. Wenn ich von Wind spreche, meine ich Gegenwind. Was anderes kenne ich ohnehin nicht. Die Richtung war egal – er war fast immer da, zumindest auf der französischen Seite. Letztlich war auch der Wind für das unbeständige Wetter später verantwortlich. Die Wetterfronten zogen so schnell durch, dass lokale Aufheiterungen kaum ein Chance hatten. Bereits am ersten Tag hatte ich an einfachen Pässen mit stürmischen Windböen zu kämpfen. Auf einigen Pässen wie dem Col de Portet und dem Col de Lers kann man sogar von Orkanstärke sprechen. Anderseits war es nur wenig weiter in den Mulden der anliegenden Bergseen wiederum nahezu windstill. Eine Besonderheit der atlantischen Winde in den Pyrenäen ist, das er stets die Fühltemperatur deutlich absenkt – insbesondere in Verbindung mit wolkenfeuchter Nieselluft. Das bedeutet bei 8 °C ein Gefühl wie bei Frost. Einmal meinte ich sogar bei 16 °C lange Handschuhe zu benötigen, so irregeleitet wurde das Körpergefühl. Anderseits sorgen die Winde für einen zwar äußerst unangenehmen Nieselregen, bei dem man allerdings weiterfahren kann. Platz- und Gewitterregen gibt es hingegen wesentlich seltener als in den Alpen. Dennoch musste ich diesmal einen ganzen Morgen lang bis Mittag den Regen in Puivert aussitzen, wobei ein Museumsbesuch und andere gelittene Radreisende die Pause überbrücken halfen. Ein heftiges Gewitter zwang mich am Stadtrand von Berga zu einer ungenehmen Nacht unter einem Tankstellendach, nachdem ich aus Geiz heraus eine Hotelunterkunft verworfen hatte. Im Gegensatz zur 2008er-Tour bekam ich aber keine Erkältung und blieb auch sonst auf der gesamten Tour gesund und ohne jegliche Art von Stürzen. Fortsetzung folgt
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (20.03.19 21:25) |
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#774892 - 28.11.11 16:24
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
ich freue mich schon auf deinen Bericht, besonders, da ich zur gleichen Zeit in den Pyrenäen weilte, vom 15.06.-29.06 in Ainsa - wandern. In den 14 Tagen war auf spanischer Seite das Wetter weitgehend schön und warm. Den Startpunkt für meine Radtour nach hause habe ich aufgrund des langen Bielsa Tunnels und der Baustelle darin nach Frankreich verlegt. Das war schon komisch, vor dem Tunnel so um die 25 Grad und Sonne dahinter in Frankreich 4 Grad und fürchterlicher Regen. Da habe ich voll abgememmt und den Start der Radtour nochmals verlegt und zwar auf den nächsten Tag und nach Millaut.
Ich bin auf deine Strecke gespannt, da ich auch nochmals gerne dort unten radeln würde.
Grüßle, Ludger
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#774910 - 28.11.11 17:10
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hi Veloträumer,
danke für diesen eindrucksvollen Prolog. Intensiv, informativ, anregend. Ich bin noch gar nicht neugierig auf den weiteren Verlauf der Tour, weil mir der Beginn noch ein paar Tage kreatives Kopfzerbrechen bereiten wird.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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#774957 - 28.11.11 19:15
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias, im Namen der katholischen Kirche und des Faschismus wurden Millionen von Unschuldigen ermordet und vertrieben. Diese Wahrheit kann gar nicht oft genug beschrieben werden. Darauf hinzuweisen scheint mir hier im Radreise Forum äußerst wichtig und notwendig, gerade in einem Reisebericht über das Lieblingsurlaubland der Deutschen.
Deine Gedanken und Empfindungen sind sicherlich auch von großem Interesse für diejenigen, die sich auf den Weg nach Santiago di Compostella machen werden.
Ich bin dir sehr dankbar, dass Du diese Themen hier so nachdrücklich aufgreifst, denn die Aufarbeitung ihrer Geschichte schien den Spaniern lange Kopfzerbrechen zu bereiten. So wurde das letzte Denkmal von Franco erst 2009 abgerissen und in 1981 gab es den letzten Versuch eines Militärputsches durch die Guardia Civil, an deren harte Ellenbogen ich mich noch sehr gut erinnere. Ich freue mich auf deine weiteren Berichte.
Herzliche Grüsse Jürgen
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + |
Geändert von Juergen (28.11.11 19:16) |
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#774966 - 28.11.11 19:43
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Schon der Prolog eine herrliche Zeitreise a'la Humboldt - Heine - Scholl-Latour; könnte das Vorwort einer Dissertation sein :-) Wir harren sabbernd der Fortsetzung.
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#774971 - 28.11.11 19:58
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Danke Matthias für die deutlichen blauen Worte. In einer Zeit der - inzwischen schon wieder abklingenden - Aufmerksamkeit und Sensibilität gegenüber der braunen Krankheit finde ich deutliche Worte besonders angebracht und die Existenz der besagten Kreaturen im Forum besonders unerträglich.
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...in diesem Sinne. Andreas | |
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#774983 - 28.11.11 20:45
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: bep]
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Wir harren sabbernd der Fortsetzung. Für die Leseratten kann da jetzt Abhilfe geschaffen werden. Immer noch Prolog, daher für die Bilderstürmer Zeit, ein weiteres Bier an der Theke zu zapfen. Schlafen als NomadeDas Thema Übernachtung ist bei einem Reisenden mit Zelt i.d.R. schnell abgehandelt. Das Mobilhaus sieht immer gleich aus, der Schlafkomfort auch. Das klassische Ziel sind Campingplätze – die sind sicherlich unterschiedlich, für einen Nur-Übernachter aber auch weitgehend monofunktional. Dass französische Campingplätze selten über Klopapier verfügen ist nach wie vor üblich, wenngleich man manchmal positiv überrascht wird – insbesondere wenn Niederländer die Hände in der Arbeit haben. Auch nicht neu ist, dass im Schnitt spanische Campings eher etwas teurer als französische sind. Trotzdem setzten die Rekordlatte die Franzosen in dem FKK-Camping in Maureillas-las-Illas auf 25 Euro (Einzelpreis ist allerdings identisch zum 2-Personen-Preis – mal wieder Pech als Alleinreisender gehabt). Wohl aber auch das schönste Camping-Gelände auf dieser Tour. Auf einigen Camping Municipal hingegen war ich mal wieder nicht zahlender Parasit, weil ich keine offene Rezeption aufgrund meiner An- und Abreisezeiten vorfand. Nicht glücklich war ich über den Camping Repos de Pedraforca, inmitten der Serra del Cadí unweit Saldes gelegen. Der recht teure Platz war übermäßig voll und laut, mit allem touristischen Schnickschnack (zu meinem Vorteil auch mit Restaurant, da abseits der Orte), aber mit Stellplätzen, auf denen kein Hering ins Erdreich rein wollte. Auf jeder wilden Wiese in der Nähe hätte ich mein Zelt besser aufstellen können. Warum derart professionelle Platzbetreiber solche Stellflächen bereit halten, bleibt deren Geheimnis – es sei denn, sie haben nur noch den Autocamper mit Hammer und Riesenzelt oder mit Caravan im Auge. In jedem Fall ein klares Minus mit dem Rat an andere Radler, eine bessere Standortwahl zu treffen (evtl. Gosols, auch charmanter in Ortsnähe gelegen). Trotz der hohen Campingplatzdichte erreichte ich oft nicht einen Platz. Das lag vor allem daran, dass ich mich meistens aus dem Takt meiner Planung herausbewegte. In den sehr ländlichen Gegenden ist dann auch nicht überall ein Camping zu finden – in Spanien noch weniger. In manchen Situationen war es mir auch wichtiger, noch etwas weiter voranzukommen als frühzeitig an einem Campingplatz Station zu machen. Die Konsequenz heißt Wildcampen – nicht wirklich ein Problem in den meisten Fällen. Ich war allerdings auch bereit in Höhlen zu schlafen, nahezu innerorts in der Picknickecke, unter dem Dach einer verfallenen Kirche in einem Bergdorf, in dem bereits mehrere mysteriöse Morde stattfanden, oder unter einem Tankstellendach im Windsog des Gewitterregens (s.o.). Insgesamt lagen knapp die Hälfte der Übernachtungsplätze auf freier Wildbahn. Für manche die normale Reisewirklichkeit, für andere eine Gruselvorstellung. Zeltübernachtungen bergen aber auch Gefahren, die man nicht alle vorausahnen kann. Die wohl kurioseste Geschichte meiner Radreisekarriere insgesamt ereignete sich beim Wildcampen auf der Passhöhe des Coll de Fadeilla (Tremp – Coll de Nargó). Bereits hier im Forum breit getreten, erdreistete sich ein katalanisches Tier – allen fundierten Hinweisen zufolge namentlich ein Fuchs – Dreiviertel meines Schuhwerkes unter der Apsis des Zeltes zu rauben. Wahrscheinlich verhinderte nur mein nächtlicher Harndrang Schlimmeres. Im Morgenlicht konnte ich meinen zweiten Radschuh in gewisser Entfernung zum Zelt glücklicherweise wiederfinden – die Sandalen blieben indes verschollen. Nach fuchswissenschaftlichen Erkenntnissen liebt dieser Leder- und Schweißgeruch – der Radschuh war aber ohne Leder und hatte wohl nicht ausreichend gemüffelt, sodass Meister Reinecke ihn fallen ließ. Ohne Folgen blieben der nächtliche Überfall des Campingplatz in Vernet-les-Bains durch eine Wildschweinhorde. Dass Essbare hatte ich noch schnell vom Rad ins Zeltinnere genommen und hoffte auf ethisch-moralische aufrichte Wildsauen, die nicht ihr eigen Fleisch und Wurst essen möchten. Die Exkursion der Borstentruppe war zwar lautstark, aber nur von kurzer Dauer. Aufatmen! Festunterkünfte bezog ich nur zweimal. Einmal litt ich nach unsäglich langatmiger Passfahrt und nächtlicher Abfahrt vom Puerto de Beret ins Vall d’Aran an unterkühlten Schultern und Unwohlsein. Zwar sorgte das warme Essen eines schmackhaften Kartoffelauflaufes für Entspannung, doch sehnte ich mich gegen Mitternacht nach einer schlichten Bettfalle ohne Arbeit. Die Umgebung war wegen Steillagen und dichter Bebauung zum Wildzelten auch recht schwierig. So fand ich mit Unterstützung der Dame des Restaurants in Salardú einen Platz im C.E.C. – Centres Excursiones Catalunya – eine Art Wanderheim im Jugendherbergsstil. Die 15 Euro waren mehr als günstig, wenngleich das angekündigte Frühstück lediglich aus einer schlichten Tasse Milchkaffee bestand. Das war auch ein Glücksfall, denn das Vall d’Aran ist touristisch recht begehrt und für teure Unterkünfte bekannt. Die andere Festunterkunft war ein Übernachtungsangebot von Forumsmitglied Rainer alias Axurit, der seinen gerade beginnenden Lebensabend in einem eigenen Häuschen in Corneilla-s-Rivière (Nähe Perpignan) einzurichten beginnt, nachdem er dem Ulmer Donauufer zugunsten des Südens den Rücken gekehrt hat. Die Absprache funktionierte ausgezeichnet, wenngleich ich zum pünktlichen Erreichen meine Etappe kürzen und umbauen musste. (Genau genommen lag das mehr an den beiden Vortagen, die von Wind und ein paar weiteren ungünstigen Umständen geradezu torpediert wurden.) Rainer sorgte zwischen Umzugs- und Renovierungsgewirr für einen gelungenen Grillabend im mediterranen Balkonklima. Corneilla ist ein hübsches Örtchen, das zum Radeln eine ideale Lage hat. Man kann in der Ebene zwischen Schilf, natürlichen Lehmwänden, Platanenalleen und Obstplantagen herumdöseln, Hügelfahrten mit südlichem Flair unternehmen oder sich auch nahebei auf anspruchsvolle Gebirgstouren begeben. Ländliches und Großstadtnähe fließen zueinander. Obst und Wein gibt es wie im Schlaraffenland. Rainer würde sich übrigens freuen, wenn weitere Forumsmitglieder bei ihm mal vorbeischauen würden. An dieser Stelle: HERZLICHEN DANK, Rainer, für Kost und Logis! Essen und TrinkenGrundlegendes über Essen in Frankreich oder Spanien zu erzählen hieße Eulen nach Athen tragen. Ich beschränke mich als auf Auffälliges und Veränderungen gegenüber Vorjahren. Das Auffälligste beim Essen ist natürlich, wenn man nichts zu essen bekommt. Das war diesmal wieder in verschiedenen ländlichen Teilen recht häufig kritisch. Durch das Corbière irrte ich einen ganzen Tag lang, ohne einen Bäcker zu finden. Für Frankreich schon sehr ungewöhnlich. Und nur zwei Bistros lagen auf dieser Strecke, eines war in der Frühe noch nicht auf, das andere nutzte ich Mittags im Dörfchen am Fuße der Burg Termes, die ich anschließend besichtigte. Das kleine Gericht mit Ökoprodukten war durchaus schmackhaft, aber auch nicht ausreichend energiereich. Zum Glück konnte ich auf Vorräte vom Markteinkauf am Vortag in Port-la-Nouvelle zurückgreifen, was insbesondere auch das Abendmahl rettete, wenngleich Wurst, Käse und Oliven ohne Brot und Wein ein lückenhaftes Geschmackserlebnis liefern. Schon am Vorabend, dem ersten Reisetag, ergatterte ich nur ein Sandwich mit einer Karaffe Wein, weil das einzig verfügbare Restaurant gerade mit einer Feiergesellschaft überfordert war. Und noch ein Abend mehr: Auch das Abendessen bei der Zuganreise war natürlich ein Kaltessen mit selbst gemachten Brötchen. Insgesamt musste ich doch sehr häufig auf Selbstversorgung zurückgreifen, was zwar die erwarteten Kosten der Reise senkte, aber den Genuss auch etwas trübte. Ein ziemliches Desaster war auch der Versuch auf der Etappe über den Collade des Roques Blanches an Brot oder anderes Verwertbare zu kommen. Nachdem ich sträflicherweise Vernet-les-Bains frühzeitig ohne Suche nach vielleicht geöffnetem Bäcker verließ, gab es dergleichen nichts Geöffnetes im laut Karte großen Besiedlungsfleck Casteil – letztlich nur noch ein ruhiges Bergdorf. Dass auf der folgenden Route kaum noch Verpflegung zu erhalten war bis zum Abend in Prats-de-Mollo, war zu befürchten. Doch gipfelte meine Bemühung um etwas Nahrung darin, dass in einem Dorfbistro in Py die Wirtin auch noch einen kleinen Laden führte. So das Glück kurz vor Augen, verlangte sie für eine Tüte Trockenpflaumen und eine Packung lätschiges Industrieschnittbrot stolze 8 Euro. Wir sind uns etwas in die Haare geraten, zum Glück beherrsche ich die französische Sprache nicht. Dass die Frau im Bergdorf anders kalkulieren muss, mag stimmen, dem steht aber auch eine Wuchergrenze gegenüber. Wenn aber der Berg so steil ist wie der Col de Mantet und eine ungewiss lang dauernde Schotterfahrt durch Niemandsland ansteht, muss der schweißüberströmte Radler auch dieses Angebot wohlwollend akzeptieren. Das Brot hielt erstaunlich lange ohne trocken zu werden, derweil ich stets frisches Brot an den Folgetage zukaufte. Es war so eine Art Notration und ich nannte es fortan das „Luxusbrot“. Die Trockenpflaumen hätte ich mir sparen können, denn die kaute ich erst Wochen später. Wenn wir bei den Preisen sind: Ich hatte den Eindruck, dass Obst und Gemüse in Frankreich relativ billiger im Vergleich zu dem in Deutschland geworden ist. Das mag damit zusammen hängen, dass Obst und Gemüse nebst Brot, Molkereiprodukten in den letzen 1-2 Jahren sich in Deutschland doch stark verteuert hat. Discounterpreise einmal ausgeklammert. Süße Sachen sind in Frankreich standardmäßig sehr teuer geblieben oder gar noch teurer geworden. Die üblichen Käse-Schmankerl und Wurstsorten könnt ihr den Bildergalerien entnehmen. Natürlich habe ich bei der Auswahl an herben Ziegenkäse immerzu kräftig zugeschlagen. Auf dem Mittelaltermarkt in St-Bertrand-de-Comminges gab es sogar korsische Käse- und Wurstspezialitäten. Hervorheben möchte den Käse „Le Rogallais“ direkt vom Produzenten Julien Coumes im schönen Städtchen Seix im Couserans, den dieser mit einem stilisierten Selbstporträt auf dem Etikett vermarktet. Herausragende Wurstspezialitäten fand ich auch auf dem Markt von Besalú (Garrotxa). Besondere Wurst, Käse, Honige und Backwaren gibt es in Castellar de N’Hug (Serra del Cadí-Moixeró) – darunter die vielleicht größten Croissants der Welt. Die Spezialitäten sind in dem auch sonst pittoresken Örtchen mittlerweile zur dominierenden Touristenattraktion geworden. Zu den variantenreichen Köstlichkeiten zählen auch die Honige, von denen ich einige in Frankreich direkt von Produzenten erworben habe. Sündhaft teure Trockenfrüchte habe ich mir in Font-Romeu aus einem ziemlich tuntenhaften Laden gegönnt. Schokoladen habe ich diesmal weitgehend gemieden, dafür immer wieder bei Kuchenartigem zugegriffen. Besondere Vollkornprodukte (Kekse, Brot) gab es direkt bei der Mühle in Cucugnan (Corbière) – ein liebliches Kleinod zwischen zwei Katharerburgen. Im Fenouillèdes fast überall erhältlich sind die schmackhaften Mandelkekse aus St-Paul, die mir auch noch aus meiner 2004er-Tour in genüsslicher Erinnerung waren. Eine optisch wie geschmacklich besonders hervorstechende Leckerei ist der Gâteau de la broche, dem in Arreau sogar ein Fest gewidmet ist, das allerdings über zwei Wochen nach meiner Durchreise stattfand. Erwähnenswert sind auch die Produkte der Konditorei Salvat in Sant Joan de les Abadesses, die auch feine Weine vertreibt und bereits seit 1910 existiert. Wie immer ist bei späten Etappenankünften keine große Auswahl von Restaurants mehr möglich. Oft musste ich mich damit zufrieden geben, überhaupt etwas zu essen zu bekommen. Dabei muss der Notanker nicht immer das schlechteste Mahl bedeuten. La Bastide-de-Serou erreichte ich bereits in der Dunkelheit gegen Dreiviertel Zehn, nachdem ich vergeblich in kleineren Orten zuvor ein Restaurant gesucht hatte (auf ca. 40 km nichts). In der einzig geöffneten Brasserie mit Essgelegenheit wollte man mir nichts mehr servieren. Da habe ich sie bei der Ehre gepackt – so etwas wäre in Deutschland nicht möglich (!) (haha, natürlich gibts das auch bei uns auf dem Lande!). Dann haben sie sich einen Ruck gegeben und schnell noch ein Menü gezaubert, das zu den besseren und zugleich preisgünstigen der Reise gehörte. Hervorzuheben sind zudem die kulinarischen Leistungen in Frankreich im Camp naturiste „La Clapère“ in Maureillas-las-Illas (wenngleich ich am ersten Abend wegen kollektiven Grillabends nichts mehr bekam) – auch ein schönes, künstlerisch-erotisches Ambiente (Bilder, Instrumente), in Arreau, in St-Girons, in Mont-Louis, in Antichan und kurioserweise in Lourdes, wo ich bereits einmal schlechte Erfahrungen gesammelt hatte. Das Restaurant im alten Plüschstil unmittelbar in Bahnhofsnähe wirkt etwas abgehoben und mit einem stocksteifen Kellner geradezu steril. Trotzdem war das Essen nicht nur ausgesprochen gut sondern auch noch günstig. Ich vermute, dass in Lourdes bereits durch die Überfülle ein ziemlich starker Preisdruck existiert, zumal viele Pilger sich auf Fast Food stürzen – u.a. ist auch McDonalds vor Ort. Eine interessante, durchaus schmackhafte Note lieferte auch das afghanische Restaurant in Puivert. Eher unerfreuliche Geschmackserlebnisse gab es auch. In Vernet-les-Bains verfehlte ein Franzose mit italienischer Küche das richtige Timing für die Pasta wie auch die Rezeptur für eine Sauce Bolognese. In St-Beat – immerhin mit zwei Campingplätzen, einem Bildhauerwettbewerb und einer touristisch angepriesen Burg aufwartend – gab es schlicht nur eine Brasserie mit Minimalkarte. Zur faden Ente waren auch noch die Pommes Frites ausgegangen – alles ohne Beilage, da musste ich schon aus Gründen der Energiezufuhr ein Omelett als Nachschlag bestellen. In Osseja gab es ein ähnliches Essen, Entenbrust – zwar mit Pommes Frites, aber so lieblos und langweilig zubereitet, dass es für den Preis schon eine Frechheit war (Pizzeria/Restaurant am Ortsrand Richtung See, es gibt aber Alternativen). In Aulus-les-Bains war der Wirt zwar sehr freundlich, die wohl aber schon mehrfach aufgewärmten Pommes Frites allerdings ein Sakrileg für eine Essnation wie Frankreich. Die spanisch-katalanische Küche genießt zwar gemeinhin Weltruf, doch bezieht sich das auf ausgewählte Köche und Restaurants. Ähnlich wie in Deutschland bleibt die ordinäre Landküche hinter der Spitzenküche oft deutlich zurück. Wirklich schlecht ist aber auch nichts. Zu den lokalen Spezialitäten der Vulkangegend Garrotxa gehört eine Art Auflauf mit Pilzen, Kartoffeln, Wurst und Käse – optisch kein Blickfang, aber sehr schmackhaft. Ebenso gab es in Olot (1.Abend) eine leckere Sauce zum Fleisch. Es gelang mir aber nicht, dem angeblich Englisch sprechenden Kellner meinen Wunsch nach Kartoffelbeilage klar zu machen. Dieses für Spanien typische Nur-Fleisch-mit-Brot-essen entspricht weder meine Geschmacksnerven, noch werden dadurch die Energiereserven ausreichend aufgestockt. Zu den leckeren Auflaufgerichten gehörte auch der Nach-Küchenschluss-Service in einem urigen Lokal in Salardú (Vall d’Aran), wo ich die aufopfernde Hilfestellung der auch hübschen Wirtin hier besonders hervorheben möchte (s.o.). Schließlich sei noch erwähnt, dass es oft ein menu del dia gibt, das im Vergleich zur freien Kartenauswahl wesentlich günstiger ist und gleichwohl meistens schon eine Flasche Hauswein beinhaltet (so auch das ordentliche Essen in Plan). Besichtungen, Exkursionen und ReisemitbringselDie einzelnen Sehenswürdigkeiten, die ich in Teilen auch per Eintritt besichtigt habe, entnehmt ihr bitte der jeweiligen Etappenblöcken. Allgemein sei aber darauf verwiesen, dass es für die Attraktionen Besichtungspässe gibt, die sich auch überschneiden können. Man bekommt sie gegen kleines Geld und erhält dann an den nächsten Besichtungsorten Ermäßigung. Das lohnt sich meist schon bei 2-3 Besichtigungen. Ich erhielt sogar einen katalanischen Kulturpass gratis beim Besuch der Cave Byrrh in Thuir. Ob es sich dabei um eine regelmäßige Leistung handelte oder eine besondere Zugabe des Tages (für langes Warten?), kann ich nicht sagen. Ein anderer Kulturpass, der mir im Museum von Puivert angeboten wurde, hätte alle Katharerstätten abgedeckt, dafür aber wieder nicht andere Sehenswürdigkeiten z.B. im Roussillon. Da mir bei den ersten Besichtigungen kein solcher Pass angeboten wurde, solltet ihr gleich zu Anfang nachfragen – vielleicht auch bei einer Touristinfo beim Tourstart. Die Eintrittsgelder sind auch ohne Ermäßigung alle recht zivil. So kostet das von mir leider ausgelassene, aber bedeutende Musée d’art moderne in Ceret 5,50 € (ermäßigt 5,- €) Eintritt. In Frankfurt oder Basel zahlt man gut das Doppelte im gleichen Genre. Zweifellos zu den Höhepunkten gehörten die Begegnungen mit dem Mitteralter. Zum einen kam ich zufällig in Genuss des Mittelalterfestes in St-Bertrand-de-Comminges mit einigen hochwertigen Performances mittelalterlicher und orientalischer Musik- und Tanzdarbietungen. Zum anderen schweifte ich - auch ein wenig zufällig, eine Zwangsregenpause nutzend - durch die Räume des Troubadour-Museums in Puivert. Ein glanzvolle Darstellung in Ton, Text und mit historischen Instrumentenexponaten; ergänzend auch Geschichtskunde zu den Katharern mit der oberhalb des Ortes liegenden Burg. - Eine unbedingte Empfehlung für alle, die dort in der Nähe unterwegs sein sollten. Als Ausländer bekommt man in den meisten Fällen Unterlagen in deutscher – soweit vorhanden – oder englischer Sprache. Audioguides sind manchmal im Preis inbegriffen, andernorts kosten sie extra. Steigt man schwere Stiege hinauf, den Ortlieb-Lenkertaschenwürfel in der einen Hand, die Kamera schussbereit in der anderen und muss auch noch Objektive öfters wechseln, hat man nicht unbedingt Lust, diese Audioguides auch noch dauernd ans Ohr zu klemmen. Je nachdem eine Kompromissentscheidung für oder gegen mehr Hintergrundinfo. Sofern ich hier in den Etappendaten „B:“ (= Besichtigung, Exkursion) 0,- € angegeben habe, bedeutet das, dass kein Eintritt zu zahlen ist, aber eine wesentliche Abweichung vom Radkurs bzw. ein längeres Absitzen und explizites Laufen nötig sind. Unter meinen nicht essbaren – wie immer zahlreichen, kleinen Reisemitbringseln – möchte ich drei Teile aufgrund ihrer besonders ansprechenden Kunstartigkeit vorstellen. Von Barcino – eine schon eher internationale Design-Manufaktur in Barcelona, die farbenprächtige Miniaturen im Stile Antoni Gaudís herstellt – habe ich in einem Laden in Besalú ein besonders prächtiges Schmetterlingsexemplar erworben. Ein ungewöhnliche Technik verwendet eine Dame mit selbstgemachten Geschenkartikeln aus dem bereits erwähnten Örtchen Seix im Couserans. Sie modelliert u.a. Figuren, die aus echten Pflanzenblättern bestehen und durch Glanztinkturen haltbar gemacht wurden. Mein mitgebrachtes Exemplar stellt eine gewissermaßen barocke Hexendame dar. Wie schon die beiden anderen Mitbringsel ist auch die Postkarte ein Unikat, die mit der Quilling-Technik gearbeitet wurde. Sie stammt aus einem schlichten Souvenirshop an der Col-d’Aspin-Straße bei Espiadet. Quilling ist eine filigrane Papierfaltkunst, bei der dünne Papierstreifen mit einer Nadel so gerollt werden, dass am Ende ein Bild entsteht. Die Anfänge dieser Technik stammen aus dem Europa des 13. bis 15. Jahrhunderts, als Nonnen in religiöse Artefakte mit Papierstreifen dekorierten. Dazu behalfen sie sich der Schreibfeder (= quill, engl.). Selbst unter professionellen Bedingungen ist es nicht möglich, zwei identische Bilder herzustellen. Da sich meist Frauen mit dieser Kunstfertigkeit beschäftigen, dominieren Blumen- und Blättermotive, doch gibt es auch komplexere Bilder. Verschickt habe ich ein Motiv mit Gämse, die von mir mitgebrachte Karte stellt den Gelben Enzian dar – vielleicht meine Lieblingsblume in den Bergen, weil sie verstärkt erst ab einer bestimmten Höhe auftritt und bis 2500 m hoch wächst – also meine Bergziegenreviere ankündigt und blühend begleitet. Fortsetzung folgt
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (14.01.18 21:27) |
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#775133 - 29.11.11 16:07
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: bep]
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Das sind so viele nobelpreisverdächtige Superlative, dass man schon Ironie befürchten muss.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. |
Geändert von kettenraucher (29.11.11 16:10) |
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#775140 - 29.11.11 16:19
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: iassu]
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Danke Matthias für die deutlichen blauen Worte. Brauner Dreck, der das Forum verschmutzt, wird doch hoffentlich von den Moderatoren gelöscht?
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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#775187 - 29.11.11 18:56
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Es gelang mir aber nicht, dem angeblich Englisch sprechenden Kellner meinen Wunsch nach Kartoffelbeilage klar zu machen. Englisch mit einem spanischen Kellner? Das funktioniert nur an der Costa del Sol oder in Palmanova. Dass der Begriff für die Kartoffeln in Festland-catellano und englisch fast derselbe ist, muss nichts bedeuten.
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#775277 - 29.11.11 22:41
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Nun auch noch der letzte Teil des textlastigen Prologs. Für die nächste Tranche brauche ich dann allerdings wieder etwas Luft. Also bitte Geduld. Karten, Straßen, Verkehr und OffroadprojekteSoweit Frankreich und Andorra betreffend, habe ich die Michelin-Straßenkarten 1:150.000 verwendet, bei der Planung auch noch die alten 1:200.000 (wegen der Campings). Soweit nicht auf den französischen Karten bereits mitaufgeführt, musste ich für den spanischen Teil auf die Michelin-Karte Aragón/Catalunya im Maßstab 1:400.000 zurückgreifen. Darin habe ich einige Strecke und Punkte eingetragen, die ich zuvor im Internet recherchiert hatte und in dieser Karte entweder gar nicht oder unzureichend markiert sind. Tatsächlich lassen sich noch offene Wegfragen auch gut vor Ort lösen, da es entsprechend gute Regionaltafeln gibt. Für die die Regionen Andorra/Cadí und Canigou habe ich ergänzend IGN-Karten im Maßstab 1:50.000 verwendet, die aber nicht unbedingt nötig gewesen wären. Etwas Orientierungs-Sicherheit im Gebirge kann aber nie schaden. Insbesondere in Spanien gibt es mittlerweile Straßen, die in den Straßenkarten noch nicht berücksichtigt sind. So existiert etwa in der westlichen Garrotxa-Region zwischen Joanetes (Olot) und Torelló (Vic) eine neue Schnellstraße, die u.a. per Tunnels den Coll de Bracon umgeht. Für Radfahrer ist das uninteressant, man ist aber verwundert über die Quasi-Autobahn, die eben nicht auf der Karte mitten in einer an sich entlegenen Region zu sehen ist. Offenbar entlastet diese Strecke auch den Verkehr zwischen Olot und Ripoll im Norden und sorgt für eine weitere Schnellanbindung der Pyrenäen an Barcelona. Da ich eine Nischentour geplant habe, lagen auch die meisten Straßen abseits der Hauptwege. Selbst von mir vermutete Hauptwege waren häufig verkehrsarm wie z.B. die Route von Coll de Nargo nach Berga oder von Mont Louis nach Olette im oberen Têt-Tal. Es gab viele Strecken, auf denen über Stunden nicht viel mehr als 10 Autos vorbeikamen. Die oft entlegenen und schwach frequentierten Strecken haben mich auch häufiger ermutigt Pässe in Teilen oder auch komplett nackt abzuradeln. Das ist bei einer windigen Brise oder auf Abfahrten bei heißen Temperaturen einfach ein herrliches Gefühl. Die vielleicht nervigsten Verkehrsachsen lagen in Andorra. Von La Seu d’Urgell schließt man die Augen und lässt die Pedalen möglichst schnell rotieren. Gegenüber meiner früheren Erfahrung gab es in La Vella weniger Staus (vielleicht lag es auch nur am Samstagabend nach Hauptladenschluss). Die steile Ausfahrt nach La Massana bei Dunkelheit ist dann schon eine kleine Mutprobe. Immerhin gab es bei den letzten Häusern dafür noch Applaus vom Straßenrand. Die Fahrt zwischen Encamp und Canillo war wohl wegen Sonntag eher schwächer frequentiert. Hier (Route zum Port d’Envalira) hat man neue Schilder mit Hinweis auf Reiseradler für die Autofahrer aufgestellt. Alle anderen Binnenrouten waren wiederum verkehrsarm, wenngleich nicht ganz ruhig. Auch sind mittlerweile die aus Frankreich und Spanien bekannten Steigungsschildchen für Radler überall zu finden – ergänzt mit Nummern von Radrouten, die man im Lande fahren. Diese Streckenvorschläge dürfte es bei den Touristinfos geben. Mit Gegenwind und viel Verkehr war die Strecke zwischen Maury und Estagel ein wenig nervig. Die Einfahrt nach Ceret war ziemlich umkämpft, auch in Lourdes muss man schon mal für Straßenquerungen etwas warten. Die größte Verkehrstraube gab es auf der Strecke zum bzw. am Col de Perthus – seines Zeichens die niedrigste Pyrenäenquerung. Riesiger Grenzrummel, ein wenig Andorra-Gefühl. In der Cerdagne ist der Verkehr schon wegen der vielen Verkehrsachsen recht dicht, Puigcerda ist eine umtriebige Einkaufs- und Flanierstadt, Font-Romeu nicht nur ein Wintersportort sondern auch eine internationale Sommerdestination (viele Amerikaner) für Wanderer, MTBer usw. (hohe Leihrad-Dichte) – absoluter Rummelort mit viel Kitsch. Auf der Strecke zwischen Col du Portel (Quillan) und Puivert begegneten mir zwei Tour-de-France-Werbeautos – der Haupttransfer war aber schon abgeschlossen. Ohne es geplant zu haben, war ich auf einigen TdF-Strecken kurz danach unterwegs (im Couserans) – noch frische, große Fanbekundungen auf dem Asphalt, aber schon wieder in Ruhe getaucht. Es gab noch ein paar weitere erwartungsgemäß besser frequentierte Teilstrecken, die aber keinerlei Unannehmlichkeiten mit sich brachten. Verglichen mit dem ländlichen Bergverkehr in Deutschland waren es paradiesische Zustände. Raserei und Überholinfernale – Fehlanzeige. Die Qualität der Fahrbahnen war insgesamt gesehen dürftig. Gerade viele der Nebenrouten auch abseits klassischer TdF-Pässe verfügen nur über sehr rauen Asphalt. Typisch sind auch schmale Straßen mit engen nicht einsehbaren Kurven. Entweder angeschrieben oder auch ohne Schilder fahren Autos maximal 30 km/h oder gar weniger. Typisches Abfahrtstempo oft nicht umsetzbar. Die besten Straßen haben die Spanier – die Katalanen voran. Das ist ja auch von den Diskussionen um die Verschuldung der Iberer (Portugiesen eingeschlossen) bekannt – tolle Infrastruktur, aber ohne Rücksicht auf Kassenlage. Die raue Grenzstraße über den Coll de Manrelles – von Frankreich aus Las Illas teils unasphaltiert im oberen Teil, mündet auf der Passhöhe auf eine aalglatte, autobahnähnliche Straße, auf der man geradezu paradiesisch heruntergleiten kann. (Im Bild: perfekte Straße durch die kaum besiedelte Sierra del Cadí) Ähnlich habe ich den Übergang bei Coustouges in Erinnerung. Dabei ist die Besiedlung auf der spanischen Seite wesentlich dünner als auf der französischen. Aufgefallen ist mir auch die hervorragende Ausschilderung von Wanderwegen bis hin zu MTB-Pisten in Katalonien mit einem offensichtlich noch recht neuem Schildersystem. Für die Tour hatte ich einige riskante, weil wenig gut beschriebene Offroadprojekte geplant. Ungeplant waren aber einige asphaltmäßig ausgewiesenen Strecken, die sich durch auflösenden oder gar nicht vorhandenen Asphalt zu Quasi-Offroadstrecken entwickelten. Dazu zählten der Col d’Artigascou als einsame Verbindung zwischen dem auslaufenden Vall d’Aran nach Aspet bzw. via Port d’Aspet nach St-Girons. Im oberen Passbereich schon sehr ruppig, ist die route forestière auf der Ostseite nicht zu empfehlen (auch nur dunkler Wald). Es gibt eine teils auch nicht asphaltierte, aber bessere Alternative über die Höhe direkt zum aalglatten Col de Menté. Auch der Col de Beyrède bei Arreau führt mit den vielen Zufahrten in die Irre. Es gibt letztlich nur eine gut fahrbare Straße, die aber mit dem Schild „route barrée“ versehen war, was mich auf die alternative route forestière lenkte. Eine sehr mühsames Gewürge für Asphaltfahrer, wenngleich keine echte MTB-Strecke. Immerhin entschädigten die Flora, Schmetterlinge, Tauglitzer und überall sprießendes Wasser für die Mühen. Zu dem vielleicht aufregendsten Offroadprojekt der Reise gehört die Querung des Canigou-Massivs im Westen über den Collade des Roques Blanches (Bild). Entgegen von anders lautenden Darstellungen im Internet ist die Nordseite leichter befahrbar als die Südseite (siehe ergänzend Etappenbeschreibung im Teil 3). Schon im Vorlauf liegt mit Col de Jou eine Pisten-Abfahrt auf dem Programm, die aber vergleichsweise einfach zu bewältigen ist. Landschaftlich stellt dieses schwierige, wenngleich machbare Projekt ein sensationelles Erlebnis dar. Es macht auch Sinn, die Fahrt anders aufzuteilen – z.B. in der auf dem Offroad-Weg liegenden Schutzhütte les Clots/Coubilet zu übernachten. Unter Radreise-Insidern schon bekannter sind der Port de Cabús (La Massana, Andorra – Tor, Spanien, Bild unten) und der Puerto de Sahún (Plan – Castejon de Sos) als geschotterte Alternative zum südlicheren Coll de Foradada (Asphalt). Wiederum seltener beschrieben ist der Puerto de Beret als Alternative zum Port de la Bonaigua. Das dürfte weniger an der Wegbeschaffenheit liegen als an dem deutlichen Umweg zu dem gleichfalls schönen und beliebten Straßenpass. Weniger anspruchsvoll, aber einen Tipp wert ist der Collade de Beixalis als Binnenpass in Andorra mit einem Pistenanteil auf der Ostseite. Schlicht harmlos sind die Pistenanteile beim Col du Couret (bei Bagnères-de-Bigorre) und beim Grenzpass Coll de Manrella (Las Illas – Agullana). Das vielleicht abwegigste Projekt war die Durchfahrt des Coll de Pal von Baga nach La Molina (Verbindung Serra del Cadí-Moixeró zur Cerdagne). Zwar ist der Pass im Südwesten durchgehend ordentlich asphaltiert und erreicht ein Skigebiet, doch gilt er als absolute Sackgasse. Ich habe oben Mountainbiker getroffen, die sind aber irgendwelche Höhenwege dort gefahren, von der Molina-Verbindung hatten sie auch keinen Schimmer. Skipisten und MTB-Trails führen aber nach Super Molina, die Skibasisstation oberhalb von La Molina. Das Ergebnis vorweg: Die Strecke ist zwar kurz, aber brutal steil und schotterig, unfahrbar. Geschoben geht aber. Eine enorme Abkürzung trotzdem, insbesondere wenn man schon den Coll de la Creueta gefahren ist und man keinen Transitwirt für den Tunel de Cadí findet. Wer mit MTB unterwegs ist, kann sich auch an alternativen Trails versuchen, die sind vielleicht besser fahrbar, aber für das Reiserad mit Lowridern zu eng gespurt. Landschaftlich ist der Pass aber nur bedingt interessant, die Schiebeseite gar nicht. Nicht viel weniger übel ist die Durchfahrt vom Col de Portet zum Lac d’Oule (nahe Bielsa-Tunnel). Bereits die Auffahrt ist schlechter als erwartet, weil teils Piste, aber noch ordentlich. Steil ist die Auffahrt bereits ab Vielle Aure. Als ich meine Abendvesper an einem Brunnen in Soulan zu mir nahm, kam ein Rennradler, der mich bewunderte und schließlich ermutigte, diese Durchfahrt über den Pass zu machen. „Mit meinem Rad kein Problem“, meinte er. Selbstverständlich hat er es selber nie gemacht. Der eigentliche Wanderweg war wiederum zu eng gefurcht für das Reiserad, teils auch unfahrbar steile Rampen. Die von mir gefahrene Piste ist kürzer, gelangt direkt zur Staumauer, ist aber vermutlich steiler bergab. Das ganze war wohl mehr ausgebaute Skipiste, vielleicht fahren auch manchmal Allrad-angetriebenen Jeeps daher. Also wieder Runterschieben, ebenfalls nicht lange, bei der Staumauer gibt es ein bewirtete Hütte samt Übernachtungsmöglichkeit. Von dort gibt es eine fahrbare Piste abwärts bis zur Straße zum Lac Aumar. Insgesamt landschaftlich lohnend, archaisch wirkende Baumwelt (siehe Bild), großer Wasserfall bei der Hütte. Nahezu gar keine Informationen hatte ich über die Fahrbarkeit der Gorges de la Frau, mit der man das Pays de Sault durchqueren kann, etwa um abkürzend vom Col de Chioula nach Montségur zu gelangen. Dieser Wanderstieg ist in der Tat MTB-zugelassen und so offiziell ausgewiesen. Ich hatte mich tags zuvor noch in Axat bei der Touristinfo rückversichert. Für ein Reiserad ist der Kernbereich aber nicht fahrbar. Mir kamen aufwärts Reiter entgegen – auch für die eine ziemlich herbe und nicht ganz ungefährliche Angelegenheit. Auch MTBer kamen hochgefahren – allerdings sind alle irgendwo abgestiegen. Selbst zum Runterschieben braucht man eine ganze Menge Bremsgummi – aber als gewollte Abkürzung durchaus so machbar, aufwärts schieben wäre mir aber zu anstrengend. Einige schlichte Wanderer (ganz ohne großes Gepäck), die mir entgegen kamen, waren im Mittelteil bereits fix und fertig. Ein gescheitertes Offroadprojekt war die Verbindung zwischen Montaillu und dem Col du Teil unweit der Gorges de la Frau/Belcaire. Diese als fahrbare route forestière eingezeichnete Strecke wird zu einem Pferde- oder Trampelweg mit tiefem, morastigem Waldboden. Im Gegensatz dazu ist eine als MTB-Strecke ausgezeichnete Piste gut fahrbar in die andere Richtung vorhanden. Dieser Weg ist wiederum in der Michelin-Straßenkarte nur als Wanderweg gekennzeichnet. Ich bin dann den Col du Teil auch nicht mehr als Stichstraße von Camurac aus gefahren, denn diese gut ausgebaute Straße zu einer Skistation ist nur als schnelle Abfahrt und Nebenprodukt interessant – zumal ich mich in der windig-kalten Hochebene nicht mehr länger aufhalten wollte. Pleiten, Pech und PannenAbgesehen von dem tierischen Schuheklau hatte ich noch zwei bemerkenswerte Pechmomente. Da war dieser gelangweilte, kurz vor der Siesta-Pause dahindösende Jungpolizist am östlichen Schluchteingang der Congost de Collegats unweit von La Pobla de Segur. Während die Autos im Tunnel wenig von der Schlucht sehen, existiert für Radfahrer und Fußgänger ein Weg mit unmittelbarem Schluchterlebnis. Obwohl offensichtlich auf zu schnelle Autos lauernd, nimmt der Polizist die „Verfolgung“ meinerseits auf dem Nebenweg auf. Grund: Ich trage keinen Helm. In Spanien herrscht offiziell Helmpflicht – bis auf innerorts oder bei heißem Wetter bergauf. Es war zwar heiß genug, aber leider ging es nicht bergauf. Zudem hatte ich ja auch gar keinen Helm dabei – besser gesagt, habe ich noch nie einen verwendet. Nach ungefähr einem halben Jahrhundert Lebenszeit, verbrieften 140.000 Radkilometern seit meine Radreisekarriere (die erst im Alter von 37 Jahren begann) sowie weiteren unbekannten Tausenden von Kilometern auf Rennrädern, Mountainbikes und Alltagsrädern seit Kinderzeiten kann ich mit gewisser Erfahrung sagen, dass ich die Sinnhaftigkeit vom Helmtragen stark in Zweifel ziehe. Nur einmal im Leben hätte mir der Helm geringfügig geholfen – wobei die entscheidende Unfallursache die Radwegnutzung gewesen war. Die offensichtliche Unsicherheit mit dem Thema Helmpflicht spiegelt sich ja auch in den seltsamen Ausnahmen der spanischen Vorschrift wider. Gerade im Innerortsverkehr bestände der größte Sicherheitsnutzen des Radhelmtragens – und gerade dort ist man freigebig? Warum? Nun, der Polizist drohte mein Rad zu konfiszieren (rechtmäßig? – bereits hier im Forum diskutiert) – nach einer kleinen Diskussion machte er mir zur Auflage im nächsten Ort (La Pobla) einen Helm zu kaufen – ansonsten würde er mein Rad definitiv beschlagnahmen. Abgesehen davon, dass der Polizist ebenso wenig wie ich etwas über einen Radladen in La Pobla wusste, eine ziemliche Frechheit. Immerhin lag auf meiner weiterführenden Strecke noch Tremp – ein doch bereits ziemlich großer Ort, wo man einen Radladen erwarten könnte. Unvorsichtigerweise gab ich dem Polizisten auch noch diese Stadt als weiteren Tourverlauf bekannt. Nun, weder in La Pobla noch in Tremp suchte ich nach einem Radladen, weil ich ernsthaft mich nicht auf eine solch ungastliche Verpflichtung einlassen möchte. Tausende von Kilometern habe ich bereits über verschiedene Jahre gestreut und in unterschiedlichsten Regionen in Spanien hinter mir – ich bin auf Autobahnen gefahren und zahllose Polizeiautos sind an mir vorbei – sogar in Standard-Polizeikontrollen bin ich geraten (auf dieser Tour wenige Tage zuvor südlich des Bielsa-Tunnels) – und nie gab es eine Beanstandung. Nach allen Erfahrungen anderer Spanien-Reisender wie auch Einheimischer sind solcherart Vorschriften nicht allzu ernst zu nehmen. Doch jetzt soll dieser Naseweis-Sheriff – ein Velo-Spätfrancist wohl – meine Radreise einfach so im bürokratischen Wohlstandssumpf zu Tortilla-Teig einstampfen??? Da ich die vermutete Siesta-Zeit ausnutzen wollte, beeilte ich mich auf der Strecke nach Tremp bei großer Hitze, verzichtete auf ein Bad an den Ufern des Stausees, um möglichst schnell auf meine dann dem Polizisten nicht mehr bekannte östliche Nebenroute zu gelangen (er dürfte eher vermuten, dass ich berglos nach Lleida weiterfahren wollte). Doch gleich drei Polizeiautos begegneten mir auf der auch sonst selbst zur Siesta-Zeit relativ stark befahrenen Strecke nach Tremp – allerdings keines hielt an. Der La-Pobla-Sheriff hatte sich offenbar doch zur Siesta auf die faule Haut gelegt. Allerdings vermute ich, dass er sich an mir rächen wollte und in einem geheimen Bündnis mit einem Fuchs mir die Radtour vermiesen wollte. :böse Der Fuchs hat sich aber im letzten Moment noch von seiner humanen Seite gezeigt und den Polizeiauftrag nicht konsequent ausgeführt. :zufrieden: Der zweite ernsthafte Zwischenfall war ein Felgenriss. Leider zeigen Mavic-Felgen ihren Verschleiß nur unzureichend frühzeitig an. Sobald die Felge ruckelt, sind nur noch wenige Bremskilometer möglich. DT Swiss ist da mit der Kerbenabnutzungskennzeichnung transparenter für den Laien. Beim Radcheck bzw. Neubau meines Rades (neuer Rahmen, neue Gabel, neuer Lenker) kurz vorher befanden die Radfachwerkler einschließlich velotraum-Mechaniker selber den Zustand noch für ausreichend. Offensichtlich muss das aber eher ich selbst entscheiden, weil sich die Radmonteure offenbar nicht ganz meine Tourverläufe vorstellen können. Allerdings hatte auch ich selbst die Steilheit bzw. Bremshäufigkeit für diese Tour unterschätzt. Ich bin sicherlich schon Bergtouren gleicher Dauer gefahren, wo die Felge ganz durchgehalten hätte. Abwärts war diesmal insgesamt sehr heftig. Nun, am Col de Menté abwärts merkte ich erstmals das Ruckeln. In St-Beat musste ich die Entscheidung treffen, wohin für einen Radmechaniker. Nach Rücksprache mit der Restaurantwirt und meiner eigenen Einschätzung nach war es übereinstimmend besser, nach Bagnères-de-Luchon zu fahren als noch Montréjeau, da Bagnères an der wichtigsten Pyrenäenpassroute liegt und ein kleines Radsportbasiszentrum darstellt. Es gibt nicht nur mehrere Radverleiher, sondern auch mindestens zwei Werkstätten. Die Reparatur ist dann eiliger als erwartet, denn schon ca. 30 Kilometer nach dem ersten Schadenshinweis fängt die Felge an aufzuplatzen – obwohl ich eher aufwärts als abwärts fahre. Selbst in der Ebene darf ich nur noch vorne anbremsen. Ich stoße am südwestlichen Ortseingang als erstes auf den Radmechaniker Miguel – ein echtes Original und offenbar die beste Wahl im Ort. Zwischen einem kaum entwirrbaren Wust an gebrauchten wie neuen Rädern und zahllosen Schrottteilen läuft der kleine, schrullige, wuselige, oft mit sich selbst sprechende Miguel herum. Schrauben und andere Teile sind auf dem Kiesgrund im Hof zu Hauf zu finden. In einem Mischmasch aus Französisch und schlechtem Englisch glaubt er mir zunächst ein platten Reifen reparieren zu müssen – den Felgenriss sieht er dann erst auf meinen dringlichen Hinweis hin. Er ist als Radmechaniker sehr begehrt und jeder Radtourist, der ein Problem hat, lernt ihn kennen – so auch eine deutsches Radlerpaar, das ich anderntags beim Abendessen in Arreau treffe. Verschiedene Bilder in einem Ordner zeugen von Miguels Vergangenheit als Radrennfahrer – aber auch mit aktuellen Rennprofis scheint er noch im Kontakt zu stehen. Er arbeitet mit kantigen Bewegungen und ich zittere um den Lack an meinem Rad. Doch hat alles Hand und Fuß, was er tut. Er schickt mich zum Bäcker für ein Schoko-Croissant, möchte mir auch eines spendieren – aber ich drehe den Spieß um, und spendiere es ihm. Immer wieder unterbricht er seine Arbeit, wenn andere Kunden kommen – sorgt sich väterlich bis ins Detail etwa um einen jungen Kerl, der sich ein Rennrad samt Helm und veralteten Klickpedalen ausleiht – selbst die Wasserflasche füllt er ihm noch. Es gibt viel zu schmunzeln für mich, aber es dauert auch eine gehörig lange Zeit auf diese Art. Nahezu drei Stunden sind vorbei mit Ein- und Ausspeichen und neuer, aber schwererer Felge. Dazu kommt noch der Umweg, den ich gefahren bin – denn ich beschließe, meinen Kurs weiter nördlich fortzusetzen mit der geplanten Überfahrt des Col de Balés – immerhin für mich ein besonders ersehnter Pass. Schließlich beunruhigt mich Miguel auch noch mit schlechten Wetterprognosen, die tatsächlich in der zweiten Tageshälfte eintreffen. Der Tag endete schließlich in einer unbewirteten Wanderhütte mitten in den Wolken im letzen Drittel der Passauffahrt. Zu den Opfern dieser Panne gehörten die geplanten Stichfahrten zum Cascade de Madelaine und Lac d’Oô sowie eine weitere kleine Schleife bei Arreau. Eine relativ unerklärliche, kleine Reifenpanne ereignete sich auf dem Gelände von „La Clapère“ am eigentlichen Ruhetag. Ein kleines Opfer fordert auch diese Panne, denn die Zeit ist nebst meiner Radexkursion zum Col d l’Quillat dann doch zu knapp, um auch noch das Musée de la Liège (Korkmuseum) in Maureillas zu besuchen. Da ich Korkprodukte liebe, wäre der Besuch des Museumsshops für mich sehr interessant gewesen. Das Loch im Schlauch müsste auf Materialermüdung zurückzuführen sein. Der reparierte Schlauch hielt zwar eine Weile, verlor aber alsbald immer ein wenig Luft. Das versuchte ich zunächst über ein paar Tage mit morgendlichem Aufpumpen auszugleichen, was zunächst auch ausreichte. Erst nach über drei Wochen allerdings gab der Schlauch seinen Geist ganz auf. Fortsetzung folgt
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Geändert von veloträumer (14.01.18 22:12) |
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#776103 - 02.12.11 20:24
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Auf die Gefahr hin, ein verregnetes Adventswochenende vor dem PC absitzen zu müssen, möchte ich euch nicht ganz ohen Urlaubsträume lassen. Es geht also zunächst mal sommerlich weiter. TEIL 1 Aufbruch ins Pays du Cathare zwischen Burgen, Weinbergen und Farnen: Das Department Aude mit dem Corbières und etwas mehrSa 18.6. Stuttgart 16:59 || via Regionalzüge || 19:35 Strasbourg 20:19 || via NZ Lunéa || 7:38 Narbonne - Port-la-Nouvelle - Sigean - Col de Souil (267m) - Col de Pereille (245m) - Fraissé-des-Corbières - Col de Canteloup (243m) - Cascastel-de-Corbière - Col d'Amiel (378m) - Col de la Ginestre (416m) - Palairac - Col de Ferréol (428m) - Col de Couisse (507m) - Félines Termenès - Col de la Tranchée (360m) - Villerouge-Termenes – Col de Villerouge (404m) - Talairan – Coustouge109 km | 13,6 km/h | 8:07 h | 1.450 Hm W: sehr windig, teils sonnig, teils bewölkt, gemäßigt warm E (Talairan): Sandwich, Rw 10 € Ü: C wild 0 € So 19.6. Coustouge - Col de Rouire (304m) - Col de l'Escassié (287m) - Albas - Col du Prat (366m) - Villerouge-Termenes - Col de la Tranchée (360m) - Col de Bedos (485m) - Col de Termes (520m) - Col Caroun (472m) - Château Termes - Col de la Louviéro (599m) - Villardebelle - Col de l'Homme Mort (800m) – Auriac84 km | 11,7 km/h | 7:05 h | 1.550 Hm W: starke Winde, sonnig, auch heiß B: Château Termes 4 € E: SV Ü: C wild 0 € Mo 20.6. Auriac - Col de Redoulade (685m) - Soulatgé - Col de Grés (406m) - Rouffiac-des-Corbières - Col de la Croix Dessus (403m) - Château de Peyrepertuse (~800m) - Col du Triby (344m) - Grau de Maury (432m) - Château de Quéribus (Parkplatz, ~600m) - Maury - Estagel - Col de la Bataille (265m) - Col del Bou (300m) - Forca Real (507m) - Corneilla-s-Rivière80 km | 13,6 km/h | 5:48 h | 1.410 Hm W: sonnig, heiß, wenig Wind B: Château Peyrepertuse 5 € E (priv./Rainer): Salat, Kart., Grillsteak/-wurst, Rw 0 € Ü: priv./Rainer 0 € Die ersten drei Tage lassen sich landschaftlich recht gut zusammenfassen. Am Beginn der Radtour stand die Fahrt entlang des Canal de la Robine. Das ist eine meist unasphaltierte Piste, die recht gut fahrbar ist. Das erste Drittel könnte man auch alternativ auf der Straße fahren, die aber irgendwann nach Gruissan abzweigt. Teils hat man zu beiden Seiten Lagunen, die aber nicht immer im Blick liegen, weil durch Dämme oder Inseln abgetrennt. Auch die Bahnlinie an die Côte Vermeille fährt östlich über die niederen Uferzonen und einen Damm, der teils quasi mitten durch den Brackwassersee führt. Die Bäume hier sind vom Wind gezeichnet, haben sich in der Hauptwindrichtung zu eigenartigen Gebilden entwickelt, die jeder durchdachten Statik zu widerstreben scheinen. Durch die Salzluft des Meeres und der Salinen atmet es sich leicht, und die Luft strömt angenehm über die Haut – als würde man den Urlaub über alle Poren spüren. Wind und Wolken trüben das Erlebnis etwas und machen Fotografieren von Schmetterlingen auf wippenden Grashalmen zum Glücksspiel. Eine sehr lohnende Route, zu deren Abschluss ein Marktbesuch in Port-la-Nouvelle endgültig mir sagte: „Ich bin angekommen – Stuttgart ist weit, weit weg.“ Der zweite, beherrschende Teil der ersten Tage ist die typische Landschaft des Corbières, Weinreben auf manchmal sanft ansteigenden Hängen, zuweilen auch steil, umrankt von Kalkfelsen. Je näher am Meer, desto mehr dominieren Weinreben, weiter östlich werden die Anbauflächen kleiner, sind manchmal nur gartengroß. Neben dem AOC-geschützten Corbière steht der Fitou für die höherwertigen Weine. Einst eher ein gängiger Tafelwein, steht heute der Qualitätsaspekt im Vordergrund. Auch waschen hier Wasserläufe den Boden zu Lehmwänden aus, an denen feuchte und vogelreiche Biotope einen kühlen Kontrast bilden. Vormals entdeckte ich dort mal einen Eisvogel, doch diesmal sah ich keinen einzigen, obwohl wesentlich länger in diesem Terrain unterwegs. Andere Nutzer der Lehmwände für ihre Brut sind natürlich Schwalben und Mauersegler. Windfeste Gräser und bodennahe Blumen bestimmen die Flora, die weiter nach Osten buschiger wird, insbesondere färben Ginster viele Hänge in leuchtendes Gelb. Der dritte Landschaftstyp beginnt östlich der Weinanbaugebiete und ist deutlich grüner bis hin zu schattig wuchernden Farnwäldern. Die Weiden auf den Passhöhen sind sattgrün und sofern es freie Blicke nach Süden gibt wie am Col de l’Homme Mort, dann reicht das Panoroma bis zum Canigou. An der Grenze zum Corbières haben sich vielfach eindrucksvolle Schluchten gebildet, die Gorges du Terminet beim Château de Termes und eine Seitenschlucht der Gorges l’Orbieu lagen auf meiner Route. Wer in der Region erstmals unterwegs ist, sollte natürlich unbedingt noch die Gorges de Galamus bei St-Paul mit einplanen. Das Department Aude ist noch weiter darüber hinaus ein hochkarätige Schluchtenregion. Nicht zuletzt sind auch die Katharerburgen Teil dieser Landschaft. Gerade in trockeneren, östlichen Regionen ragen diese hoch auf den Felsen thronend aus der Ebene empor und mahnen an die Verfolgung und Vernichtung von Menschen, die ihrer Überzeugung treu bleiben wollten. So stand die Themensetzung der Tour auch gleich im ersten Teil auf dem Besichtigungsprogramm. Die Château Termes kann man fast bis oben hin mit dem Rad befahren (letzte Meter schieben), zahlen muss man aber bereits unten, wo auch eine Ausstellung und ein (französischsprachiges) Video zu sehen sind. Zur Burgbesichtung erhält man englischsprachige Beschreibungen über die einzelnen Burgteile und deren Funktion. Die Ruine ist insgesamt nicht sehr gut erhalten, was allerdings dem Ort auch eine gewisse Besinnlichkeit gibt, die etwa der riesigen Burganlage der Château de Peyrepertuse fehlt. Da ist es schwer vorstellbar, dass in dieser von zahllosen bunt schimmernden Schmetterlingen umflatterten Idylle sich Menschen mit Katapulten sowohl auf Seiten der Kreuzritter als auch der der Katharer sich die Köpfe einschlugen. Auch der kleine Ort Termes ist eine Idylle, wo man im einzigen Bistro sich bei ökologischen Produkten aus eigener Produktion entspannen kann. Wie schon angesprochen, ist die Château de Peyrepertuse deutlich größer und auch besser erhalten. Man kann sich einzelne Burgräume anhand der Ruinen sehr gut in vollständigem Zustand vorstellen. Der Andrang auf die Burg ist groß, Schulklassen, Busse usw., was aber nicht wirklich ein Problem ist. Zur noch besseren Info müsste man eine zusätzlich kostenden Audioguide beim Eintritt mitverlangen, detailliertes Infomaterial in Papierform wie beim Château Termes gibt es hier nicht. Wie ein Adlerhorst steht diese Burg weit über der Ebene und der Blick geht weit hinüber nach Südwesten gleich zur nächsten Katharerburg, der Château de Quéribus. Nicht umsonst werden die Bewohner des Landes auch spitz „Sauta-Roc“ (Felsspringer) genannt. Da man mit dem Velo aber nicht springen kann, muss man hinauffahren, was einer selbstkasteienden Tortur gleichkommt. Ist die Auffahrt nach Peyrepertuse mit ca. 3 km eine sehr lange und gleichzeitig sehr schwere, so ist der eine Kilometer zur Quéribus eine Kletterwand zur Hölle. Manches Auto traut sich hier kaum den Berg runter. Mit den Auffahrten ist es auch nicht allein getan, denn wie eingangs schon beschrieben folgen anstrengende Fußwege zwischen Zahlpforte und Burganlage. In Peyrepertuse ist das noch recht kompakt vom Parkplatz aus, Treppen laufen muss man insbesondere innerhalb der Anlage – bei Quéribus aber ist es schon eine kleine Bergwanderung. Nach dem bereits schweißtreibenden Vorprogramm und der ausstehenden Zeitachse habe ich dann auch auf die Besichtung von Quéribus verzichtet. Nicht nur der Hitze war es geschuldet, dass ich aus der Quelle in Duilhac trank, denn – so steht es geschrieben – „Auf dass wer immer von ihr trinkt verliebt werde“. Die Qualität des Wassers soll so gut gewesen sein, dass das Olivenöl aus Duilhac beliebter war als dass anderer Orte in der Umgebung. Heißes Wasser diente als Transport- und Trennmittel für das schonend gepresste Öl. Das so ausgewaschene Öl konnte in speziellen Becken vom Wasser abgeschöpft werden. So von edlem Wasser gestärkt, ergänzte ich meine Kraft durch Kekse aus dem Mehl aus der 2003 renovierten Mühle in Cucugnan. Ein Ortsbesuch dieses Kleinods zwischen den beiden Katharerburgen ist jedoch nicht nur wegen der Mühle empfehlenswert – es ist auch sonst ein pittoreskes Idyll mit einigen ansässigen Künstlern, in dem sich gern verweilen lässt. In Maury nahm ich mir noch Zeit für eine Weinprobe bei einem Händler mit mehreren Sorten (zum Vergleichen besser als ein einziges Weingut zu besuchen). Die nette Dame war sprachgewandt auch in Deutsch ausgebildet und erklärte mir ausgiebig die Traubensorten und Herstellungsweisen. Doch muss ich zugeben, dass ich nicht jedes Wort verstand, denn solche schöne Weinverkäuferin sorgte in mir für unruhiges Pochen. So im Anflug eines leicht beschwingten Flirts und mit süßem Wein bewaffnet und mit einem Abstecher zu Forca Real (Kapelle, Sendemast und weite Aussicht in die Ebene von Perpignan) erreichte ich dann - ebenso schon eingangs beschrieben – Rainers Domizil bei einem mediterranen Sommerabend. Ein interessanter Meinungsstreit zwischen Rainer und mir war die Funktion des Weines. Ist ein Maury (ähnlich süß und schwer wie der mir bereits bekannte Banyuls) nur ein Aperitif oder ist er auch als essensbegleitender Wein geeignet. Nun, solch süßer Wein, so meine These eignet sich nicht jederzeit und auch nicht für jederlei Gericht als Essenswein – aber für Ente oder süß-saure oder süß-scharfe Küche aus Asien, da passt er doch recht gut. Rainer meint allerdings – nur als Aperitif. Eigentlich liebe ich ja meistens auch herbere Weine, aber hin und wieder finde ich auch einen guten Süßen schmackhaft (da gibt es wohl ein paar Jugenderinnerungen an Opas Moselweine). Nun ja, geleert haben wir die Flasche ja trotzdem. Weinflasche leeren stand übrigens auch ganz am Anfang der Reise, denn im Nachtzug stiegen in Mulhouse zwei Schweizerinnen zu, die mit Umstieg in Narbonne weiter nach Bordeaux reisten, um dort im Mündungsgebiet der Garonne eine Flachlandradeltour zu machen. Nach dem Motto „Vin – c’est la vie de France“ haben wir uns dann zu dritt auf das Reiseland eingestimmt. Und schlafen konnte man damit auch gut. Zur Bildergalerie TEIL 1 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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Geändert von veloträumer (12.02.19 19:24) |
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#776281 - 03.12.11 15:59
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
danke für diesen informativen Bericht. Das ist eine Gegend, in die ich auch unbedíngt noch einmal fahren möchte. Ich habe die Pyrenäen schon mal mit dem Rennrad von Atlantiknähe bis zum Mittelmeer durchquert und habe diese Tour in sehr guter Erinnerung. Hast du vielleicht auch eine Darstellung der gefahrenen Route?
Gruß Helmut
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#776295 - 03.12.11 16:32
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: HelmutHB]
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Hast du vielleicht auch eine Darstellung der gefahrenen Route? Eigentlich nein, dafür habe ich meine Etappen mit Zwischenorten ziemlich genau angegeben. Zudem sind einzelene Bereiche durch die regionalen Blöcke geografisch ziemlich kompakt eingegrenzt. Ich hatte es mal bei GPSies versucht, dann habe ich das nicht verstanden, wie man das speichern muss und alles war verschwunden. Ist mir zu aufwändig, das nochmal zu wiederholen. Aus "taktischen" Gründen hätte ich auch sowas nur am Ende des Berichtes eingestellt (Bilderrätsel ). Es macht aber Sinn, bei eigener Planung sich das genau auf Landkarten anzuschauen, weil exakt so wird das niemand wirklich nachfahren wollen. Es ist ja nicht meine erste Tour in der Gegend und so gesehen ist es für andere evtl. besser, Teile dieser Route mit anderen Wegen zu kombinieren. Sofern du nicht über entsprechende Papierkarten verfügst, kannst du auch parallel zum Bericht vielleicht Google Maps aufklappen, wo aber nicht alle Offroad-Routen verzeichnet sind (auch nicht bei GPSies).
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#776360 - 03.12.11 19:10
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
toller Bericht! Ich lese schon deswegen begeistert mit, weil ich auf meiner letzten Radreise im September (Paris-Barcelona) selbst durch die Region gefahren bin. Die Strecke entlang des Canal de la Robine durch die Lagunenlandschaft vor Port-la-Nouvelle ist wirklich traumhaft, die bin ich dieses Jahr schon zum zweiten Mal gefahren. Ein Abstecher nach Gruissan lohnt übrigens auf alle Fälle. In den Corbieren bzw. im Fenouillèdes war ich wenige Kilometer westlich von Deiner Route (Ille-sûr-Têt, Caramany, St.-Paul-de-Fenouillet, und dann über Axat und entlang der Aude hoch in die Cerdagne). Die Landschaft hat mir sehr gut gefallen. Ich bin gespannt auf die Fortsetzungen und Deine weitere Route!
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#776427 - 03.12.11 23:13
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: kettenraucher]
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Nein, nur Begeisterung und eine Flasche Rotwein Und jetzt hab' ich endlich Zeit weiter zu lesen
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#776621 - 04.12.11 17:00
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Wow! Was für ein Bericht – nur den Anfang! Und welch wunderbare Bilder! „Vielleicht kommen die am Rande stehenden Kulturgüter etwas bescheiden weg …“ hattest Du voriges Jahr den Bericht über mein Bordeaux-Freiburg kommentiert. Jetzt weiß ich, was Du gemeint hast. „Wir harren sabbernd der Fortsetzung!“ Dem schließe ich mich an. Und Dank auch für die deutlichen blauen Worte. Bei den Bildern kommt nach meinem Geschmack das Reiserad etwas zu kurz, von dem Velotraum hätte ich gerne mehr gesehen. In den 80ern war ich mehrfach in den Pyrenäen, damals noch ohne Rad und seither nicht mehr. Dein Bericht macht mir Lust, es in den kommenden Jahren mit eine Reise beidseits der Grenze und nicht nur zu den großen Pässen der TdF zu versuchen. Einen schönen Winter wünsche ich Thomas
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#776633 - 04.12.11 18:00
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: Oktoberkind]
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„Wir harren sabbernd der Fortsetzung!“ Dem schließe ich mich an. Zum zweiten Advent dann: TEIL 2 Riesige Weinfässer, Malerwinkel und Flüchtlingswege: Das Roussillon mit dem spanischem Grenzland rund um die Monts Albères und Côte VermeilleDi 21.6. Corneilla-la-Rivière - Thuir - Col de Llauro (380m) - Céret - Col de Boussells (286m) - Col de Pla Boulet (640m) - Col de Llausse/de'en Llemosl (692m) - Col de la Brousse/Brossa (860m) - Coll de Mirailles (710m) - Las Illas - Coll del Figuer (704m) - Coll de Manrella (710m) - Agullana – Espolla98 km | 14,2 km/h | 6:52 h | 1.550 Hm W: anfangs sonnig, dann stark bewölkt, heiß, schwül B: Cave Byrrh 2 € E: Steak, PF, Salat, Eis, Rw 10 € Ü: C wild 0 € Dieser Tag ist landschaftlich ziemlich vielgestaltig, obwohl ich nicht wie geplant das Meer erreichte. Zwischen Corneilla und Thuir gibt es jede Menge Obstplantagen – vornehmlich Nektarinen und Pfirsiche. Danach folgt eine recht ruhige Hügellandschaft über den Col de Llauro. Um Céret herum tobt ein heftiger Verkehr, den man aber schnell auf den innerstädtischen Platanenplätzen hinter sich lässt. Erst recht die Fahrt nach Spanien über den Coll de Manrella (das ist der eigentliche Grenzpass) ist geradezu einsam. Die Auffahrt auf der französischen Seite enthält nur eine Zwischenabfahrt (die anderen Pässe sind nur Quer- oder Tangentialpässe) und ist insgesamt anspruchsvoll. Vielfach bietet ein Mischwald mit viel Kastanie Schatten – was aber bei der schwülwarmen Luft nicht viel Abkühlung brachte. Von Norden drohten sogar schwere Gewitterwolken, denen ich aber offenbar mit dem Weg über den Pyrenäenkamm entkam. Während auf der französischen Seite eine enge, ruppige Straße existiert, die zum Ende hin oberhalb von Super Las Illas nur noch unasphaltierte Piste ist, beginnt exakt mit dem spanischen Territorium eine aalglatte, der Bevölkerungsdichte unangemessen breite Straße, auf der ich dann schneller als erwartet die Talsohle an der Nord-Süd-Verkehrsachse südlich von La Jonquera erreiche. Oberhalb von Las Illas gibt es auch noch einen Übergang über den Col de Lli, der aber offenbar ein reiner Wanderpass ist. Dieser wird gelegentlich mit dem Coll de Manrella verwechselt, weil er in der Michelin-Straßenkarte bezeichnet ist, der Straßenpass hingegen nicht. Über die Qualität dieses Übergangs kann ich leider nichts sagen. Vom Col de la Brousse führt laut Karte auch noch eine wohl unasphaltierte Piste hinüber wahlweise nach Macanet oder La Vajol in Spanien – auch diese Strecke habe ich nicht angetestet. Der Anstieg zum Col de Banyuls folgt erst ab Espolla, der letzte Ort überhaupt vor der Grenze und immerhin noch mit einer Kneipe mit allerdings etwas rustikaler Küche. Wer etwas besser essen will, sollte zuvor in Sant Climent bleiben oder in Capmany, wo es auch einen Camping gibt. Zwischen der Talsohle mit der Autobahn/N 2 und Espolla gibt es ein paar leichtere Hügel, geprägt von Felswürfeln, von leicht geschwungenen Weinanbaugebieten, von mediterranen Pinien und Korkeichen, von Megalithen als Zeichen einer frühen Besiedlung und vom Blick auf das Albères-Massiv im Norden. Zu den Städten: Thuir ist eine Stadt, die trotz ihrer Geschäftigkeit einen angenehmen Charme verströmt. Da ich für die Besichtigung der Cave Byrrh länger warten musste, kam ich unerwartet in den Genuss offener französischer Schularbeit. An diesem Tag rückten die Schulklassen aus, um in der Stadt Kostproben ihres musikalischen Könnens zu geben. Das war sehr anrührend, wie eine Musiklehrerin samt engagierter Akkordeonspielerin ein einstudiertes Chorsingen von kleinen Mädchen und Jungen mit leidenschaftlicher Profession dirigierte und damit die Kleinen in ihren Bann zog. Anfangs machten die meisten noch ein undisziplinierten, nicht ganz gewillten Eindruck, doch mit zunehmender Dauer und anwachsendem Publikum bekamen sie alle leuchtende Augen und gaben sichtlich ihr Bestes. Später sah ich eine Blockflötenklasse etwas älterer Schüler, die ich aber nicht mehr anhören konnte. Die Cave Byrrh ist kein öffentliches Museum, sondern ein weltbekannter Hersteller von Aperitifs. Wieder eine Weinprobe? – Ja und nein, denn die Hauptattraktion liegt in einem Weinfass – dem größten (im Gebrauch befindlichen) Eichenholzfass der Welt mit über einer Million Liter Fassungsvermögen. Zwar gibt es größere Holzfässer, die sind aber nie zur Weinlagerung benutzt worden wie z. B. das in Bad Dürkheim, das als Restaurant dient. Die Führung ist zwar französischsprachig, jedoch bekommt man den Inhalt auch als deutschen Text. Neben den eindrucksvollen Fässern erfährt man auch etwas über das Herstellungsverfahren einschließlich der aufwändigen Aromatisierung des Traubensaftes. Am Schluss steht natürlich die Kostprobe der verschiedenen Produkte, verbunden mit der Hoffnung, dass die Gäste auch ein paar Flaschen kaufen. Zum Glück für den Betrieb sind nicht alle Besucher lastenscheue Radler. Lieferungen sind aber weltweit möglich. Es ist sicherlich bedauerlich, dass ich für die andere Stadt, für Céret, weniger Zeit aufwenden kann, um nicht ganz aus dem Takt zu geraten. Bedauerlich deswegen, weil es einer der bedeutendsten Künstlerorte der Malereigeschichte ist. Picasso arbeite hier in eine seiner wichtigsten Phasen und begründete zusammen mit anderen von hier aus den Kubismus. Obwohl ich das Museum für Moderne Kunst nicht besuche, bekomme ich doch noch einen Hauch Kunstgeschichte mit, denn an vielen Stellen in der Stadt finden sich ausführliche Tafeln zu berühmten Künstlern der Moderne. Keine Frage, dass das Künstlerische und die Muße das gesamte Flair der Stadt mit seinen zahlreichen Restaurants und Cafés prägen. Mi 22.6. Espolla - Col de Banyuls (357m) - Banyuls-s-Mer - Col de Llagastera (255m) - Col de Cascons (387m) - Tour Madeloc (652m) - Coll de Tallferro (322m) - Coll de Mollo (231m) - Coll de la Serra (406m) - Coll d'en Calvo (162m) - Collioure - Argeles-s-Mer - St-Genis-des-Fontaines - Maureillas-las-Illas - La Clapère79 km | 12,7 km/h | 6:03 h | 1.205 Hm W: sonnig, drückend-heiß, abends bewölkt, kühler, etwas Regen B: Chemin W. Benjamin 0 € E: SV Ü: C La Clapère (FKK) 25 € Der Col de Banyuls ist von Südwesten leichter zu befahren als von der Meerseite. Noch vor dem offenen Passanstieg liegt ein Feuchtbiotop unterhalb der Straße, dass offenbar sehr vogelreich ist. Seltsame, aber markante „U“-Rufe vernahm ich im Ohr und wenig später konnte ich meine ersten Wiedehopfe im Leben beobachten. Leider blieben sie selbst für mein Teleobjektiv etwas außerhalb brauchbarer Reichweite, zur Dokumentation reicht die Auflösung aber schon. Offenbar hatte sich ein Pärchen gerade sehr viel zu sagen, das um einen Hof ständig herum flog, leider mit hohen Zäunen unüberwindbar abgetrennt. Die Meerseite des Banyuls-Passes ist ein enges, rumpeliges Sträßchen – aber um so hübscher in die eher steilen, in Mauerstufen gestaffelten Rebenhänge eingebunden. Auf dem Pass haben die Spanier Gedenk- und Infotafeln zu den vor Franco geflüchteten Republikanern aufgestellt, die allerdings bereits von neofaschistischen Knallköpfen stark verkratzt wurden. In dem Bürgerkrieg verloren insgesamt 700.000-800.000 Menschen das Leben und etwa 480.000 flüchteten ins Exil. Es gehört zu den verblüffenden Erscheinungen der Weltgeschichte, dass das faschistische Spanien hingegen Fluchtland für die von den Hitler-Faschisten Vertriebenen war – wenn auch überwiegend nur als Durchgangsland, meist auf dem Weg nach Amerika. Das lässt sich mitunter dadurch begründen, dass Franco gegenüber Hitler eine persönliche Abneigung hegte und anders als etwa der italienische Duce trotz diverser Kooperationen nicht zu einem Gefolgsmann des deutschen Rassenwahns wurde (wenngleich er davon wusste und ihn nicht bekämpft hat). Wie schon eingangs erwähnt, folgt so z.B. das Mahnmal an den Flüchtlingsstrom der Nazi-Verfolgten und der Resistance als „Chemin Walter Benjamin“ weit unterhalb in Puig-del-Mas (nicht an der Strecke, Abzweig in den Ort notwendig und dann bereits ortsausgangs Richtung Süden, später Wanderweg über den Rumpissa-Pass). Etwas früher findet man einen weiteren chemin de liberté, der über Col del Tourn führt (anfangs Piste, später wohl nur Wanderweg). Was die Tortur der Flüchtlinge als Fußgeher am Rumpissa-Pass bedeutet haben mag, kann der Radfahrer am besten mit der Auffahrt zum Tour Madeloc nachempfinden. Diese verkehrsarme Panoramastrecke bietet traumhafte Blick auf das Meer, windet sich weitgehend durch Weinberge, zu denen es Info-Tafeln am Straßenrand gibt. Ist die Straße als solche schon anstrengend, so ist der asphaltierte, aber für Autos gesperrte Stichstraßenabzweig zum Tour Madeloc eine Rampe, an der mehrere Teufel gleichzeitig gebaut haben müssen, wenngleich man dem Himmel deutlich näher kommt. Oder anders ausgedrückt: Die Rampe zur Château de Quéribus ist die Trainingsstrecke für dieses Filetstück. Mancher Rennradler fährt lieber unten weiter. Mir begegnete ein deutsches, junges Ehepaar, das mich – bereits auf dem Weg nach Collioure abwärts – nach Abzweig und Straßenzustand fragte, um mit den auf dem Auto montierten Rennrädern einen kurzen Turmausflug zu starten. Sie kamen kurze Zeit später unverrichteter Dinge zurück. Wie die Weite des Meeres die Gedanken auf dem Tour Madeloc beflügelt, so eindringlich froh stimmen die Perspektiven in dem Künstlerstädtchen Collioure mit einer einmaligen Meereskulisse. Man mag zur Reisezeit die Mengen an Touristen beklagen, den charmanten Reiz verliert dieser Ort trotzdem nicht – auch nicht, wenn man wie ich zum zweiten Male dahinkommt. Dieses Hafenstädtchen ist ein großes Mosaik aus lauter kleinen Blickwinkeln, ein ewiger Regenbogen aus betörenden Pastellfarben, ein verträumtes Atmen poesieschäumender Meeresluft. Es gibt nur wenige Orte, die ich spontan als Wohnort bei einer Wahl ohne Rücksicht auf Beruf und Finanzen sofort wählen würde – Collioure gehört dazu. Auch wenn nur kurz – ein Bad im Meer musste ich hier nehmen, wenn auch das einzige auf dieser Reise. Die Vorstellung, dass hier nur Kopisten das immergleiche Motiv der Wehrkirche am pittoresken Hafen abmalen, kennt die menschliche Kreativität nicht. Schaut man sich in einigen der vielen Verkaufsgalerien um, so stößt man auf eine Schwindel erregende stilistische Vielfalt. Es gibt wohl kaum ein Bauwerk, das in so vielen Facetten künstlerisch variiert wurde wie diese Wehrkirche von Collioure – vom Eiffelturm vielleicht mal abgesehen. Der Inspiration der großen Maler kann man auf dem „Chemin de Fauvisme“ folgen, auf dem die Blickwinkel der Kunstmotive durch einen offenen Rahmen betrachtet werden können. Dazu gibt es ein Abbild der daraus entstandenen Kunstwerke. Es gibt offenbar einen solchen kostenpflichtigen Weg, dessen Eingang ich aber nicht gesehen habe. Andererseits gibt es aber auch solche frei zugänglichen Rahmen. Was wie zusammenhängt, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Vielleicht mal genauer beim nächsten Mal schauen. Die malerischen Ergebnisse der 20 Blickwinkel von Henri Matisse und André Derain findet ihr auf dem Video Chemin de Fauvisme (knapp 2 Min.). Do 23.6. La Clapère - Maureillas-las-Illas - Col du Perthus (271m) - Fort de Bellegarde (420m) - Col de l'Quillat (936m) - St-Jean-des-Albères - Maureillas-las-Illas - La Clapère (ohne Gepäck)55 km | 13,9 km/h | 3:50 h | 1.330 Hm W: bewölkt, sehr kühl, auch teils sehr windig bis stürmisch B: Fort de Bellegarde (außen) 0 € AE (La Clapère): Salat Ziegenkäse/Schinken, Gambas flamb., Eis, Rw 27 € Ü: C La Clapère (FKK) 25 € Was am Vortag innerhalb der Etappe liegen sollte, holte ich an diesem vermeintlichen Ruhetag nach. Die trübe, kühle Witterung war ein herber Kontrast zum Vortag, kündigte sich aber bereits am Abend vorher an. Und der Folgetag war dann auch wieder einen Sonnentag, sodass ein solcher ganzer Tag in nackter Lebensweise so ziemlich daneben ging. Nach dem noch etwas aufgeheiterten und trödeligen Vormittag und der kleinen Reifenpanne beherzigte ich dann das eher Sportliche, in dem ich ohne Gepäck den Col de l’Quillat in Angriff nahm. Für ein noch weitere Fahrt zum Pic Neulos oder gar der gut fahrbaren Piste, die bis zum Col des 3 Hetres führt, reichte es aber nicht mehr. Auch die Forststraße nach Norden, die ich eigentlich vortags aufwärts fahren wollte, nahm ich nicht zur Abfahrt, weil ich mit Blick auf das Abendessen schneller den Berg herunter musste. Die Forststraße machte aber trotzdem einen passablen Eindruck von oben aus gesehen. Nur einen Teil muss ich als Stichstraße fahren. Gegenüber der südlicheren Route aufwärts gibt es für den Rückweg eine nördlichere, welligere Variante über St-Jean. Das Albères-Massiv bietet viel Schatten, die unteren Passagen sind teils stark von Korkeichen geprägt und geben ein uriges Bild ab. Nicht umsonst gibt es in Maureillas ein Korkmuseum, dass ich aber auch verpasste zu besuchen. Nur von außen hatte ich vor dieser Passfahrt noch das Fort de Bellegarde besucht. Die mächtige Festung wurde im 17. Jahrhundert von Vauban errichtet und diente u.a. der Gestapo im 2. Weltkrieg als Gefängnis für Kriegsgefangene. Die steile Rampe zum Fort ist nur kurz, der Col du Perthus an sich ist ein extrem harmloser Pass, allerdings dicht befahren trotz paralleler Autobahn. Spätestens nach der doch überraschend flotten Auffahrt zum Col de l’Quillat und dem Sieg über den Tour Madeloc am Vortag schöpfte ich wieder neues Selbstvertrauen. Bei Rainer (Axurit) hatte ich noch Zweifel geäußert, überhaupt so einen Berg mit rauer Piste wie den Collade des Roques-Blanches (TEIL 3) anzugehen. Zu schlecht schien meine Form, zuviel Zeit hatte ich fast jeden Tag verloren gegenüber geplanten Strecken, zu schwierig schien das alles zu werden. Doch trügte der Eindruck auch unter den Umständen, war dem vielen Wind und den steilen Burgrampen geschuldet, den unerwartet langen Besichtungen und vielen Fotos geopfert. Ich wusste, dass ich insgesamt langsamer als in den Vorjahren war, aber ich wusste nun auch wieder, dass die Bergziege in mir noch lebte. Der schließlich erste gelungene Restaurant-Abend der Reise stimmte mich optimistisch auf neue große Taten ein. Zur Bildergalerie TEIL 2 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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#776643 - 04.12.11 18:19
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: Oktoberkind]
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Wow! Was für ein Bericht – nur den Anfang! Und welch wunderbare Bilder! „Vielleicht kommen die am Rande stehenden Kulturgüter etwas bescheiden weg …“ hattest Du voriges Jahr den Bericht über mein Bordeaux-Freiburg kommentiert. Jetzt weiß ich, was Du gemeint hast. „Wir harren sabbernd der Fortsetzung!“ Dem schließe ich mich an. Und Dank auch für die deutlichen blauen Worte. Bei den Bildern kommt nach meinem Geschmack das Reiserad etwas zu kurz, von dem Velotraum hätte ich gerne mehr gesehen. An dieser Stelle danke ich dir und auch allen anderen hier, die mir teils haarstreubend hochtrabende Belobigungen zukommen ließen. Es freut mich, dass gegen alle Regeln der modernen Kommunikationsneurose des digitalen Klick-hin-klick-weg-Bürgers offenbar sich so viele Forumsleser Zeit für Text und Bilder nehmen. Es freut mich auch, dass es eine deutlich bekennende Front gegen den braunen Schmutz gibt. Ich habe das mal zu meinen Schulzeiten etwas anders erlebt. Insofern nochmals: DANKE! Zum Velotraum-Rad: Es gibt zwar zahllose Bilder davon - das sind aber meist die dokumentarisch notwendigen, aber motivisch reizarmen Bilder. Ich versichere dir aber, das noch ein paar Bilder folgen werden, wo das Rad sozusagen ideale Farbkompositionen mit der Umgebung abwirft. Es gibt tatsächlich in der Serra de Cadí (Teil 5) einen Pass (Col de Pradell), dessen Schriftzug offenbar mit meinen Rad- und Taschenfarben abgestimmt wurde. Typischerweise schlägt dieser Pass mit bis zu 21 % Steigung zu Buche. Wahrscheinlich will jemand mir damit sagen, dass das "MEIN" Pass sein soll. - Naja, etwas harmloser stelle ich mir die idealen Berge schon vor.
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#777610 - 07.12.11 20:21
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Es geht weiter, die Berge werden höher... TEIL 3 Felsorgeln, Apollofalter und ein mythischer Berg: Rund um den CanigouKein Berg der Pyrenäen lebt so sehr von seiner Magie wie der Canigou. Er ist mit 2784 m weder der höchste Berg der Pyrenäen noch der Kataloniens und doch stand er bei den Katalanen lange Zeit im Rang eines heiligen Berges. Schon äußerlich prägt er weite Teile der östlichen Pyrenäen – insbesondere von umliegenden Höhenzügen ist er weithin sichtbar – sogar schon teils auf Strecken, die ich im ersten Teil zurücklegte. Mythen und Legenden ranken sich um den Berg und gefeiert wird der Mythos heute noch in der Johannisnacht auf den 24. Juni, wenn auf dem Berg und in den Orten drum rum weit leuchtende Feuer gezündet werden – um einen Tag verschoben hätte ich gar dieses genauer erleben können. Zu den Rätseln des Berges gehört auch, das einige Flugzeuge abstürzten, weil die Navigationsgeräte nicht mehr funktionierten. Dafür gibt es durchaus irdische Erklärungsversuche, denn der Berg enthält Eisenerz und Mangan, das derlei Spuck durchaus verursachen kann. Auf den folgenden Routen liegt der Canigou natürlich nicht immer im Blick, aber doch sehr häufig. Der nördliche Teil führt auch noch mal ins Feunouillèdes, das auch am Ende des ersten Teils stand, wobei hier die Strecken zwischen der D 117 und dem Têt-Tal sehr einsam ausfallen. Die Landschaft ist gleichmäßiger hügelig, hat weniger die schroff aufsteigenden Felsen. Trotzdem steht unmittelbar am Rande des Têt-Tals eines der größten Felswunder Frankreichs. Mit der Fahrt nach Spanien am letzten Tag dieses Teils beginnt bereits genau genommen der vierte Teil, denn spätestens irgendwo vor dem Grenzpass Col d’Ares enden die letzten Blicke, die man auf den Canigou werfen kann. Im Osten des Canigou gibt es natürlich noch weitere Routen, die sogar näher am Canigou vorbei führen – teils von mir schon in Vorjahren gefahren, wie etwa den weitgehend, aber nicht durchgehend asphaltierten Weg über den Col Palomère/Col de la Descargue von Vinca über Valmanya nach Arles-s-Tech oder wie der Weg durch das Boulès-Tal über den Col Foutou/Col Xatard von Bouleternère nach Amélie-les-Bains. Rainer aus Corneilla wird sicherlich entsetzt sein, dass ich keinen seiner Geheimtipps anfahren konnte, weil ich die ursprünglich beabsichtigte Variante durch das Boulès-Tal gänzlich fallen ließ, um nicht den großen Faden der Tour zu verlieren. Fr 24.6. La Clapère - Maureillas-las-Illas - Le Boulou - Passa – Trouillas – Thuir - Castelnou - Collade des Planes (415m) - Col de Font Roug (?m) - Col de la Croix Falibe (?m) - Ille-s-Têt - Montalba - Col des Auzines (605m) – Sournia81 km | 12,2 km/h | 6:36 h | 1.460 Hm W: heiter, aber dunstig, sehr windig B: Château Castelnou 4,50 €, Les Orgues 2,70 € (b. erm.) E: Rw, Wurst/Schinken d. Region, Grillfleisch, Crème Catalán, Cafe 26,20 € Ü: C La Source 8 € Anfangs führt die Tour durch eine Feld- und Wiesenlandschaft mit Weinbergen, Hohlwegen, kleinen Wasserläufen mit Schilfwuchs und Furten. Das charmante Örtchen Passa hat sich sogar mit einem kleinen Jazzfestival einen Namen gemacht, das am nur einen Tag später stattfinden sollte – als Hauptakteure treten Julien Lourau und Bojan Z auf (die Namen muss jetzt nicht jeder kennen). Bei der nochmaligen Durchfahrt durch Thuir stoße ich auch hier auf ein Mahnmal für die Deportierten aus der Nazi-Zeit. Für die Verpflegung habe ich schon quasi einen „Stammetzger“ am großen Platz in Thuir – er hat auch ausgezeichnete Salate. Castelnou hat nur wenige Einwohner und ist doch ein entdeckungswürdiges Dorf mit anthroposophisch angehauchten Künstlergassen und kleinen Restaurants. Wohl auch ein wenig geschäftstüchtig, aber sicherlich originell sind Produkte nach angeblich mittelalterlichen Rezepten, die man in kleinen Läden zu kaufen bekommt – etwa mittelalterliches Bier. Bestimmend ist aber von Weitem eine mittelalterliche Burganlage – keine Katharerburg, aber auch ein wenig umkämpft gewesen. Sie ist sehr gut erhalten und im Innern kann man sich ein gutes Bild vom Burgleben machen, das anhand von nachgestellten Figuren und Abbildungen plastisch vor Augen geführt wird. Es gibt auch noch einen Galerieraum, in der moderne Künstler ihre Werke ausstellen und ein Bistro mit lauschig-idyllischer Atmosphäre. Die Route nach Ille-s-Têt ist recht offen und daher in der Hitze des Tages kräftezehrend. Da sind mir ein paar schattige Plätzchen in Ill-s-Têt willkommen. Doch der Höhepunkt liegt nördlich der Têt außerhalb der Stadt: Site des Orgues – die Orgelpfeifen. Es ist eine einmalige Felsarena, dessen Besuch per Eintritt unbedingt zu empfehlen ist, auch wenn man einen flüchtigen Eindruck von der Straße oberhalb (nach Bélesta bzw. Montalba) erhält. Durch Erosion, von Oberflächenwasser abgetragen, blieben die Säulen aus Sandstein stehen, die Feenkamine heißen – oder auch: „behütete Mädchen“. Behütet deswegen, weil die Kappen auf den Kaminen die Erosion vorerst verhindern, langfristig werden sie aber alle einstürzen. Das wird zwar nicht morgen sein, aber je früher man diesen Ort besucht, desto besser. Die Feenkamine verändern sich langsamer als die gefurchten Flanken: Wassertröpfchen tragen in der Vertikalbewegung nur einzelne Sandkörnchen oder Tonplättchen nach unten. Dieser ständig wiederholte Vorgang erzeugt fein ziselierte Gebilde – die sog. Orgelpfeifen. Der Wechsel zwischen Hitze und Feuchtigkeit sorgt dafür, dass der Ton im Gestein stark aufquillt und sich wieder zusammenzieht. Das verursacht Risse und Spalten. Dazu kommt es zu Farbvariationen, indem das weiße Tongestein teils durch Eisenoxidation zu Ockerfarben mutiert. Graue und braune Flecken rühren von Flechten und Moosen her, die sich bei Regen grün färben. Im großen Überblick wirkt diese Felsenwelt wie eine afrikanische Savannenlandschaft. Die Perspektiven wechseln in immerzu neue fantastische Kompositionen. Einfach großes Kino! Sa 25.6. Sournia - Le Vivier - Col del Mas (551m) - Fenouillet - Château de Sabarda - Caudies - Lapradelle - Col Camperie (534m) - Lapradelle - Col d'Houmeau (~1040m) - Col d'Aussières (1020m) - Sournia - Col de Roque Jalères (975m) - Prades - Col d'Eusèbe (795m) - Vernet-les-Bains115 km | 13,2 km/h | 8:38 h | 1.990 Hm W: sonnig, heiß B: Château de Sabarda 0 € E (Pizzeria La Fontaine): Salade Nicoise, Tagliatelle Bolognese, Eis, Rw, Cafe 25,50 € Ü: C Les Cerisieres ~ 8 € Der erste Teil von dem Bergörtchen Sournia aus ist eine große Panoramafahrt. Der Canigou nach Süden, das Meer im Osten – ein leuchtendes und spiegelndes Erlebnis in der Morgensonne. Lässt man dieses Panorama hinter sich und gelangt man auf die nördliche Seite des Bergzuges, liegt etwas oberhalb einer Talmulde das kleine Dorf Fenouillet (hat auch einen Camping). Überraschend ist dann, dass hier sogar drei Katharerburgen den Kessel umgeben. Weit gegenüber, nur schwer auszumachen, liegt die Château de Castel-Fizel. Direkt oberhalb das Dorfes wacht die größte Burganlage, die Château de Sabarda, auf die man in einen originellen Fensterblick von der kleinen Ruine der Château Saint-Pierre betrachten kann. Nachdem ich noch eine kleine Extrarunde als Stichtour zum Col Camperie gefahren bin (hier gibt es einen Touristenzug, der ins Aude-Tal nach Axat fährt), zweigt von der verkehrsreicheren D 117 die sehr ruhige und empfehlenswerte Route über den Col d’Aussières ab. Die Château de Puilaurens belasse mit einem Blick von unten, die Auffahrt ist wohl ähnlich lang und steil wie die zu Peyrepertuse. Offenbar wird sie gerne besucht, weil es eine ausgewiesen Gastronomiebetrieb gibt. Während die Nordwestanfahrt des Aussière-Passes durch viel schattige Vegatation mit einem Fluss verläuft, tritt auf der Ostseite die Hochebene um Sournia offen zutage. Ganz ohne Schatten ist auch der Col de Roque Jalères, der für einen anderen Landschaftstypus der Region Pate steht: wild herumgewürfelte Granitblöcke. Eindrucksvoll rückt der Canigou über dem Têt-Tal näher ins Auge. Auf der Strecke komme ich auch noch mit einem holländischen Reiseradler ins Gespräch. Prades bildet ein wirtschaftliches Zentrum am Übergang zwischen dem flacheren, fruchtbaren Têt-Tal und der meistbesuchten Hochgebirgsregion von Pyrénées-Orientales. Diesmal finde ich keinen Markt in dem Exilort des einst politisch engagierten Cellisten Pablo Casals vor, dadurch ist alles etwas geruhsamer als in meiner Erinnerung. Auf dem Weg zum geschäftigen Kurort Vernet-les-Bains, der bereits Bergatmosphäre ausstrahlt, liegt noch ein recht opulentes Kloster, das Abbaye St-Michel, dem ich aber keinen ausführlichen Besuch abstatte. So 26.6. Vernet-les-Bains - Casteil - Col de Jou (1125m) - Py - Col de Mantet (1761m) - Les Clots/Coulibet (1926m) - Collade des Roques Blanches (2252m) - Coll des Molles (2101m) - Pla des Basses (1708m) - La Preste - Prats-de-Mollo67 km | 8,3 km/h | 7:54 h | 2.075 Hm W: sonnig, heiß, später bewölkt E: Pizza Catalán, Crêpes Mandel/Honig, Rw, Cafe 18,80 € Ü: C Municipal 0 € Der Col de Jou ist bereits eine Härteprüfung am frühen Morgen. Die Straßen windet sich eng nach oben. Auf der Passhöhe finden sich diverse Verzweigungen von Pisten. Die Orientierung ist etwas schwierig anhand der Wegweiser. Offenbar führt die zumindest hier relativ flache und mit Auto befahrbare Piste auf einem Umweg zur bewirteten Hütte Mariailles, während der Wanderer einen direkteren, steilen, ausgewaschenen Weg einschlagen kann. Im Anschluss daran kann man zum Canigou aufsteigen oder über Pla Guillem weiter nach Süden. Nach meinen Recherchen ist ggf. auch hier eine Überfahrt ins Tech-Tal möglich, entweder über eine Höhenroute quer zum Collade des Roques Blanches rüber oder direkt zum Col de la Regina (vermutlich zu schwierig). Inwiefern diese Varianten nur für Hardcore-MTBer oder doch auch für gewöhnliche, bergerfahrene Reiseradler machbar sind, muss hier weiter unbeantwortet bleiben. Wie ich später mir selbst am Collade des Roques Blanches ein – allerdings nur kurzgreifendes – Bild machte, müsste zumindest die Höhenroute von oder nach Pla Guillem durchaus fahrbar sein, wenngleich Glattbereifte wie ich da nicht so richtig hingehören. Von dem gut besuchten, weil von campenden Wanderern bevölkerten Col de Jou führt eine passable Piste (etwas zu sandig) ins Tal zur asphaltierten Straße von Sahorre nach Py bzw. zum Col de Mantet. Am Col de Jou angekündigt, ist diese Region ein Flatterrevier von Apollofaltern. Anfangs hatte ich am Col de Jou kein Glück, am Col de Mantet zeigten sie sich dann aber massenhaft. Überhaupt entwickelte sich der Col de Mantet zu einer eindrucksvollen Fahrt – auch in sportiver Hinsicht. Dieser Pass erfordert extreme Berghärte – es war letzlich der schwierigste Teil des ganzen Tages. Am Col de Mantet parken viele Wanderer, um etwa die zunächst recht einfache Piste (fester Untergrund, geringe Steigung) in Richtung des Collade des Roques Blanches zu begehen. Die Landschaft hier ist überwältigend – mit den Bergpanoramen immer wieder auf den Canigou, den Blumen und Schmetterlingen, den Steinblöcken umher. Je näher zur unbewirteten Hütte les Clot/Coulibet hin, desto mehr breiten sich große Flächen gelben Ginsters an den Hängen aus. An der Hütte (1926 m) – insgesamt im Innern nicht sehr einladend – befinden sich Grillstelle und Brunnen – sicherlich auch ein geeigneter Platz zum Übernachten. Auf der Wiese vor der Hütte lassen sich auch mehrere Zelte aufstellen. Auch der Bergfluss, in Kaskaden herabfallend, bietet einige ausgeformte Wannen, die man ggf. zum Baden nutzen könnte. Noch eine weiteres Stück ist einfach zu fahren, mit Höhenmeterverlust. Der Weg wird zunehmend grasiger. An einer nächsten scharfen Biegung steigt nunmehr die Piste endgültig steiler an. Soweit ich im grasigen oder erdigen Teil noch gut Halt finde, auch wenn die Furchen immer tiefer werden, bekomme ich weiter oben immer mehr Probleme mit lockerem Gestein. Ich muss häufig die Fahrspur wechseln, um geeigneten Untergrund zu haben, und auch hin und wieder absteigen. Noch kann ich aber nach kurzem Schieben über einen Steinblock wieder Anfahren, noch weiter oben – jenseits von Felswänden und in offener Berglandschaft mit Enzian und Alpenrosen nebst samtweichen Grasteppichen – werden dann längere Schiebepassagen notwendig. Hier ist aber das Ende langsam absehbar, der Pass liegt – wie namentlich zu erwarten – in einem ungeordneten Meer von hellem Gestein – eine Mondlandschaft. Internetrecherchen zufolge sollte die Südseite ins Tech-Tal einfacher sein – die Nordseite hingegen wurde nahe der Unfahrbarkeit beschrieben. Doch trat unerwartet eher das Gegenteil ein, denn die Abfahrt war alles andere als einfach. Nach scheinbar kurzer, stabiler Piste folgen Auswaschungen und lockeres Gestein von solch üblem Charakter, dass ich etliche Stellen runterschieben musste. Das scheinbar nah unten liegende Tal entfernte sich zeitlich immer mehr in die Dämmerung. Sind auf der Nordseite etwa 150-200 Hm kritisches Geläuf, aber doch noch akzeptabel, so sind auf der Südseite mindestens 350 Hm so miserabel, dass ich mir eine Auffahrt mit Reisegepäck nicht vorstellen kann. Trotz der problematischen Abfahrt würde ich daher nur die Nord-Süd-Querung weiterempfehlen – auch ist der Erlebnisfaktor so größer. Die hier im Forum geäußerte Ansicht, dass der Pass auf der Nordseite nicht mit Hänger befahrbar ist, kann ich allerdings nachempfinden, weil ein solches Gefährt nicht wendig genug ist. Der Asphalt beginnt auf der Südseite etwa bei 1650 m, die Straße ist dann breiter als die zum Col de Mantet auf der anderen Seite. Landschaftlich ist die Südseite weniger reizvoll, insbesondere die Hochgebirgsvegetation ist deutlich schwächer ausgeprägt. Der untere Bereich taucht in vogelreiche, feuchte Wälder ein. Die Zeiteinteilung ist insgesamt schwierig. Wer aber eine andere Etappeneinteilung plant – Wildcamping an der Hütte oder morgendliche Abfahrt in Sahorre (Camping) und somit ohne den bereits schwierigen Col de Jou als Vorprogramm, der dürfte diesen Pass auch zeitlich „angenehm“ in Griff bekommen. Zusätzliche Wanderungen etwa ab der Hütte sind durchaus eine lohnenswerte Überlegung wert. Ich selber erreiche Prats-de-Mollo zwar im Dunkeln, aber immerhin noch rechtzeitig für eine späte Pizza. Mo 27.6. Prats-de-Mollo - Col de Saous (998m) - Le Tech - Prats-de-Mollo - Col de la Seille (1185m) - Col de la Guille (1194m) - Col d'Ares (1513m) - Camprodon - Coll de Capsacosta (870m) - Castellfollit de la Roca - Sadernes - Montagut (Camping)100 km | 14,4 km/h | 7:03 h | 1.225 Hm W: sonnig, heiß E: Salat, Maccharoni (take away Sonderservice), 7 €, Roséwein geschenkt Ü: C Montagut 9,65 € Wem das Tech-Tal zu verkehrsreich ist, der wird um Alternativen suchen. Die Strecke über den Col de Saous ist eine sehr ruhige, auch bei großer Hitze geeignete, weil schattige Route. Man kann diese verästelte Nebenroute auch noch weiterführen bis Arles-s-Tech. Sekbstvertändlich bietet sich das am besten für jene an, die das Tech-Tal aufwärts fahren wollen, um nach Spanien zu gelangen. Die Route über den Col d’Ares dürfte in Reiseradlerkreisen recht bekannt sein – es ist in jedem Fall eine sehr gepfelgte Route, mit geordneten Birkenalleen z.B. und oben mit viel Panorama und Blumenwiesen. Landschaftlich lässt sich sich der erste spanische Abschnitt irgendwie schwer einordnen, der eigentliche Bruch in eine neue, charakteristische Region beginnt in Sant Pau de Segúries mit dem flachen Anstieg zum Coll de Capsacosta und einer sanften Hügellandschaft aus vielen bewaldeten Kuppenbergen, die eben die mittlerweile befriedeten Vulkankegel bemänteln. Sowohl dies- als auch jenseits der Grenze finden sich mit Prats-de-Mollo und Camprodon je eine Stadt, die einen ausgiebigen Stadtrundgang rechtfertigt. Prats-de-Mollo machte sich einen Namen als Schmugglernest und sorgte im 17. Jahrhundert für Aufsehen, als die rebellischen Einwohner die königlichen Steuereintreiber lynchten. Heute kommen harmlose Rentner gerne ins Tal, weil das Klima günstig ist. Der Baumeister Vauban verlieh dem Ort mit den Stadtmauern das äußere Gesicht, aus der selben Sonnenkönig-Epoche stammt auch das Fort Lagarde, das über der Stadt thront. Das auffälligste Bauwerk in Camprodon ist die Bogenbrücke Pont Nou, an der bei meiner Ankunft gerade Fernseh- oder Filmaufnahmen gedreht wurden. Ein kleines Museum ehrt einen der bedeutendsten Komponisten Spaniens – Isaac Albéniz – in dessen Geburtshaus. Bereits exemplarisch für das Vulkanland, erhebt sich Castellfollit de la Roca über mächtigen Basaltfelsen und ist damit ein begehrtes Ausflugsziel. Trotzdem ist die Region touristisch nicht so gut erschlossen – auffällig sind zahlreiche Restaurantschließungen, die auch ein Zeichen der schwierigen spanischen Wirtschaftslage sind. Diese Beobachtung setzte sich im Verlauf der Reise noch weiter fort. Weit und breit ohne Essgelegenheit, erbarmte sich immerhin der Campingbetreiber, noch etwas Fastfood für mich anzurichten, obwohl schon alles geschlossen war. Eigentlich ungewöhnlich für Spanien, zumal der Camping doch recht gut besucht war und auch einigermaßen komfortabel wirkte. Zur Bildergalerie TEIL 3 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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Geändert von veloträumer (12.02.19 19:26) |
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#777626 - 07.12.11 20:41
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Technischer Fehler behoben
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Geändert von veloträumer (12.02.19 11:18) |
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#777694 - 08.12.11 07:23
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias, ich habe mir erlaubt deinen Bericht zu kopieren und als ein Dokument zusammenzufassen. Wenns dann fertig ist, lese ich es gemütlich auf dem Sofa bei einem leckeren Roten.
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + |
Geändert von Juergen (08.12.11 07:23) |
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#777973 - 09.12.11 07:56
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hi Veloträumer,
Du bist eine echte Nervensäge, Deine Erzählung ist so liebe- und ausdrucksvoll, dass mir jedenfalls Deine Fahrt in den Pyrenäen nicht mehr aus dem Kopf will. Ich glaube auch, die Ursache dafür gefunden zu haben: diese Geschichte inspiriert, sie löst ständig neue Impulse und Gedanken aus, man schließt nichts ab, sondern steigt ständig wieder ein und knüpft die vielen gelegten Fäden weiter.
Ich finde Deine Art zu reisen und darüber zu berichten sehr eindrucksvoll, anregend und bereichernd.
Herzlichen Dank dafür.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. |
Geändert von kettenraucher (09.12.11 07:58) |
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#778338 - 10.12.11 20:17
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Nachdem ich das Problem der Bilddarstellung unverstanden gelöst habe, geht es nun hoffentlich wieder mit gewohntem "Layout" weiter. TEIL 4 Vulkanland, Grüne Wege, Kohle und Eisen, steile Nischenpässe: Garrotxa und RipollesDie beiden Regionen Garrotxa und Ripolles unterscheiden sich zwar in ihrem typischen Landschaftsbild deutlich, trotzdem sind die Übergänge ziemlich fließend und schwer abzugrenzen. Da mein Tourverlauf auch hin und her wechselte, bot sich diese Zusammenlegung an. Die Vulkanlandschaft Garrotxa ist sanft behügelt und insgesamt auf niedrigem Niveau alles andere als eine typische Hochgebirgslandschaft und insofern mehr ein „echtes“ VORgebirge der Pyrenäen. Anders als z.B. beim Corbières fehlt hier das Raue und Felsige, das dem Corbières als nordöstliches VorGEBIRGE eher ein „gebirgiges“ Aussehen verleiht. Aus der Radperspektive erlebt man diese Landschaft zuweilen nur beiläufig, die Fauna und Flora müsste man zusätzlich per pedes erkunden. Diese Wanderwege sind offenbar meist einfach und breit auch mit Rädern befahrbar, vermutlich auch mit einem bepacktem Reiserad (aber nicht immer erlaubt). Für die attraktivsten Wege zu den Vulkanen Santa Margarida und Croscat fehlte mir aber abends die (geeignete Tages-)Zeit. Der beste Blick auf die Krater eröffnet sich eigentlich erst aus der Vogelperspektive – man müsste also fliegen – kann mein Rad allerdings noch nicht. Ripolles hingegen ist schon stark durch felsige, vielfach offen gelegte, empor gedrückte Erdschichten geprägt. Zwar bleiben die Höhen der Pässe eher auf Mittelgebirgsniveau, im Gegensatz zu den leichten Garrotxa-Pässen stehen hier aber dem Radler zahlreiche Anstiege vor Augen, die zu den härtesten in den Pyrenäen zählen. Es ist gewissermaßen logisch, dass sich diese Pässe abseits der bekannten „Vies Verdes“ – stillgelegter, heute für den Radverkehr geöffneter Bahntrassen – befinden. Man kann die Region also auch deutlich einfacher durchqueren, doch lohnen sich die schwierigen Abwege landschaftlich durchaus. Di 28.6. Montagut - Ponte Romano Montagut/Sadernes - La Comet - Besalú - Banyoles - Collet de Colitzà (?m) - Santa Pau - Coll de Casselles (?m) - Olot – Joanetes84 km | 13,3 km/h | 6:08 h | 965 Hm W: sonnig, sehr heiß E (Olot): Roséw, Pilze m. Kart./Wurst/Käse, Schweinefilet m. Sherry flamb., Kart., Spargel, Rw, weiße Schoki m. Eis 31,30 € Ü: C wild 0 € Vom Campingplatz lohnt sich noch ein Abstecher 1-2 km in Richtung Sadernes zur Pont de Llierca – einer Bogenbrücke aus dem 14. Jahrhundert mit Badestelle. Die weiteren, in spezielleren Reiseliteratur empfohlenen Wandermöglichkeiten am Ende des Tales in Sadernes habe ich allerdings nicht mehr ausgelotet. Zwischen dem Abzweig für Montagut/Sadernes und dem Abzweig zum See von Banyoles (bereits vor Banyoles!) fährt man neben, bzw. ab Besalú auf verkehrsreicher Straße. Ab Besalú ist es absolut flach und daher die Strecke ggf. bei flottem Tempo schnell abzuhaken. Allerdings sollte man eine Besichtigung des denkmalgeschützten Städtchens Besalú nicht auslassen. Zum mittelalterlichen Stadtkern gehören zahlreiche Arkadenhäuser, Zeichen eines frühen Wohlstandes als Sitz von Grafschaft und Bischof. Auf der großen Placa de la Llibertat werden gerade bei meinem Eintreffen Marktstände aufgebaut. Gelegenheit sich mit Wurst-, Schinken-, Käse- und eingelegten Spezialitäten zu versorgen. Großes Amüsement verursache ich bei mehreren alten Herren, als ich ausgerechnet ein altes Moped mit Einkaufskorb am Lenker fotografiere – gibt es doch soviel „hochkarätigere“ Sehenswürdigkeiten umher. Der Besitzer des Mopeds bekommt leicht spöttischen Applaus. Jenseits der romanischen Bogenbrücke aus dem 11. Jh. befinden sich die Busparkplätze mit Sightseeing-Bähnle und Brimborium, womit ich anmerken möchte, dass man in dem malerischen Städtchen vor allem tagsüber nicht gerade einsam dahinträumen kann. Der See von Banyoles ist heute ein gepflegtes Erholungsrefugium mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten. Dabei kann man zwischen idyllischen naturgeschützten Plätzen, gepflegten Parkanlagen oder stärker bevölkerten Aktivzonen wählen. Dazu gehört auch eine Regattastrecke, auf der die Ruderwettbewerbe der Olympischen Spiele 1992 (Barcelona) ausgetragen wurden. Auf der westlichen, weitgehend naturgeschützte Uferzone gibt es zahlreiche Quellen, die hier aus ebenem Boden hervorquellen und eine besondere, farnreiche Vegetationszone schaffen. Das Quellgebiet steht im Zusammenhang mit den Vulkanen, die unmittelbar mit zahlreichen kleinen Kuppenbergen zwischen bewirtschaften Feldern die Landschaft westlich des Sees prägen. Gewissermaßen in den gehobenen Regionen der Vulkanlandschaft befindet sich das beschauliche Zentrum für Vulkanwanderer und Low-Life-Touristen – Santa Pau. Das ansässige Lava-Museum hat leider schon geschlossen, sowie ich auch später in Olot auf den Besuch des dortigen Vulkanmuseums verzichten muss. Man möchte eigentlich hier am Fira dels Bous (Ochsenmarkt) sich unter den schweren alten Balken an den einladend gedeckten Tischen der Restaurants niederlassen, diese Luft der entspannten Historie des Ortes einatmen und dazu ein Fesols-Gericht verspeisen. Das sind Variationen rund um die Weißen Bohnen, eine über die Grenzen des Ortes hinaus berühmte lokale Spezialität. Die besten Bohnen soll es aber im Januar geben, wenn auch eine entsprechende Fesolada-Fiesta für stimmungsvolle Entgasung sorgt. Noch aber neige ich zum ungeduldigen Radreisenden, der seine nicht gehaltenen Streckenvorgaben weiter dahinschwimmen sieht und zwinge mich zur Weiterfahrt ohne Abstecher zu oben beschriebenen Vulkanen in die wesentlich lebhaftere Vulkanmetropole Olot. In Olot gibt es dann auch weniger ein historisch relevante Architektur zu sehen als vielmehr eine moderne, lebendige Einkaufsstadt mit Fußgängerzonen, verzierten Bürgerhäusern, geruhsamen Parkanlagen und vornehmen Villen. Auch ist Olot traditionell ein Zentrum der Malerei. Die Oloter Schule steht für Landschaftsmalerei im 19. Jh., die zu dem Bedeutendsten der katalanischen Kunst gehört. Ihre Inspiration bezogen die Maler vor allem aus der blumen- und schmetterlingsreichen Farbenwelt der Vulkanlandschaft umher. Hier und da sitzt die Schickeria aus Alt und Jung in den zahlreichen Bars und Restaurants. (Ich esse nach dem Rundgang gleich statusgemäß dort, wo ein gelbes stilisiertes Metallfahrrad mit jubelnder Figur auf dem Sattel neben der Speisekarte mich wohl anlocken sollte. ) Gleich daneben oder eine Ecke weiter lümmeln Ärmere um Brunnen herum, andere verfolgen von mit Lumpen abgehängten Schlafzimmern auf den Dachterrassen das Treiben weiter unten auf den Plätzen und in den Gassen. Ein Farbiger spricht mich an „Where do you come from?“ – Meine Antwort “Germany” lässt ihn ins Schwärmen geraten. „Bring me to Germany, please!“ ist sein Wunsch und nicht wirklich ein Witz. Er frägt mich nach den Jobchancen in Deutschland bzw. Stuttgart – „It must be better!“ Natürlich hat er auch schon was von der Daimler-Stadt am Neckar gehört. Ich kann nicht umhin, ihm die Illusion aus den Segeln zu nehmen und ihn mit meiner pessimistischen Weltsicht zu konfrontieren. Er möchte aber nicht glauben, dass ich die Realsituation in Deutschland nicht wirklich wesentlich besser ansehe, Statistiken hin oder her. Er beklagt die massive Arbeitslosigkeit in Spanien. Die anderen Bekannten um ihn rum sind offenbar vom gleichen Schicksal getroffen, auch den Kindern merkt man trotz der Fröhlichkeit und bunten Kleidchen die Armut an. Erstaunlich, dass hier – eigentlich ja in der Bergwelt – die sozialen Probleme so dringlich in das Straßenbild einer Nur-20.000-Einwohner-Stadt rücken. Sichtbar ist auch das Problem der Fremdarbeiter aus Nicht-Europa, die im spanischen Wirtschaftsboom ohne Bildungsintegration und mit Lohndumping nach Spanien geholt wurden und nun zur spanischen Jobkrise merklich beitragen – abgesehen von den sogar gut ausgebildeten Spaniern selbst – weit hinein in die Akademikerwelt, die auf der Straße bleiben oder mittlerweile die Jobs ausführen, die früher jene Fremdarbeiter verrichtet haben. Ein Beleg dafür, das Booms und Hypes der Feind von Nachhaltigkeit sind – geeignet für Showtreppchen, aber nicht für Wirtschaft und Politik. Es wird noch dauern, bis das wirklich verstanden sein wird. Daran krankt noch der gesamte Globus. Mi 29.6. Joanetes - Coll de Bracons (1148m) - Sant Pere - Sant Quirze - Coll de Vidra (1010m) - Vidra - Collada de Collfred (1326m) - Olot (+)96 km | 11,8 km/h | 8:09 h | 1.790 Hm W: warm, leicht windig, später bewölkt, kühler B: Pont/Salt del Moli 0 € E: Kroketten m. Hähnchenpaste, Entrecôte, Kart., Spargel, Roséw, Schokotorte, Cafe 25 € Ü: C wild 0 € An diesem Tag gibt es keine ausgesprochenen Ortsbesichtigungen, auch abends fahre ich nur an den Stadtrand von Olot zum Essen. Wie schon am Anfang dieses Kapitels geschrieben, merken die Pässe Coll de Bracons und Collada de Collfred durch ihre Steigung auf. Von spanischen Rennradlern werden die jeweiligen Ostanfahrten als „fast unüberwindbare Wand“ beschrieben. Tatsächlich muss man sich anstrengen und die Westseiten sind weniger steil. Der Coll de Bracons windet sich so z.B. auf sehr verwinkelte Weise in gewissen Wellen durch eine Felslandschaft nach unten, während die Ostauffahrt solche Umwege nicht macht. Die Strecke ist wenig befahren, zumal es nahebei eine neue Schnellstraße mit Tunnel gibt, die auf meiner Karten noch nicht verzeichnet ist. Auf der Passhöhe stehen trotz des frühen Morgens bereits einige Autos – von hier aus führen bei Insidern beliebte Wanderwege weg. Der Grund liegt auch in einem Tier: Der Isabellaspinner, ein sehr seltener Schmetterling, der nur in Kiefernwäldern lebt, soll hier zu finden sein. Ob ich mit einer Fußexpedition Erfolg gehabt hätte – ich werde die Götter befragen müssen. Der Coll de Vidra bildet eine Art Zwischenpass, die offene Westseite hat mich in großer Sonnenhitze sehr gefordert. Kurz nach dem Pass liegt der gleichnamige Ort mit ein paar kleinen touristischen Einrichtungen, die es ermöglichen, von diesem Ort aus diverse Wanderungen zu machen. Ich bin per pedes zu dem Wasserfall Salt del Moli gelaufen – es braucht schon eine gewisse Zeit (exakte Dauer weiß ich aber nicht mehr), lohnt aber nicht nur als Fotomotiv, denn es ist auch ein romantischer Badeplatz. Nahebei gibt es noch eine alte Bogenbrücke. Der Collada de Collfred ist dann nicht wirklich mehr die ganz große Herausforderung, wenngleich nicht leicht. Mit seinen überwuchernden Bewuchs im unteren Bereich ist es eine traumhafte Strecke, die mehr Schutz vor Sonne bieten würde. Aber just ist sie natürlich mal wieder verschwunden. Im Bereich der Passhöhe (Achtung, zwei ähnlich hohe Kuppen mit Zwischenabfahrt – nicht zu früh freuen! ) ist das offene Weideland zunächst nur Durchschnitt, aber die Westseite ist dann nach ein paar Kühen als Zuschauer wieder eine sensationelle Strecke mit schnell wechselnder Flora bei enger Straße, mit Felsen, an denen die Beine zentimeternah vorbeifliegen, wenn sie nicht gar Klumpen auf der Straße liegen und ein weites Bergpanorama nach Süden, dass hier wieder ganz anders wirkt als bei der Auffahrt am gegenseitigen Coll de Bracons. Das Gefälle dürfte hier noch höherprozentiger sein als an der Westseite des Bracons-Passes – harte Kerle sollten als umgekehrt zu meiner Richtung fahren – landschaftlich wohl auch die bessere Wahl. Do 30.6. Olot (+) - Coll de Coubet (1010m) - Coll de Canes (1120m) - Coll de Coubet - Coll di Santigosa (1064m) - Sant Joan de les Abadesses - Ogassa - Collada de San Camps (1252m) - Coll de la Torre (~1295m) - Coll de Jou (1697m) - La Portella/Coll Pan (1329m) - Bruguera - Ribes de Fréser - Planoles – Toses79 km | 10,2 km/h | 7:44 h | 2.100 Hm W: meist bewölkt, eher kühl E: SV Ü: C wild 0 € Die ersten Pässe des Morgens sind unspektakulär und einfach zu fahren. Den Col de Canes fahre ich als Stichstraße, ohne nach Ripoll durchzuradeln und kehre wieder zum Coll de Coubet zurück. Am Coll di Santigosa stoße ich erstmals auf Hinweise zu den Vies Verdes. Unten im Tal fahre ich dann von Sant Joan de les Abadesses nach Ogassa auf der sogenannten Eisenroute (Ruta del Fer) eine solche Strecke nach. In diesem Bereich gibt es eine vorbildliche Dokumentation des ehemaligen Bergbaus und den angeschlossenen Produktionsbetrieben. Viele Relikte aus dem damaligen Bahnbetrieb sind renoviert worden, Brunnen, Picknick- und Rastplätzen machen die Route zu einer touristischen Einrichtung, bei der man trotzdem keine Massenanstürme befürchten muss. Zwar sind nicht alle Streckenabschnitte asphaltiert, dafür ist aber die Schotterauflagen gut gewalzt. Entgegen der Erwartung findet sich auch eine steile Rampe – diese veranschaulicht, wie die Kohle aus den höher gelegene Abraumschichten auf die unten stehenden Wagen befördert wurde. Alternativ kann man selbstverständlich auch auf der unterhalb verlaufenden Straße nach Ogassa fahren – in diesem Fall lohnt aber die Via Verde schon wegen ihrer lehrreichen Stationen . In Ogassa endet die touristische Route. Man kann noch mal Einkehren und Zurückfahren. Wer weiter fährt, dem sollten steile Rampen ein Begriff sein. Zwar gibt es auf der über mehrere Hochpunkte führenden Strecke über den Coll de Jou (nicht mit den gleichnamigen Franzosen verwechseln, der Passname wird geradezu inflationär verwendet) immer wieder erholsame Flach- oder mäßige Abwärtspassagen, dafür muss man aber hin und wieder 15%-Steigungswerte überschreiten. Die Landschaft finde ich auf weiter Strecke eher etwas mittelmäßig, nicht mehr weit vom Coll de Jou entfaltet sich aber eine sehenswerte Hochgebirgsaura. Leider verschwimmt das Panorama etwas unter dem trüben Himmel des Tages. Zu den vielen Streichungen auf meinem Plan gehört auch ein Abstecher ins Vall Núria, das von Ribes de Freser überhaupt nicht einsehbar ist. Getrieben vom Ehrgeiz versuche ich noch möglichst viele Kilometer auf der sanft ansteigenden N 152 in Richtung Toses-Pass zu machen. Der Verkehr ist zumindest in der Abendzeit hier nicht so stark wie man vielleicht für eine zentrale Verkehrsachse in die Cerdagne befürchten könnte. Etwas ignorant schlage ich den letzten denkbaren Camping (Planoles) aus und hoffe wider dem Kartenwissen auf eine Art Nahrungsquelle an der Strecke. Doch hier ist außer Straße nichts. Schließlich nutze ich den letzen Abzweig ins Tal (Fornells) und verschieße somit etliche Höhenmeter. In den kleinen Orten unten gibt es zwar da und dort so etwas wie Restaurants – doch keines hat geöffnet. Für immer geschlossen oder einfach, weil keine Konjunktur usw. In Toses ist Ende mit einfachem Anstieg und es ist dunkel. Weiter möchte ich nicht in den Berganstieg gehen, zumal auch auf der Passhöhe keine Einkehrmöglichkeit zu erwarten ist. Andererseits wäre ich jetzt schon auf der Passhöhe, wenn ich das Gesuche und diese Talzwischenfahrt ausgelassen hätte. Nun ja, mal wieder müssen Restvorräte aus den Taschen für eine unbefriedigendes Kaltmenü herhalten. Ob der vielen geschlossenen Restaurants (gleich am Bahnhof von Toses ist ein solches) war ich ein wenig angesäuert. Auch ist die steile Umgebung (Toses selbst hat Dorfstraßen von annähernd 20 %) nicht zum Wildcampen geeignet. Letztlich habe ich irgendwo im auslaufenden Bahnschotter mit dürftigem Krautwuchs das Zelt gerade so eben festmachen können. War alles eine bisschen trostlos – aber das muss man ertragen können, wenn man jedes kleine Tageslicht für ein wenig mehr Tagesstrecke nutzen will, weil mal wieder die Berge mehr Tribut gefordert haben als mein altersschwacher Körper hergeben möchte. Nachzutragen sei, dass sich ein Rundgang durch Sant Joan des Abadesses lohnt. Gebaut wurde das Städtchen um ein Kloster herum. Die gotische Brücke über den Ter ist mit 33 m die längste mittelalterliche Brücke in Spanien. Gewissermaßen habe ich mir die Belohnungen des Tages schon vor den großen Taten geholt – wie bereits eingangs beschrieben in der empfehlenswerten Konditorei Salvat. Zur Bildergalerie TEIL 4 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
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#779139 - 13.12.11 19:12
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Es geht weiter mit Sommerlichem in der Adventszeit... TEIL 5 Riesencroissants, Modernisme, Felsenwunder und Mountain Banking: Von der Serra del Cadí-Moixeró nach AndorraIm Folgenden handelt es sich eigentlich um zwei unterschiedliche Landschaftstypen, die sich durch die Talenge auf dem Weg nach Andorra sogar gut abgrenzen lassen. Aus pragmatischen Gründen fasse ich aber beide Teile zu einem Kapitel zusammen. Die Serra del Cadí-Moixeró ist von Felsschichten geprägt, die zu Bergen empor gedrückt wurden. Ein bedeutender Teil besteht dabei aus rotem Gestein. Der markanteste Berg ist der Pedraforca mit seinem Doppelgipfel, der gewissermaßen mitten in dem Naturpark steht, der wesentliche Teile des Gebirges umfasst. Senkrecht aufsteigende Felswände sind ebenfalls typisch. Es gibt zahlreiche Pässe, die relativ einfach zu fahren sind, aber auch ein paar sehr schwierige Nischenpässe – u.a. weil die Spanier zunehmend entlegene Pisten zu Straßen ausbauen, um sie für neue Skigebiete zu erschließen. Dazu kommen noch zahlreiche Pisten, deren Zustand wohl auch teils reiseradgeeignet sind – ich konnte jedoch keine solcher Pisten richtig testen. Trotz eines zaghaften Sommertourismus in der Region ist der Verkehr äußerst gering. Andorra ist bekannt für sehr schmale, tief, eingeschnittene Täler, an deren Hängen bis in geradezu „artistische“ Steillagen gebaut wird. Trotzdem sind aufregende Felslandschaften selten und die Landschaft weit weniger spektakulär, die Vegetation bescheidener als in den Nachbarregionen. Für den durchreisenden Radler ist Andorra oft nur ein notwendiges Übel, ein kommerzielles Verkehrsmoloch mitten in den Bergen. Dass dieses exotisch anmutende Steuerparadies und Bankenrefugium durchaus auch seine schönen Seiten im Landesinnern hat, soll meine Route belegen. Fr 1.7. Toses - Collada de Toses (1800m) - (La Molina) - Coll de la Creueta (1900m) - Castellar de N'Hug - La Pobla de Lillet - La Consolacio - Figols - Coll de Fumanya (1647m) - Coll de Pradell (1728m) - Coll Ginebrer (1740m) - Coll de la Trapa (1321m) - Saldes - Camping Repos del Pedraforca91 km | 11,6 km/h | 7:43 h | 1.980 Hm W: sonnig, eher heiß, abends kühl B: Fonts des Llobregat 0 €, Jardins Artigas 4 € E: Kart.kroketten m. Sauce, Rw, Hähnchenbrust, PF, Salat, Eis, Cafe 17,30 € Ü: C Repos del P. 19,90 € Es sei darauf hingewiesen, dass der Collada de Toses eine gestreckte Passhöhe ist, die man einerseits über die gleichmäßig leicht ansteigende, am Hang verlaufende N 152 erreichen kann, aber auch über die Regionalstraße GIV-4016, die zunächst unterhalb in der Talsohle neben der Eisenbahn verläuft und ab Toses (Bahn durch Tunnel) stärker ansteigt und dabei eine halboffene Berglandschaft empor führt, um oben auf die Querverbindung von der N 152 nach La Molina zu treffen. Hier steht auch ein Passschild, vermutlich steht wenig weiter an der N 152 auch eines. Ohne Höhenmeterverlust gelangt man über eine Höhenstraße zum Abzweig zum Coll de la Creueta in Richtung Süden, La Molina bleibt dabei zur Rechten mit seiner wohlgeordneten Chalet-Bauweise im Zeichen eines Skiortes unten im Tal liegen. Der Creueta-Pass ist ein sehr mäßig ansteigender Pass, an dem man sich durch die offenen, grünen Grasteppiche der Bergwelt panoramareich bewegt. Anfangs stören noch ein paar Liftanlagen, die aber schnell aus dem Blickfeld verschwinden. Bei den Liftanlagen erhalte ich in einem Bistro Kaffee und Sandwich, anbei gibt es geräumige Toilettenanlagen. Das ist auf meiner Route auf ca. 50 Kilometer die einzige Verpflegungsinsel! Noch bei der Auffahrt sehe ich meine ersten Pyrenäen-Murmeltiere. In den Alpen sind sie auf meinen Touren in den Höhenlagen immer präsent gewesen – auf meinen bisherigen Pyrenäen-Touren hingegen blieben sie immer versteckt, um nicht zu sagen, dass ich sie nicht mal gehört habe. Das ist doch etwas verwunderlich, gelten die Pyrenäen doch als wilder und unberührter als die Alpen. Sind Murmeltiere in den Pyrenäen seltener als in den Alpen? – Oder liegt es ggf. daran, dass es weit weniger Pässe gibt, die in Murmeltierhöhe vorstoßen? Mit der Passhöhe am Creueta beginnt der Naturpark Cadí-Moixeró (Symbol: Schwarzspecht, leider nie gesehen). Die Landschaft ist nun felsiger wie schon oben beschrieben, erste Eindrücke nach dem Pass erinnern sogar an das Campo Imperatore im Apennin. Schon weithin sichtbar gelangt man über weitläufige Kehren nach Castellar N’Hug. Das schmucke Örtchen fällt mit seinen kulinarischen Spezialitäten auf. Neben Wurst, Honig, Marmelade, Käse u.a. gibt es sog. Croissants gigantes, von denen eines einer ganzen Familien ausreichend Frühstück liefern würde. Sie sollen bis ca. 1 kg wiegen – also nichts für den Reiseproviant. Etwas abseits des Ortes steht eine riesiges Monument moderner Kunst – ein stilisierter katalanischer Schäferhund. Er spielt auf den alljährlich Ende Juli dort stattfindenden Schäferhundewettbewerb an. Etwas weiter unterhalb von Castellar N’Hug bei einem Hotel befinden sich die Quellen des Llobregat, die sich über mächtige Wasserfälle ins Tal ergießen. Dazu muss man einen kurzen Stichweg einfahren, der bis zu den Wasserfällen führt, die man per kleinem Fußweg bewandern kann. Noch im Gemeindebereich von Castellar, aber bereits näher am nächsten Ort, liegt rechter Hand ein riesiger, scheinbar verfallener Bau am Berg. Es ist das ehemalige Zementwerk Asland, ein Industriebauwerk des Modernisme und heute Zementmuseum. Außer über den oben gelegenen Abzweig kann man auch von La Pobla de Lillet mit einem Touristenbähnchen zu ausgewählten Zeiten dort hingelangen. Dieses Bähnchen fährt auch am Jardins Artigas vorbei, ein sehenswerter Fantasiegarten des Modernisme, von Antoni Gaudí und seinen Schülern gebaut. Jüngst für den Tourismus wieder instand gesetzt, bietet dieser Platz eine anregenden Umgebung am Llobregat und zwischen Bergen. Man kann auch auf dem asphaltierten Weg entlang der Schienen des Touristenbähnchens bis zum Garten mit dem Rad fahren (aber nicht weiter zum Zementmuseum). Der Garten und das Bähnlein war bereits Gegenstand des Bilderrätsels 225. Wer zum Pedraforca auf eher leichte Weise gelangen möchte, muss kurz unterhalb von Guardiola de Berguedà von der C 16 nach Saldes abzweigen. Meine Route zweigt weiter unten (etwa 1 km nach einer alten Bogenbrücke) , aber noch vor dem Stausee Baells in La Consolacio nach Figols ab. Der Berg ist hier von Bauten der ehemaligen Kohleminen geprägt. Wie auch weiter oben zu beobachten, bemüht man sich um eine Restrukturierung, etwa für touristische Zwecke (Bergbaumuseum in Cercs). Alte Bergarbeiterhäuschen werden renoviert und auch neue Bauplätze sind zu sehen. Die Straße zum Fumanya-Pass ist heftig steil, verläuft weitgehend offen. Besonders im ersten Teil imponiert der Mehrseenblick auf den Stausee des Llobregat-Flusses nach Süden hin. An der Passhöhe entsteht offenbar ein neues paläontologisches Besucherzentrum, wie eine Bautafel und ein übergroßes Dinosauriermodell aus Roststahl verraten. Hier finden sich an offen gelegten Felshängen zahlreiche Relikte aus den Erdfrühzeiten. Auch wenig weiter bereits am Coll de Pradell (nach kurzer Zwischenabfahrt) findet sich ein See, der mitten in einer paläontologischen Fundgrube liegt. Man sollte am Fumanya-Pass noch nicht alle Körner verbraucht haben, denn am Pradell-Pass warten noch schlappe 20 % Steigung. Mitten in dieser Steigung befindet sich ein Bahnübergang (!) - es handelt sich um die Schienen zu einem Kohlebähnchen, das auf der einen Seite quasi in der Luft endet, auf der anderen irgendwo wohl in den Berg führt. Es ist offensichtlich Bestandteil des vorgenannten Bergbaumuseums. Die heftigen Hauptsteigungen muss man in zwei Stufen bewältigen. Oben angekommen, wartet ein Passschild, dass exakt die Farbkomposition meines Fahrrades und der Radtaschen wiedergibt! – Das ist offensichtlich der Pass, der extra für mich gebaut wurde. Landschaftlich beginnt jedoch erst mit der Abfahrt der Höhepunkt. Zunächst durchfährt man eine Art Feenwald mit herumgewürfelten Steinblöcken und zahlreichen Picknickplätzen, dann öffnet sich der Blick auf eine riesige Arena aus Gestein in verschiedenen Farben und Formen – da helle Gesteinsblöcke, dort eine pastellrote Wand, wilde Geröllhänge dazwischen, unwirklich gekrümmte Urbäume und dann der im Abenddunst leicht vernebelte Pedraforca als Kulisse nach Norden. Die gesamte irrwitzige Modellierung der Gesteinslandschaft sieht man dann am besten vom Col de la Trapa, der nur kurz oberhalb der Einmündung von der Pradell-Straße liegt. Zum Zwecke des Campings und um den Pedraforca am nächsten Tag in voller Pracht zu sehen, muss ich über den Trapa-Pass ein kleines Stück zurück nach Osten (Saldes) radeln, denn Gósol liegt jetzt zu weit weg. Allerdings entpuppt sich der Camping in Saldes (unten) als „Privatcamping“. Genau verstehe ich das nicht, denn laut Reiseführer und Wanderkarte soll auch hier ein offizieller Camping sein. Ein paar der „Privatgäste“ sagt mir, ich müsse weiter fahren – eben zum Camping Repos del Pedraforca. Dieser Platz liegt knapp 2 km jenseits von Saldes (über Brücke und östlich der Tankstelle) mitten auf der Strecke – ohne Ort. Allerdings ist der Camping extrem kommerziell, sehr dicht belegt, hat aber zu meinem Vorteil ein noch geöffnetes Restaurant. Meinen kritischen Kommentar zum Platz habe ich ja bereits eingangs dieses Berichtes abgegeben. Sa 2.7. Camping Repos del Pedraforca - Saldes - Coll de la Trapa (1321m) - Col del Cap de la Creu (~1420m) - Gósol - Col de Josa (1620m) - Josa - Tuixen - Cornellana - Coll de Bancs (1404m) - Adraén - Coll de Creus (1520m) - Coll de Laguén (~1500m) - La Collada (1125m?) - La Seu d'Urgell - Andorra La Vella – Anyos103 km | 12,8 km/h | 7:56 h | 1.675 Hm W: sonnig, anfangs sehr kühl, danach heiß E: Champignons, Entrecôte, PF, Crème Catalan, Rw 35,60 € Ü: C wild 0 € Vieler Worte bedarf es für die Strecke mitten durch die Cadí-Landschaft bis La Seu nicht, denn die Bilder sprechen für sich – zumal das Panorama-Wetter heute mitspielt. Die Fahrt sollte man nicht unterschätzen, denn es gibt zahlreiche Anstiege – keiner von denen ist wirklich schwer, aber wegen der offenen Landschaft muss man unter der Mittagshitze schon mal etwas ächzen. Die längste Zwischenabfahrt hat man vom Col de Josa an Josa vorbei nach Tuixen. Tuixen und Josa liegen auf kleinen Hügeln, die man separat erklettern müsste, was ich aber nicht gemacht habe. Gósol hingegen liegt direkt an der Strecke und ist wohl auch der logistisch bedeutendste Ort, was aber noch weit jenseits von irgendeiner Art von Trubel ist. Es gibt letztlich nur kleine Dörfer hier. 1906 verbrachte Picasso gemeinsam mit dem Bildhauer Enric Casanovas in Gósol einen Sommer lang und schuf dabei einige bedeutende Kunstwerke, weil ihn die Landschaft sehr inspirierte. In einem kleinen Museum gibt es zwar u.a. Reproduktionen von Picasso-Werken zu sehen, aber die Öffnungszeiten sind für Durchreisende ziemlich exotisch (nur Hochsommer + Wochenende + Mittagszeit) – hieß für mich falsche Uhrzeit. An dieser Stelle sei noch mal an die Grundidee meiner Tour erinnert: Auch hier bewege ich mich auf den Spuren der Katharer. Auf einem weithin sichtbaren Hügel mit einer teils noch erhaltenen Burg befinden sich die Überreste des mittelalterlichen Gósol (11. Jh.). Die Katharer fanden hier bei den Baronen von Pinós Unterschlupf auf ihrer Flucht aus dem französischen Ariège. Es gibt sogar explizit einen Fernwanderwanderweg (GR-107), der diese Fluchtroute nachgezeichnet – von Foix aus zum Heiligtum Queralt bei Berga. Teile davon entsprechen den heutigen Straßenwegen, andere Abschnitte sind nur per Fuß, Pferd oder ggf. Mountainbike passierbar. Die Route führt quer durch L’Alt Urgell und den Naturpark Cadí-Moixeró. Auch in Saldes findet sich die Ruine einer solchen Fluchtburg. Konkret orientiert habe ich mich an dieser Fernwander- und Pilgerroute nicht, aber logischerweise gibt es zahlreiche Überschneidungen. Mit La Seu d’Urgell an den Ufern der Segre erreiche ich mir bereits bekanntes Gebiet, habe ich doch 2004 nach der Durchfahrt Andorras (über den Port d’Envalira) im nahe gelegenen Montferrer campiert und mir in La Seu ein gutes Abendessen schmecken lassen. Das empfehlenswerte Restaurant Cal Pacho gibt es immer noch – diesmal mache ich aber nur ein Erinnerungsfoto von außen. In La Seu lässt sich wunderbar in den von Arkaden gesäumten Gassen bummeln oder auf Plätzen unter Platanen nachdenken über Dinge wie: Warum Andorra ein Fürstentum ist, aber keinen eigenen Adel in die Staatsämter schickt – der Bischof von La Seu gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Staatsoberhaupt von Andorra ist, und dabei das religiöse Oberhaupt aus Spanien ebenso wie der demokratisch legitimierte Vertreter aus Frankreich nicht von Adel sind, aber doch die monarchische Amtsbezeichnung Fürst von Andorra tragen dürfen – warum die geteilte französisch-spanische Herrschaft nur eine offizielle Amtssprache (Katalanisch) zulässt – warum man zwar mit Euro bezahlt, aber nicht zur EU gehört usw. Die folgende Strecke steht unter dem Motto „Augen zu und durch“. Kaum Steigung, enge Schlucht und dazwischen ab der Grenze ein Sammelsurium von riesigen, scheußlichen Einkaufstempeln, Tankstellen, Riesenplakate für Banken und Immobilien und dichter Autoverkehr. Jeder steuerersparte Euro wird in noch mehr Benzinduft für die Einkaufstour umgelegt – so könnte man das Bild etwas sarkastisch beschreiben. Nun, ich versuche in einem geräumigen, mit Nobelmarken nur so überquellenden Radladen eine neue Radbrille zu erwerben, weil der Bügel an der alten gebrochen war und die improvisierte Reparatur doch störanfällig ist. Ich finde nichts Passendes, aber beobachte, dass zahlreiche Markenprodukte doch deutlich günstiger als bei uns angeboten werden (geringe Mehrwertsteuer). Jedes Geschäft auf dieser Einfallstraße ist Gigantismus pur. Ich komme an einem Käseladen vorbei, mehr ein Einkaustempel dem Charakter einer exklusiven Hotelempfangshalle nachempfunden, unzählige Geschenkarrangements in Auslagekörben, zig nach Käsetypen sortierte Theken, soweit das Auge blickt mit nur einer Ware: Alles Käse! Ich verzichte etwas wehmütig auf einen Einkauf, denn in meinen Taschen warten bereits ausreichend Vorräte und bald kommt der nächste Berg. Glücklicherweise empfinde ich La Vella diesmal etwas entspannter als vormals, es ist allerdings bereits Feierabend, die zahllosen Restaurants füllen sich, das Flanierleben der Wochenendnacht beginnt und Baustellen gibt es diesmal auch keine zu beklagen. Es lohnt sich, ein paar Seitenblicke jenseits der Hauptstraße zu wagen. Gleich finden sich kaum besuchte Refugien. Selbst am Parlamentsgebäude verläuft sich kaum ein Tourist. Die Mixtur aus traditioneller Bauweise, moderner Zweckmäßigkeit, protziger Avantgarde und künstlerischen Miniaturen löst eine Kakophonie der Sinne aus. Ist das jetzt ein bunter Strauß der städtischer Ästhetik? Ist das Leben pur? Oder ist das flüchtiger Modehype, affektierte Trubelkultur, konsumsüchtige Dekadenz, Jetset-Life in einer Glasglocke? Und: Wie passt das in diese Bergwelt hinein? – Nun die Fragen bleiben offen – Faszination und Musegefühl kämpft in mir mit der Befremdlichkeit des Ortes. Aber: Wohin in der Nacht? Ich beschließe die Stadt zu verlassen und hoffe auf ein auswärtiges Restaurant abseits des Trubels. Doch die Ausfahrt ist heftig steil – bereits im Stadtgebiet. Ohne Tunnel geht es offenbar auch nicht, wenngleich ich weiter oben so etwas wie einen Rad-/Fußweg glaube zu sehen. Doch Umwege bringen mich jetzt nicht mehr voran. Der Verkehr ist auch hier in die Sackgasse des Binnenlandes hinein dicht, die Schlucht aber sonst unbebaubar. Nach der Enge öffnet sich das Tal etwas, an den Hängen wachsen die Lichter der Häuser und Straßen steil in die Höhe. Die Verschnaufpause ist nur kurz und es steigt weiter steil an. Das ersehnte Restaurant lässt erstaunlich lange auf sich warten. Erst nach einigen schweißtreibenden Kehren erreiche ich das auf dieser Passstrecke einzig verbleibende Restaurant (alternativ hätte ich meine Route verlassen müssen, um das geschäftigere La Massana zu erreichen). Immerhin gibt es hier eine angenehme Außenterrasse und selbst nach Mitternacht feiert das jugendliche Volk am Nachbartisch noch weiter, obwohl mir der Wirt schon übermüdet scheint. Zum Campen gibt es kaum eine schwierigere Gegend, denn alles ist bebaut und die Steillage des Hanges bemerkenswert. Am Ortsausgang gäbe es noch eine Art Hotel, aber das dürfte nicht billig sein. Dann finde ich doch noch einen Nobelplatz: direkt an der Kirche von Anyos, unter heiligem Schutz, mit Panoramablick, die Premium-Klasse sozusagen. So 3.7. Anyos - Collada de Beixalis (1795m) - Encamp - Canillo - Coll d'Ordino (1981m) - Ordino - La Massana - Pal - Coll la Botella (2069m) - Port de Cabús (2301m) – Tor71 km | 8,9 km/h | 7:54 h | 2.020 Hm W: teils sonnig, meist aber bewölkt, auch mehrfach Regen/Gewitter, nur mittags warm E: SV Ü: C wild 0 € Der Beixalis-Pass gehört sicherlich noch zu den Geheimtipps im andorranischen Bergland. Die Westanfahrt ist voll asphaltiert, noch etwas über die Passhöhe hinaus, im Osten folgt ein Pistenabschnitt, der sowohl von der Vegetation als auch vom Panorama her attraktiver ist als die Westseite. Die Fahrbarkeit der Piste ist immerhin so brauchbar, dass ich mir auch eine Auffahrt mit Reiserad zutrauen würde. Nach stärkeren Regenfällen kann es aber zu ungünstigen Auswaschungen kommen, weil der Untergrund relativ „erdig“ ist. Leider kam ich auch etwas in Regen hinein, die aufkeimende Gewitterneigung verzog sich aber wieder. Encamp ist anders als La Vella bereits recht beschaulich – zumindest abseits der Hauptverkehrsachse und am Sonntag. Viele Häuser sind im andorranischen Baustil gehalten. Ich suche ein paar Hintergrundinformationen im Tourismusbüro. Mit der Dame komme ich gut ins Gespräch, zunächst in Englisch – als sie erfährt, dass ich Deutscher bin, möchte sie lieber auf Deutsch sprechen. Es ist eines der interessantesten Gespräche auf der Reise. Wir reden über den Straßenanbindung Andorras. Andorra möchte zwei weitere Anbindungen über den Port de Cabús nach Spanien und über den Port de Rat nach Frankreich. Doch weder die Franzosen noch die Spanier haben ein zwingendes Interesse, zeigen sich auffällig reserviert. Dabei geht es auch um die mysteriösen Hintergründe im spanischen Grenzdorf Tor. Wir sprechen aber auch über die Arbeitslosigkeit der Jugend, über die Banken- und Immobilienkrise – und inwieweit sich das auf Andorra auswirkt. Trotz des immer noch augenfälligen Baubooms seien die Zeichen der Krise auch in Andorra deutlich spürbar, meint sie. Nach dem Gespräch ist sie dankbar für das Gespräch, da es mal nicht um rein touristisches Allerlei ging. Ich war auch froh, denn mittlerweile zeigte sich die Sonne – zumindest für eine Passauffahrt. Mein persönlicher Favorit in Sachen Andorra-Pässe ist der Coll d’Ordino geworden. Anders als die anderen gefahrenen Pässe (Envalira, Beixalis, Cabús) bietet der Ordino-Pass eine vielfältige Bergblumenwelt. Dabei werden die beeindruckenden, offenen Kehren auf der Ostseite von traumhaften Panoramablicken begleitet. Auf der Passhöhe liegt eine Wiese mit archaischen Bäumen. Weil die Westseite wesentlich spröder ist (bewaldet, wenig Panorama, blumenarm), sei unbedingt die Ost-West-Querung empfohlen. Mir kommen zahlreiche Rennradler entgegen – Grund: Eine Rennradler-RTF, ein echtes Rennen ist es wohl nicht. Auf der Vorhöhe zum Pass steht ein Verpflegungsauto – man fordert mich gleich auf, zuzugreifen, soviel Ballast auf dem Rad, das sorgt doch für Stirnrunzeln bei der Luff-Fraktion. Unter den Orten macht insbesondere Ordino einen sympathischen Eindruck, La Massana ist schon ein kleiner Vorhof von La Vella. Die andern Orte sind nur nur kleine Dörfer, bei Xixerella gibt es einen schönen Camping mit einladendem Restaurant, der kleine Laden hat aber keine wirkliche Auswahl. Hier wollte ich eigentlich übernachten, aber mein Plan ist ja mal wieder weit aus dem Takt und ich hinke hinterher. Tor zu erreichen, das schien machbar. Doch aus dunkelsten Wolken fallen Regenschauern, zweimal stehe ich unter, Blitze in der Ferne lassen nichts Gutes ahnen. Ich riskiere aber den Anstieg zum Port de Cabús. Das Wetter hält dann erstaunlicherweise bei nur kleineren Regenphasen doch für die gesamte Auffahrt. Nur ist eine Übernachtung auf der Passhöhe so gut wie ausgeschlossen. Stürmische Böen bei sehr kühler Temperatur, ohne jeden Schutz in einer völlig offen Berghöhe und mit der Gefahr eines schweren Gewitter, das ist mir zu ungemütlich und riskant. Abwärts bedeutet Dämmerungs- und Dunkelfahrt, denn nun wartet ja noch Schotter. Archaische Baumruinen prägen die Abfahrt. Der Pistenzustand ist insgesamt recht passabel, manchmal blockieren Pferde oder Kühe den Weg, bei Regen kann die Piste stark auswaschen und wohl auch teils verschlammen. Irgendwo an einer flacheren Stelle kommt eine Verzweigung, beide Pisten schauen ähnlich gut oder schlecht aus. Die Wanderkarte gibt keinen Aufschluss über eine Priorität, auf der Straßenkarte kann man bei genauem Hinsehen erkennen, dass nur die linke Variante eingezeichnet ist. Ich entscheide mich also für die linke Variante. Mittlerweile regnet es sich ein, noch dazu soll ich im Dunkeln ein Flussbett durchqueren. Flach genug, um ggf. durchzuradeln, werde ich übermütig. Prompt muss ich mich doch zwischendrin mit dem Fuß abstützen – nasser Schuh, puh – wie soll der bis morgen trocknen?! Trostlos verlassen wirkt Tor, die meisten Häuser sehen verfallen aus, auch die Kirche zeigt Zeichen von Baufälligkeit. Lediglich ein Haus macht einen bewohnten Eindruck – das könnte auch Bewirtung haben, doch so dunkel jetzt, da vermeide ich doch zu klingeln. Ich esse schließlich meine Vorräte unter einem leicht tropfenden, baufälligen Dach an der Kirche, schiebe meinen Schlafsack in die Ecke, um ohne Zeltaufbau endlich Schlaf zu finden. Okay, das Tropfen geht weiter, auch nicht immer neben den Schlafsack und ruhig Schlafen kann man an einem solchen Ort wohl kaum. Warum genau? – Das erzähle ich im nächsten Kapitel. Zur Bildergalerie TEIL 5 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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Geändert von veloträumer (12.02.19 19:27) |
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#779211 - 13.12.11 22:21
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Moin Moin, um Deinen Bericht noch besser geniessen zu können werde ich Jürgens Idee aufgreifen und ihn ebenfalls kopieren und ausdrucken, anstatt einem Roten gibts dazu vielleicht einen Port (ok falsches Erzeugerland zu diesem Bericht aber trotzdem lecker ) Vielen Dank daß Du uns an Deiner Tour teilhaben läßt, ich hab mich schon mehrmals "festgelesen".. Herzliche Grüße aus Bremen Nicole
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Geändert von Bremerin (13.12.11 22:24) |
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#779484 - 14.12.11 22:20
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: Bremerin]
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anstatt einem Roten gibts dazu vielleicht einen Port (ok falsches Erzeugerland zu diesem Bericht aber trotzdem lecker ) Hallo Nicole, ich fürchte, für das nächste Kapitel musst du dir was Stärkeres einschenken - es wird jetzt kriminilogisch. Dank einiger Resturlaubstage jetzt schon ... TEIL 6 Ein unheimliches Dorf und der Felgenriss: Über das Vall d’Aneu und Vall d’Aran ins LuchonDie Geschichte von TorDas auf 1790 m Meereshöhe gelegene Dorf mit 13 Häusern, einer Kirche und Pfarrhaus lebt heute noch mit einer offenen Kriminalgeschichte. Im Jahre 1995 wurde einer der beiden Platzhirsche – namentlich Sansa – ermordet. Der Mörder konnte bis heute nicht überführt werden. Verdächtige gibt es genügend, etwa eine Gruppe von Hippies, die zeitweise in Diensten des Hofherren lebten, oder Sansas Gegenspieler Palanca im Kampf um das Eigentumsrecht des Berges an dem Ort, oder ein obskures Schmuggelpaar oder oder… Damit ist die blutige Geschichte Tors noch nicht zu Ende erzählt, denn bereits 1980 kamen bei einer Schießerei zwischen Leibwächtern zwei von Palancas Leuten ums Leben. Beim Kampf zwischen Maquisarden und Guardia Civil brannten1944 vier Häuser ab und führte zur Flucht der meisten Familien des Dorfes. Auf mysteriöse Weise ereigneten sich die blutigen Vorfälle alle immer im Juli. Nun war ich ja auch im Juli dort… Der Jounalist Carles Porta hat für das katalanische Fernsehen eine Reportage über diesen Mordfall gemacht. Die wurde mehr zu einer einfühlsamen Studie über Menschen mit verschlossenen Charakteren, die in einer rauen, ziemlich unberührten Bergwelt leben. Nicht zufrieden mit dem Extrakt, den eine Fernsehreportage zulässt, vertiefte Porta seine Recherchen in einem Buch. Ich wusste zwar um die Geschichte und das Buch schon vor der Reise (steht bei quaeldich.de, ein klein wenig fehlerhaft zusammengefasst), habe die Lektüre aber erst im Nachhinein mir in diesem Spätsommer zu Gemüte geführt. Das Buch wirkte auf mich im ersten Moment in der Sprache etwas spröde, doch schätze ich es mittlerweile sehr, weil es ein Beispiel für sehr minuziöse Recherchearbeit ohne einen Anflug von Sensationsgeheiche ist. Porta versucht sich den abweisenden Dorfbewohnern und den skurrilen Personen, die andernorts mit dem Fall beschäftigt sind, sehr geduldig zu nähern. Am Ende bleiben die Menschen ein Stück weit unnahbar – so wie das Dorf das Geheimnis weiter mit sich herum trägt. Dabei bleibt er immer auf der Ebene der vorhandenen Tatsachen, greift nie zu weit in verführerisch naheliegende Verdächtigungen und Vorverurteilungen. Es ist also auch ein Buch, die die Sorgfalt der journalistischen Arbeit hochhält – ein Buch, das zeigt, wieviel Geduld und Zeit ein gute Arbeit in den Medien braucht, ohne ein „echtes“ Ergebnis – etwas, was im heutigen Fernsehen kaum noch möglich scheint, schaut man mal auf den mittlerweile in alle journalistischen Genres eindringenden Quotenhype – auch in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die stigmatisierenden Pauschalierungen von Radfahrern als Verkehrsrüpel in einigen Medienbeiträgen der letzten Zeit sind nur Beleg für diese unreflektierte Art des modernen Fastfood-Journalismus. Die Hauptursachen für die Probleme in dem Dorf liegen einerseits in dem Schmuggel, der über die bestehende Piste von/nach Andorra blüht und an dem sich offenbar auch einige Personen in der Justiz und bei der Polizei ein einträgliches, korruptes Nebengeschäft erlauben. Schon der Bau dieser Piste (von Sansa 1967 veranlasst) führte zu Streit im Dorf – und die meisten sagen noch heute, dass das der Beginn des Unfriedens gewesen wäre. So gesehen nimmt es nicht Wunder, dass der Ausbau zu einer durchgehend asphaltierten Straße nach Andorra auch heute noch blockiert wird. Erst 2008 wurde ein erneuter Versuch von Bauarbeiten blockiert. Palanca soll ein totes Pferd vor die Baumaschinen gelegt und damit Ängste wiederbelebt haben, die das Projekt der Asphaltstraße auf ungewisse Zeit verschoben hat. Der zweite Hauptgrund für die Streitigkeiten liegt in den Eigentumsrechten des Berges. Dieses wurde zeitweilig allen Bürgern des Dorfes zugesprochen, aber auch immer wieder von Einzelnen beansprucht. Kurz vor Sansas Tod hatte dieser das Alleineigentumsrecht erwirkt. Mittlerweile hat ein Gericht dies Urteil wieder rückgängig gemacht. Ungeachtet dessen nahmen sich aber auch die Platzhirsche des Dorfes exklusive Nutzungsrechte heraus, die juristisch nicht gegeben waren. Diese Machtspiel äußerte sich häufig in Blockaden der Piste (Räumgeräte lahm gelegt, Baumstämme quergelegt). Eine Folge des Streites sind auch die beiden Pisten, die ich bei der Verzweigung gesehen habe. Der eine Weg ist „Palancas Weg“ (auch mein Weg gewesen) und der andere „Sansas Weg“. Die Eigentumsrechte sind aber kein Selbstzweck, sondern wiederum Hintergrund für die Nutzungsrechte in der Zukunft. Und da sind in der Region, wie bereits auf andorranischer Seite des Port de Cabús kräftig gebaut, Skianlagen geplant. Die Spieler im Hintergrund sind weniger echte Andorraner, sondern mehr Spanier und Engländer, die in Andorra leben – also eine durchaus internationale Verflechtung, bei der Natur- und Heimatschutz nicht gerade die größte Rolle spielt. Man könnte geradezu das Verschrobene und Störrische der Bewohner Tors belobigen, wenn es dem weiteren kommerziellen Ausverkauf in diesem Teil der Pyrenäen Einhalt gebietet. Anderseits würde ich als Radler ja eine durchgehende Straße sehr wohl begrüßen. Wer mehr lesen möchte: Carles Porta (vollst.: Carles Porta i Gaset) „Tor. Das Verfluchte Dorf“, Berliner Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-8333-0574-0 (9,90 €, ggf. nicht mehr lieferbar, dann gebraucht über Internet versuchen). Mo 4.7. Tor - Alins - Llavorsi - Esterri d'Aneu - Alòs d'Isil - Puerto de Beret (1860m) - Baqueira – Salardú100 km | 12,1 km/h | 8:10 h | 1.215 Hm W: morgens & abends sonnig, sonst bewölkt, mehrfach leichter Regen, abends kalt E: Kartoffelauflauf, Rw, gebr. Apfel, Cafe 18,30 € Ü: H Rifugio C.E.C. 15 € (ähnlich JH, inkl. Cafe) Hätte ich das Buch vorher gelesen, hätte ich wohl bei Sisquetas Haus geklingelt, denn es heißt da, dass sie jedem ein gutes Mahl bereitet, der bei ihr klingelt. Einem nass tropfenden Radler, der sich im Juli in dunkler Nacht in diesen Ort wagt, hätte sie es wohl erst recht nicht versagt – vielleicht auch ein Bett angeboten. Doch der Morgen lässt hoffen, denn nach dem Abdampfen der Regenfeuchte glitzert und leuchtet der nunmehr asphaltierte Teil nach Alins in vielen Farben. Die Schlucht ist allerdings sehr eng und deswegen auch noch teils lange schattig. Müsste ich den Port de Cabús zwischen Erts und Tor bewerten, so fiele das Urteil nicht so umwerfend aus. Es ist überwiegend grasgrüne, typische offen Pyrenäenbergwelt, aber eher blumenarm – keine felsigen Highlights oder Wasserfälle. Ganz anders dieser untere Teil nach Alins mit kleinem Zwischenanstieg nach einer Brücke – es ist eine berauschend abwechslungsreiche Fahrt durch hautnah voll sprühende Natur – purer Genuss! Bescheidener ist das Vall Ferrera ab Alins, kleines Dorf mit grundlegenden touristischen Einrichtungen mit 2 (?) Hotels und einem Camping, allerdings für Selbstversorger nur dürftiges Angebot. Die Strecke zwische Llavorsi und Esterri d’Aneu überschneidet sich mit meiner 2004er-Tour und ist unter Reiseradlern als Teil der Route über den recht beliebten Port de la Bonaigua ebenso vertraut wie Pyrenäen-Wanderern, die hier über Espot eine der bekanntesten Wanderstützpunkte in die Pyrenäen finden mit dem Nationalpark Aigüestortes. Eine recht selten vermerkte Alternative zum Bonaigua bietet der Puerto de Beret, sofern man mit einer weitgehend gut fahrbaren Piste auch ohne Asphalt auskommt. Diese Route ist keine typische Passroute. Es ist eine sehr langer Weg um ein Bergmassiv herum, davon ist ein Gutteil ziemlich flach. Noch über Alós d’Isil hinaus reicht der Aspahlt, immer auf Höhe des Bergflusses. Bei einem Parkplatz mit (geschlossener) Hütte und einem Wasserfall endet der Asphalt und die allgemeine Verkehrserlaubnis. Mit Fahrrad darf man aber weiter. Auch nun dauert es noch eine Weile bis man zum ersten steilen Anstieg gelangt. Kurz vor dem Anstieg findet sich auch wieder eine Mahntafel für die Flüchtenden der Resistance aus Spanien wie Frankreich. Mit einem steilen Anstieg ist aber dieser Pass nicht abgeschlossen. Es folgt ein unerwartetes, extrem kräftezehrendes wie langwieriges Auf und Ab, ohne dass man eine Vorstellung hat, wann der Pass erreicht ist. So von mir deutlich in der Länge unterschätzt, wird es schon bei der Auffahrt dunkel. Die Passhöhe kann ich nur erahnen, weil es eine vollkommen offene Fläche mit Skiareal ist und der Hochpunkt auf der nunmehr wieder asphaltierten Straße liegt. Unmerklich neigt sich die Straße nach unten, bis sie dann alsbald flott in Kehren zu Tal stürzt. Finger fast tot, Nacken wie ein Eisblock. Di 5.7. Salardú - Arties - Vielha - Bossòst - Melles - Col d'Artigascou (1351m) - Ger de Boutx – Col de la Clin (1245m) - Col de Menté (1349m) - St-Beat80 km | 12,5 km/h | 6:18 h | 1.425 Hm W: sonnig, aber nicht so heiß E: Rw, Entenfilet, Salat, Käseomelett, Crêpes, Cafe 22 € Ü: C Municipal 0 € Gab es am Vortag nur eine kurze Sonnenphase mit Dunst, so herrscht heute Kaiserwetter. Damit entfaltet das Vall d’Aran seine ganze Schönheit samt den schneebedeckten Berge am Horizont. Im Vall d’Aran finden sich malerische Orte mit regionaler Bauweise und die Küche genießt eine guten Ruf. Der Touristische Andrang ist daher auch recht groß, zumal auch Aktivurlauber hier gerne ihre Zelte aufstellen (Wandern, Mountainbiken, Rafting, Paragliding usw.). Noch kommerziell umkämpft ist das grenznahe Städtchen Bossòst auf spanischer Seite, mit dem Abzweig zum Col d’Artigascou taucht man aber in idyllische Abgeschiedenheit ein. Bereits die ersten Kilometer nach Melles sind harte Pedalarbeit. „Wäre ein wunderbarer Ort, um einen Roman zu schreiben“, denke ich. Sagenhaftes Panorama, ein paar Hühner, ein plätschernder Brunnen, ein paar schmucke Häuschen, ein Restaurant, Gîte und Hotel, Blumen, auch ein botanischer Garten und danach wieder Natur pur. Es beginnt eine Fahrt durch ein Meer aus grünem Farn. Immer wieder Bergpanorama, weiße Gipfel irgendwo fern. Der heftige Anstieg geht auch im oberen Teil weiter, wo die Asphaltdecke sehr brüchig und lückenhaft wird. Für Rennradler schon etwas kritisch. Nach der Passhöhe (Farne, Farne) folgt alsbald eine Verzweigung. Linke Hand geht es etwas bergauf, die Piste scheint akzeptabel – sie führt direkt als Höhenstraße zum Col de Menté. Rechte Hand hinunter, zunächst ähnlich. Dann aber taucht man in dunklen Nadelwald, irgendwie Schwarzwald, und die Piste (route forestière) entwickelt sich äußerst miserabel – entgegen der Kartenmarkierung nicht asphaltiert! Irgendwo gibt es dann erste Blicke in ein tatsächlich auch durch die Häuser anmutendes Schwarzwaldtal und die Straße hat endlich wieder ersehnten Asphalt. Der mit aalglatten, mustergültigen Kehren ausstaffierte Col de Menté (Restaurant auf Passhöhe) wäre kaum der Erwähnung wert, wenn mich dort nicht auf der Abfahrt ein ungutes Gefühl beschleicht. Ich verspüre beim Bremsen ein deutliches Ruckeln – das kann nur die Warnstufe der Hinterradfelge sein. Der eingangs beschriebene Defekt wird dann noch den folgenden Tag prägen und zu einem Umweg führen, den ich durch weitere Streckenstreichungen wieder kompensieren muss. Mi 6.7. St-Beat - Marignac - Bagnères-de-Luchon - Cascade Montauban-de-Luchon - Cierp-Gaud - Siradan - Mauléon-Barousse - Refuge de Saubette69 km | 11,7 km/h | 5:49 h | 965 Hm W: morgens sonnig, danach bewölkt, Berg in Wolke, leichter Regen, kühl E: SV Ü: C wild 0 € Die ungeplante Route nach Bagnères-de-Luchon ist doch erfreulich schön zu fahren. Man hat eine teils dichte Talbewaldung, und später lange die hohen Berge im Süden von Luchon im Blick. Für die Einfahrt nach Luchon wechselt man am besten bei Salles-et-Pratvie auf die Nebenstraße, weil weniger Verkehr. Das Radoriginal Miguel liegt dann auch gleich noch vor der Einkaufszone in Einfahrtsbereich von Bagnères. Wenn schon mal dort ist, nehme ich bei der Ausfahrt auf der Ostseite den Wasserfall in Montauban-de-Luchon mit. Ist praktisch direkt anfahrbar per kurzer Stichstraße. In Esténos befinde ich mich wieder auf meiner geplanten Strecke, aber es ist nicht nur spät geworden, sondern auch kalt und nieselig. Dazu quält mich noch Müdigkeit. Schlechte Voraussetzungen, um den nächsten Pass noch zu bezwingen. Zunächst kommt ein Zwischenhügel, der mir scheinbar die letzten Körner raubt (nicht so steil, aber meine Physis ist im Keller). Mauléon-Barousse ist ein romantisches Dorf mit einem Schlösschen aus dem 11. Jahrhundert. Irgendwie weigere ich mich, die Aussichten des Tages realistisch einzuschätzen. Der Berg liegt in dichten Wolken – das wird nass werden. Und dann: Wo übernachten? Die Vorräte würden immerhin reichen für ein Essen in der Wildnis. So quäle ich mich über den teils gut bewaldeten, recht anspruchsvollen Aufstieg zum Col de Balès. Irgendwann meine ich, ich müsste jetzt vom Rad absteigen und das Zelt gleich neben die Straße im Regen aufstellen. Oder mich hinlegen und sterben. Doch manchmal kommt es unerwartet. Ich sehe nach der nächsten Kehre durch die Wolke hindurch eine unbewirtete Wanderhütte, großer Tisch, ein paar Stühle, Schlafebene auch im oberen Gebälk. Eine etwas seltsame Außentoilette ohne Wasser, die man nur sehr umständlich erreicht. Das Fahrrad muss ich ohne Taschen über eine Absperrung heben. Nicht sehr einladend, aber gut genug, um das Essen aufzutischen. Den Schlafsack lege ich mit Unterlage auf den Boden. Es ist kalt und ungemütlich, kein Licht außer Stirnlampe, kein Regung von Leben, nur Stille, notdürftig satt, aber kein Wein – und doch: immerhin trocken. Also doch glücklich, ich werde bescheiden. Zur Bildergalerie TEIL 6 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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Geändert von veloträumer (12.02.19 19:28) |
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#779876 - 15.12.11 23:36
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Jeder Schritt ist ein Fortschritt, auch ... TEIL 7 Wetterkontraste in Wolken, Sonne und Sturm: Hautes-Pyrénées auf Nebenrouten mit TunnelausgangDo 7.7. Refuge de Saubette - Port de Balès (1755m) - St-Aventin - Portet-de-Luchon - Col de Peyresourde (1569m) - Loudienvielle - Col d'Azet (1578m) - Camparan - Col de Lancon (1120m) - Bordères-Louron – ArreauW: wolkig, kühl, teils in Wolke mit leichtem Regen 85 km | 11,7 km/h | 7:10 h | 2.155 Hm E: Rw, Salat m. Entenleber, Kalbschnitzel m. Sauce, Kart.torte, Gem., Crêpes Chocolat, Cafe 27,60 € Ü: C Municipal 0 € Am Morgen ist die Wolke immer noch da. Viel zu sehen habe ich also nicht am Col de Balès. Als Ausgleich suche ich die Motive im Nahbereich und ich sehe, auch die Welt der Tropfen hat ihren Reiz und ist ein Kosmos für sich. Während die Nordseite des Col de Balès sehr vegetationsreich ist mit Bäumen, Farnen und Blumen, so zeigt die Südseite das typische grüngrasige Pyrenäengesicht. Die Wolken sind zwar leicht emporgestiegen, doch ist das nur ein Intermezzo an diesem Tag, der immerhin den Col de Peyresourde in freier Sich lässt. Das habe ich auch bereits in anderer Erinnerung. Für die klassischen Grands-Cols-Fahrer: Man kann den Peyresourde teils auch in einer Variante zur Hauptstrecke D 618 fahren. Dazu im Ort Garin rechte Hand abzweigen. Diese Route ist abwechslungsreicher und natürlich auch verkehrsärmer – allerdings etwas ungleichmäßiger in den Steigungen. Für die großen imposanten Kehren mündet man ohnehin wieder auf die D 618. Auf der völlig offenen Passstraße gelangt man schnell nach Arreau – es gibt jedoch auch auf der Nordwestseite Umwege, die sich lohnen. Unten im Louron-Tal liegt ein kleiner See, heute Erholungszentrum samt modernem Badetempel. Es gibt einen Seeuferweg, aber auch eine Straße etwas oberhalb, die nach Loudienville führt. Am Fuße des Col d’Azet liegt etwas erhoben ein Burgruine aus dem 13. Jh. und bei der Passauffahrt hat man noch mehrfach den Blick hinunter auf See und Burg. Aber auch hier sorgt das atlantische Wolkengeflecht im oberen Bereich des Passes für trübe Aussichten – besser gesagt für ein Nirwana aus maximal 50 Meter Sichtweite. Die Abfahrt über Azet nach Sailhan ist schon fast die gesamte Fahrt ins Tal, nur wenige Höhenmeter rettet man für den nächsten Anstieg. Die Route nach Lancon ist aber mehr eine Mischung aus Anstiegen und Halbhöhenstraße, teils im Wald, teils mit netten Dörfchen wie Camparan. Der letzte Hochpunkt liegt etwas nach Lancon, dann folgen Weidewiesen und auch Nadelwald. Im Louron-Tal ist es zunächst noch trocken, in Arreau aber dann doch deutlich regnerisch. Bevor ich mir die Wahl zwischen Camping oder Hotel überlege, erst mal essen. Das Menü war sehr lecker und gleich dort waren auch ein deutsches Radlerpaar, ein zwei Motorradkumpel (gar aus der Stuttgarter Gegend). Fr 8.7. Arreau - Beyrède - via RF - Col de Beyrède (1417m) - Espiadet - Hourquette d'Ancizan (1538m) - Guchen - Vielle-Aure – Soulan62 km | 9,6 km/h | 6:24 h | 1.920 Hm W: weitgehend sonnig, aber eher kühl E: SV Ü: C wild 0 € Dem trostlosen Vortag sollte etwas Besseres folgen können: Sonne satt für herrliche Pässe heute. Der Col de Beyrede stellt sich auf der Karte als wildes Geflechten von mehreren Zufahrten dar. Probieren geht also über Studieren. Bereits nach Beyrede-Jumet gibt es zwei Zufahrten, von denen nur eine auf der Michelin-Karte zu sehen ist. Also fahre ich sicherheitshalber die zweite Abfahrt hoch. Nördlich vom Ort befindet sich eine verschlungen Auffahrt durch ein dicht wuchernderndes Tal, in das man zunächst wieder ein wenig runterfährt. Danach kräftiger Anstieg. Es folgt eine Kreuzung, und eine Straße führt weiter nach oben, ist etwas breiter als zuvor – aber die Straße ist laut Schild nach einigen hundert Metern gesperrt. In den Bergen muss man so was auch als Radler ernst nehmen. Ich nehme also die Route, die leicht nach unten führt, sehr breit und gut gebaut. Es geht schließlich fast bis Beyrede-Jumet zurück. Dies ist also der zweite – oder eigentlich der Hauptzugang zum Pass. Es gibt aber hier leicht oberhalb des Ortes nebst tollem Ausblick eine weitere Verzweigung. Dies ist eine route forestière – ebenfalls asphaltiert ausgewiesen. Ich fahre also hier hoch. Doch die Route entwickelt sich zur Piste – immer wieder zwar aufgelöste Asphaltreste, aber auch richtiger Schotter- und Waldboden. Zwar kann man das auch fahren, aber es kostet doch einige Energie und Zeit – zumal ich das nicht einkalkuliert hatte. Einige Passagen sind flacher, andere wieder sehr steil. Die Natur entschädigt aber für die kleine Quälerei: Sprießendes Wasser aus allen Felsen, Schmetterlinge in Hülle und Fülle, liebliche Blume ranken bis fast in die Nase, wild entwurzelte Bäume geben den Anstrich eines Urwalds und durch die Taunässe ist jedes Kleeblatt ein Juwel aus der Brillantenschatulle. So ärgert es mich auch nicht, als ich auf der Passhöhe sehen muss, wie zwei Autos über die angeblich gesperrte Straße nach oben kommen – also doch frei. Ein hübscher Gasthof steht hier auch für Übernachtungen, die Passhöhe ist teils sumpfig, eine Art Hochmoor, wo sich Libellen und Schmetterlinge wohl fühlen. Rasante Abfahrt durch enges Waldtal, eher unspektakulär nach Espiadet. Dort gibt es eine Art Markt in der offenen Berglandschaft des Aspin-Passes – diverse mobile Stände mit Käse, Wurst, Konservenspezialitäten, Schokokuchen, feinste Nougatvariationen etwa mit Heidelbeeren usw. In einer festen Baracke mit Souvenirs finde ich die kunstvollen Karten mit der Quilling-Technik (vgl. Prolog). Nur wenig weiter in Richtung Hourquette d’Ancizan liegt ein See mit Ferienanlage, es herrscht aber Badeverbot – irgendwie widersinnig. Hingegen sammeln sich zwischen dem lockerem Baumbewuchs auf weichen Grasböden zahlreiche Picknickfreunde am Bergfluss. Eigentlich dachte ich, dass es sich um einen Nischenpass handelt, aber hier ist mindestens soviel Betrieb wie am Aspin. Auch zahlreiche Rennradler sind unterwegs. Weiter oben nur offene grüne Bergwiesen, die wunderbar in der Sonne leuchten. Es gibt eine kleine Zwischenabfahrt. Am Pass ist das Panorama noch mal verstärkt mit dem mächtigen L’Arbizon im Hintergrund. Das Talpanorama auf der Abfahrtsseite ist eingeschränkt durch viel Waldbewuchs. Der weitere Verlauf war etwas ungewiss. Auf jeden Fall wollte ich eine Stichstraße auf die Berghöhen fahren – entweder Lac d’Aumar oder den Col de Portet. Insgeheim spekulierte ich auf eine passable Durchfahrt vom Portet zum Lac del’Oule und letztlich damit auch zum Lac d’Aumar. Da ich kein Restaurant mehr aufwärts erwarte, kaufe ich ein. Die Straße ist steil und in Soulan finde ich einen Brunnen, der sich zum Diner eignet. Ein Rennradler, der hier wieder umkehrt, um noch vor Dunkelheit wieder im Tal zurück zu sein, bestärkt mein Vorhaben der Durchfahrt über den Lac de l’Oule. Der Schlafplatz ist in dem steilen Gelände mal wieder ungewöhnlich – überdachter Abstellplatz für Trecker und Baugeräte. Sa 9.7. Soulan - Col de Portet (2215m) - Barrage de Lac d'Oule/Cascade de Couplan - Fabian - Port de Bielsa (1821m, Tunnel) - Bielsa - Salinas de Sin – Plan76 km | 9,7 km/h | 7:50 h | 1.810 Hm W: teils sonnig, teils bewölkt, windig, Sturmböen auf dem Col de Portet, wam in Spanien E: Spaghetti m. Calamares, Venusmuscheln, Hirschgulasch, Kart., Rw, Himbeercrème, Cafe 13,70 € Ü: C wild 0 € Entgegen von Vorinformationen ist der Col de Portet doch zu einem Teil Piste – aber eine sehr gut festgewalzte. Unerwartet sind auch ein paar Gasthäuser, die sich noch oberhalb von Soulan und kurz nach dem Abzweig zu der hässlichen Skicity auf der Strecke finden. Die Landschaft ist ganz offen, das Auge gleitet heute über die tief im Tal gefangenen Wolken. Bei den Sturmböen auf dem Col de Portet muss man alles gut verpacken, was irgendwie wegfliegen kann – also auch die Mütze. Der Wanderweg, der halbhoch in einem weiten Bogen zum See führt, erweist sich als ungeeignet – teils zu steil, teils zu eng gespurt. Es gibt aber noch eine Schotterpiste, die zunehmen übler wird und direkt zum Lac de l’Oule führt (direkt zur Staumauer). Möglicherweise ist es nur eine gut ausgebaute Skipiste. Jedenfalls muss ich weitgehend runterschieben – allerdings ist der Weg nicht sehr lang. Die seltsam geformten Bäume, das See- und Bergpanorama, Bergblumen auf von Wasser getränkten Wiesen erinnern und das leicht düstere Blau des Sees erinnern an eine Art Urlandschaft. Auch die Murmeltiere zeigen Lebensfreude. Direkt bei der Staumauer und der bewirteten Hütte gibt es einen imposanten Wasserfall. Der Rest bis zur D 929 ist eine Piste, die man relativ gut runterfahren kann – immerhin wird sie als Zubringer von dem Hüttenbetreiber genutzt. In dem mediterran anmutenden Kiefernwald finden sich viele Eidechsen. Auf der Straße ist das Tal noch enger, der rauschende Bergfluss und mehrere Wasserfälle begleiten die Talfahrt, in einigen Felsnischen verstecken sich Wasserlilien auf kleinsten, gewässerten Wiesen. Mit dem Erreichen der D 118 in Fabian nimmt der Verkehr zu, das Tal weitet sich etwas, Bergweiden wölben sich empor. Die Auffahrt zum Tunel de Bielsa ist ziemlich anspruchsvoll und nach den Kehren hat man an einer eher ungemütlichen Geraden zu knappern. Die Bergwelt ist von alpinen Geröllhängen geprägt, ich fühle mit an die Nordseiten von Gotthard oder Umbrail-Pass erinnert. Ob die Tunnelfahrt mit dem Velo erlaubt ist, geht aus den Beiträgen im Internet nicht klar hervor. Es gibt zumindest kein Verbotsschild. Durch eine Baustelle wurde der Verkehr mittels Ampel blockweise abgefertigt. Da es leicht bergab geht, ist es kein Problem, in der Grünphase in der Nord-Süd-Richtung den Tunnelausgang zu erreichen. Bergauf wäre es wohl nicht möglich. Von den wartenden Autos auf der anderen Seite erhebt sich Applaus. Ich weiß jetzt nicht, ob es für die Tunneldurchfahrt sein sollte oder für den Berg vorher aufwärts. Mit der spanischen Seite beginnt ein wärmeres Klima, es ist trockener und die Berge wirken protziger mit stumpfen Gipfel und teils senkrechten Felswänden. In Bielsa stößt man auf das Valle de Pineta – eine beliebtes Stichtal, dem angemessen hier der Ort ein kleines touristisches Zentrum bildet. Ich fahre aber weiter, um den Basispunkt für den nächsten Pass noch zu erreichen. Auf der Strecke nach Plan werden die Berge eigenwilliger, es gibt einige Tunnelfelsen. Überraschend folgt noch Landschaftswechsel mit einem Feuchtbiotop an einem Stausee kurz vor Plan. Für die Nacht schlage bereits auf die Piste zum Puerto de Sahún ein (nicht ausgeschildert, lässt sich aber erahnen), nachdem ich vorher ordentlich in Plan gespeist hatte. Zur Bildergalerie TEIL 7 (folgendes Bild anklicken): Fortsetzung folgt
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (12.02.19 19:29) |
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#779915 - 16.12.11 11:11
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias,
Klasse Bericht wie immer von dir, ebenso die Bilder.
Klaus
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jetzt wieder Stadtbewohner ;-) .Wenn du unten bist, geht`s nur noch bergauf.
Liegst du schon, oder buckelst du noch !
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#779994 - 16.12.11 13:30
Re: Pyrénées Cathares-Catalán
[Re: trike-biker]
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Klasse Bericht wie immer von dir, ebenso die Bilder.
Stimmt. Aber der Text ist viel mehr als nur ein Bericht, er ist zumindest ein ganz toller Radreiseführer, routiniert geschrieben und mit viel Kompetenz und Erfahrung. Ich find` s hinreißend … macht ganz schön Appetit … ojeh
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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