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#906298 - 03.02.13 22:52
Große Jura-Prüfung 2012
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Themenersteller
abwesend
Beiträge: 17.344
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Dauer: | 13 Tage |
Zeitraum: | 16.5.2012 bis 28.5.2012 |
Entfernung: | 1047 Kilometer |
Bereiste Länder: | Frankreich Schweiz
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Dissertation und Große J(o)uristen-Prüfung im launenhaften Mai – mit Schwerpunkt südliches Jura und einer Veloparty à la SuisseInhaltsverzeichnisEinführung & 1. JP: Teamfähigkeit & verschwiegene Agentenmission – Basel, Biel, Bern (gleich hiernach) 2. JP: Wetterfestigkeit & jurassische Philosophie – Neuenburg, Val Travers, Chasseron3. JP: Wasserfallfotografie & empirische Pharmaproduktversuchsreihe – Jura FranceJAP: Höhlentauglichkeit & infektiöse Sehschwäche – Lac de Joux, Lac LémanHinweis für alle Forumsteilnehmer/innen: Dieser Bericht enthält auch meine Perspektive des Forumstreffens Biel/Bienne 2012 in Wort und Bild. In der ersten Bildergalerie gibt es daher auch Bilder von unseren Ausflügen, wenngleich die Bilder schon witterungsbedingt dort eher etwas bescheiden ausfallen. Noch rechtzeitig vor den ersten Frühlingsgefühlen also nochmal Zeit, gemeinsame Raderlebnisse Revue passieren zu lassen oder sich einzustimmen auf neue Treffen. Noch passend zur Winterzeit schmerzt da schon nochmal manch kalter Finger im jurassischen Geiste. Fachliche Abgrenzung und PrüfungsverfahrenFrage: Wie nennt man Touristen, die durch den Jura reisen? Antwort: Jouristen. Man könnte auch sagen, dass der neuzeitliche Jourismus einen Hybrid der Kelten- und Römersprache wiederspiegelt. Denn die Kelten nannten das „Waldland“ Jor, die Römer Juris. So gesehen ist unklar, ob eine Promotion im Fach Jourismus mit „Dr. jor“ oder mit „Dr. jur.“ abgeschlossen werden kann. Das Dekanat für Radlerlatein entschied sich zur Bezeichnung „Dr. j(o)ur.“ um Verwechslungen mit einer pseudo-wissenschaftlichen Spezies, die mit dem Jura nichts zu tun hat, zu vermeiden. Diese andere Gruppe der „Juristen“ ist eigentlich mit „Rechtsverdreher“ besser gekennzeichnet. Auch sind jene „Juristen“ als Karriereristen bekannt und neigen in besonders häufigen Fällen zur Plagiatsmethode. Aus dem rein wissenschaftlichen „Jourismus“ hingegen sind bisher noch keine Entgleisungen und Missbräuche bekannt, sodass Dr. j(o)ur. ein uneingeschränktes Qualitätssiegel darstellt. Wer über jurassische, joristische oder juristische Grundkenntnisse verfügt, den bitte ich um Bewertung in den vier folgenden jouristischen Prüfungsfächern. Sofern bestanden, beantrage ich hiermit die offizielle Vergabe der Doktorwürde im Fach J(o)ura. Plagiatsvorwürfe bitte nur an mein Ministerialbüro trasgu prudensis. Die Teilnahme in der Prüfungskommission ist natürlich freiwillig und wird nicht honoriert. Früher übliche Bestechungsgelder für geschönte Bewertungen in bekannten Dissertationsverfahren (bitte sich Namen denken, es gibt ja mittlerweile genug davon) wurden aufgrund der Schuldenbremse gestrichen. Ggf. kann der Zeitaufwand für das Lesen als juristische Fortbildung von der Steuer abgesetzt werden. Das deutsche Steuerrecht kennt den Unterschied zwischen Jouristen und Juristen noch nicht. Bitte fragt eure(n) Steuerberater(in). Geistig-geografische Einweisung und der Zorn GottesDer Jura ist eine immer noch abseitige Region – in der Schweiz wie auch in Frankreich. Vielfach einsam, im Winter rau und kalt, in warmen Monaten heiter und erfrischend, im Herbst bunt und leuchtend. Hügelketten, große und kleine Schluchten, ruhige, lieblich-kleine Natur- und Badeseen, große Seen mit lebhaften, kulturreichen Uferorten, üppige sprudelnde Karstquellen, verzauberte Mooswasserfälle, romantische Flussbiotope, einsame Hochebenen, weitreichende Alpenpanoramen, gewaltige Talkessel, geheimnisvolle Höhlen, mächtige Riesentannen, präzise Uhrenbauer, Heimstatt großer Denker, berauschender Absinth, würzige Bergkäse, schmackhafte Back- und Süßwaren, unbekannte Wein- und Essigspezialitäten, Dörfer mit sprödem Charme, städtische Kleinode abseits der großen Ferienrouten – das ist eine sträflich unvollständige Beschreibung eines Landstriches, der im Wesentlichen einen grenzbildenden Gebirgszug zwischen Schweiz und Frankreich bildet, mit einem Ausläufer zum Hochrhein ein hügeliger Gegenpart zum Schwarzwald und eine Abgrenzung zum Schweizer Mittelland andererseits. Der quellreiche Jura entwässert sich am Rande über Aare, Rhein und Rhone nebst der großen Seen von Genf, Neuchâtel und Biel, sowie inmitten durch den weitschleifigen Doubs im Norden und Westen und den mäandernden Ain im Süden. Die mystisch anmutenden Quellen mehrerer Juraflüsse waren denn auch ein Kernthema der Tour, die im Gegensatz zu meiner Spätherbstreise 2010 Jura du Nord (Suisse) im Schwerpunkt in die mittleren und südlichen Teile des Juras führte – gewissermaßen eine Fortsetzung also. Es sei darauf verwiesen, dass ich auf der Nordjura-Tour bessere Witterungsbedingungen hatte als bei z.B. auf der gemeinschaftlichen Chasseral-Tour. Für alle, die sich für die Landschaft rund um den Chasseral interessieren und die nur verregnete Erinnerungen mit sich tragen, seien die Bilder der Nordjura-Tour unbedingt ergänzend empfohlen. Durch die föhnigen Herbsttage hatte ich damals teils fantastische Panoramabedingungen. Neben einer größeren Schnittmenge im Nordjura gab es aber auch Orte und Strecken, die ich schon von meiner Sommerradreise 2002 (auch, aber weniger 2004) her kannte – damals mit Schwerpunkt Französisches Jura als Auftakt einer Alpen-Mittelmeerreise gewählt. Das betrifft vor allem die Region um die Cascade du Hérisson einschließlich der dort idyllisch gelegenen Seen. Aus diesen vergangenen Touren, die ich hier noch nie ausführlich dargestellt habe, möchte ich die Highlights ergänzen, die auf dieser 2012er-Tour nicht berücksichtigt sind, aber zu einjeder kompletten (französischen) Jura-Tour sein sollten: St-Ursanne, die folgende Doubs-Route bis St-Hippolyte, das Tal der Dessoubre, die Cascade de Vermondans, der Lac de St-Point (mit Hochmooren anbei), der Lac de Chalain und einige weitere Seen Richtung Cascades du Hérisson sowie Nantua mit See. Weniger attraktiv fand ich insbesondere den See von Clairvaux (sehr kommerziell), den Lac de Vouglans (allerdings nur zum kleinen Teil erkundet) und Oyonnax, ein Zentrum der Plastikindustrie. Eine Besonderheit bildete der Anlass der Reise: Das Schweizer Forumsmitglied Markus alias mstuedel organisierte das Radreiseforumstreffen 2012 in seiner aktuellen Heimat am Bieler See. Diese Gelegenheit wollte ich nicht verpassen, meine bereits ersehnte Jura-Anschlusstour dann ab Biel zu starten, zumal eine lange Brückenwoche zwischen Himmelfahrt und Pfingsten nutzbar war. Es machte für mich auch Sinn, die Anreise ab deutscher Grenze zu beginnen und den mir eigentlich nicht zustehenden Vatertag zu einer Anreise im Nordjura zu nutzen – ein paar neue Wege nochmals, aber auch abschließend mit einem mir schon bekannten Pass nach Biel hinüber. Der Umstand der organisierten Touren wollte es so, dass ich weitere Wiederholungen eingefahren habe wie den Chasseral. Den Col de Pierre Pertuis bin dadurch sogar nunmehr zum dritten Mal in jeweils gleicher Richtung gefahren – der landschaftlichen wie radlerischen Bedeutung dieses Transitpasses nicht ganz angemessen. Kalte Finger sind das Stichwort für eine ewig leidiges Thema des rollenden Freiluft-Nomaden. Die Tour könnte im Frühjahr eine Traumtour sein – wenn es der Mai gut meinen würde. Tut er aber nicht immer – sogar häufig nicht, erfahrene Forumstreffenteilnehmer wissen das – Christi Himmelfahrt ist sehr wankelmütig, was den Zorn Gottes angeht. Diesmal zürnte der angebliche Erbauer des Erdenkreises sehr unstetig als wolle er der Prognose heidnischer Völker auf den bevorstehenden Weltuntergang Nachdruck verleihen. Sonnige Frühsommerstunden wechselten mit garstigen Wind-, Nebel- und Regenfronten – gern auch am selben Tag. Waren die Tage kalt und nass, war es in der Nacht kaum besser. Waren die Tage sonnig, waren die Nächte noch kälter, um nicht zu sagen frostig. Vor allem die Folgen des Wetters bewirkten, dass ich meine Etappenziel nie halten konnte. Die Tour hätte ich als bekennendes Weichei abbrechen dürfen – ich tat es nicht. Trotzdem ist es keine Heldentour. Ich habe mir Mühe gegeben, ich habe es geschafft – nicht mehr, nicht weniger. Insgesamt habe ich fast zwei komplette Tag auf meine Planung verloren. Vor allem musste ich den äußersten Süden des Jura angrenzend an die Rhone ganz streichen. Die regionale Aufteilung dieser Tour – besser ein jeder Juratour – ist zum Scheitern verurteilt. Dres Balmer hat über die Schwierigkeit, eine komplette Juradurchquerung mit dem Rennrad auszuarbeiten, einen netten Artikel im Schweizer velojournal vor einigen Jahren veröffentlicht: Über das Scheitern einer Juradurchquerung. Die vielen Quertäler, der zuweilen recht willkürliche Verlauf der Nationalgrenzen und schlicht immerzu wechselnde Landschaften, die sich nicht geografisch zu Blöcken ordnen lassen, erlauben meine beliebten Regionaleinteilungen von Reisegebieten nur unzulänglich. Eine grobe Orientierung liefern die Länder – Schweiz und Frankreich unterscheiden sich eben in der Kultur, wenngleich es meistens keine Sprachgrenze gibt, da grenznah auch die Schweiz im Jura (über den Kanton Jura hinaus) französischsprachig ist. So führen die ersten beiden Teile weitgehend durch Schweizer Gebiet, der Anreiseabend ganz am Anfang bewegt sich allerdings durch Frankreich. Es folgt ein großer Block, der weitgehend in Frankreich liegt – hier schäumt das meiste Wasser im Jura. Der letzte Teil ist dann wieder überwiegend eine Schweizer Route, wenngleich am Schlusstag mit einem größeren Frankreichanteil, den ich aber kulturell recht unbeachtet lasse. Total: 12-13 Tage | 1047 km | 14580 Hm 1. Jouristische Prüfung: Teamfähigkeit und verschwiegene Agentenmission Jura Suisse du Nord: Basel – Biel – Bern – Geheimcode BBB für glückselige Radler an einem Schweizer SeeMi 16.5. Stuttgart 14:59 || 19:02 (real: 20:02) Haltingen – Hegenheim – Hagenthal – Flüh11/6 °C, windig, bedeckt E: Salat, frit. Karpfenfilets, PF, Rw, Erdbeeren „Chantilly“ 32,60 € Ü C wild 0 € 29 km | 14,7 km/h | 2:00 h | 195 Hm Auf verschiedenen Routen sollte das Team von Geheimcode BBB anrollen – lautlos, ohne Motoren, nur von muskulär erzeugter Speichenenergie angetrieben – eben geheim. Basel galt zwar als vielfacher Ausgangspunkt, eine zu große Zusammenballung musste aber vermieden werden, um nicht Opfer von Satellitenortung der Gegenagentenseite zu werden. Einige zogen die frühzeitige Anreise vor, um Verwirrung auf gegoogelten Tracksonaren zu erzeugen und damit die Beobachtung von massenhaften Pedalbewegungen zu vereiteln. Ich selbst wählte die solistische Tangentialmethode – sprich: Basel nur auf Sichtweite annähern, aber nicht befahren. Glücklicherweise hatte ich später im Jahr nochmal Gelegenheit, ein paar mehr Eindrücke vom der Rheinkniestadt zu gewinnen – sogar weitgehend mit Teilnehmern von Code BBB (vgl. Basel-Treff Dezember 2012). Da muss der Planer schon ein bisschen tricksen: Eine Tagesanreise per Rad von der Grenze – das geht nur, wenn man bereits abends zuvor den Zug ab Stuttgart nimmt, sonst ist bereits ein halber Tag mit der Bahn verbummelt. Früher Büroschluss, fertig aufgepumpte Reifen und Packtaschen aufgelegt – gut vorbereitet kann die Reise bereits Mittwochmittag beginnen. Doch wehe dem, der mit der perfekten Bahn rechnet. „Personen auf den Gleisen“ heißt es wiederholt auf der Rheinstrecke – der Zug sammelt üppig Standminuten und kommt schließlich auf eine volle Stunde Verspätung. Ein Agenten-gelenktes Störmanöver? Die Geheimmission erforderte es umso mehr: Anreise zu einem möglichst unauffälligen Ort vor den Toren Basels, ungesicherte Grenzübergänge nutzen. Die Chemiestadt Basel bleibt unter düsterem Himmel südlich von mir unberührt liegen, vom Schwarzwald schimmern weiße Kuppen – Mitte Mai, der Frühling hält noch Winterzeit. Das nahe Sundgau macht wenig Hoffnung auf Besserung – mal ein wenig Nieselregen, dazu alles Grau in Grau – auch die Franzosen halten sich bedeckt. Mir fehlt die Stunde nötigst – ich könnte Mariastein erreichen – Zelten auf Wiesen in Höhenlage, oder gar Luxus in der Jugendherberge Burg Rothberg – mit Mittelalterflair und geradezu 5-Sternelage in Sachen Romantik. Nicht aber mit Verspätung. Also esse ich erst mal noch in Frankreich, in Hagenthal. Eine gute Wahl! Frittierte Karpfenfilets – DIE Spezialität des Sundgaus, eigens eine „Routes de la Carpe frite“ führt an den vielen kleinen Karpfenteichen durch diesen südelsässischen Landstrich, sanft behügelt, kleine Idylle, unspektakulär, für ruhige Radstunden gemacht. Es ist zugleich die Schnittstelle zu einer weiteren Tour des Jahres – die frittierten Karpfen hatte ich schmerzlich versäumt zu kosten – jetzt habe ich das nachgeholt. Da das Ambiente stimmt, genehmige ich mir auch noch jahreszeitgemäße Erdbeeren – ich hatte das große Essen für die kleinen Kilometer nicht nötig, aber ich hatte Lust. Es ist hier schon recht steil, die Wiesen und Weiden landwirtschaftlich abgezäunt oder eben unzugänglich für das Auslegen eines Zeltbodens. Flugs bin ich in der Schweiz – da fahren gleich Straßenbähnle – nach Basel zurück ist es nicht weit. Leider auch dicht besiedelt – zumindest die guten Flächen, danach nur noch steiles enges Tal – es ist kalt, der Atemhauch weiß im Dunkeln der Nacht. Wohin das Zelt? – dort beim Bärlauchgeruch, wo der Wanderweg in den steilen Hang hinauf führt vielleicht? – irgendwie – es muss gehen, weil hundemüde. Die Mischung aus Schutthalde und Wanderparkplatz ist nur hart, die Heringe halten nicht – vielleicht zwei davon. Improvisiert hängt das Tuch – ich hatte schon bessere Zeltnächte. Kalt ischt, kalt zieht es mir an die Stirn, in den Morgenstunden fällt die Frostgrenze. Da musst du durch, der Code heißt BBB – da kommen keine Weicheier hin. Ließ das Forum, Lappland, Island, Himalaja – alles weit unter Null, -30 °C zum Beispiel, Schneeschaum bis auf Lenkerhöhe, abgestorbene Finger, Heldennarben und das alles mit Begeisterung! Das ist die Truppe, die Code BBB folgt! – Nur nicht unterkriegen lassen, das kann ich auch, wenn auch nur im Schweizer Frühling… Do 17.5. Flüh – Mariastein – Challpass (747m) – Röschenz – Roggenburg – La Montagne/Pleigne (881m) – Bourrignon – Le Sommet (876m) – Develier – Bassecourt – Le Pichoux – Sornetan – Combe des Peux (~1000m) – Le Fuet – Tavannes – Col du Pierre Pertuis (827m) – Biel – Sutz – Brügg – Sutz112 km | 14,5 km/h | 7:42 h | 1760 Hm W: 0/16/18 °C, meist sonnig, lange sehr kalte Luft, windig B: Dia-Vortrag C. Marthaler/Velo-Museum (Spende) E: SV Ü: C Sutz 15,40 € Die Nebenhöhlen haben schon mal die Schotten dicht gemacht. Atmung schwer, eiskalt durch den Rachen, gehauchte Luftsäulen steigen sichtbar aus dem Mund. Frühstück lassen wir mal, die mageren, durchgekühlten Rationen in der Tasche müssen vielleicht noch durch das Entwicklungsland Schweiz halten. Brot gibt es feiertags nämlich nicht – nicht hier auf dem Lande, sogar wochentags hätte man Mühe, einen Laden zu finden. Es gibt Dorfbrot manchmal, direkt ab Hof, aber nur an 1-2 Wochentagen, gut wer das weiß – so hält die dörfliche Gemeinschaft zusammen, dauerhaftes Brot und nur für Einheimischen, auch quasi geheim. In Mariastein gibt es sogar was zu kaufen – direkt ab Hof: Most, Milch, Anfeuerholz und Strohballen! Strohballen kaufen am Feiertag – das hat was! So ein Strohballen auf dem Rad, das würde beim Team von Code BBB Eindruck machen. Ich überlege kurz, verwerfe aber den Gedanken. Ich grüße einen Hofbauern – der beäugt mich wie einen Dieb – könnte ja einen Strohballen klauen? Er grüßt nicht zurück – der Schweizer ist misstrauisch, deswegen behält er auch noch Grenzzäune inmitten Europas und eine veritable Armee. Man weiß ja nie. Das Spiel mit dem unerwiderten Gruß wiederholt sich noch zweimal mehr am Tage, darunter auch ein Radlerpaar mit Gepäck. Erst dachte ich, sie folgen via Lützeltal auch dem Code BBB – schnell genug sind sie ja, ich kann kaum folgen. Doch wer nicht grüßt, kann auch nicht dem Code BBB folgen. Ich behalte Recht, wer weiß, wo sie hingefahren sind. Zwischen Mariastein und Lützeltal steht noch ein Pass, der fordert mich bei der Kälte so, dass ich meine Lunge zwischendrin mal nachfühle – ob sie noch da ist. Der Hals kratzt schon. Wenn sich die Hände wieder bewegen lassen, werde ich Ingwer essen. Das hilft zwar nicht im Ewigen Eis, aber hier, wo die Sonne nun über Wolkenschichten Hoffnung auf ein bald wärmeres Himmelfahrt macht, da räumt das schon mal im Hals ein bisschen auf. Das Lützeltal fahre ich nicht aus bis Lucelle, sondern nehme den Berg nach Pleigne. Das hat Pfiff – ein erster Berg mit rechter Steigung, Rennradler fahren vorbei – die grüßen sogar! Kleine Zwischenmulde, dann kommen Prozente – nicht trinkbar, auch kaum tretbar, aber ich komme hoch – 17 % heißt es auf dem Blech an der Seite. Immerhin, das Frühjahr hat ja die Trainingsmuskeln schlapp hängen lassen. Ich weiß nicht, was mir die Reise erlauben wird. Die Ansprüche stehen auf dem Papier – das wird aber immer weniger wert, wenn der Autor jedes Jahr Geburtstag feiern muss. Bisher war die Landschaft ansprechend, ein paar Waldstrecken, meist aber offene Wiesen und Weiden, Schweizer Kühe – glückliche selbstverständlich. Von Veganern halten sie nichts – ich habe sie gefragt. „Warum rülpst ihr eigentlich unsere Atemglocke mit Methan zu?“ wollte ich wissen. Eine Kuh mit schwarzen Bildungsflecken auf dem Fell antwortete: „Weil wir nichts anderes zu essen kriegen als dieses unverdauliches Grünzeugs, da bekommt man doch ständig Blähungen von. Ich würde lieber mal so ein Schweinsohrschnitzel vom Stallnachbarn essen, aber der Bauer rückt nichts raus für uns – nur Heu. Früher als Kalb durfte ich noch ordentlich kräftiges Weißgetränk zapfen, aber die rosafarbenen Euterzeiten sind nun mal vorbei. Hin und wieder schnappe ich nach einer Fliege, die sind aber immer zu schnell für mich.“ Ich entschuldigte mich für meine vorwurfsvolle Frage, bedankte mich für ihre fleißige Milchproduktion, die ich besonders gerne in Käseform genießen würde und richtete Grüße an alle restlichen Jura-Kühe aus. „Mach dir nichts draus, solch dumme Fragen bekommen wir fast täglich gestellt. Aber ich sehe, deine Waden haben nicht nur Grünzeugs gesehen, du bist ein richtiger Kerl aus Fleisch und Milcheiweiß – einer aus unserem Saft und Blute. Gute Reise und grüß mir die anderen Radler von Code BBB noch! Und sag den Veganern, dass wir uns nicht umsonst abrackern wollen, nur weil die unsere leckere Milch verschmähen!“ So weit mein wissenschaftliches Weidegespräch. Auch das Tal mit der Nebenstraße zur Hauptroute von Lucelle nach Bourrignon ist appetitlich. Nach einem Zwischental wieder rauf nach Bourrignon. Direkt bei der Einmündung stehen Zollbeamte – oder Polizisten, ich weiß nicht mehr genau. Auch die schauen recht misstrauisch. Zollkontrolle? – Was mache ich mit dem ganzen Schwarzgeldern in meinen Taschen? – Ich rufe „Code BBB“ und werde sofort durchgewunken. Oben auf der Kuppe fällt mir der Schreck ins Knie: Vogesen schneebedeckt und – der Chasseral zu anderen Seite auch! Da wollen die Morgen hoch – die Leute vom Team BBB. Aber ich habe es ja gerade oben gesagt: Weicheier kommen nicht, das steht im Code BBB mit drin. Naja, so ein Tag Sonne – es wird langsam wärmer, auch die Finger können wieder Kameraknöpfe bedienen – da könnte noch was wegschmelzen. Mal sehen. Skifahren stand ja nicht im Code BBB. Wieder ein Rennradfahrer, der grüßt – spricht sogar ein paar Worte mit mir. Wow! Ab Develier ein kleines Sträßchen – muss man ahnen, nicht ausgeschildert. Lohnt aber, nochmal kurz Steilrampe, dann Felder und Wiesen, eine Hütte – mal ein Platz zum Ausruhen. Die Sonne ist warm genug, reicht sogar für ein Vollsonnenbad für den Astralkörper, das Zeltgerümpel kann auch trocknen. Wenn die Reise so weiter geht, dann können die Daumen hochgestellt werden… – wenn, ja wenn… Nach der Abfahrt etwas langweiliger ein Zwischenstück – trotzdem immer wieder Radler – Rennräder, Mountainbikes, Stützräder, Kinderhänger – kaum auf der Welt und schon rollt der Pneu. Die Schweiz fährt Rad als wärs Käse von glücklichen Kühen – sogar auf dem Land! Na gut, es ist Feiertag, da muss man etwas relativieren. Das Highlight des Tages: Die Gorges du Pichoux. Hoch aufragende, zuweilen spitz zulaufende Felswände, zerklüftet, Steinbogentunnels, sprühendes Wasser von den Seiten, verfallenes Brücklein, bunt leuchtende Mauerblumen, exotisch anmutende Bäume auf den Bergscheiteln, geduldige Angler zwischen den schäumenden Flusskaskaden, irisierendes Sonnenlicht, theatralische Schattenspiele und silberne Wasserglitzer. Bei der Einfahrt in Berlincourt steht die Ankündigung „Tour de France – 8. Juli 2012“. Unglaublich, dass der Dopingsumpf sogar durch die saubere Schweiz fahren darf. Es gibt auf der Strecke aber auch eine Sühnegrotte im Zeichen des Kreuzes – da haben bestimmt viele TdF-Radler angehalten und gebeichtet. Wir sehen ja, es rattert mittlerweile Geständnisse, dass die Nachrichtenticker nicht mehr nachkommen. Und alles wird gut. Die Strecke über Sornetan (träumerisch und panoramareich über dem Tale gelegen) führt alsbald über eine asphaltierte Forststraße, in manchen Karten noch gestrichelt verzeichnet. Nimmt man eine andere Abzweigung, kommt man hier auch zum Berg Moron mit einem modernen Turm – einem Symbol für die Kunst des Mauerwerkens und gar von 700 Lehrlingen erbaut. Für den Abstecher fehlt mir aber Kraft und Zeit, Code BBB ruft mit Abendkulturprogramm mit Pizza und Diavortrag. Ich verfehle meine eigentlich geplante Route, es gibt noch mehr Verzweigungen als auf der simplen Straßenkarte zu sehen. Die von mir ersuchte Strecke war gerade im Bau, somit bergauf Piste gewesen – aber durchaus fahrbar. Durch den Bau waren aber auch die Schilder entfernt. Als ich den Fehler bemerkt hatte, war ich zu weit unten auf der alternativen Strecke – so schlimm ist es ja nicht – ca. 50 Hm weniger halt. Die Route hier am Südhang nach Le Fuet ist weniger aufregend als die Nordseite – eher bescheidene Wald- und Weidelandschaft, kaum Aussicht. Der Col du Pierre Pertuis dürfte nicht nur mir, sondern auch den meisten Forumstreffenteilnehmern mit Code BBB bekannt sein. Man verlässt das schmucklose Tavannes und macht einen kleinen Hüpfer durch einen Laubwald, wo etwas versteckt ein Felstunnel neben/unterhalb der Straße liegt. Dieser diente bereits den Römern als Passstraße und wurde erst im Zuge des Ersten Weltkrieges von der heutigen tunnelfreien Straße abgelöst, von der wiederum heute ein neuer Autobahntunnel den großen Verkehr ableitet: Straße ersetzt Tunnel, Tunnel ersetzt Straße. Ist also alles wieder wie zu Zeiten der Römer. Schweizer vertreiben Römer, Römer vertreiben Schweizer? – Ja ist so, schon mal was von der Schweizer Garde gehört, die als Sklaven in Rom für den Papst arbeiten müssen? Wer ggf. von Tavannes nach La-Chaux-de-Fonds fahren will, kann das auch mit Dampf tun: Mit 2 Dampfloks in die Freiberge (8:o6 min). Trotz meiner Streckenkürzungen war ich doch recht spät dran. Zumindest für das Halbkulturprogramm „Pizza essen“ von Code BBB. Also bin ich erstmal ausgehungert zum Sutzer Campingplatz gefahren. Da waren sie dann zu Hauf – Code BBB hat funktioniert. Die Stammtischbrüder waren schon am Zechen und ich war noch ohne Landeswährung und saß auf dem Hungerast – für eine Deutschen in der Schweiz eigentlich eine ganz normale Situation. Der Kulturtross „Weltenbummler-Show“ setzte sich alsbald in Bewegung. Um nicht vom Stuhl zu fallen, fand ich im Bieler Vorort Brügg nicht nur einen Geldautomaten, sondern sogar das erste offene Geschäft des Tages vor – und das zu schon fast nachtschlafender Zeit. Wie soll man da die Schweizer verstehen? Erst Entwicklungsland, und dann chinesisch-amerikanische Verhältnisse. Der Weltenbummler Claude Marthaler erhob dann seine Stimme, die Zuschauermassen im von mir leider nicht näher inspizierten Velo-Museum (das kärgliche Supermarktmahl war mir wichtiger ) machten es für kleine Leute in den hinteren Reihen schwer, überhaupt ein Stück von den bebilderten Heldentaten zu sehen. Der Claude ist ein Geschichtenerzähler, da brennen nach Jahren die Storys weiter, die bereits lange Geschichte sind. Mit einer Mischung aus verklärt romantisierender Schweizer Fabulierkunst und französisch pathetischer Philosophenschule ließ der Pedalveteran aus der Suisse Romande Radwelten aus aller Welt zu einer lebendigen, lokalen Bilder- und Geschichtenstunde werden – Afrika, Asien, Staub, Steine, Kälte, platte Reifen, Lebensgefahren und viele Freuden. Härtegrad 10, weggesteckt mit dem Lächeln, alles überlebt zu haben. Der ganze Radlerhaufen musste nun damit zurecht kommen, dass es folgend nur Provinztouren in der immerhin international bekannten Schweiz zu überstehen galt. Code BBB eben, Markus hatte die Haustür aufgemacht. Fr 18.5. Sutz – Biel – Vingelz – Lamboing – Col du Chasseral (1502m) – Col des Pontins (1132m) – St-Imier – Col du Mont Crosin (1227m) – Les Reusilles – Etang de Gruère – Bellelay – Tavannes – Col de Pierre Pertuis (827m) – Biel – Sutz97 km | 16,1 km/h | 5:58 h | 1900 Hm W: 12/9/18 °C stark bew., Regen, abends Sonne B: Käsemuseum Tête de Moine, Bellelay, Probe ~ 13 € E: Käsefondue, Ww, ~ 35 € Ü: C Sutz 15,40 € Ich könnte jetzt darüber sinnieren, dass große Radbegegnungsplätze Orte der Schlaflosigkeit sind – auf keinen Fall unbedarften Radwanderern zu empfehlen. Wir erleben nicht nur neue harmonische bis dissonante Formen der konzertanten Schnarchsinfonie – auch gehört es zum Code BBB, dass die letzte Radgeschichte des Tages die beste ist, die kurz vor Morgengrauen erzählt wird. Auch muss man stets mit einem Liebesüberfall rechnen, da es sich zwischen sorgsam aufgespannten, Himalaja-erprobten Abspannleinen – vielen auch bei Windstille nicht verzichtbar – kaum vermeiden lässt, mal den tollpatschigen Stolperer zu spielen und in ein nicht näher gezielt ausgesuchtes Zelt einzufallen. Manch einer nahm die Sache bierernst und versuchte es mit strenger, asketischer Gute-Nacht-Disziplin – die Erfolge blieben indes unberichtet. Umso mehr wunderte es, das am selben Tag nicht nur die Frühaufstehergruppe, sondern auch die Langschläfer (oder waren es die Nachtdurchzecher?) den selben Berg bezwingen konnten – den Col du Chasseral, DIE radlerische Herausforderung im Jura. Es gibt zwar steilere Pässe, aber er ist der höchste Straßenpass im Jura und damit auch im Höhenunterschied ein echter Wadenbeißer von alpiner Dimension. Es gab wohl Unterschiede – die eine Gruppe naschte Schokolade in Courtelary, die andere setzte auf Mönchskäse und Rotwein in Bellelay. Einige suchten das noch letzte verbleibende Schneebrett, um die Dichtigkeit von Klickpedalschuhen zu testen, andere ließen sich lieber von unten bis oben beträufeln. Die Käse-Regen-Fahrer kamen noch in den Genuss, den romantischen Etang de Gruère zu betrachten, als dann Regentropfen ihn in ein Trauerkleid hüllten. Bei besserem Wetter darf man hier an einer Stelle auch baden – allerdings nicht jeder, sondern nur die örtliche Jugend (!) – das nennt sich Jugendförderung à la Suisse. Ich musste ein wenig schmunzeln, dass ich auf der Chasseral-Auffahrt die lange Hose anziehen musste, die ich auf meiner anfangs erwähnten Allerheiligen-Tour ausziehen konnte. An dem verträumten See hatte ich so ungefähr sonnige 19 °C zu Ende Oktober, jetzt standen wir mitten im Mai frierend unter schützenden Tannenbäumen. Wahrscheinlich wegen Code BBB – Härte zeigen, nix für Weicheier eben, fast wie auf Claude’s Welttournee. Käse ist nicht nur in Frankreich Kulturgut sondern auch in der Schweiz. Nur folgerichtig, dass Markus uns (die Käsegruppe) zur Käseaufklärungsstation in ein altes Kloster führte – das von Bellelay. Wer jetzt mittelalterliche Lehrmethoden erwartet hatte, musste umdenken: Videovorführung, Tablet-Museumsführung. Nicht so ganz mein Geschmack – eine persönliche Führung kann die Technik nicht ersetzen. Auch sind Papierunterlagen besser als digitale Hochleistungsfettpfotenbedienscheiben, denn erstere lassen sich kostengünstig in beliebiger Anzahl kopieren und aushändigen, die modernen Akku-Lesegeräte werden schon aus Kostengründen rationiert. Wahrscheinlich hatte es auch mit der Geheimmission Code BBB zu tun – Hochelektronik aus dem James-Bond-Kasten. Die Herstellung des Tête de Moine (vgl. auch Bericht Nordjura und zugehöriges Bilderrätsel) folgt auch heute noch zum Glück weitgehend traditionellen Herstellungsmethoden, wovon man sich bei der anschließenden Käseprobe auch geschmacklich überzeugen kann. Das historische Käse-/Klosterinventar beeindruckte einige Forumsteilnehmer so stark, dass sie sich bei der Luftkäseherstellung so ins Zeug legten, dass nicht mal die Hochleistungskameras scharfe Bilder erzeugen konnten. Die Schau der Mönchskäsehobel, mit der der Käse in kreisförmigen Messerbewegungen zu flockigen Weißröckchen kredenzt wird, zeigt denn auch den Einfluss der Neuzeitdesigner auf das historische Käsekulturgut – kaum ein Materialvariante oder Gestaltungsform, die nicht schon erdacht wurde. Dieser geballte Käsebildungshammer erforderte natürlich anschließend eine kräftige und authentische Stärkung. Wie wichtig Käse ist, zeigte die Rückfahrt von Bellelay. Einer hatte sich dem Käsepicknick widersetzt und prompt verlor er den Anschluss an das Peleton. Weil er auch keinen Wein getrunken hatte, verlor er auch die Übersicht :lach – und musste sich ohne Schweizer Geld eine kostenlose Karte im einem Geschäft nach Omas Rezept basteln lassen, damit er den Weg zurück zum See finden konnte. Jaja, ich war nicht ganz unschuldig, habe ich die Fondue-hungrige Meute doch auf der mir bereits auswendig bekannten Route zum Treten gezwungen – aber es galt ja auch Code BBB – eben nichts für Weicheier! Natürlich war auch mal wieder marode Technik auf der Straße – die Forumskontrolleure haben kläglich versagt – Pannenpause klar doch, immer gern – Namen nenne ich jetzt mal nicht, ich sag mal nur neutral: Wiederholungstäter. Auch wenn sich nicht alle an dem Fondue-/Raclette-Abend zu Schweizer Discountpreisen beteiligen wollten, war er doch eine schöne Zusammenkunft und landestypische Abwechslung zu den Selbstversuchen in der Herstellung von Fleischfaserkohle am Grill wenige Laufmeter weiter. Eindrucksvolle Ergebnisse für diese Art exquisiter Schuhsohlenherstellung gab es dort vor allem am nächsten Abend. Sa 19.5. Sutz – Hagneck-Kanal – Aare-Veloroute – Bern – Münchenbuchsee – Rapperswil – Schadernau – Biel – Sutz88 km | 18,4 km/h | 4:47 h | 840 Hm W: 12/22 °C, teils Regen, teils heiter E: SV (Grillabend) Ü: C Sutz 15,40 € Was ich bisher trotz nicht gerade geringer Schweiz-Erfahrung noch nicht geschafft habe, sollte nun Teil von Code BBB Wirklichkeit werden. Besuch der Schweizer Hauptstadt mit dem Radl. Ein bisschen jubilierendes Wiedersehen war es dennoch, mit dem Auto war ich schon mal da – sogar mit Campingübernachtung (erster Gast des Jahres bei Saisoneröffnung Anfang Mai – vor fast genau 25 Jahren!) und mit Besuch des Jazz Festivals. Das Jazz Festival hätte man auch diesmal besuchen können – am diesem Tage traten Manhattan Transfer in der Gala Night auf Manhattan Transfer „Tuxedo Junction“ (3:06 min.). Während früher das Festival hauptsächlich im städtischen Kursaal stattfand, hat Bern seit 20 Jahren mit dem Jazz-Hotel „Innere Enge“ und dem dortigen Marians Jazzroom einen neuen, weltweit einzigartigen Treffpunkt für Musiker und Freunde der swingenden und improvisierten Musik. Viele Zimmer des Hotels sind Jazzlegenden gewidmet. Doch 4-Sterne-Plus ist nicht so richtig mit Code BBB vereinbar – Publikumssaal statt Geheimhütte, Edelrobe statt Schweißtrikot, Vocalese-Hochkultur statt Sauf- und Forumslieder. Stattdessen hohe Politik – zumindest eine Gruppe widmete sich dem Wesen der Schweizer Demokratie im Bundeshaus. Wo die zweite Gruppe verblieben war, habe ich nicht mitbekommen – nur dass auf der Rückfahrt auf einmal ganz viele nervöse Radler von Code BBB an der Aare standen und zurück nach Biel wollten. So viele, dass eine Radgruppenchefin schon mal den Lehrerstock einem bekannten Forumsmitglied – Stichwort Joghurtmatschi & sächsische Lausbuben – auf die Finger klopfen musste. Ich hatte mich als degradierter Politikwissenschaftler der demokratischen Bildung verweigert und widmete mich stattdessen der internationalen Berner Markt- und Straßenkunde. International, weil ich u.a. auf der Suche nach Unterstand bei Platzregen einen gesprächigen Kölner an einem Marktstand fand, der auf Basis eines Franchising-Systems Schweizer Spezialitäten verkauft. Habe auch mal nicht ganz uninteressiert nachgefragt, wie das so läuft usw. Der Kölner war recht zufrieden mit seiner Schweizer Neugeburt. Muss ich vielleicht nochmal drüber nachdenken. Jedenfalls greife ich auch zu Schinken, Käse, Birnenbrot – nicht ganz billig zusammengerechnet. Umso erstaunter war ich über preisgünstige und verschiedenartige Salate aus einer Boucherie französischen Zuschnitts direkt in einer der Hauptlaubengänge, wo ich dann auch schon genannte Rohstoffe für die Fleischkohlefaser-Versuchsreihe erhielt. Auf jeden Fall ist man mit den Einzelhändlern besser und schneller bedient als mit langen Suchorgien in nicht radzugänglichen Supermärkten. Erschrocken war ich etwas über einen Schweizer Händler auf dem Markt, als ich etwas Wolkenbruch-geschädigt Schutz an einem Gemüsestand suchte und alsgleich auf sehr unfreundliche Art vertrieben wurde, soweit ich nichts kaufen möge. Da könnte der Schweizer noch etwas vom Kölner lernen. Am Ende hatte der Kölner mit mir das Geschäft gemacht. Mit ein bisschen Muße schaute ich auf die geschichtenerzählenden Berner Brunnen (Meret-Oppenheim-Brunnen, Pfeifer-Brunnen), auf schwerkraftauflösende Gaukler, auf die Drahtseilbahn Marzili, auf das Denkmal zu Ehren des Schweizer Flugpioniers Oskar Bider und auf die Aare. Dann war es mit Picknick und Eisschlecken wieder Zeit für die Rückfahrt. So viel ungesehen, da müsste ich dann doch vielleicht nochmal nach Bern. Die Aare-Route hin war ein wenig gewöhnungsbedürftig, was Ecken, Kanten, Brücken und Wegbeschaffenheit betraf – obwohl als familientaugliche Fahrradroute ausgeschrieben und als solche recht gefährlich – der junge Schweizer soll wohl früh vertraut gemacht werden mit den Tücken des Lebens und auf militärische Bodenkämpfe im unwegsamen Gelände vorbereitet werden. Manchmal muss man aufpassen, nicht mit Schwung in das Wohnzimmer von Anwohnern zu rutschen. In ein paar Jahren werden in der Schweiz wohl die Radwege dann direkt durch die Schlafzimmer geführt – Radland Schweiz halt. Dann komme ich jedenfalls auch nochmal wieder… Dafür war die Landschaft dieser Route eindrücklich schöner als die vergleichsweise einfache Rückfahrroute – die wiederum gar nicht so einfach verwirrende Verzweigungen selbst für die Tourguides aufwies. Nicht „Wo ist Behle?“ war die Frage sondern „Wo ist Biel?“ – Nicht ganz einfach, wenn man mit Geheimcode unterwegs ist – aber wir haben die als Maulwurfwiese getarnte Zeltstadt schließlich doch wiedergefunden. Wir durchfuhren auch Münchenbuchsee, zu Ehren des bekannten Sohnes des Ortes auch vom Schweizer Rocksänger/Chansonnier Stephan Eicher ein paar Takte: “Tu ne me dois rien“ (3:56 min.). Der letzte Abend von Code BBB musste schon deswegen wunschlos glücklich machen, weil alle Forums-Grämeligkeiten sich in Wohlgefallen und ausgelassener Geselligkeit auflösten. (Apropos Geselligkeit: Eine noch recht authentische Volksmusik aus dem Jura (Le Noirmont, Freiberge) könnt ihr von Antoine Flück (2:41 min.) hören – mit echten Schyzerörgelis, einer Schweizer Akkordeonvariante. ) Einzig die Komponente „Ruhig Schlaf“ dürfte ein paar Einschränkungen erfahren haben. Mein Resümee kann nicht anders ausfallen, als dass Code BBB weit harmloser war als es Geheimagenten über dubiose Kanäle munkelten, die Härteprüfung sollte hingegen eher danach noch folgen. Im Gegenteil, Code BBB war ein voller Erfolg und hinterließ bei mir tiefglückliche Erinnerungen. Danke, Markus! Danke Radreiseforum! Bildergalerie Teil 1 (152 Fotos): (Hinweis: Die Bilder der Stadt Biel sind bereits am Morgen des Folgetages/-kapitels aufgenommen) Die nächste Prüfung folgt
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#906567 - 04.02.13 21:08
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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2. Jouristische Prüfung: Wetterfestigkeit und jurassische Philosophie Jura Suisse du Sud I: Denkerorte und Rauschzustände – Die Region Neuenburg mit dem Val de Travers und ChasseronSo 20.5. Sutz – Biel – Evilard – Orvin – Les Roches (893m) – Prêles – Lignières – Métarie du Landeron (~950m) – Les Gravereules (944m) – Lordel – La Dame (1227m) – Chaumont – Neuchâtel – Col de la Tourne (1170m) – Noiraigue88 km | 11,5 km/h | 7:37 h | 1740 Hm W: 15/24 °C, teils dicht bew., teils heiter, auch heiß, Gewitter abends, Regennacht E: Salat, Käseauflauf, Rw, Cafe ~26 € Ü: C wild 0 € Der Abschied war denn auch mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Lachend, weil ich Sehnsucht auf neue Radreviere hatte und dazu die Sonne des Morgens einlud. Sonntagfrüh zeigte sich die Bieler Altstadt von ihrer stillen Seite – man könnte Stecknadeln fallen hören. Auch in Biel gibt es ein paar historische Brunnen – ähnlich in der Machart zu den Berner Brunnen, mit weinroter Säulengrundfarbe und goldfarbenen Streifen und Ornamenten. Der Engelsbrunnen zeigt einen Engel mit Schaf im Arm, dass ein außerirdisch wirkender Teufel zu begehren sucht. Er war bereits Thema des Bilderrätsels 794Schwerpunkt dieses Kapitels ist zwar das Neuenburger Jura, aber ein bergiger Teil rund um den Chasseron reicht im Süden zwischenzeitlich bereits in den Waadtländer Jura, im Nordwesten hier und heute muss ich aber einen Weg noch aus der Bieler Region finden. Hierzu führt meine Route zunächst auf unterschiedlich steilen Passagen via dem aussichtsreichen Bieler Höhenvorort Evilard über einen Hochpunkt mit Brunnen in einem Waldgebiet, wo sich Jogger und Mountainbiker gerne tummeln – hier zweigen Höhenforstwege ab. Mit Orvin erreicht man schon eine bäuerliche Umgebung, eine lang gezogenes Tal mit eher mittelmäßiger Steigung über ein wenig markanten Hochpunkt, über den man Lamboing erreicht, die Chasseral-Route kreuzt und panoramareich auf die Berner Alpen und den Bieler See schaut. Die Chasseral-Fahrer werden es ebenso wissen wie die Leser meiner Nordjura-Tour, dass man sich hier auf den Spuren der Kriminalgeschichte von Friedrich Dürrenmatt bewegt. Dürrenmatt, der nicht nur Schriftsteller und Dramatiker war, sondern auch Maler und Philosoph, steht für eine der universellen Denker, die sich lange in diesem Landstrich des Juras aufgehalten haben. Dürrenmatt lebte nach einer kurzen Zeit in Schernelz von 1952 an bis zum seinem Tode im Jahre 1990 in Neuenburg. Dürrenmatt gehört zu den bekanntesten unbequemen modernen Schweizer Geistern, die sich gegen die traditionsbehafteten Verkrustungen auflehnten, nicht den Skandal und eine Unbeliebtheit fürchteten und global bedeutende Fragen der Moderne stellten wie die ethische Verantwortung des Wissenschaftlers für die Entwicklung der Zukunft in der Welt. In gewisser Weise auch ein leitender Geist meines Denkens, womit ich schon den philosophischen Akzent dieses Kapitels angerissen habe. Bevor ich aber die elegant-gepflegten Seepromenaden Neuenburgs erreiche, stehen noch einige schöne Strecken dazwischen. Von Lignières bewege ich mich nicht ganz geplant auf einer Südhanglage zu dem Hochpunkt Métarie du Landeron, an dem sich ein Gasthaus mit lokaler Küche befindet – Ausflugslokal in einer Wanderregion. Die Südhangroute (ich wollte eigentlich nördlich um den Berg rum) erweist sich als traumhafte Panoramastrecke – ein Zweiseenblick über Sonnenblumenfelder hinweg. Hier und noch bis La Dame sind die Temperaturen sommerlich, in der Sonne schon fast gnadenlos heiß beim Anstieg nach La Dame – eine einsame wie gleichwohl sehr steile Passage durch Wald, oben mit kurzem Pistenanteil durch Weidewiesen aus einem gelben Meer an Löwenzahn vorbei. Nach alten Steinmauern und dem Hof geht es wieder asphaltiert weiter mit Alleencharakter, ein paar Felspassagen an enger Straße und alsbald mehr Alleen auf der Chaumont-Höhenroute. Teilweise liegen gepflegte Villen an der Straße, in Chaumont-Ort steht ein moderner Aussichtsturm und eine Zahnradbahn verbindet den Ausflugsort (MTB-Park) mit einem Vorort von Neuchâtel. Diese sehr empfehlenswerte Strecke schiebt sich unrhythmisch in einigen Steilschwüngen nach unten, die finale Abfahrt nach Neuchâtel lässt lange auf sich warten. In den Höhenlagen von Neuchâtel wähle ich noch abseits der Straße einen Anwohnerweg, der parallel zu einer Zahnradbahn liegt – Bremsgummivernichtungsstrecke für Mutige. Mittlerweile war es unschön grau bewölkt geworden – am Seeufer gab es nochmal Lichtblicke und für kurze Momente hätte ich mir die Klamotten vom Leibe reißen können. Neuenburg ist am Seeufer mondän, modern, jugendlich und etwas Schickimicki, aber auch entspannt und geruhsam, wenn nicht gerade an den Schiffsanlegestellen Betriebszeit herrscht. Die Altstadt liegt etwas abgetrennt dahinter, steigt recht schnell an und die Ausfahrt führt nicht ganz übersichtlich über und durch ein Gewirr von Verkehrsachsen (Straße, Bahn). Verlässt man die N 10 ins Val de Travers (bereits deutlich oberhalb des Seeufers) in Richtung Col de la Tourne, kann der Radler wieder freier atmen – der Verkehr ist nur noch gering. Die knapp 1200 m erreicht man natürlich nicht auf einer Spazierfahrt, das kostet schon ein paar Körner, die man mit einigen tollen Ausblicken versüßt bekommt. Spätestens mit der Passhöhe verdunkelt sich aber der Himmel auf fast nächtliches Schwarz, Blitze zucken auf einer kurzen Passage über eine Hochebene – für die Abfahrt muss ich die Regenjacke vorhalten. Ich hatte Zweifel, überhaupt weiter zu fahren, die himmlischen Drohgebärden waren schaurig – vielleicht Zeichen des Teufels vom Bieler Engelsbrunnen? Zumindest für kurze Zeit war die Flucht in den Abgrund die richtige Wahl. Nicht weniger dunkel allerdings liegt das Val de Travers dann zu Füßen, die Areuse schlängelt sich in einem eher flachen Abschnitt nebst Straße und Bahnlinie. Das Tal scheint bei Noiraigue jedoch fast undurchdringlich abgeschnitten. Die stark befahrene N 10 nimmt Kurs weit nach oben, um die Schluchtklause zu umfahren. Die Alternativen sind ein Fußweg an der Areuse entlang mit Schluchterlebnissen dazwischen, mit Mountainbike für Tragewillige auch begrenzt fahrbar (evtl. ein paar schwierige Tritt- bzw. Treppenpassagen, auch klitschig). Die reguläre Radroute hingegen nimmt ebenfalls Kurs nach oben, allerdings oberhalb des südlichen Ufers – Ausschilderung „Creux du Van“ zu folgen. Diesen Wadenbeißer lasse ich aber auf den nächsten Tag warten. In Noiraigue gibt es ein Gasthaus mit Übernachtungsmöglichkeit (wohl weitere manchmal, aber nicht immer geöffnet bzw. Betrieb eingestellt). Das romantische Mühlendorf ist zwar wegen der Schlucht und den Wandermöglichkeit zum Creux du Van ein hübscher Ausgangsort, hat aber wohl seine touristische Bedeutung zunehmend verloren, weil der müde Wanderer jederzeit noch schnell via Bahn oder Auto hinüber nach Neuenburg kommt. Wer die Runde über den Col de la Tourne einsparen und die dicht befahrene Straße von Neuenburg nach Noiraigue meiden möchte, nicht aber die anzuratende Radwegroute an der Areuse verpassen will, der kann auch in Neuenburg übernachten, dann per Zug nach Noiraigue fahren und so z.B. eine Neuenburgseeroute wesentlich bereichern. Am Nachbarstisch wird als Speiseabschluss Absinth getrunken. Das ist jener berauschende Kräuterschnaps, der durch seine besonderen Inhaltstoffe Halluzinationen hervorrufen soll. Ein Getränk, dass seine Ursprung im Val de Travers hat, aber auch bald im benachbarten französischen Jura produziert wurde und wird. Wermut, Fenchel, Anis, Angelika und individuelle, geheime, nach Hersteller verschiedenartige Mischungen weiterer Kräuter, deren Chlorophyll der „grünen Fee“ die charakteristische Farbe verleiht, sind die Bestandteile des hochprozentigen Getränks. Schon die (unterschiedlichen) Trinkrituale verleihen dem Elixier einen Mythos des transzendenten Geistes. Mit Wasser verdünnt, über – auch brennenden – Zucker geträufelt, entsteht eine milchige, auch schäumende Konsistenz, die geheimnisumrankte Verwandlung verspricht. So wurde Absinth vor allem in Frankreich zum Getränk der Künstler und Denker – Verführung und Horizontweitung erhoffend. Oscar Wilde sagte dazu: „Das erste Stadium ist wie normales Trinken, im zweiten fängt man an, ungeheuerliche, grausame Dinge zu sehen, aber wenn man es schafft, nicht aufzugeben, kommt man in das dritte Stadium, in dem man Dinge sieht, die man sehen möchte, wundervolle, sonderbare Dinge.“ Todesfälle und die subversive Nutzung riefen nach einem Verbot im bürgerlichen Zeitalter (ab 1910), das lange Bestand hatte, und erst wieder gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufgehoben wurde. Man geht heute davon aus, dass die Todesfälle dem ungezügelten Alkoholismus geschuldet waren und nicht den Inhaltstoffen des Absinths. Während in der Schweiz der Alkoholgehalt wieder freigegeben ist und bis zu 72 % erreicht, sind in Frankreich heute maximal 55 % zugelassen – nach Ansicht der Produzenten allerdings bereits die Mindestanforderung für einen guten Tropfen. Auch wenn dem Autor dieser Zeilen und jouristischer Prüfungsaspirant gelegentlich das heimliche und häufige Trinken von Absinth unterstellt wird, sei versichert, dass die gelegentlich sonderbaren Horizonterweiterungen des Autors möglicherweise weit geheimnisvolleren Vorgängen im Universum zuzuschreiben sind. Der Autor selbst hat darüber keine Klarheit, sucht aber immer nach irdischen wie außerirdischen Erklärungsmustern. Nach bisher unbestätigten Vermutungen scheint ein gewisser asturischer Hausgeist namens Trasgu von entscheidender Bedeutung zu sein. Eine andere Vermutung ist die philosophische Interpretation der Thermodynamik, insbesondere nach deren erstem Grundsatz der Austausch verschiedener Energieformen in einem System möglich ist. Also zum Beispiel kann Pedalenergie im Sommer in Gedankenenergie im Winter umgewandelt werden. Dabei kann aber die umgewandelte Energieforum nie ein höheres Niveau als die Ausgangsenergie haben, d.h. die Gedanken können nicht klüger sein als die Waden trainiert worden sind. Im Sommer also lieber mal ein Steak mehr für die Myofibrillen, als im Winter doof zu versauern. Leider sorgt der zweite Grundsatz der Thermodynamik dazu, dass bestehende Systeme die Tendenz zu immer größer werdender Unordnung haben (zu erkennen in meiner Wohnung). Nimmt man den geistigen Zustand des Autors als aktuelle Zustandsbeschreibung der Entropie des veloträumerischen Gedankenraumes, so ist damit zu rechnen, dass dieser mit zunehmenden Alter immer chaotischer wird und für Außenstehende immer weniger begreifbar, sofern die Außenstehenden (Leser) sich weiterhin geordneten Zuständen verpflichtet fühlen und diese mit viel Energie aufrecht erhalten wollen. Modischen Gleichschaltungszwängen (Nabendynamos, Hype-Elektronik) tritt der Autor daher mit anarchischer Chaosgestaltung entgegen (Mondlichtnutzung, zerflederte Landkarten). Näheres ist aber eher spekulativ. Einen Absinth hätte ich mir vielleicht als Hotelgast gegönnt, aber die freie Zeltnacht bei der örtlichen Schießanlage sollte noch genügend Energie fordern. Das Zelt ward im Regen aufgebaut – zwischenzeitlich überlegte ich in dem nicht abgeschlossenen Warteraum der Schießanlage zu nächtigen. Der Boden war aber unbequem – und wer weiß, ob da einer mit Schießeisen mal kurz vorbeischaut? Das Zelt draußen überlebte die Gewitterattacken der Nacht nur knapp – am nächsten Morgen stand der künstliche See bis vor die Zelttür. Es war prophetischer Zufall, dass ich auf wenigen Zentimeter höherer Wiesenfläche festmachte – so als hätte ich Absinth getrunken, sonderbare Dinge gesehen und die richtigen Geister gerufen. Mo 21.5. Noiraigue – (Veloroute) – Champ du Moulin – St-Auban-Sauges – Provence – Vers chez Amiet (1306m) – Couvet – Fleurier – Les Sagnettes (1122m) – La Brévine – Lac des Taillères67 km | 10,0 km/h | 6:40 h | 1380 Hm W: 12/16/10 °C, Regennacht, stark bew., selten heiter, meist regnerisch, sehr windig E (L'Isba, La Brévine): Salat, Filetsteak, PF, Rw, Cafe ~27 € Ü: C wild (alte Scheune) 0 € Die Hoffnung, in der Nacht schüttet sich der Himmel leer, erfüllt sich allerdings nicht. Schon das Einpacken des Zeltes fällt schwer bei Nieselregen. Die Wolken hängen tief, das Rauschen der Areuse ist merklich lauter geworden. Es ist ein Morgen der Schnecken. Sie sind überall in dem Wald um die Areuse. Nach der Umfahrung über die Seitenhöhe der Schlucht (weniger schwer als befürchtetet) kehrt der Radweg zurück zur Areuse, bietet idyllische Plätze, mit Wasserfällen, kleine Stufenkaskaden und gar einen Badeplatz – eingerichtet auf der anderen Flussseite am Wanderweg. Diese Durchfahrt der dicht bewaldeten Areuse-Schlucht ist eine feine Sache, Nachahmern wünsche ich allerdings bessere Witterungsbedingungen – sehr erfrischend in heißen Sommertagen. Immerhin ist es noch vergleichsweise mild an diesem Morgen, die Sonne allerdings schafft es am Tage nur selten zu einem flüchtigen Blinzeln. Das Nordwestufer des Neuenburger Sees hat ähnlich wie das des Bieler Sees and den Verkehrsachsen zu leiden. Die Weinberge sind durch die verkehrsreiche Nationalstraße und Bahnlinie von den Seeufern unschön getrennt. Die Nebenstraße nach St-Auban-Sauges ist also nicht so besonders genussreich, rein landschaftlich gesehen wäre es besser die Nationalstraße zu benutzen. Das macht aber auch nicht richtig Spaß. St-Auban konnte ich nicht mehr abgewinnen als einen Supermarktbesuch. Die Stärkung ist nötig, denn es beginnt wieder ein langer und anstrengender Aufstieg, Verpflegung ist auf der Strecke dürftig bis mangelhaft. Bis noch ein Stückchen über Provence hinaus kann man großes Panorama genießen – im Mausgrau des Tages nicht ganz so dolle. Danach folgt eine eher einsame Hochebenenlandschaft – bei allerdings weiterer Steigung. Vereinzelte Haine, Weideflächen, auf der unscheinbaren Passhöhe von immerhin 1306 m ein Wochenendhaus, irgendwo auch ein paar Gehöfte. Ein giftiger verbläst mir die abwärtige Hochebenenfahrt, die Regentropfen werden zu Nagelpfeilen. Selbst im Windschutz des Wochenendhäuschens ist das Mittagspicknick kaum erträglich, allfällig ist die Kühle bereits zu beißender Kälte geworden. Immerhin bringt das Val de Travers leichte, aber nur vorübergehende Milderung an diesem Tag. Das Val de Travers schmiegt sich zwischen Couvet und Fleuriers recht lieblich zwischen die zu beiden Seiten bewaldeten Bergrücken. Die Orte sind Jura-typisch nur mäßig belebt und insbesondere Môtiers ist von einem erholsamen Charme zum Verweilen geprägt. Da ist es schon fast zu erwarten, dass hier ein weiterer großer Denker eine gute Zeit verbrachte. Jean-Jacques Rousseau, fast sein ganzes Leben auf der Flucht, weilte drei Jahre von 1762 bis 1765 hier – ein kleines Museum heute (zu meiner Zeit am Nachtmittag ohne erkennbare Hinweise geschlossen). Seine Deutung des Gewissens als natürliche Religion und der damit verbundenen Kritik an allen bestehenden ritualisierten, obrigkeitshörigen Religionen brachte ihn um seine Gunst nicht nur in Paris, sondern auch bei den Calvinisten in seiner Heimatstadt Genf. Rousseau verdankte sein Asyl im Neuenburger Jura sogar Friedrich dem Großen, der damals Neuchâtel als eine preußische Exklave regierte. Friedrich der Große ist nicht nur als Anhänger der Aufklärung bekannt, sondern auch als Freund allen Französischem. Rousseau – mehr noch als Dürrenmatt – war ein vielschichtiger Geist. Seine wichtigste Bedeutung hatte er zwar historisch als Vordenker der französischen Revolution, doch gehörte er zu den großen Universalgeistern wie es etwa auch Goethe gewesen ist. Politische Theorie, Erziehungslehre, Philosophie, Schriftstellerei, Naturforschung und gar Komponieren gehörten zu seinen Arbeitsfeldern. In Môtiers verfasste er das „Dictionnaire de la musique“, leitete dann eine Phase botanischer Studien ein, die er 1965 auf der Petersinsel im Bieler See fortsetzte – allerdings nur einige Monate – nach seiner eigenen Darstellung seine glücklichste Zeit. Der geheime Rat zu Bern bereitete Rousseaus Inselidylle ein Ende und wies ihn aus. Jurareise 2012 – das ist auch eine Geburtstagsreise zu einem meiner gedanklichen Väter, zu Rousseaus 300sten!!! Rousseaus Wohnhaus in Môtiers war bereits auch Thema des Bilderrätsels 789. Da Rousseau zu den vergessenen Komponisten gehört, der in jüngster Zeit wiederentdeckt wurde, ein Klangbeispiel: Ouvertüre & Trio „Daphnis et Chloè“ (4:13 min.). Ein kurzes Extrakt seiner Stellung in der damaligen Musikszene: Rousseau – Beständiges Gekläffe (Spiegel Online). Von Fleurier verwehren nun enge Talfluchten und aufsteigende Jurahöhenzüge eine vorausschauende Sicht. Beide Klusen Richtung Westen durchfahre ich noch am nächsten Tag. Die Klus St-Sulpice wird vom Chapeau de Napoléon begrenzt, seiner Bergform nach an den Napoléon-Hut erinnernd. Oben thront ein schlossartiges Panoramahotel über dem Tal. Der Aufstieg zur Hochebene des Vallée de la Brévine ist recht hübsch aber nicht spektakulär. Trotzdem sollte sich alsbald die Fahrt tief in mein Gedächtnis einprägen. Noch kurz vor Passhöhe tauchen Nieselwolken die Landschaft in eine kalt abweisende, fast undurchdringliche Gichthölle. Der Wind peitscht die kleinen Tropfen gegen die letzten geöffneten Hautporen und lässt mich an die Arktis denken. – Richtig! Wie auf Kommando bekomme ich zu spüren, was in den Büchern steht: Das Hochtal von La Brévine gilt als die kälteste Region der Eidgenossen, als das Sibirien der Schweiz, wo im Winter regelmäßig die Temperaturen -30 °C erreichen. „Aber es ist doch Mai! Frühjahr!“ schreie ich. Ich bleibe ungehört. Durch die nasskalte Feuchte sind Finger schon nahe dem Tod, da ich La Brévine schon ein wenig unwirklich zu erkennen vermag. Zum Glück gilt nicht mehr Code BBB, sonst hätten sie mich ausgeschlossen. Dringend suche ich Einlass ins Wirtshaus – ein zweites Hotel-Restaurant ist erheblich teurer. Am liebsten wäre ich natürlich am Esstisch eingeschlafen, um nicht nochmal in das unwirkliche Wetter hinein zu müssen. Doch wer soll die Schweizer Hotelbetten zahlen? – Vergeblich habe ich im Ort nach Nischen und Ecken gesucht für das Zelt – nicht mal an der Kirche ist es möglich. Hinaus also in die einsame Ebene, zum Lac Taillères, in der gichtigen Nacht kaum zu erkennen. Am südlichen Uferweg alte Scheune, verbarrikadiert – dann eine hüttenähnlich, mit offenen Toren und Ausgucken. Tropfendes Gebälk, nicht überall dicht, ein Hochboden – auch dort nicht besser, Ratten waren nicht zu sehen, aber wohl vor Ort. Stattdessen höre ich flattern – keine Fledermaus, nein, ein Vogel, eine Bachstelze gar, ungewöhnlich hier, verwirrt, findet nicht den Weg aus den Scheunenöffnungen. Sie zittert, ich zittere – mag sie auch nicht in diese garstige Nacht hinaus? Ist es überhaupt ein Vogel? – oder ein Geist? – hier scheint alles möglich. Ich frage: „Wer bist du?“ Sie antwortet nicht. Stumm, dann wieder verängstigend flatternd. Stößt sich an Balken, klammert sich erneut am Boden mit etwas Heu fest. „Warum willst du nicht in die Freiheit?“ Die Stelze antwortet nun überraschend: „Frei sein heißt leiden. Bist du frei?“ „Nein, ich bin nicht frei, aber ich leide trotzdem. Na gut, hier und heute bin ich frei UND leide“, erwidere ich. „Das kann ich verstehen. Mir ist auch kalt. Glaubst du an Gott?“ „Nein, welche Frage von einem Vogel – habt ihr auch Götter?“ bemerke ich erstaunt. „Ich glaube nicht. Aber ein Gott könnte jetzt Trost spenden, so ist es doch bei euch Menschen?“ „Naja“, meine ich verlegen, „Trost kann eigentlich nur ein Mensch spenden. Gott ist nicht Mensch – nicht mal wenn er ihn erschaffen haben sollte.“ „Wenn Gott nicht Mensch sein kann, kann er dann ein Gewissen haben wie der Mensch? Würde er dann nicht herabsteigen und uns hier Trost spenden, heute Nacht?“ Die Stelze scheint klug, ihre Augen glühen erwartungsvoll auf meine Antworten. „Das scheint mir schwierig zu sagen. Wenn Gott nicht Mensch ist, kann er auch nicht herabsteigen. Anderseits, wenn er nicht Herabsteigen und Trost spenden kann, wozu ist er dann Gott, der nicht helfen kann?“ „Oh, auch du stellst Fragen. Glückwunsch!“ meint der Vogel schon fast ein wenig hämisch. „Wenn Gott nicht Trost spenden kann, dann ist er doch gewissenlos! Der Mensch aber hat ein Gewissen, deswegen spendet er Trost, wenn er kann.“ „Ja, das klingt hart, aber könnte so sein. Doch der Mensch kann selten helfen, er weiß selten, wo und wann es Trost braucht. Auch verweigert er oft zu helfen. Dann hilft er sich damit, sich einzubilden, von Gott getröstet werden zu können. Der Mensch ist eben so unvollkommen.“ „Lieber ein Mensch mit unvollkommenen Gewissen als ein vollkommener Geist, der kein Gewissen hat“, meint die Stelze mit mahnender Stimme. Ich beginne zu zweifeln. „Wer bist du eigentlich – wirklich ein Vogel?“ wage ich zu fragen. „Ich schaue aus wie ein Vogel, heute. Morgen bin ich vielleicht ein Baum, ein Stein, eine Ameise. Das ändert sich. Eigentlich bin ich – Rousseau!“ Ich bin verblüfft und gelähmt. „Rousseau?“ stammele ich mehr vor mich hin als den Vogel zu fragen. „Rousseau, du bist doch 300 Jahre alt – da kann man doch nicht mehr leben – auch nicht als Vogel!?“ „Doch, ein Geist lebt immer. Aber ich kann keinen Trost spenden. Tut mir Leid. Ich bin kein Mensch mehr, ein Wesen ohne Gewissen“, sprach die Stelze fast mitleidig und flugs war sie weg und kam nicht wieder. Hier saß ich nun, ohne Trost, in einer zugigen Holzbaracke, am See im Nachtregen und kalt die Glieder. Ich spürte das Kribbeln in den Bronchien. Di 22.5. Lac des Taillères – Le Cernil (1174m) – Col des Verrières (931m) – Sulpice – Sources de l'Areuse – Fleurier – Col des Etroits (1153m) – Ste-Croix – bif. La Magnenaz (1200m) – Mauborget – Grandson – Yverdon-les-Bains – Baulmes91 km | 13,3 km/h | 6:48 h | 930 Hm W: 9/21/14/21/16 °C, durch Regen verspätete Abfahrt, tiefe Wolken, heiter am Neuenburger See, starke Windböen E (Hotel de Jura): Salat, Pferdesteak, PF, Rw ~ 30 € Ü: C wild 0 € Was die Nacht versprochen, hat auch der Morgen gehalten: Ein See im Trauerkleid, Dauerregen – mal stärker, mal schwächer. Nicht mal ein Fischreiher kommt zum Frühstück. Wie lange Warten? Wieviel Feuchte verträgt der angeschlagene Organismus? Philosophie hat da auch keine Lösung parat. Ob das Rousseau weiß? – Ich kann ihn ja nicht mehr fragen. Den ersten Übergang von Regen zum Niesel nutze ich zum Start. Wie spät der Morgen ist, verrät kein Sonnenstrahl – es könnte auch Mittag sein – oder Abend, die Zeit scheint aufgelöst weil farblos. An der Straße gibt es einige wenige Gasthäuser – doch scheint jedes Haus verlassen. Einen warmen Kaffee? – hier nicht. Ein Restaurant ist gar seemännisch wie ein Schiff geformt, die Taufe kann noch nicht lange her sein, aber auch dort nur ausgestorbene Stille. Es mag an der mageren Sicht liegen – die folgenden Streckenabschnitte sind wenig markant. Nach einem eher leichten Pass von der Hochebene aus mit Nadelwaldpassage, oben wiederum mit einem Gasthof, offenbar in Betrieb, aber nicht am Morgen, folgt eine weitschleifige Fahrt über Weide- und Streuobstwiesen hinunter ins Val de Travers. Hinunter ist natürlich übertrieben, auch hier befindet man sich noch auf einer Hochebene. Die Fahrt zur Grenze unauffällig, etwas mystisch die moorigen Sickerwiesen. Ein Pass ist topografisch kaum auszumachen, aber irgendwo muss eine Wasserscheide liegen. Der Grenzort Verrières zeigt dezent arbeitsame Geschäftigkeit, etwas Gewerbe, vielleicht auch Absinthproduktion, viele Tankstellen wie es sich an Grenzen von unterschiedlichen Steuersystemen gehört, Rastplatzbistros – eher funktional pragmatisch als gemütlich. Ich trinke den Kaffee in einem Gasthof – auch der wirkt kalt und steril, Tischdecke aus Omas Aussteuerkommode. Das ist oft im Schweizer Jura so (nicht nur dort) – wenig barocke Schönheit, wenig Schnörkel, kein Schick, keine Eleganz, kein Pomp – funktionale Nüchternheit, häufig veraltet, manchmal sogar ärmlich – die Schweiz im Urzustand: genügsam, ländlich schlicht – das Gegenteil der Zürcher Bahnhofsstraße, der Interlaken-International-Hotels, der Engadiner Russenmeile – die Rappen werden gut gehütet für schwierige Zeiten, Schweizer sind sparsam wie Schwaben. Die Quelle der Areuse tritt dem Karstphänomen entsprechend aus gesammeltem Sickerwasser aus oberen Wasseradern in einer Talschlucht aus Fels unter der Erde ergiebig hervor. Es ist ein mystischer Kreislauf: Rousseau wohnte in Môtiers an der Areuse, eine Bachstelze, die behauptet, Rousseau zu sein, schwebt wie der Wasserdampf aus dem Val de Travers empor zum Lac de Taillères, dort versickert das Wasser ins Erdreich und gelangt auf ungesehene Weise zur Source d’Areuse, wo das Wasser lebhaft sprudelt, wie aus dem Nichts, und die Areuse fließt hinunter nach Môtiers. Das alles in einer Gegend, in der der Absinth erfunden wurde. Gleich bei der Quelle folgt ein kleiner Stausee mit künstlichen Fallstufen darunter, an denen die regengestärkten Wassermassen in einem dichten Sprühnebel aufstäuben. Man kann eigentlich nur erahnen, wo das Wasser aus der Erde tritt – das Wasser ist plötzlich einfach da – nicht als Rinnsal, sondern sofort als Fluss. Man kann die Areuse-Quelle auch direkt von oben anfahren, dazu zweigt ein unscheinbarer, steiler Fahrweg oben an der Straße ab. Da mir aber nicht klar war, ob dieser Weg durchgehend asphaltiert ist und durch die Feuchte ein gefährlich klitschige Angelegenheit sein könnte (dichter Wald), bin ich gesicherter Weise zunächst über die Straße nach St-Sulpice (steiler Abzweig noch vor Fleurier) gefahren und von dort mittels kurzer Stichtour zur Quelle aufgefahren. Der Tag stimmt nun ein wenig milder, die düstere Wokendecke lichtet sich leicht, lässt gelegentlich Wärmestrahlung durch, die lange Hose kann weichen. Später wird es sogar vereinzelt sonnig, doch bleiben dichte Wolken um den Chasseron als kühler Schattenschirm bis über das Neuenburger Seenland. In St-Sulpice muss ein schräger Sammler wohnen, der sein Skurrilitäten in einem ausgemusterten Triebwagen aufstellt. Die nackte Schaufensterpuppendame gehört ebenso dazu wie ein Haufen alter Fahrräder. Nicht weniger abgedreht der lokale Gartenfigurenkreateur – eine zoologischer Musterschau lässt kaum ein Wesen aus – Calimero, die Lieblingsfigur meiner österlichen Kindheit ist auch dabei. In Fleurier beginnt die eindrucksvolle Auffahrt zum Col des Etroits. Zunächst buntes Wiesental, dann enger werdende Schlucht, alpines Wasserrauschen, Kaskaden Steinbogen, Hochweiden, der Pass ein schönes Picknickareal, Kreuzungspunkt von Höhenwanderwegen, nach Süden der Blick über Ste-Croix, Wintersportzentrum, noch jurassisch spröde-charmant ohne schändliche Auswüchse, im 19. Jahrhundert auch weltbedeutendes Zentrum für Spieldosen. Statt gleich zur Seeebene abzufahren, wähle ich noch die Höhenpanoramaroute nach Norden. Leider geben die Wolken und Dunst nur wenig erhabene Blicke zum Neuenburger See frei. Ferienchalets und Villen sprechen für bescheidenen Wohlstand in Traumlage. Kühe finden Gras zwischen den juratypischen Steinmauern der Hochweiden. Eine grandiose Route bei gutem Wetter. Hier und jetzt zu kühl. Auffällig schon von oben zu sehen, dass die Wolkendecke über dem Neuenburger See aufgelockerter ist. Auch wenn nicht sonnig, so dringt mehr Wärme durch. Das merkt man unten am See deutlich. Die Rebenhänge brauchen die Heiterkeit des Himmels auch, damit der Mensch seine Heiterkeit wiederum im Wein findet. Grandson beeindruckt sogleich. Eine große Burganlage mit fünf Wehrtürmen bietet von allen Seite eine mittelalterliche, pittoreske Silhouette. Fast schon durch die Burg führt die Bahntrasse. Ständen jetzt Ritter dort, würden sie die Schwerter und Lanzen aufrichten: Ein Zug mit Panzern rattert gerade durch. Seit Jahrhunderten spielen die Schweizer wie besessen Krieg, bohren Bunkerschächte mit Kanonen in die Berge wie die Löcher in den Appenzeller Käse und doch: Sie finden den Feind nicht – immer nur Frieden. Selbst das Matterhorn konnten die Japaner nicht entwenden – es war schlicht zu teuer. Japaner können sich mittlerweile nicht mehr als eine Swatch im Sonderangebot auf dem Genfer Schwarzmarkt leisten. Aber vielleicht könnten die Chinesen auf die Idee kommen, Stein für Stein das Matterhorn abzutragen – dann braucht es natürlich eine wehrhafte Armee. Das Leben an den Gestaden des Neuenburger Sees hier scheint leicht, angenehm, die berühmte Spur wärmer um aufzublühen, die Menschen quittieren es mit lächelnden Gesichtern, auf den Jurahöhen selten. Ursprünglich von mir als Übernachtungsort geplant, liegt der Camping in Grandson sehr schön am See jenseits des Jachthafens. Schon fast ein Tag Rückstand aber, da suche ich noch ein paar Kilometer zu machen. Doch lohnt das Promenieren am See auch jenseits von Grandson bis nach Yverdon-les-Bains. Eine Naturschutzzone lässt sich lehrreich erkunden. Atmen in Ruhe, ein paar Momente der Besinnung – die Stille am See, nur Enten brechen das schweigende Plätschern des Sees. Das ist Zeit, wertvolle Zeit, schöne Zeit – zumal wenn die Härten der Witterung Milde versprechen? Auch Yverdon-les-Bains hat Schloss, hat Altes und Sehenswertes, hat Flair – lebt leicht und liebevoll – nicht direkt am See, ein Kanal vom See führt ins nahe Zentrum. Yverdon ist eine Stadt der Bildung, auch wieder Wirkungsstätte eines großen Geistes. Johann Heinrich Pestalozzi arbeite für längere Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts in Yverdon. Er setzte mit seine Ansichten zur Erziehung einen Kontrapunkt zu Rousseau, verwarf die natürliche, selbstgelenkte, eigenständige anarchische Entwicklung des jungen Menschen zugunsten einer beschützen Entwicklung aus Liebe und Motivation, einem harmonischen Zusammenwirken von Familie, Bildungswesen und sittlich-religiösen Werten. Welche Weisheit macht den besseren Menschen? Leider finde ich keine Bachstelze mehr, die dazu Stellung nehmen könnte. Nicht viel bergauf, aber ein kleines Anfahren ist es nach Baulmes schon. Zumindest nach Vuiteboeuf hat man eine unscheinbar wirkende Steigung bewältigen, danach ist es eher flach. Vuiteboeuf liegt genau am Eingang zur Schluchtenge auf dem Weg nach Ste-Croix. Hübsch anzuschauen, wie auch Baulmes, das weniger gut erkennbar auch am Fuße einer Talenge liegt. Hier aber wölbt sich der Berg unmittelbar steil hinter dem Ort auf, ein harter Pedalweg für den nächsten Morgen. Im Gegensatz zu den Orten am See ist man hier wieder in der ländlichen Provinz, die Gastbetriebe sind rar. Das einzige (offene) Hotel im Ort ist Kneipe, Restaurant, auch mal Jugendtreffpunkt. Schlichtes Ambiente, schlichte Landküche. Luxusplätze fürs Zelt gibt es hier nicht – etwas verschämt bleibe ich am Ortsrand zwischen Gebüsch und Kuhfladen – eine Messerspitze wärmer als am Vortag, aber immer noch kalt genug um vom Sommer träumen zu dürfen. Bildergalerie Teil 2 (150 Fotos): Die nächste Prüfung folgt
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Geändert von veloträumer (12.02.19 18:53) |
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#906648 - 05.02.13 10:25
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias Habe mich köstlich amüsiert beim Lesen. So gewisse Wiedererkunnungseffekte würzen die Lektüre zusätzlich Wie kommst du eigentlich nach Berlin? LG, Barbara
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Geändert von Velofahrerin (05.02.13 10:33) |
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#906673 - 05.02.13 12:56
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: Velofahrerin]
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Wie kommst du eigentlich nach Berlin? Ich fürchte, dass ich nicht nach Berlin kommen werde. Langfristig werde ich das nicht planen können, kurzfristig dürfte es große Schwierigkeiten geben, überhaupt halbwegs vernünftig die Bahnfahrten organisiert zu kriegen. Der Termin liegt auch ungünstig in der Zeit des Redaktionsschlusses der Zeitschrift, wo ich arbeite. Meine Erfahrung mit dem Bielefeld-Treffen ist, dass ich nicht mehr soviel An- und Abreisestress haben möchte. Im letzten Jahr war es hingegen ziemlich ideal auch für eine Anschlusstour inklusive der Reiseverbindungen, etwas Knirschen auf den Zähnen hatte meine Chefin aber schon.
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#906675 - 05.02.13 13:10
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Wenn sie knirschen auf den Zähnen hat, soll sie ihren Salat besser waschen (Sand knirscht ganz übel )
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#906678 - 05.02.13 13:17
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: Deul]
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Das wird nicht helfen, sie ist überhaupt keine Vegetarierin, ....
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Geändert von veloträumer (05.02.13 13:20) |
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#906810 - 05.02.13 20:14
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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3. Jouristische Prüfung: Wasserfallfotografie und empirische Pharmaproduktversuchsreihe Jura France: Träumerische Kulissen einer mysteriösen Geologie: Die großen Karstquellen und Kaskaden und andere idyllische OrteMi 23.5. Baulmes – Col de l'Aiguillon (1213m) – Auberson – Cluse de Joux – Pontarlier – Sombacour – Col des Roches-Sombacour (797m) – Ouhans – Source de la Loue – Ouhans – Mouthier-Haute-Pierre – Ornans86 km | 12,7 km/h | 6:43 h | 965 Hm W: 12/16 °C, sehr kühl, sehr windig E: Pizza, Tee 10 € Ü: C Ornans 12 € Wieder mal ein Ort ohne Backstube. Ein Cafe hat geschlossen. Reichtum schützt vor Armut nicht, so lehrt es die Schweiz. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass einfache Tätigkeiten und Produkte im Hochpreisland kaum noch rentabel sind. Entsprechend schlecht ist die Versorgungslage in ländlichen Gebieten, insbesondere im Vergleich mit dem angrenzenden, nicht weniger ländlichen französischen Jura. Ich spüre, dass ich zu wenig Wärme erhalte – von innen wie von außen. Zwar gibt es keinen Regen, aber der Tag bleibt trübe, trist und unangenehm kühl. Die Abwehrkräfte des Körpers scheinen nach dem ohnehin garstigen Frühjahr am Ende. Gleich zu Beginn steigt die schmale Straße an, zwischen mehreren Steilpassagen gibt es kaum Erholung. Erst mit erreichen der Hochweiden fährt man moderat, schon fast flach, bis sich die Strecke wieder unauffällig im dann dichten Wald nach unten neigt. Verkehr gibt es kaum, aber natürlich wieder grandiose Landschaft. Unten ein Laub- und Mischwald, mit ein paar Kaskaden, Pilze, Blumen am Rand, unten wie oben ein paar einsame Weiler. Sogar eine Bahnlinie kreuzt man – sie verbindet Yverdon mit Ste-Croix in der Höhe. Dazu bewegt sich die Trasse in einer weiten Schleife um den Mont de Baulmes. Kein Berg ohne Bahn – auch das ist Schweiz. Wenn der Wald sich lichtet, ragen mächtige Felswände des Baulmes-Massivs empor. Mit einem krönenden Kreuz fühlt man sich noch erdrückter als der Berg ohnehin schon wirkt. Mit den Hochweiden mischt sich wieder das satte Grün mit dem leuchtenden Gelb des Löwenzahns. Ein wenig optischer Ersatz für die fehlende Sonne. Es sei für wildnisliebende Eigenversorger erwähnt, dass es sowohl an der steilen Straße im unteren Bereich jenseits von Baulmes eine unbewirtete Schutzhütte (offene Bauweise) gibt, als auch im dichten Waldteil auf der Westseite des Col de l’Aiguillon – dort sogar mit elementaren Funktionen Bereiten und Essen von Speisen (geschlossene Bauweise). Dort nahe bei befinden sich Tannen, genauer: Riesentannen. Wie auch in Frankreich im Forêt de la Joux werden hier Tannen vermessen und die mächtigste unter ihnen zur Président d’Honneur auserkoren. Nicht zuletzt auch eine Verbeugung vor dem 1500 Jahre alten Holzhandwerk im waldreichen Jura. Der frei geschlagene Präsident der Tannen wird mit einem Umfang von 4,25 m und einer Höhe von 44 m angegeben – allerdings mit Datum 1996. Unklar, ob die Tanne danach nicht mehr gewachsen ist, oder die Dokumentation hier nicht fortgeschrieben wurde. Die Prämierung auf dem nagelneu erscheinenden Holzschild stammt allerdings frisch aus dem Jahre 2009. Wenn Tannen Präsident werden können, welche Bäume können dann Kanzler werden? Auch wenn es ein wenig hinunter geht, mündet man nach dem Waldabschnitt wieder auf einer Hochebene mit typischen Fichtenhainen und Juraweiden um L’Auberson herum. Je nach Himmelsrichtung lichte Hoffnung oder Hochnebeldepression. Nur unwesentlich aufwärts dann auch der Weg zur Grenze und dem Hochpunkt – allein das lebendigere Ortsleben in Les Fourgs verrät den Länderwechsel. Endlich wieder Zivilisation! Gleich an der Straße lädt eine Käsemanufaktur mit Spezialitäten der Region Franche-Comté ein. Ein Laib Comté hat die Größe eines Autoreifens, wiegt schlappe 48 kg, die aus 500-530 Liter Milch gewonnen werden. Erlaubt ist nur Rohmilch der rotbunten Rasse Montbéliarde, die Wiesengras nur von ausgesuchten Almen fressen dürfen. Wissenschaftler messen sogar, inwieweit die Kräuterdichte und Kräuterarten auf den Wiesen den Geschmack beeinflussen. So heißt es denn auch so schön, dass in jedem Laib Comté die Seele des französischen Jura steckt. Ein Laib scheint mir übertrieben für eine Person und eine Alurad, mir reicht eine Scheibe im Grammbereich. Die misstrauischen Blicke der Schweizer sind passé, stattdessen freundliches Lächeln im Land des einstigen Sonnenkönigs und ein kleines Schwätzchen ist auch noch drin. Dass die Käsefrau auch ein hübsches weibliches Wesen ist, das auch im Dirndl eine gute Figur machen würde, sage ich jetzt nur im Geheimen, sonst gilt es ja als sexistisch. Trotz der sympathischen Ausstrahlung vermag sich das Wetter nicht anzupassen – trist, trübe, kalt, unfreundlich. Nach einer moderaten Abwärtsfahrt gelangt man zu der Cluse de Joux, trutzig von einer Burg mit der Handschrift von Vauban bewacht. Wo Vauban-Bauwerke, da auch meist Kerker – revolutionäre Geister wie Mirabeau und Heinrich von Kleist mussten hier Strafe absitzen – ob sie wenigstens die Aussicht genießen konnten? Mit der Klus öffnet sich die Ebene um Pontarlier, das Zentrum der französischen Absinths und auch ein Ort des feinen Geschmacks im Alltag wie es Martin Jenni und Hans Ikenberg in ihrem Reiseführer für Schleckermäuler „Französischer & Schweizer Jura“ (Oase Verlag) hervorheben. Man genießt unauffällig, bodenständig, aber nicht exquisit oder luxuriös. Leider ist Mittagszeit und die guten Adressen halten konsequent ihre Genusspause ein. Da ich meiner aufkeimenden Bronchialreizung entgegen treten will, ergänze ich meine Käsespezialitäten mit etwas warmen Kaffee und Pommes frites aus einer bekannten amerikanischen Fastfood-Taverne. Nach dem etwas hektischen Verkehr um Pontarlier herum beginnt eine sehr ruhige, auch hügelige Route durch Wiesen-, Weide- und Waldland im Wechsel – lieblich und mit kleinen wohnlichen Orten – verschwiegen in die Nebelwolken getaucht. In Sombacour strebt ein Kreuzweg jüngeren Datums (1896-1956 gebaut) am Mont-calvaire empor. Vielleicht hätte ich hier ein paar Kreuze schlagen müssen, damit es nicht so Dicke am Ende des Tages kommen würde. Überraschend registriere ich auch in Ouhans noch wenig Betrieb, immerhin der nächste Ort hin zur Source de la Loue. Zu dieser eindrucksvollen Karstquelle, die sich wasserreich aus einer großen Felshöhle ergießt, führt eine idyllische Stichstraße. Dabei entstehen auf dem Rückweg ein paar zusätzliche Höhenmeter, aber nur ein kleines Stück unten nahe der Quelle ist steil. Das letzte Stück ist autofrei, die motorisierten Fahrzeuge muss man an einem Bistro mit Souvenirverkauf abstellen. Mit Rad kommt man also direkt bis zur Quelle. Die Höhle ist zwar zum Teil begehbar, allerdings ist der Zugang weiträumig abgesperrt. Möglicherweise gibt es Führungen, die wohl nicht zuletzt vom Wasserstand abhängig sind. Der Absinth ist übrigens dafür verantwortlich, dass die Versickerungen zur Loue-Quelle entdeckt wurden. Ein Teil des Wassers stammt aus dem Doubs, in dessen Lauf 1901 bei einem Brand einer Destillerie in Pontarlier ca. 1 Million Liter aus geplatzten Flaschen der Grünen Fee flossen. Ein Spaziergänger entdeckte die milchige Pastis-Farbe sowie entsprechenden Geruch und Geschmack an der Loue-Quelle. Der Nachweis gelang später einem Höhlenforscher mittels Farbstoff. Der Mythos um das Wasser aus den Höhlen und Felsen bröckelt, aber das Wunder bleibt – so sagt es das Auge. Immerhin sind hier einige Touristen unterwegs – sicherlich ist das Wetter nicht nur dem Besucherstrom abträglich, sondern auch optischen Gesamteindruck. Hingegen sorgte das regnerische Wetter der Vortage und des Frühjahrs insgesamt für eine besonders berauschende Schüttung, was nicht nur für diese Quelle, sondern auch für alle folgenden Karstquellen und Wasserfälle gelten soll. Zwar nimmt im folgenden Loue-Tal der Verkehr etwas zu, es bleibt aber ländlich-französisch ruhig. An klassischen Ausflugstagen sollte man vielleicht mit etwas mehr Verkehr rechnen. Das obere Loue-Tal ist von malerischen, bewaldeten Kuppenbergen ebenso geprägt wie von markanten, senkrechten Felswänden, die zum Teil direkt senkrecht an die Straße reichen. Die Landschaft erinnert zuweilen an die Region Drôme. Ein schöner Wasserfall liegt noch direkt an der Straße, den man leicht bei Raserei verpassen könnte. Die Orte passen sich unauffällig ins Tal ein, an den Ufern der Loue gibt es idyllische Plätze mit vielen überhängenden Bäumen und einigen Mühlen. Mouthier-Haute-Pierre ist für seine Kirschen berühmt. Fährt man durch die Dörfer – Abstecher nach oben von der Hauptstraße abweichend lohnen! – so findet man charmante Winkel, unspektakulär, etwas für das stille Entdeckerauge. Mit Ornans erreicht man eine kleine Talweitung der Loue, die dem Ort etwas mehr Entfaltungsraum bietet als zuvor. Aber auch hier ragen fast orgelartige Felsen oberhalb auf, einige Ortsteile thronen auf Kalkstein über dem Tal. Ornans ist bekannt für die spiegelnde Fläche der Loue, in deren Glitzerglanz die Häuser teils überhängend sich selbst betrachten – welches ist das Schönste im Städtle? Hier steht nicht große Architektur, sondern das Ensemble einfacher Häuser, die mehr an alte Mühlhäuser erinnern. Es ist die malerische Symbiose, die den Glanz der Schönheit in das schweigenden Wasser zeichnet. Leider führt hier das regenreiche Frühjahr dazu, dass die Strömung recht stark ist, der Fluss leicht aufgewühlt, von Erde dumpf gewaschen und so der Spiegel nicht so glanzvoll wie auf Postkarten zu sehen. Es scheint wiederum schicksalhaft, dass in diesem malerischen Städtchen 1819 auch ein bedeutender Maler das Licht der Welt erblickte. Gustave Courbet begründete den neuen französischen Realismus und setzte seiner Heimatregion zahlreiche romantische Denkmäler auf Leinwand. Der Camping befindet sich außerhalb, flussabwärts auf dem linken Flussufer – dort auch nicht am Fluss, sondern etwas zurück am Hang. Ein kleines Bistro bietet nicht viel, eine Pizza bekommt man schon. Natürlich wäre ich eigentlich gerne in den Ort zum Essen gefahren, denn es gibt schöne Plätze zum Speisen. Doch ich kann hier dem Leser nicht ersparen, eine unschöne Entwicklung auf der Reise zu erwähnen, die mich an einen Tourabbruch hätte bringen können. Die Erkältung, die sich spätestens seit der Nacht am Lac Taillères ankündigte, hatte längst vom Körper Besitz ergriffen. An diesem Tag überfiel mich übler Husten, die Glieder ermatteten, kaum eine Anstrengung, die nicht meinen Brustkorb über die rebellierenden Bronchien erschütterte. Noch vor Ornans fand ich gerade noch vor Betriebschluss eine Apotheke und suchte nach einem Gegenmittel. Doch die ersehnte Linderung machte erst recht krank. Ich erhielt ein scheinbar harmloses Hustenbrausepulver, das sogar spontan wirken sollte. Allerdings mit erheblichen Begleiterscheinungen. Nur einmal geschluckt, musste ich in Ornans die im Campingbistro bestellte Pizza wieder zurückgehen lassen, litt an Kopfschmerzen, Fieber und Übelkeit. Noch im Irrglauben, dass Übelkeit und Fieber der Erkältung zuzuschreiben seien, nahm ich noch eine zweite Dosis des Giftpulvers. Danach musste ich mich später mehrfach übergeben, die Nacht wurde zur Hölle. Mancher Campinggast mag gedacht haben, dass liebestolle Haremsplatzhirsche Brunftzeit halten – ich hatte ja eigentlich gar nichts zu erbrechen, da nichts gegessen. Als ich das letzte Mal solche Geräusche gehört hatte, war ich in Pompeji als der Vesuv ausbrach. Mein Körper spürte das Beben, ich zitterte und musste mich zuweilen am Zaun festklammern. Tatsächlich konnte ich später recherchieren, dass das Hustenbrausepulver „gelegentlich“ allergische Magen-Darmreaktionen mit Erbrechen und Fieber hervorrufen kann. Unglaublich, welche Gifte die Pharmaindustrie (Sandoz) in den Handel bringen darf. Do 24.5. Ornans – Cléron – Amancey – Source du Lison – Pont du Diable – Cernans50 km | 12,0 km/h | 4:09 h | 760 Hm W: bis ~25 °C, sonnig, windig, später kühl E: SV, mit Tee in Bar Ü: C wild 0 € Gegen die physische Schwäche versuchte ich mit wenig Schokolade (sehr gute Patisserie in Ornans!) und etwas Joghurt anzukämpfen. Es dauerte schon fast bis Mittag, bevor ich überhaupt mich aufs Rad traute um Ornans zu verlassen (und nicht zum Camping zurückzufahren, um den Tag zu verschlafen). Der Kopf aber schwirrte weiter, ich musste mich taumelig niederlegen auf einer Wiese an der ruhig dahin fließenden Loue, fing mir zunächst unbemerkt dabei eine Zecke ein. Ich fuhr fast ohne Kraft am Abend noch ein Stück zur Lison-Quelle und ein bisschen weiter. Im einem weitgehend verlassenen Ort fand ich nur eine Kneipe für einen Tee, etwas Käsevorrat aus meiner Tasche appetitlos dazu. Kann man so weitermachen? Ungeachtet der körperlichen Leiden sei zunächst fortgefahren mit dem, was ich noch an diesem Tage gesehen habe. Die Loue ist nun schweigende Flussidylle, hügelige Wiesen und Weiden verhindern aber ein zu breites Tal. Am Ufer zu Cléron steht dann ein Märchenschloss – eigentlich eine mittelalterliche Burg, aber gut renoviert. Erst am späten Nachmittag konnte ich mich an der Loue aufraffen, wich der Schwindel, das Fieber, doch war ich ausgehungert – Mittagspause dann zur Sandmännchenzeit. Von der Loue geht es weitgehend aufwärts, aber mit Zwischentalmulden, die Steigungen bleiben aber moderat. Vor der Lison-Quelle liegt noch ein romantisches Örtchen, Nans-Ste-Anne. Die örtliche Gîte hat entgegen der Ausschreibung keine Gastronomie – sonst hätte ich vielleicht hier den Tag beendet. So kämpfe ich mich weiter bergan, wieder liegt die Quelle am Ende einer Stichstraße, die allerdings keinerlei Steigungsspitzen enthält. An der Lison-Quelle gibt es keinerlei Infrastruktur, also weniger „kommerziell“ als die Loue-Quelle. Zur Not könnte man auf dem harten Parkplatz ein Zelt aufstellen (ein Caravan hatte sich dort zur Nacht platziert). Die Wasseradern der Lison-Quelle liegen oberhalb im Forêt de la Joux, wo sich schon besagte Riesentannen befinden. Die Höhle ist ähnlich der Loue, kann auch bei Niedrigwasser teils begangen werden, der Weg dorthin ist aber offiziell gesperrt und müsste überklettert werden (klitschig!). Die dahinsprudelnde Loue liegt hier unter einem großen, lichten Blätterdach – schattiges Picknick im Hochsommer möglich. Zurück auf der Straße nach Crouzet-Migette ist Steigung etwas kräftiger. Auch hier herrscht ebenso wie Ste-Anne bäuerliche Einsamkeit mit ein paar Höfen und Häusern ohne Gastronomie. Die Teufelsbrücke zwischendrin lässt von der Straße nicht betrachten, man müsste dazu die Straße per Fußpfade verlassen. Doch die aufkommende Dämmerung drängt mich weiterzufahren, etwas Warmes wäre wichtig gegen die Erkältung, für das Wohlbefinden. So erreiche ich im Dunkeln noch die trostlose Bar, immer noch schwach – wird es morgen Linderung geben? Fr 25.5. Cernans – Salins-les-Bains – D94/D107 (555m) – Arbois – Les Planches-près-Arbois/Cascade des Tufs – Belvedère Cirque du Fer à Cheval – Montrond – St-Germain-en-Montagne – Nozeroy – Conte – Source de l'Ain – Conte – Sirod – - Perte de l'Ain (Wanderung ~ 30 Min.) – Syam – Cascade de Billaudelle – Tépette – Lac de Maclu – Lac de Narlay – llay/Lac d'Ilay95 km | 12,8 km/h | 7:20 h | 1220 Hm W: bis ~25 °C, sonnig, windig E: Salade Comtoise, Forelle in Cremesauce, Gem., Reis, Rw, Crème brulée, Cafe 30,20 € Ü: H Auberge du Hérisson 45 € o.Fr. Morgens ward es noch kalt, die Sonne aber läutete einen schönen Tag ein. Salins-les-Bains, die alte Salzstadt – Salz, das Gold in früheren Zeiten – liegt gut bewacht unter zwei Festungsanlagen – jetzt noch im Schatten. Einst durchfuhr ich den Ort unter dunklen Wolken bei fast unerträglicher Schwüle bei 33 °C. Trotz kalter Finger heute und noch ohne Frühstück zwinge ich mich noch über den nächsten Hügel nach Arbois – eigentlich mal als Etappenziel geplant, mittlerweile aber mit über einem Tag Verspätung erst erreicht. Man fährt sehr schöne über grüne Weiden, kommt in einen Wald und fährt dann durch Mesnay nach Arbois über ein liebliches Tal ein. Um mich nicht weiter zu verzetteln, hatte ich einen schöneren Umweg ausgeschlagen, deswegen sei ergänzt, dass man über die D54 (statt D 107) kehrenreicher und mit Blick auf die Weinberge von Arbois noch schöner fahren kann. Arbois entpuppt sich sogleich als Ort für Geschmack und Genuss. Gleich am Ortseingang locken Weindegustation und Essigspezialitäten. Schon französische Könige schätzten die jurassischen Weine – etwa der vin jaune, in Nusstönen aus der Savagnintraube gekeltert, mindestens sechs Jahre in einem Eichenfass gereift und von einer speziellen Schicht aus Hefepilzen geschützt ist. Er übersteht spielend 100 Jahre. Andere typische Weine aus der Region sind fruchtig-leichte Crémants, seltene rote Troussard- und Poulsardweine von uralten Weinhügeln bei Arbois, Vin de Paile – eine Trockenbeerenauslese, Pinot Noirs und Chardonnays. Eine Reblaus im 19. Jahrhundert führte dazu, dass die jurassischen Weine zu einer fast vergessenen Nischenproduktion in Frankreich reduziert wurde. Mitten im Stadtzentrum mit kleinen Arkaden dann Brotspezialitäten, ausgewählte Käse, vieles mehr und die feine Patisserie Hirsinger – ausgezeichnet als eine der besten des süßen Handwerks in ganz Frankreich. Pflichttermin für den Autor - auch ein Trostpflästerchen für die Leiden der vergangenen Tage. Im Ort finden sich überall schöne Ecken, lauschige Plätze an der Cuissance mit alten Mühlen, Speiseterrassen, eine stadtprägende Kathedrale, in der sogar im Sommer ein gewichtiges Orgelfestival stattfindet. Plakate verraten, dass Kunst und Kultur einen dauerhaften Platz im Stadtleben haben. Wer der Medizin zugewandt sein sollte, wird sich dem Museum von Louis Pasteur widmen wollen, der hier aufwuchs und forschte. Es geht weiter auf kleiner Straße, linkes Cuissance-Ufer in die Reculée des Planches – ein gestufter Taleinschnitt, dessen schroffes, kantiges Ende man später nach Auffahrt als Cirque du Fer à Cheval von oben gut betrachten kann. Bei einem Hotel nach Les-Planches-près-Arbois (Durchgang erlaubt) findet sich ein wild schäumender Wasserfall nebst alter Mühle – für Picknick geeignet. Man fährt nun aber noch die Stichstraße (Piste) zu Ende, um zu einem der großartigsten Wasserfälle im Jura zu gelangen. Als große Böge, teils von bemoosten Stufen unterbrochen, ergießen sich unter leuchtendem Blattgrün die sprießenden Quellschweife der Cuissance in ein urig umwurzeltes Becken, aus dem das Wasser sodann über kleine Steinstufen weiter hinunter ins Tal getragen wird. Hinter der Cascade des Tufs aux Planches-près-Arbois befindet sich noch eine begehbare Quellhöhle, die ich aber nicht aufgesucht habe. (Ein Weg dahin zweigt wenig unterhalb des Wasserfalls von der Piste ab.) Gerade bei den bemoosten Wasserfällen wäre es von Vorteil, wenn die Schüttung etwas geringer wäre als zu diesem Zeitpunkt vorgefunden, weil dann mit mehr Grün zwischen dem Weiß des stäubenden Wassers das Farbspiel noch abwechslungsreicher wäre. In Les-Planches geht es kurz steil hinauf zur D 469, von der man nun besagtes Talkesselpanorama genießen kann. Es folgt eher unauffälliger Wald (Grotte kann besucht werden), später Wiesen und Weiden. Nach dem Zwischenspiel auf der N 5, folgt bei St-Germain eine ansprechende, aber auch ansteigende Waldpassage. Bei Mournon entfaltet sich dann ein weites Hügelpanorama mit Weiden, Wiesen und Auenlandschaft, fern bereits schon Nozeroy auf einem Hügel zu erkennen. Das mittelalterliche Nozeroy darf man getrost noch als Geheimtipp bezeichnen, abseits der Hauptwege ruhig gelegen, das Ambiente nicht spektakulär, aber einladend, wenige, aber ausreichendes Verpflegungsangebot (dabei auch Gastronomie mittelalterliches Ambiente) und ein liebliches Hügelpanorama, das zur gegeben Zeit auch Blütenbäume einschließt. Auch ein Souvenirladen mit kunsthandwerklich ansprechenden Arbeiten findet sich. Typisch etwa sind Holzarbeiten aus den Jurawäldern, von praktischen Käseschachteln, über Tabakpfeifen, einfallsreichen Spielen und Spielzeug bis zu Musikflöten. Ich finde sogar Holzschatullen als Notizblock mit Fahrradmotiv und eine farbenfroh-schmucke Liebeserklärung zum Fahrrad – ergänzt von den geschriebenen Ansichten eines 9-jährigen Kevin. Sinngemäß heißt es da, wenn er Zeit habe zu radeln, fühle er sich glücklich, von niemanden gestört. Radelt man, sei man frei wie ein Vogel und nur wer frei sei, könne auch glücklich sein. „Der Vogel muss frei sein“, so sagte es auch der Jazzklarinettist Rolf Kühn einmal. Rousseau hätte es kaum besser formulieren können. Ob Kevin die Bachstelze vom Lac Taillères ist? Der zweitgrößte Jurafluss, der Ain, entspringt als Quelltopf nur unweit von Nozeroy, eine kleine Hügelfahrt liegt dazwischen. Will man auch die Versickerungsstelle sehen, gibt es eine weitere Stichstraße oberhalb, von der aus man dann zum Quelltopf eher matschig bis rutschig hinunter wandern kann. Der Quelltopf ist aber ebenso über eine Stichstraße (abschließend kleiner Fußweg) zu erreichen. Hier sprudelt nichts, nur ein glatter Wasserspiegel zeigt die Wiedererscheinung des Ain an. Umliegend tropft weiteres Wasser von Steinen, die Stille im dunklen Wald ist mystisch. Schnell nimmt der Ain Fahrt auf, rauscht in kleinen Stromschnellen zu Tal, gräbt sich tiefer ein, zunehmend schlechter von der Straße einzusehen. Nochmal wechseln die Landschaftsmotive, nach einem kleinen Felstunnel verzweigt die Straße nach Richtung Champagnole oder Richtung Perte de l’Ain. Die Perte de l’Ain ist ein Engstelle der Ain, eine Klamm, an der mehrere kleine Wasserfälle bewandert werden können, teils über Stege und Stiegen, aber auch auf einem Wanderpfad. Man erhält über die Kaskaden hinaus einen Eindruck der eigentümlichen Botanik und Landschaft, kann die geheimnisvolle Atmosphäre des verschlungenen Flusses mit allen Sinnen erfahren. Infotafeln erklären die geologischen Hintergründe. Für einen kompletten Rundgang braucht man ungefähr 90 Minuten, ich bin nur im vorderen Bereich ein paar Kaskaden abgewandert. Ideal natürlich zur Rast und wohl auch Badeplätze weiter oben zu finden. Über Syam erreicht man eine weitere Talsohle, aus der es zur 4-Seen-Ebene bei Ilay hinauf geht. Schluchteinblicke mit weiteren Wasserfallserien (Cascade de la Bidauelle) begleiten die Fahrt, auch per Treppen von der Straße aus näher zu erkunden. Erreicht man Le Pont de la Chaux (nahe bei Camping), führt die Straße zu den Lacs de Maclu (kleiner und großer See) nochmal weiter hoch – allerdings nur noch sehr moderat. An den Ostufern lassen sich die Seen auch abwandern oder beradeln – man muss aber mit Pfützen und auch mal umgefallenen Bäumen rechnen. Offiziell verboten, werden sie gerne auch zum Baden oder Grillen benutzt. Wenig weiter liegt zur rechten Hand der Lac de Narlay, mehr in einer Mulde und so auch weniger idyllisch als die Lacs de Maclu und der Lac d’Ilay, die geradezu eben zur Straße sind. Die Zufahrt zum Lac de Narlay erfolgt von Le Frasnois, ein Camping liegt unten am See. Vermutlich gibt es aber dort keine Gastronomie. Entsprechend fahre ich noch weiter bis Ilay, wo an der Kreuzung ein strategisch geschickt gelegenes Gasthaus die Touristen oberhalb der Cascades du Hérisson abfängt (eine Gîte liegt auch im Ort, weiteres Gasthaus wohl in der Nähe an der D 39). Laut Aussage der Gastwirtin in der Auberge du Hérisson war/ist (vermutlich nur Sommer?) der Camping in Bonlieu geschlossen. Irgendwie stand ich den Tag gut durch, konnte in Nozeroy auch wieder herbe Nahrung zu mir nehmen. Vom kraftvollen Zubeißen war ich aber noch entfernt. Ausgerechnet bei der verführerisch schmackhaften Forelle in Zwiebelcremesauce (ein kulinarisches Gedicht!) bekam ich wieder Probleme mit Übelkeit und Fieber. Wieder eine kalte Zeltnacht? – Vielleicht kollabiert dann mein Immunsystem endgültig? Ich entdeckte nun auch die bereits weit gewanderte Zecke, konnte sie aber zunächst nicht entfernen. Es wurde in mir sehr düster. Nach schwierigen Verhandlungen im Hotel nahm ich schließlich das Zimmer zum reduzierten, aber immer noch nicht unbedingt günstigen Preis (45 € ohne Frühstück). In der Ruhe konnte ich schließlich auch die Zecke am Rücken herausfischen und schlief nach warmer Dusche traumhaft. Der Luxus, der nach Lesart des gemeinen Normalverdieners eigentlich gar kein Luxus war, zahlte sich aus: Ich stand am nächsten Morgen wieder fest auf den Füßen, die Erkältung hatte sich aufgelöst und ich konnte den Rest der Reise genießen – mal von einem Gewitterintermezzo abgesehen. Ich kann es nur empfehlen: Wenn ihr am Boden seid, nehmt ein paar Goldtaler in die Hand und lasst es euch gut gehen. Den Tod in Armut könnt ihr immer noch nachholen. Sa 26.5. llay – St-Laurent-en-Grandvaux – Col de la Savine (984m) – Morbier – Lac des Mortes (1104m) – Combe des Cives (1140m) – Chaux-Neuve – Mouthe – Source du Doubs – Route forestière Source du Doubs/Chez Renaud (sommet: 1190m) – D389 – Landoz-Neuve (1260m) – Le Pont77 km | 12,3 km/h | 6:13 h | 1055 Hm W: 14/20/12 °C, bis mittags sonnig, dann stark bew., starkes Hagelgewitter, windig, abends wieder heiter B: Exkursion Cascades du Hérisson (~4 h) 0 € E (Rest. Du Lac): Melonen m. Schinken, Rinderfilet m. Morchelsauce, PF, Rw, Erdbeertört., Cafe 52,50 € Ü C wild 0 € Der erste Tagesteil war radlos. Ich erkundete die Cascades du Hérisson per pedes. Von den insgesamt sieben Wasserfällen kannte ich aus meiner 2004er-Reise nur den höchsten und untersten (Cascade de l’Éventail, 65 m). Für die Exkursion ab und wieder auf zurück sollte man 3-4 Stunden einplanen. Leider hatte ich mein Stativ vergessen, sodass ich nicht ganz die gewünschten Fotos machen konnte. Immerhin zeigt sich auch mal eine Wasseramsel zum Porträtshooting – und wollte nicht mal ein Honorar. Vorteilhaft sind frühe Morgen- oder späte Abendstunden, da zumindest an Wochenenden und zu Ferienzeiten tagsüber starker Andrang herrscht. Etwa nach dem ersten oberen Drittel gibt es ein Bistro (nur über Tag geöffnet), zu dem man auch per steile Forststraße von Bonlieu gelangen kann. Am unteren Ende findet sich nach ein Maison des Cascades, in dem man gegen kleinen Eintritt noch weiter Informationen erhält (nicht genutzt). Sehr idyllisch ist auch die Anfahrt von unten, wenn etwa in Doucier bzw. am Lac du Chalain Station machen sollte. Zum Col de la Savine (St-Laurent) hat man zwei Anstiege zu bewältigen, dazwischen liegt wiederum eine Moorweidelandschaft. St-Laurent liegt auf einer Hochebenen, ist ohne besonderen Reiz. Mit dem Col de la Savine ändert sich alsbald die Landschaft, rauscht flott in eine schluchtartiges Tal, das recht schattig ist – im Winter wahrscheinlich ohne Sonne. Mit dem Col de la Savine verdunkelte sich zudem der Himmel, dass ich mich in Morbier fast erdrückt fühlte. Ich denke: „Morbierkäse enthält eine Schicht Pflanzenasche – Zufall oder Fügung? Noch in den in den Villenbereichen außerhalb Morbiers wartete ich erste Regentropfen ab, fürchtete ein erschlagendes Gewitter auf der Hochebene. Oben war es jetzt noch dunkler als unten. Einige Rennradler schienen hingegen unbekümmert. Auf der Hochebene geht es in weiten Schwüngen immer etwas auf und ab. Die kleinen Seen auf der Strecke sind gar nicht einsehbar. Landschaftlich bleibt die Strecke bescheiden. Kurz vor der letzten Erhebung bei Cernois erwischt mich dann das Gewitter. Gerade eben habe ich Glück, unter dem Dach eines verlassenen Hofes unterstehen zu können. In wenigen Minuten entwickelt sich ein Wolkenbruch, Hagel trommelt auf Dach und Straße, der Wind treibt Sprühwasser auch in die Unterstellecke. Fast droht es in einen heftigen Dauerregen überzugehen. Andere Reiseradler kommen vorbei – ein Paar sucht gegenüber Schutz, später zieht ein Tross unbeeindruckt durch die Gicht. Es geht weit über eine Stunde ins Land, aber immerhin endet das Teufelsgewitter. In Mouthe ist es sogar wieder ein wenig heiter. Die Quelle des Doubs ist recht gut erreichbar, zu Füßen liegen auch ein Campingplatz und eine Gîte, Selbstversorger sind im Vorteil. Die Source du Doubs ist dann wieder unscheinbar, weder Wasserfall noch Quelltopf, nur ein Ausfluss aus dem Fels, das Rauschen stammt von einer künstlichen Fallstufe. Nun folgt eine Forststraße, die steil ansteigt und sich über die Doubs-Quelle erhebt. Im dichten Nadelwald verzweigt sich die Forststraße, ist nicht mehr ausgeschildert. Leider verfahre ich mich einmal, gelange in eine morastige Sackgasse. Sogar müsste der Waldweg zur gewünschten Straße führen, ist aber definitiv nicht mehr fahrbar. Auch zu Fuß droht man im Schlick stecken zu bleiben. Hat man den richtigen Riecher – also in meinem Fall beim zweiten Versuch –, kann man auf Asphalt auf die D 389 gelangen, spart so die Rückfahrt nach Mouthe und einen weiten Bogen um den Quellberg des Doubs. Die Steigung ist hier sehr moderat, aber die Strecke zieht sich entsprechend lang bis zur Passhöhe. Als ich den Lac de Joux und Le Pont erreiche, ist es bereits dunkel. In Le Pont im Restaurant du Lac herrscht noch gute Stimmung, noch keine Spur von Feierabend. Mein Menü steigt im Ranking des teuersten Essens auf Radreisen zur Nummer 1 auf, die 50 Euro vom Abschiedsessen meiner großen Italienreise im Jahre 2006 in einem Fischrestaurant zu Catania wird hier knapp übertroffen – mit Trinkgeld wahrscheinlich nicht – damals war ich noch großzügiger. (Hinweis: Die Zimmerpreise sind für Schweizer Verhältnisse äußerst moderat) Doch ist jeder Bissen hier das Geld wert – nicht nur weil ausgesprochen gut, sondern auch weil ich nach drei Abenden mit Übelkeit und Appetitlosigkeit endlich wieder genussvoll mit großer Lust zuschlagen kann. Ich empfinde wie eine Wiedergeburt – ein „résurgence“ (Wiedererscheinen) des Geschmacksgeistes könnte man in Anlehnung der Karstquelleneindrücke auch formulieren. Für das Gefühl hätte ich vielleicht sogar das Doppelte ausgegeben – der Essensgenuss ist ein großes Geschenk – wenn nicht ein Gottesgeschenk, dann ein Erdengeschenk. Im Rousseau’schen Sinne eine Sache des natürlichen und guten Gewissens. Ich sage Erntedank – und das im Mai! Bildergalerie Teil 3 (190 Fotos): Die letzte Prüfung folgt
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Liebe Grüße! Ciao! Salut! Saludos! Greetings! Matthias Pedalgeist - Panorama für Radreisen, Landeskunde, Wegepoesie, offene Ohren & Begegnungen |
Geändert von veloträumer (12.02.19 18:54) |
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#906997 - 06.02.13 16:18
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias, einfach köstlich zu lesen! Da machen Reiseberichte richtig Spaß.
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#907004 - 06.02.13 16:33
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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– der Essensgenuss ist ein großes Geschenk – wenn nicht ein Gottesgeschenk, dann ein Erdengeschenk. ..auch wenn ich dir bei der grausigen Kraxelei doch eher widerwillig folge, so muss ich dir bei der Auswahl deiner Worte und Speisen höchstes Lob zollen. Das hast Du dir redlich verdient! Respektvolle Grüße Jürgen
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + |
Geändert von Juergen (06.02.13 16:34) |
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#907056 - 06.02.13 19:41
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Jouristische Abschlussprüfung: Höhlentauglichkeit und infektiöse Seeschwäche Jura Suisse du Sud II: Seenland, Feenschatz und schmucke Mauerwinkel – Der Waadtländer Jura zwischen Lac de Joux und Lac LémanSo 27.5. Le Pont – Col du Mont d'Orzeires (1061m) – Vallorbe – Grottes de Vallorbe/Source de l'Orbe – Vallorbes – Romainmôtier – Col du Mollendruz (1180m) – Petra-Felix (1144m) – Les Bioux – Le Brassus – Col du Marchairuz (1447m) – Longirod – Bassins – St-Cerque91 km | 12,6 km/h | 7:19 h | 1360 Hm W: bis ~21 °C, überwiegend sonnig, wenn bew. sehr kühl, sehr windig B: Grottes de Vallorbe 12,50 € E: Penne mit Morcheln, Salat, Rw, Cafe ~ 35 € Ü: C St-Cerque ~12,30 € Mein privater ortsnaher Zeltplatz verdient besondere Beachtung: Mit Ausblick auf historisches Bahnmaterial, für unseren Schienen-Fetischisten Falk gar wohl ein 5-Sterne-Platz. Gleich unmittelbar dort liegt auch der kleinere Lac Brenet, noch gut auf der gesamten, leichten Auffahrt zum Col du Mont d’Orzeires im Rücken zu erblicken. Zuvor nutze ich noch die stille Morgenstimmung am Lac de Joux, der in seinem ein glatten Spiegel die Schönheit der Bilder quasi verdoppelt. Im See steht auffällig das geflügelte Pferd Pegasus, eine Skulptur von André Lasserre. Es ist ein Auftragswerk des regionalen Energieversorgers CVE aus dem Jahre 1959 gewesen und symbolisiert entsprechend die Energie des Lac de Joux, die sich der Mensch zu Nutze macht. Eine historische Turbine kann man in Vallorbe an der Orbe-Quelle als Skulptur bewundern. Die Orbe-Quelle erreicht man nach der Passabfahrt per flache Stichstraße, die am Ortsanfang von Vallorbe abzweigt. Hier tritt die Orbe wiederum unspektakulär aus dem Fels in Erscheinung. Das Wasser stammt aus den Lac de Joux ebenso wie aus dem Lac Brenet, die beide keinen sichtbaren Abfluss haben. Die Orbe entspringt allerdings regulär weiter südwestlich in Frankreich bei Les Rousses und durchfließt zuvor noch das gesamte Hochtal Vallée de Joux. Über die größeren Parkplätze sollte man sich nicht wundern, weil es hier mehr zu sehen gibt als nur eine romantische Wiederkehr eines Flusses. Die Grottes de Vallorbe bilden ein Höhlensystem, das gegen Eintritt besichtigt werden kann. Man darf einen großen Zauber aus Stalaktiten und Stalagmiten erwarten. Mehr noch – einzigartig lässt sich am Ende des Grottendurchgangs der unterirdische Lauf der Orbe beobachten. Die Säulenkunstwerke samt großer Säle kann man auf gesicherten Wegen und Stiegen bemustern. Die leihweise erhaltenen schriftlichen Unterlagen informieren über die einzelnen Attraktionen, die per Lichtdetektor für jeden Besucher angestrahlt werden. Im finalen großen Säulensaal glaubt man eine Madonna zu sehen – dazu gibt es sakrale Klänge zu hören – unweigerlich denke ich in einer Höhle in der Schweiz dabei an den Harfenzauberer Andreas Vollenweider ( “Belladonna“ aus Caverna Magica (5:26 min.)). Als Schmankerl gibt es noch eine Fee, die ihren Schatz behütet – eine bemerkenswerte Sammlung unterschiedlichster Mineralien, edel und ein wenig geheimnisvoll präsentiert. Soweit wieder aus dem Berg – auch Vallorbe bietet ein paar einladende Winkel, wenngleich keine architektonischen Preziosen erwartet werden dürfen. Die gibt es wenig später in Romainmôtier zu bewundern. Die Vallorbe-Schlucht kann man einsehen, zu beiden Uferseiten führen die Verkehrsachsen weit oberhalb des Flusses. Die Strecke zur rechten Uferseite ist erstaunlich ruhig, hat Wiesen- und Weidecharakter, führt parallel zur Bahnlinie. Zweigt man in Croy nach Romainmôtier ab, ist man alsbald in einem pittoresken Ort mit romanischem Kloster, in dem die Zeit still zu stehen scheint. Das historische Kulisse lockt natürlich viele Touristen an, das Kleinod wird in seiner ganzen verträumten Schönheit liebevoll museal gepflegt. Passend finden sich neben vielen kleinen Gasthäusern und Cafés die Anbieter von Kunst und Kunsthandwerk. Das ehemalige Priorhaus ist sodann heute auch Künstlertreffpunkt wie auch alternatives Café – selbstgebackene Kuchen sehe ich. Zum örtlichen Handwerk gehört auch das Backen. Davon sollte man sich in der „Fleur de Farine“ überzeugen – leckere Kuchen und ausgefallene Brote, zum Beispiel mit Feigen oder gar ein Riesenbrot – nicht ganz ungefährlich, es scheint ein Krokodil zu sein. Im Klosterhof treffe ich ein Reiseradlerpaar aus Bern – so um die 30 Jahre alt und zum ersten Mal im Jura. Ich bin erstaunt, das Gute doch so nah, wie kommts? „Irgendwie nie aus Bern herausgekommen, wohl auch wegen der Berge“, meint er. Na, da hat er ja noch viel Schweiz zum Kennenlernen vor der Haustür. In Erinnerung hat ein Freundeskreis des französischen Komponisten Jehan Alain die Orgel aus Familienbesitz (vom Vater gebaut) nach Romainmôtier überführt und restauriert. Ausgewählten Tagen wird die Orgel in Konzerten der Öffentlichkeit vorgestellt. Alain, der nur 39 Jahre alt wurde, weil er als Soldat dem Wahn des 2. Weltkrieges zum Opfer fiel, erlangte als Orgelkomponist weltweites Renommee, zu seinen Einflüssen zählten Debussy, Messiaen, Fernöstliches und Jazz ebenso wie auch Philosophie. Zu Ehren Alains ein Klangbeispiel: „Litanies“ (4:12 min.), leider nicht von der Alain-Orgel. Will man nun den Col du Mollendruz mitnehmen, muss man eine steile Nebenstraße nach La Praz einschlagen. Es wird wieder bäuerlich, blühende Wiesen erfreuen das Auge und auch ein weites Panorama lässt den Genfer See nahe kommen. Weiters bekommt man um die Passhöhe herum die Steinmauern der jurassischen Hochweiden wieder zu sehen – ähnlich wie auch am späteren Col du Marchairuz. Als flaches Zwischenspiel kehre ich nochmal zum größten natürlichen Jurasee, dem Lac de Joux, zurück. Die Straße am Südostufer verläuft etwas oberhalb des See, direkt am See führt ein Fußweg entlang, der wohl auch als Radweg frei gegeben ist – zumindest sehe ich Radler dort fahren. Des Ausblicks wegen lohnt aber die Straße mehr als der Uferweg. Am Südende geht der See in Moorwiesen über, die mit Stegen überspannt sind. Die Besiedlung am Südufer ist dichter als am Nordufer – teils bäuerlich, aber auch erkennbar vom sanften Tourismus geprägt. Immer im Blick zurück hat man den markanten Dent de Vaulion, der das Vallée de Joux vom jenseitigen Orbe-Tal abschneidet. Die Kehren am durchaus anspruchsvollen Col du Marchiaruz locken auch Motorradfahrer, insgesamt ist der Pass recht stark befahren. Schön ist er aber, denn das Seepanorama bleibt lange im Blick, eindrücklich auch die Hochweiden, die teils sogar alpin wirkende Blumenwiesen bereit halten. Auf der Südostseite reicht der Blick weit über weiche Hügel bis zum Genfer See, heute aber im Dunst nicht gut auszumachen. Bei klarer Sicht würden einen hier die großen Alpenketten in der Ferne erwarten. Die Abfahrt endet für mich kurz nach Marchissy, es beginnt eine leicht wellige Fahrt auf Halbhöhenlage, oft mit gepflegten Dörfern, die schon etwas auf das Genferseegebiet schließen lassen. Viele scheinen Pendler, der bäuerliche Raum ist hier im Rückzug begriffen. Mit dem Anstieg über Arzier nach St-Cerque beginnt wieder ein anstrengender Teil. St-Cerque ist weniger Ferienort als ich erwartete. Der Ort ist recht groß und wächst weiter, aber doch findet sich nur eine einzige Lokalität offen. Ganz offensichtlich fleißige Pendler, die ihre Abende erschöpft hinter den eigenen Fenstern verbringen wollen. Immerhin gibt es oberhalb des Ortes einen passablen, gartenähnlichen Campingplatz, den ich nach dem Essen noch ansteuere. Die Portion Nudeln ist kaum zur Sättigung gedacht, ohne Morcheln gäbe es sie auch günstiger, aber Morcheln sind nun mal die Heimatpilze des Jura – und es ist ja schon wieder der letzte Reiseabend. Mo 28.5. St-Cerque – Col de la Givrine (1228m) – La Cure – Le Gravier – Le Vivier-des Rousses – Les Rousses – La Cure – Col de la Faucille (1320m) – Gex – Vesancy – Divonne – Nyon 16:27 || 22:08 Stuttgart76 km | 15,4 km/h | 4:55 h | 475 Hm W: 12/15/25 °C, meist sonnig, oben kühl, am Genfer See sommerlich, windig Oberhalb von St-Cerque beginnen die reizvollen Chalet-Häuschen, die sich an den Bergen versteckt verteilen, geben ein liebliches Bild ab. In der Schweiz kein Berg ohne Bahn, wir erinnern uns – so gibt es auch hier eine Trasse bis Les Rousses, der Anschluss des Genfer See auf die Skihöhen des Jura. Les Rousses ist denn auch im Stile französischer Skiorte gebaut, nicht gerade eine Augenweide, aber immerhin mit guten Versorgungsmöglichkeiten. Zuvor umfahre ich noch den Lac des Rousses, in etwa das echte Quellgebiet der Orbe. Das Westufer ist romantischer als das Ostufer zu fahren, durchaus ein lohnenswerter Umweg insgesamt. Von Les Rousses führt die Strecke eher als Höhenstraße zum Col de la Faucille, die Bergwiesen am La Dôle, dem zweithöchsten Juraberg des Schweizer Jura mit einer markanten kugeligen Radarstation, wirken sehr alpin. Landschaftlich ist dieses Stück aber eher nur durchschnittlich, großes Panorama fehlt gänzlich. Das änderst sich markant mit dem Durchbruch am Col de la Faucille. Hier erwarten einen stetige Blicke auf den Genfer See, sogar die Wasserfontäne von Genf lässt sich recht früh fern im Dunst ausmachen. Besonders reizvoll erhebt sich die Jurakette mit schön ausgeformten Bergkuppen. Als Auffahrt gedacht eine schwere, aber sehr reizvolle Strecke. Während Gex auf mich einen ernüchternden Eindruck macht, ist Vesancy mit einem kleinen Schlösschen auf der Nebenstrecke eine kleine Entdeckung. Damit sind schon die letzten wenigen Höhenmeter des Tages gemacht, wenn man mal von innerörtlichen Steigungen in Nyon absieht. Divonne-les-Bains als wachsender Thermalkurort zeigt sich ein wenig mondän, hat aber auch ein großes, bürgernahes Freizeitgebiet an einem See, der schon in der großen Seeebene des Lac Léman liegt. Auf der Ebenenfahrt durchquert man Rebenfelder, manchmal kann man aufgrund des geringen Neigewinkels der Hänge kaum drüber schauen auf die Alpengipfel. Nach der dunklen Wolkenphase um den Col de la Faucille und den vielen Wetterkapriolen auf der gesamten Tour gab es zum Abschluss noch einmal vorsommerliches Seewetter – man möchte meinen, jemand möchte versöhnlich stimmen. Nyon, ein alte keltische, vor allem aber römische Siedlung und entsprechend auch mit Römermuseum, zählt zu den absolut sehenswerten Orten am Genfer See. Das Schloss aus dem 13. Jahrhundert, später auf die vier Türme erweitert, liegt in der Oberstadt und prägt die Blickwinkel von allen Seiten. Hier hat man auch die beste Aussicht auf See und Alpenkette. Das meiste Leben spielt sich in den Altstadtwinkeln im Seeuferquartier ab – pulsierendes Leben bei Eis, Crêpes, Kaffee, Rösti und Fastfood. Die Stadt ist keineswegs nur in den Händen von Touristen, überall spürt man auch den Flair der Schweizer Jugend – Leben am See unbeschwert scheinbar, und doch auch mit Alltag verknüpft – kein Luxusfrevel. Ein Hauch von savoir vivre, ein Hauch von Süden. Ich könnte mir vorstellen zu bleiben. Was kommen muss, ist schneller als die Muße zulassen möchte: Der Rückzug ruft noch bevor ich letzte Franken in ein Abschiedsrösti investieren könnte. Die Franken brauche ich ja noch – im Dezember, in Basel. Wer hätte das gedacht: Das Radjahr endet im ersten B wo alles mit Code BBB begann. Das Leben ist ein Kreis – wie das Wasser, wie die Gedanken der Geister – es braucht nicht mal Absinth, um es zu verstehen. Bleibt zu sagen: Die Bahn zeigte sich auf der Rückreise fehlerlos. Was so unspektakulär ausläuft, war doch im Kern ein hartes Stück Arbeit, eine jouristische Herausforderung eben. Geschmeichelt von warmer Sommerluft glättet sich die Erinnerung schon im großen Spiegel des Sees als erlebtes Glück. Glück weil vogelfrei – vogelfrei weil auf dem Rad. Danke Team Code BBB! Danke Markus! Danke Schweiz! Danke Frankreich! Danke Rousseau! Danke Kevin! – Juraaaaa!!! Bildergalerie Teil 4 (175 Fotos): Euer Jourist veloträumer … in Erwartung Dr. j(o)ur. ?
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Geändert von veloträumer (12.02.19 18:55) |
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#910395 - 16.02.13 17:35
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Herzlichsten Dank für diesen – ich kann es nicht vermeiden zu sagen – mal wieder großartigen Reisebericht. Deine Erzählungen sind generell so authentisch und detailliert, dass ich beinahe jeden Kilometer nachempfinden kann und es mich unerträglich juckt und reizt, die von Dir beschriebenen Touren nachzufahren, wenn auch auf meine eigene ungeordnet chaotische Art und Weise.
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Allen gute Fahrt und schöne Reise. | |
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#1144300 - 17.07.15 16:04
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Hallo Matthias, ich war ja im Mai mit kleinen Schritten im Jura unterwegs und habe ein wenig von deinen Erfahrungen profitieren können. Deine Schwärmerei ist ansteckend. Wenn alles gut geht, dann starte ich im September dem Jura einem weiteren Besuch ab und freu mich riesig drauf. Danke, dass ich abschreiben durfte Jürgen
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° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° Reisen + | |
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#1144346 - 17.07.15 19:55
Re: Große Jura-Prüfung 2012
[Re: veloträumer]
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Unterwegs in Deutschland
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Hallo Matthias, danke für die eindrucksvolle, amüsante und zugleich informative Berichterstattung. Ich selbst werde ab dem 2. Sept. bei einer kurzen 9-tägigen Tour ein wenig den Jurarand beschnuppern. Ich freue mich schon.
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