2009 schrieb ich:
"Dann radle ich demnächst zu den Quellen des Rheins, nach Vals und zum Oberalp."Vater Rhein hat mehrere Quellen. Die offizielle befindet sich am
Tomasee. Die andere liegt am
Rheinwaldhorn. Der
Valser Rhein ist relativ unbekannt, obwohl das
Valser hoch erfrischend und weit über Graubündener Grenzen bekannt ist.
Seit fünf Jahren trage ich mich mit dem Gedanken, den Rheinradweg, nachdem ich ihn mittlerweile von Emmerich bis Lindau unter die Räder genommen habe, abzuhaken und dabei die Therme in Vals mit dem Rad zu besuchen. Vals war für mich Ziel und Herzenswunsch, wie es für andere vielleicht ein großer Wunsch ist, das Matterhorn zu besteigen oder die Tremola zu fahren.
Was liegt also näher, als meine Sommerreise mit einer Fahrt von Bregenz nach Vals abzuschließen? Da ich auf dem letzten Abschnitt von Grainau nach Bregenz jedoch kilometertechnisch reichlich geschludert habe, bin ich aus Zeitgründen anderweitig zur Mündung des Valser Rheins nach Ilanz gereist. Der Rheinradweg bleibt für mich also bis auf Weiteres Stückwerk. Die Strecke über Luzisteig, Maienfeld und durch die Rheinschlucht möchte ich gerne nachholen. Für den Oberalp fühle ich mich noch nicht fit genug. Mir fehlt es an der notwendigen Ausdauer. Mit dem Zug zum Oberalp zu fahren und den Rheinradweg runterzurasen, erscheint mir keine gute Alternative zu sein.
Ilanz . Vals . Zervreila Stausee . und zurück Das Wetter meint es gut mit mir. Mit reduziertem Gepäck mache ich mich auf den Weg. Es läuft gut. Geschoben hab ich diesmal gar nicht. Angehalten habe ich oft. Zu sehr hat mich dieses Alpenpanorama auf drei bewegenden Stunden und 21 Kilometer beeindruckt.
Startpunkt in Ilanz am
Hotel Raetia. Die Halbpension im EZ mit einem richtig guten 3-Gang Menü und einem wirklich ausreichendem Frühstück ist 85,- SFR allesamt wert.
die erste Brücke über den Valser Rhein
noch sind Dachziegel auf den Dächern
das Tal wird enger……………….
………………die Berge höher und der Weg zum höchsten Haus ist nur noch zu Fuß erreichbar
Engstelle
unverwechselbar sind die Steinplatten auf den Dächern
.......
geschafft Was mach ich mit dem angebrochenen Tag?
Ich bekomme ein Zimmer im Hotel zu einem besonderen Tarif, weil ich von soweit her mit dem Rad gekommen bin.
Anschließend radle ich noch zum Steinbruch und versuche mich an der Auffahrt zum Zervreilasee. Doch die Beine sind müde. Ich geh ins Wasser.
Punkt.
In der Therme ist photographieren verboten: Du schlüpfst zwischen schwarzen Vorhängen in einen schmalen, spärlich beleuchteten Gang. Bronzene Beschläge, grauer Gneis mit unterschiedlichsten Texturen, schwarzes Leder, schwarzer Lack und glänzendes Mahagoni sind, bis auf 3 Ausnahmen, die wenigen Materialien, mit denen
Peter Zumthor die Felsentherme gebaut hat. Was für eine Kunst, Architektur so zu reduzieren und gleichzeitig eine solche Wohlfühlatmosphäre zu schaffen!
Vor 13 Jahren war ich das erste Mal hier. Heute wird es nicht das letzte Mal gewesen sein. Ich liebe meinen Rundgang über Rampen, die dich zwingen, langsam zu gehen. Ich bewundere jedes Mal aufs Neue die Duschen, deren Köpfe dir aus 4 Metern Höhe das Wasser auf den Selben prasseln lassen. Einzelne Becken mit 14° und 42° erwecken alles, was es noch zu erwecken gibt. Musik von Fritz Hauser im Raum der klingenden Steine, ein Raum mit 35° warmen Wasser und dem perfekten Echo schärfen deine Sinne für das Gehör in dein Inneres und deine Sicht auf das Außen. Im Ruheraum gibt es 5 anatomisch geformte Holzliegen, 5 Hängeleuchten und 5 Fenster mit dem einzigartigen Blick auf steile grüne Wiesen und die unverwechselbaren Stadeln, in denen die Bauern ihr Heu lagern.
Es gibt keine Sauna. Es gibt Schwitzsteine. In drei dunklen, durch Vorhänge getrennten und hintereinander liegenden Räumen, befinden sich jeweils links und rechts vom Gang lange polierte Steinblöcke, auf denen Du sitzen und schwitzen kannst. Im letzten, im heißesten Raum, befindet sich mittig der Ofen. Wunderbar!
Ein paar Bilder aus Vals: Das kleine Fenster links neben der Türe ist das Seelenfenster. Die alten Häuser haben es noch. Es wird geöffnet, wenn jemand gestorben ist. Dann kann er ungehindert gehen.
Gute Nacht Der Wettergott hat kein Erbarmen. Im strömenden Regen mache ich einen geführten Dorfrundgang mit. Wir erhalten neue Einblicke in alte und neuere Geschichte.
Die Therme und das Hotel gehörten bis vor kurzem der Gemeinde. Geplante Investitionen in Millionenhöhe möchte diese aber nicht mehr stemmen und hat deshalb Therme, Außenhäuser und Hotel an einen ortsansässigen Investor verkauft. Um die Gäste im Dorf zu halten, wurde der Eintrittspreis für Tagesgäste drastisch erhöht. Das scheint mir aber nur der erste Schritt vom Ausverkauf des Tals zu sein. Peter Zumthor wurde aus dem Dorf gekegelt und
Remo Stoffel will jetzt hochtrabende Europäische Architekturgeschichte schreiben. Mir graust es. Vielleicht ist es sinnvoll, möglichst bald wieder nach Vals zu fahren. Ich befürchte, dass es in ein paar Jahren dort unerträglich sein wird. Sehr schade!
Therme Vals erhöht Eintritte Reiche und Superreiche sollen kommen Die Schweiz ist zu billig Medien zum Projekt Tadao Ando Berücksichtigt man die neuen Thermenpreise, ist der Übernachtungspreis quasi ein Schnäppchen. Naja, 160 Angestellte wollen auch leben und Dumpinglöhne scheint es nicht zu geben.
Die Truffer AG exportiert mittlerweile den Valserstein in alle Welt. Der Strom ist für die Bewohner stark subventioniert, nicht nur weil dem Stausee das alte Dorf geopfert wurde. Wir erfahren noch etwas über die Beschäftigungszahlen im Steinbruch, im Kraftwerk und beim Mineralwasserproduzenten, doch besonders interessant finde ich die Geschichte der Erschließung des Tals. Die ersten Walser kamen von Süden, also von Hinterrhein über die Berge. Anschließend blieb die Sprache das verbindende Element, und nicht im Tal produzierbare Dinge wurden bis ins 19. Jahrhundert über die Berge transportiert.
Erst 1880 wurde die Straße nach Ilanz fertig gestellt.
Am Mittag gehe ich wieder ins Wasser und morgen reise ich ab. Die Zeit drängt.
Vals im Regen:In der Dorfkirche ist ein besonderes Deckengemälde zu sehen. Jesus hat am Zevreilasee gepredigt.
Sicherlich hatte er keine Ahnung von den dornenreichen Kreuzwegen der neumodischen Reiseradler-Generation, die mit 14 Gängen die Berge erklimmt.
NebelweltenIch will zum See und sehe überhaupt nicht ein, bei strömenden Regen da hochzukurbeln. Außerdem hätte ich es wirklich nicht geschafft. 800 hm auf 9 km sind für mich unerreichbar. So ist die Realität. Ich nehme den Bus bis zum Gasthaus Zervreila und tauche in eine gespenstische Nebelwelt ein. Auf der Staumauer kannst Du nur noch erahnen, wie sie im Nichts vergeht.(frei nach Karl Krolow)
Die restlichen Meter bis zu meinem Ziel laufe ich. Nebelschwaden lösen sich auf und verdichten sich wieder. Jetzt, in dieser Atmosphäre, verstehe ich die reduzierten Materialien aus der Therme besser. Das dunkle Grau der Felsen, das helle Grau des Nebels und dieser sparsame grüne Bewuchs sind Ursprung, Idee und Heimat dieser Architektur, die sonst nirgendwo existieren könnte.
Ein paar Bilder:
Ich sitze in der Kapelle oberhalb vom Zervreila Stausee auf 2000m Höhe. Tränen laufen über mein Gesicht. Ich bin gleichzeitig glücklich und traurig. Einerseits habe ich mir einen langgehegten Wunsch erfüllt, andererseits würde ich meine Freude jetzt gerne teilen. 2009 hat mir mein Papa zum Rad etwas "dazugegeben". 2010 wurde er krank. Er starb vor drei Jahren, als ich mich auf einer Fahrradtour nach Usedom befand. Manchmal vermisse ich ihn sehr. Abschluss:
Wieder einsetzender Regen löst den Nebel auf. Hinter Wolkenfetzen werden die Konturen der Bergspitzen sichtbar. Ich laufe zurück zur Zervreila Hütte und überlege noch kurz, mit einem von diesen roten Miet-Rollern zurück ins Hotel zu fahren, verwerfe den Gedanken und vertraue mich bei dem Wetter lieber dem Busfahrer an.
Im Hotel bekomme ich meine deponierten Taschen und als Überraschung ein Lunchpaket de Luxe. Brot, Wasser, Schinken, Obst, ein Ei und Schokolade im weißen Stoffbeutel. Sowas mag ich, sowas gefällt mir. Herzlichen Dank auch an dieser Stelle.
Die Abfahrt nach Ilanz geht viel zu schnell vorbei. Ach, hätte ich doch noch ein wenig Zeit. Es gibt noch soviel zu entdecken......................
Eines hätte ich fast vergessen zu erwähnen:
Ein Teller Heusuppe erfreut mich bei mit einem letzten Blick auf Vals, die Therme und die Erinnerungen an eine glückliche Reise.
Eine
neue Flasche Wasser wird mich auf die nächste Reise begleiten, denn die Geschichte geht weiter
Danke für euer Interesse und die vielen positiven Rückmeldungen
Jürgen
Nachtrag:
In zwei Jahren wird wahrscheinlich das Wasser aus dem Stausee komplett abgelassen, um Revisionsarbeiten am Kraftwerk durchzuführen. Ich überlege, ob das nicht der richtige Zeitpunkt wäre, über die Berge von Hinterrhein nach Vals zu wandern und dies mit einer Radtour zu verbinden. Wer Lust hat mitzukommen, darf sich gerne melden.
Tipps:
Therme Vals (Baukunst) .........Valser Tal bei quäldich .........Lebensbedingungen der Valser Schwabenkinder .........Bergrennen Ilanz-Vals