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#1082726 - 20.11.14 18:56 Laufradgewicht und Fahrverhalten
faltblitz
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 815
Hallo,

offensichtlich gibt es ein großes Bedürfnis, den Einfluss des Laufradgewichtes und der sogen. "routierenden Masse" (also insbesondere die Masse der Felgen, Schläuche und Reifen) auf des Fahrverhalten des Rades zu diskutieren. Da das gerade in diesem Thread stattfindet und der Faden quasi davon "gekapert" wird, verliere ich die Übersicht. mein anliegen war da ein etwas anderes. Daher möchte ich hier eine Alternative schaffen, das Thema an dieser stelle weiter zu diskutieren. Also eine Bitte: Wechselt doch mit Beiträgen zu diesem Thema einfach in diesen Thread. Danke! :-)

LG
Christoph
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#1082742 - 20.11.14 19:56 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: faltblitz]
ohne Gasgriff
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 1.701
Zuvor sollten wir aber vielleicht mal diese spannende Frage klären, denn sie ist die Grundlage für alles Weitere:

In Antwort auf: StephanBehrendt
In Antwort auf: hawiro
Wendig heisst für mich, dass ich den Lenker leichter bewegen kann als bei einem nicht wendigen Rad und das Fahrrad dieser Lenkbewegung dann auch leichter folgt. D.h., ich muss nicht so viel Kraft aufwenden, um die Richtung zu ändern, wie bei einem nicht so wendigen Rad.
Diese Urban Legend hält sich hartnäckig. "Lenken" tut man durch Gewichtsverlagerung; der Lenker dient lediglich zum festhalten.


Stephan Behrendt, kannst du mir mal bitte erklären, wie man auf einem Einspurfahrzeug sein Körpergewicht zur Seite verlagert? Nach vorne oder hinten, damit habe ich kein Problem, denn in der Richtung habe ich zwei Aufstandspunkte. Wie ich's jedoch zur Seite bringen soll, ist mir unklar.

Gruß,

Clemens
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#1082778 - 20.11.14 23:13 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: ohne Gasgriff]
iassu
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 25.085
Ich heiße zwar nicht Stephan, aber die Sache ist doch wohl klar. Außer den Kreiselkräften, die einem das Fahren erst ermöglichen, spielt die ständige leichte Gewichtsverlagerung re/li die Hauptrolle. Neige ich mich um 1° zur Seite, schlägt die Lenkung in dieselbe Richtung um. So und nur so kann man freihändig fahren. Bei den Händen am Lenker passiert speziell bei Geradeausfahrt nichts anderes.

Ich kann mir schlecht vorstellen, daß du das nicht weißt.
...in diesem Sinne. Andreas
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#1082782 - 21.11.14 01:06 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: iassu]
ohne Gasgriff
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 1.701
Die Bedeutung der Kreiselkräfte ist bereits lange widerlegt. Man kann bei Geschwindigkeiten Fahrradfahren, bei denen sie rein rechnerisch keine Rolle mehr spielen können und man hat auch schon Fahrräder gebaut, bei denen sie durch gleichschwere, rückläufig drehende Räder eliminiert wurden. Die waren in einem gewissen Geschwindigkeitsbereich einwandfrei eigenstabil, genau wie jedes normale Fahrrad (das auch nur in einem gewissen Geschwindigkeitsbereich eigenstabil ist).

Um mein Gewicht zur Seite zu verlagern, müßte ich meine Körpermasse zur Seite bewegen. Masse, Bewegung, das legt die Vermutung nahe, daß dazu eine Kraft notwendig ist und daß dazu dann auch irgendwas vorhanden sein müßte, das diese Kraft aufnehmen und eine Gegenkraft erzeugen kann. Sowas finde ich jedoch nicht am Fahrrad.

Es kann auch jedes Kind schaukeln, wenn man's auf 'ne Schaukel setzt, es ist jedoch garnicht so einfach, zu erklären, wieso. Wenn's still draufsitzt, wird sich sein Schwerpunkt genau unter dem Aufhängepunkt befinden. Wenn man es nun auffordert, sein Gewicht nach hinten zu verlagern, geht der Kopf nach hinten, die Füße nach vorn und der Schwerpunkt bleibt immer noch genau unter der Aufhängung. In der Summe bewegt sich also nichts. Es ändert sich nur die Ausrichtung des Körpers und der Seile, der Gesamtschwerpunkt bleibt jedoch senkrecht unter der Aufhängung. (Um die Frage zu beantworten, wie das Kind überhaupt in der Lage ist, diesem Gesamtsystem Energie zuzuführen, muß man die Schwerpunkthöhe betrachten. Die variiert nämlich dabei und letztlich wird so Lage- in Bewegungsenergie umgewandelt).

Die Schaukel ist eigentlich nichts anderes, als ein umgedrehtes Fahrrad. Sie befindet sich in einem stabilen Gleichgewicht, weil der Schwerpunkt sich in Ruhe am tiefsten Punkt der Bahn befindet. Das Fahrrad ist hingegen labil, der Schwerpunkt liegt oberhalb des Drehpunktes am höchsten Punkt der Kreisbahn. Das einzige, was ich in meinem Bemühen, meinen Körperschwerpunkt zur Seite zu verlagern, erreichen kann, ist eine geänderte Ausrichtung zwischen Körper und Fahrrad, genau wie beim Kind und der Schaukel. Lege ich mich beim Freihändigfahren nach rechts, kippt das Fahrrad gleichzeitig nach links. Aufgrund der Eigenschaften der Lenkgeometrie lenkt es dann auch nach links und erst damit gerät der Schwerpunkt neben die Aufstandslinie durch die beiden Radaufstandspunkte, wodurch eine Rechtskurve eingeleitet wird.

Ob freihändig oder mit den Händen am Lenker: Ein Fahrrad wird dadurch im Gleichgewicht gehalten, daß man permanent diese Aufstandslinie unter den Schwerpunkt fährt. Und eine Kurve wird dadurch eingeleitet, daß man diese Aufstandslinie bewußt nach der Gegenseite unter dem Schwerpunkt herausfährt. Das ist nämlich der Unterschied zum Schaukelmodell, daß man den Aufhängepunkt variieren kann, solange man in Fahrt ist. Diese Zusammenhänge kann man leicht im Selbstversuch verifizieren, indem man ein Stück Schnur an jedes Lenkerende bindet. Während der Fahrt dann den Lenker loslassen, diese beiden Schnüre fassen und damit lenken. Der Zug an der linken Schnur leitet eine Rechtskurve ein.

Neulich war hier ein Video verlinkt von Mädels in Melbourne auf Fixies:
http://vimeo.com/110052827
Gleich die erste Szene zeigt, wie das Balancieren auch im Stand gelingt, wenn man den Lenker einschlägt und einen fast spielfrei erreichbaren Rückwärtsgang zu Verfügung hat. Man kann dann auch im Stillstand permanent die Aufstandslinie unter den Schwerpunkt fahren. Mit dem Standardfahrrad ist es schwieriger. Man muß den Schwerpunkt dazu weit nach vorne bringen und sich von der Minimalverschiebung ernähren, die sich aus Lenkbewegungen und dem Nachlauf ergeben. Freihändig geht nix.

Weitergehende, gut aufbereitete Lektüre hier: https://sites.google.com/site/bikephysics/Home


Gruß,

Clemens

Geändert von ohne Gasgriff (21.11.14 01:08)
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#1082783 - 21.11.14 01:39 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: ohne Gasgriff]
iassu
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 25.085
Wir reden offensichtlich von verschiedenen Dingen. Das, was ich seit einigen Tagen als meine Fähigkeit, Fahrrad zu fahren ansehe, muß sich auf etwas anderes beziehen, als worüber du redest. Lassen wir es dabei.
...in diesem Sinne. Andreas
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Off-topic #1082787 - 21.11.14 06:22 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: ohne Gasgriff]
Joachim143
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 491
Während ich geschlafen habe, muss sich die Welt verandert haben. Ich lebe jetzt auf einer Scheibe. entsetzt
Joachim
Radfahren ist Leben. Fotografieren der Rest.
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#1082795 - 21.11.14 07:09 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: Joachim143]
derSammy
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
abwesend abwesend
Beiträge: 20.637
Jetzt tut doch alle nicht so ungläubig. Was Clemens hier beschrieben hat, hätte ich selbst nicht besser ausdrücken können. Ich versuche es trotzdem nochmal in Kurzform:
Man kann sich nicht "einfach so" in eine Rechtskurve hinein legen. Weil das würde bedeuten, dass man den Schwerpunkt nach rechts verlagert, dazu ist eine Kraft nötig und diese würde wiederum das Fahrrad nach links aus der Geradeausfahrt lenken. Der Vergleich mit der Schaukel ist eigentlich ganz gut: Wenn ich den Schwerpunkt in die eine Richtung auslenke (z.B. den Oberkörper nach hinten lehne), dann weicht das Gefährt (hier die Schaukel) in die andere Richtung aus (bei der Schaukel nach vorn). Letztlich bleibt bei einer vorher ruhenden Schaukel der Schwerpunkt genau unterhalb der Aufhängung oder beim Fahrrad eben genau oberhalb der Fahrlinie.

Warum ist deine reale ScheibenPraxiserfahrung dennoch anders? Nunja, weil die Fahrradgeometrie (Nachlauf und Steuerrohrwinkel) da etwas für dich übernimmt, was dann doch eine Rechtskurve einleitet. Die Erklärung hat Clemens auch schon gegeben, ich versuche es trotzdem nochmal auf meine Weise: Lehnst du dich nach rechts, dann kippt das Rad nach links. Mit so einem schief gestellten Rad kann man auch geradeaus fahren, aber dazu ist eine Lenkkraft nötig, wie du vielleicht von deiner ScheibeErfahrungswelt her kennst oder ausprobieren kannst. Im Normalfall bringst du diese Kraft aber nicht auf, also knickt der Lenker ein - und zwar (vielleicht wider der Intuition) nach links. Also fährt das Fahrrad nach links, bringt die Fahrlinie also nach links rüber, aber der Schwerpunkt des Rades bewegt sich aus Trägheitsgründen weiter geradeaus und gelangt damit auf die rechte Seite des Rades. Jetzt haben wir wirklich den Zustand, dass damit das Gewicht "nach rechts innen" verlagert ist, was relativ anschaulich zur gewünschten Kurvenfahrt führt.

Den Effekt kennen die Motorradfahrer unter uns (hoffentlich) aus der Fahrschulausbildung: Bei einem Motorrad ist der Fahrer ja wesentlich leichter als das Fahrzeug und das alleinige in die Kurve lehnen bedeutet damit nur ein sachtes Kippen des Kraftrades und somit wird die Kurvenfahrt nur sachte eingeleitet. Daher lernt man beim Prüfungselement "Gefahrenbremsung mit Ausweichen", dass man das Ausweichmanöver durch einen Lenkimpuls einleitet, einen kurzen, kräftigen Lenkimpuls in "die falsche Richtung". Für die Rechtskurvekurve also einen Stoß mit der rechten Hand gegen den Lenker. Der führt dazu, dass die Räder (insbesondere das Vorderrad) des Motorrades nach links steuern, während der Schwerpunkt des Motorradgeschosses so schnell seine Geschwindigkeit (also Betrag und vor allem Richtung) nicht ändern kann und somit weiter geradeaus und damit auf die rechte Seite der Fahrlinie wandert. Dies leitet dann recht flott das Ausweichmanöver in Form einer scharfen Rechtskurve ein.
Komm wir grillen Opa. Es gibt Koch und Suppenfleisch!
Satzzeichen können Leben retten.
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#1082798 - 21.11.14 07:26 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: derSammy]
Joachim143
Mitglied
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Beiträge: 491
Um eine Kurve zu fahren, muss eine Kraft aufgebracht werden, die das Fahrzeug aus der Geradeausbewegung bringt. Diese Kraft wird dadurch aufgebaut, dass das Vorderrad in der von dir beschriebenen Weise bewegt wird. Dazu muss aber der Drehimpuls geändert werden. Die Kreiselkräfte spielen also sehr wohl eine Rolle.
Praktisch erfahre ich das, wenn ich für den Winter Reifen montiere, die ca. 300g pro Stück mehr wiegen. Die Kurven müssen früher eingeleitet werden - das Fahrrad fühlt sich deswegen träger an.
Joachim
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#1082804 - 21.11.14 07:54 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: Joachim143]
derSammy
Mitglied Übernachtungsnetzwerk
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Beiträge: 20.637
Die Frage ist glaube ich, worum es einem genau geht.

Ein Fahrrad fährt auch ohne Kreiselkräfte eigenstabil geradeaus und die Kurvenfahrt läuft so ab, wie bereits beschrieben.
Da man aber keine gegenrotierenden Massen am Laufrad hat, reagiert die Lenkung träger wenn größere Laufraddurchmesser und größere Radmassen (also ein größerer Drehimpuls) im Spiel sind.
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Geändert von derSammy (21.11.14 07:55)
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#1082838 - 21.11.14 10:59 Re: Laufradgewicht und Fahrverhalten [Re: Joachim143]
ohne Gasgriff
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 1.701
In Antwort auf: Joachim143
Während ich geschlafen habe, muss sich die Welt verandert haben. Ich lebe jetzt auf einer Scheibe. entsetzt


Nö, wir sind schon ein Stück weiter, nämlich bei der Kopernikanischen Wende. Die Erde ist nach wie vor eine Kugel, aber du hast gerade erfahren, daß sie sich um die Sonne dreht, anstatt daß sich, wie es deine Beobachtung nahelegt, die Sonne um die Erde dreht. Dadurch ändert sich alles und nichts, aber Kopernikus' Zeitgenossen haben irgendwann eingesehen, daß diese neue Erklärung ebenfalls zu ihren Beobachtungen paßt.

Du hast bestimmt schon mal einen Besen auf der Fingerspitze balanciert. Das gelingt dir, indem du immer wieder den Aufstandspunkt unter den Schwerpunkt bewegst. Du wirst aber auf der ganzen Welt keine Zirkusnummer finden, bei der ein Artist am oberen Ende einer Stange herumbalanciert, die mit dem unteren Ende auf dem Boden steht. Der hat da oben nun mal nichts, worauf er eine Kraft ausüben könnte, um sein Gewicht irgendwohin zu verlagern. Das Mädel auf der Stange, die ein stiernackiger Artist auf der Stirn balanciert, findest du hingegen genau so, wie du Einräder findest, in fast beliebiger Höhe. Es ist immer das gleiche Prinzip, nämlich die Bewegung des Aufstandspunktes. Der Artist auf der Stange kann sich dadurch helfen, indem er auf der Stelle hüpft und dabei die Stange immer wieder auf Punkten landet, die einen Gegenimpuls zu seiner momentanen Kipprichtung erzeugen.

Geändert von ohne Gasgriff (21.11.14 11:03)
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www.bikefreaks.de