............................Von Neuss nach Rom in kleinen Schritten ............................Teil VI: Pietrasanta . Lago di Bolsena (Latium) Pietrasanta . Camaiore . Lucca………. Die Studenten stehen schon um sieben mit ihren Staffeleien am Straßenrand.
………. Mit einem Besuch beim Dicken endet mein Aufenthalt in dieser schönen Stadt.
Im Tagebuch steht als erster Eintrag:
„SUPERTAG!“ Auf der SR439 könnte ich Lucca ohne jegliche Höhenmeter erreichen. Doch auf der Straße ist recht viel Verkehr und die Hügel links von mir sehen so schön aus, dass mir nichts anderes übrigbleit, als ab Capezano Pianore der Via Italia, der SP1 oder, wie man sie hier auch nennt, der
Via Aurelia zu folgen.
Schon der erste Buckel erscheint mir nicht unbedingt als unüberwindbare Schrankwand mit 14%. Diese paar Meter schrecken mich heute nicht.
Camaiore hat eine wunderbare Altstadt. Es gibt eiskalte Milch und traumhafte Lindenalleen, die mich von leicht bis aufs heftigste ansteigend nach Montemagno geleiten. Eine kurze Abfahrt folgt bis Bartoli.
:Fußgängermodus ein:
Es ist richtig steil, es ist schattig, es ist grün, es ist traumhaft schön
:Fußgängermodus aus:
Dieses 1,90m schmale Sträßchen schlängelt sich scheinbar um die Bäume herum und hat sogar einen Mittelstreifen. Die Ausfahrt nach San Macario In Piano lässt mich mein Bankguthaben überschlagen, ob es hier für kleines Rustico reichen würde. Wohl eher Nein.
Ein Tipp: Wer jemals an dieser unscheinbaren Hütte achtlos vorbei fährt, hat halt Pech gehabt.
Klick 1 oder
KLick 2 Hinter der Brücke über den Serchio geht links ein geschotterter Weg am Fluss entlang. Dieser Weg führt direkt zu einer Badestelle. Das Wasser ist glasklar und sehr erfrischend. Wie ich später noch feststelle, gibt es vor der nächsten Fußgängerbrücke noch Badeplätze an Stromschnellen. Diese sind jedoch stark besucht. An der Brücke führt die Straße direkt ins Zentrum von Lucca.
Die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwierig. Hotels sind exorbitant teuer, Privatzimmer gibt es nur außerhalb. Also nehme ich das
Ostello San Frediano, das allerdings kräftig ins Geld geht. Für 50,- pro Nacht bekomme ich aber auch ein Studio über 2 Etagen und ein tolles Frühstück. Ich hätte es schlechter treffen können.
Eine private Nachricht macht mich sehr traurig, sodass ich nichts auf die Reihe bekomme und ziellos durch die Stadt laufe. Diesen Ruhetag in Lucca hab ich mir anders vorgestellt.
Im Gedächtnis blieben mir die kleine Piazza an der Chiesa di Santa Giulia. Hier erklingt klassische Musik, die mich etwas aufmuntert. Zwei Stunden sitze ich auf einer Bank, schreibe und lese, während Studenten im Konservatorium vorspielen. In der Kirche wird ein Konzert geprobt. In diesem Augenblick ist das der
friedlichste Platz, den ich je kennenlernen durfte.
Lucca aus meiner Sicht:
………. das war das schlechteste Essen on Tour! Irgendeine Trüffelpampe. Furchtbare Touristenfalle.
………. Die Piazza Anfiteatro nach dem Fiasko
………. immer noch..............
………. hier geht’s raus!
………. hier geht’s hoch!
Lucca . Altopascio . San MiniatoBereits nach wenigen Kilometern gibt mein Tacho keinen Piep mehr von sich. Die Batterie ist leer. Als Ersatz kommt die teuerste Knopfzelle meines Lebens zum Einsatz. Sie kostete nur 5,- Euro. Das erste Angebot in Lucca lag bei 8,- Euro. Wohlgemerkt, es war eine stinknormale CR-2032, die in der Bucht 30 Cent kostet. Soviel zu den Preisen in Lucca.
Schon in Altopascio wird es merklich wärmer, nachdem gestern noch eine kleine Schauer für etwas Abkühlung gesorgt hat. Die Staubstrecken des Originalweges spare ich mir und bleibe auf der SP15 bis Fucecchio. An der Brücke über den Usciana-Kanal zeigt das Thermometer 45°. Eine längere Mittagspause verbringe ich mit zwei Australiern, die in der Herberge auf der Brücke übernachten möchten. Mein Ziel für heute liegt aber hinter San Miniato.
Doch dafür muss ich erstmal hoch, anschließend wieder runter und nochmals nach oben. 49°!
………. Zypressen in Reih und Glied. Chiesa di San Jacobo in Altopascio
………. Herberge in der Ponte a Cappiano
………. neue Architektur am Rande von Fucecchio
………. der erste Blick auf San Miniato vor der Brücke über den Arno
………. erste Pause zwischen San Miniato Basso und San Miniato im kühlenden Schatten
:Fußgängermodus ein:
Es ist richtig steil, es ist brüllend heiß, es gibt keinen Schatten, es ist mal wieder traumhaft schön
:Fußgängermodus aus:
Schon bei der Tour Planung hatte ich vor der Toskana den meisten Respekt. Es sind nicht die langen Anstiege, die wehtun, es sind diese fiesen steilen Hügel mit wenigen Höhenmetern in Verbindung mit Anstiegen im zweistelligen Prozentbereich. Würde ich es wieder so machen? Ja, denn die Bergdörfer bieten den unvergleichbaren Charme des Mittelalters in Verbindung mit dem Blick auf unverzichtbare Errungenschaften der Neuzeit.
………. Hinter mittelalterlicher Fassade
………. überraschen beleuchtete Regenschirme............
………. und von unten nicht sehbare Aufzüge............
Östlich der Stadt überrascht mich eine einbetonierte Tiefgarage für die Stinker mit Wasserhähnen für durstige Radler. Noch einmal muss ich kurz in den Fußgängermodus, bevor mein Tagesziel rechts am Wegesrand auftaucht. Pellegrino hat es mir im Fragefaden empfohlen.
Die
Azienda Agrituristica Marrucola ist ein Volltreffer!
„Kommen Sie bitte herein. Das ist meine Familie. Setzen Sie sich bitte zu uns an den Tisch. Seien Sie unser Gast. Möchten Sie Spaghetti, etwas Salat, Wein und Wasser? Probieren Sie bitte den Kaffee zum Kuchen! Von Wo kommen Sie? Von Düsseldorf? Mit diesem Rad? Bis nach Rom? Fühlen Sie sich bitte wie zu Hause. Da hinten ist der Pool!“ Eigener Wein, eigenes Öl, selbst gebackenes Brot und sonstige Leckereien werden hier herzlichst dem schwitzenden Radler kredenzt. Auch die Zimmer sind fantastisch.
Der Blick über die saftig grünen Hügel verspricht saftig heftige Anstiege für den morgigen Tag. Doch heute ist heute, und während ich so am Pool den anderen Gästen zuschaue, freue ich mich aufs Menu.
………. Freiheit für die Füße!
………. Süßer das Pilgerleben nicht sein kann
………. mit einer kleinen Portion Antipasti am Abend
………. und dem besten Spargel-Risotto forever, das ich leider nicht geknipst habe.
Das erweiterte Frühstück mit Käse, Schinken&Co bereitet mir Claudio höchstpersönlich. So früh stehen seine Angestellten normalerweise nicht auf. Dass ich für das Mittagessen und das abendliche Menu mit allem PiPaPo 25,- Euro zahlen darf, beschämt mich nicht wirklich, denn Pilger sind doch arme Wandergesellen.
San Miniato . Castelfiorentino . Certaldo . San GimignanoHinter Calenzano I und Calenzano II werde ich unsicher, ob die weiße Straße heute das richtige für mich ist. Dicke graue Wolken sammeln sich am Horizont und kommen näher. Der eigentliche Weg der Francigena führt über Gambassi Terme und Pancole ins Manhattan des Mittelalters. Wer sich den Track von mir anschaut, wird erkennen, wo ich gezweifelt habe.
Dass die Entscheidung, über Castelfiorentino zu fahren, richtig war, zeigen die Bilder aus Certaldo. Was für ein Glück, dass ich dort den schlimmsten Teil des Unwetters unter dem schützendem Dach eines Supermarktes verbringen konnte.
………. Blick von Calenzano II auf San Miniato
………. Blitz und Donner bei Certaldo
………. Blick nach vorne bei unbeständiger Wetterlage
Die Abkühlung auf 17° tut richtig gut. Nur manchmal bleibe ich auf dem Weg nach San Gimignano unter schützenden Bäumen stehen. Ich hasse es, im Regen bergauf zu radeln!
Den Fußgängermodus brauche ich nicht einzuschalten. Auf den letzten Metern vor dem Stadttor packt mich bei 10% der Ehrgeiz.
Es gibt keinen Aufzug, auch wenn dieser in einem Reisebericht zur Francigena erwähnt wurde. Die Autorin hatte San Miniato und San Gimignano verwechselt. Kann passieren!
Schwester Magdalena erweckt in mir den Eindruck, als fühle sie sich in ihrem Nachmittagsschlaf gestört. Doch mein Rad steht prima im Schuppen des Klosters, und das Zimmer gehört mir alleine.
"pre Aperitivo:" Zeit für den Stadtbummel mit der Kamera:
„Gibt es das beste Eis der Welt jetzt bei Ihnen oder da Nebenan?“
„Sie sind aus dem Rheinland. Köln oder Düsseldorf? Wissen Sie, der von nebenan hat es auf die Tür geschrieben. Ich habe die Zertifikate. Punkt.“ Sergio hat wirklich das beste Eis der Welt. Als ich ihm sage, dass ich Paolo Conte liebe und demnächst jedes Mal, wenn ich
Gelato al Limon höre, an ihn denken werde, nimmt er mich in den Arm und wir singen gemeinsam.
………. Vor dem Dom sitzt ein Engländer und zeichnet eine Hochzeit mit einem 6B. Er hat die Kamera gegen mehr Zeit eingetauscht.
………. Die Italiener betrachten das Spektakel am Sonntag ohne eine Canon, die zu hunderten an touristischen Hälsen hängen.
………. Die Kommunisten grüßen Syriza jenseits des Adriatischen Meeres
………. Einfach nur ein schöner Platz
………. Einfach nur eine ordentlich leckere Portion Spaghetti
außerhalb der Stadtmauer ………. Einfach nur ein wunderbarer Ausblick
San Gimignano . Colle Di Val D'Elsa . Monteriggioni . Siena Während Schwester Rabiata noch schläft oder singt, trinkt ein Kalifornier mit mir warmgehaltenen Kaffee. Er läuft mit dünnstem Schuhwerk, in das die Zehen eingearbeitet sind. Er sieht fit aus und läuft jeden Tag ca. 50 km.
Buen Camino! Während es mal wieder schüttet, bringt mir die Bedienung in dem Café mit dem Schriftzug über der Tür ein völlig überteuertes Frühstück. Nun gut. In Italien regnet es maximal eine halbe Stunde lang. Stimmt auffällig!
14 Etappen bis Rom nach dem Pilgerführer => 7 Tage auf dem Rad => Ankunft in Rom: 21. Juni. Passt immer noch.
Die Strecke verläuft ohne nennenswerte Begebenheiten. Ein paar Bilder:
………. Rückblick auf San Gimignano
………. ein Castello von weitem
………. Castel Petraia von ganz nah
………. Monteriggioni von der Seite
………. 2 Cappu, Milch, Brot, Quiche mit Gemüse, gefüllte Zucchini mit Ei, Mozzarella und Toast mit Thunfisch: 10,- Euro
Warum Pellegrino hinter der
Bar Ceppo rechts ab gebogen ist, werde ich wohl nie verstehen. In Erinnerung bleibt der Fußgängermodus mit 16% vor Siena.
Am Rande der Innenstadt, es regnet in Strömen, findet booking.com für mich ein Quartier mitten in Siena. Angerufen, das Quartier ist als POI im Garmin aufgeführt, Preis abgeklärt und Navi mit der Routenplanung beauftragt. So mache ich das gerne. Warum soll ich über booking.com buchen? Die wollen doch nur meine Daten.
Im Tagebuch steht:
Wahnsinns Entrée, Albergo Bernini; die schönste Terrasse Sienas. Von Siena bin ich dieses Mal, es ist mein dritter Besuch hier, enttäuscht. Vielleicht liegt es am Wetter, vielleicht an der allgegenwärtigen Abzocke, vielleicht auch am Protz des Doms, der mir noch nie so intensiv unanständig aufgefallen ist.
Vielleicht mag es auch daran liegen, dass mich ein Abendessen in der empfohlenen Trattoria bei genauer Betrachtung der Speisekarte, mindestens 60,- Euro gekostet hätte. Das gefällt mir nicht.
Nochwas: Den schlechtesten Spritz mit der unfreundlichsten Bedienung gibt es an der Piazza del Campo im Regen.
Bestens hat mir die Basilica Cateriniana Di San Domenico gefallen. Ganz aus Ziegelstein gemauert, merkt der Besucher sofort, dass Schlichtheit und maßvolle Größe der Gebäude den Architekten der Bettelordenskirchen wichtiger waren als Gold und polierter Marmor.
Dass es
gegenüber die Möglichkeit gibt,
erlesene Weine glasweise zu bestellen, war genau die richtige Vorbereitung auf den morgigen Tag.
………. Ein Gecko leistet mir in der Nacht Gesellschafft
………. Mit einem versöhnlichen Blick von der Terrasse verabschiede ich mich von Siena, das gerade aus dem Nebel erwacht.
Siena . Buonconvento . Montalcino . Abbazia di Sant’AntimoAls Einstimmung auf mein Tagesziel, der
Abtei Sant’Antimo, mag sich der interessierte Leser gerne das verlinkte Video anschauen.
Doch es kommt sowieso ganz anders!
Die Abfahrt ins Tal nach Monteroni d Arbia durch dichten Nebel macht so richtig Spaß. Toskana im Juni bei 18°. Seit Monteriggioni bin ich auf der SP2, die direkt nach Rom führt. Doch es ist nicht meine Intention, stur auf der
Via Cassia zu bleiben. Hinter Buonconvento werde ich einen Abstecher nach Montalcino machen. Der Brunello di Montalcino ist einer meiner Lieblingsweine.
Das Stadttor von Buonconvento erreiche ich um 10:19 Uhr nach 29km bei herrlichem Sonnenschein. Dieses Dorf nimmt mich schlagartig mit seinem Charme so gefangen, dass mir ein Angebot von 40,- für ein Einzelzimmer mit Halbpension gerade recht kommt. Widerstand erscheint mir zwecklos, zumal Montalcino auch nur im Fußgängermodus zur Mittagszeit zu erreichen wäre.
Buonconvento behalte ich in bleibender Erinnerung, als ein Dorf mit vielen liebenswerten Details:
………. Die L’Eroica ist hier allgegenwärtig,
………. und das Eis immer eine Sünde wert.
………. Gasse von oben
………. Gasse von unten
Im Restaurant des Albergo Roma erklingen am Nebentisch Worte, die mir bekannt vorkommen. Ein Ehepaar aus dem schönen Emmental bei Lützelflüh teilt meine Begeisterung für die kühlenden Badeplätze an der Emme. Die Welt ist klein. Mit Yvonne und Jörg verbinden mich noch mehr Gemeinsamkeiten, und so verbringen wir einen entspannten Abend bei Antipasti, Kalbfleisch mit Trüffel und Tiramisu. Halbpension, sagte ich schon.
Der Frühstucksgutschein ist in der Bar nebenan einzulösen. Yvonne und Jörg sitzen dort mit einer anderen Schweizerin beim Cappu.
Annemarie wird über Rom hinaus nach Civitanova del Sannio laufen, dort auf ein Fahrrad umsteigen und über den Gotthard zurück in die Schweiz radeln. Doch das weiß sie jetzt noch nicht.
Kurz hinter Buonconvento biegt von der Via Cassia die Strada Provinciale Del Brunello (Sp45) ab. Alleine der Name dieser Straße lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Angesichts exorbitanter Preise, die in Deutschland für einen wirklich guten Brunello gezahlt werden, steigt die Hoffnung auf einen bezahlbaren 2007er ähnlich an, wie die SP45 nach Montalcino.
Doch vor dem Fußgängermodus fallen mir noch zwei Pilger auf. Marcella und Robert wohnen bei Straßburg und sind in Lausanne gestartet. Sie sind der Meinung, dass ich nicht soviel rauchen solle und gehen weiter links ab Richtung San Quirico D'Orcia.
Buen Camino! ………. Ob der 2015er so gut wird wie der 1995er?
………. Montalcino vor dem Fußgängermodus
………. Montalcino nach dem Fußgängermodus
In der schwülen Luft haben mich die 13% mehr als bis an meine Grenze gebracht. Selten war mein Hemd so klatschnass wie heute. Doch meckern mag ich nur über den Preis eines Glases vom 2007er.
12,- Euro sind fast doppelt so viel, wie ich in Siena bezahlt habe.
………. Der 2008er geht so gerade noch, doch der Geschmack ist nun überhaupt und gar nicht vergleichbar.
………. Die Flaschenwahl fällt ins Wasser. Andere Mütter haben auch schöne Töchter.
Rückblick: Montalcino und die Abtei Sant’Antimo waren Stationen einer Reise im Jahr 1995. Auf der Wiese vor dem Kloster lagen wir in Eintracht nebeneinander, blinzelten in die Sonne, quatschen Guzzi- und Harley-Latein, während aus den glaslosen Fenstern der Kirche gregorianische Gesänge tönten, die uns Rocker sanft schwingen ließen. Leider kamen die Klänge damals vom Band.
Später wurde ich Fan von Jan Garbarek, hörte Officium und anderes von ihm öfter, als es meinen Nachbarn gefiel. Mehrfach konnte ich seine Konzerte besuchen, wobei mir ein Auftritt mit dem Hilliard Ensemble im Ulmer Münster unvergessen bleibt. Ein Beispiel zum hinhören
Was bleibt nachhaltig von solchen Erfahrungen?
Da wäre zum einen die letzte Stereoanlage meines Lebens zu nennen, die ich mir nach einem Konzert in der Kölner Philharmonie kaufen musste. Weiterhin besteht seit dieser Zeit der Wunsch, die Abtei noch einmal zu besuchen.Meine Recherche ergab, dass täglich mehrfach die Messe gehalten wird und Pilger im Gästehaus des Klosters übernachten können.
Die Fahrt ins Tal ist fantastisch, doch geht sie viel zu schnell vorbei, da ich vor einem großen Hund abhauen muss. Die Erinnerungen an Portugal holen mich wieder ein. Es bleibt jedoch die einzige Begegnung mit meiner Angst auf der gesamten Reise.
………. Ein erster Blick Richtung Castelnuovo dell’Abate
………. Ein zweiter Blick Richtung Castelnuovo dell’Abate
………. Ein erster Blick auf die Abtei Sant’Antimo
Um Punkt 14:00 Uhr kommt der erste heftige Regen, den ich in einer kleinen Trattoria abwarten kann. Es folgt ein Spaziergang um die Abtei, während ich telefonisch versuche, ein Zimmer für die Nacht zu reservieren. Gestaltet sich das Procedere der Reservierung zunächst relativ schwierig, ist die Messe einfach nur schön.
Vier von den dort noch sechs lebenden Mönchen tönen in beschämender Einfachheit. Anders kann ich es nicht ausdrücken.
Ein paar Bilder:
Nachdem mir nicht klar war, ob die Reservierung nun geklappt hat und mir erzählt wird, dass hier nur Fußpilger nächtigen dürfen, kommt die Lösung der Verwirrung in Gestalt einer sehr resoluten Schwester, der ich doch bitte mit dem Rad hinterher hetzen möge, denn sie rast schon mal mit meinem Krempel im Lancia voraus.
Die Herberge entpuppt sich als eine mehr als große Betonfestung, die in den Berg gebaut ist. Hier finden oft größere Veranstaltungen statt.
Jedenfalls habe ich großes Glück. Das einzige Hotel im Dorf ist geschlossen; die Wege aus dem Tal heraus sind mühsam und steil. Immer wieder öffnen sich die Schleusen des Himmels als Grundlage für dieses grüne Paradies. Nichts kann schöner sein, als hier zu verweilen. Es hat sich sehr gelohnt, hierhin zu fahren.
Ein Spaziergang durch Castelnuovo dell’Abate fordert genügend Leistung, um das Abendessen in der
Locanda S. Antonio zu überstehen. Bistecca di Vitello, Spinat, Käse und ein einfacher Hauswein erster Güte zum Pilgerpreis für 20,- Euro entschädigen mich mehr als genug für den entgangenen Brunello.
Abbazia di Sant’Antimo . Campiglia D'Orcia . Ponte a Rigo . Um mich herum geht’s nur hoch, dahinter wieder runter, über den nächsten und den übernächsten Buckel rauf und runter. Genauer gesagt, geht’s heute 950 Meter hoch und 950 Meter wieder runter. Die Maximalsteigung beträgt 15%. Um 09:10 Uhr gibt es das erste Frühstück nach 12km in der Osteria Santa Caterina, in deren Küche gerade das Mittagessen vorbereitet wird.
………. mittlerweile habe ich den ersten Buckel hinter mir und schaue vom Fluss Orcia zurück zum Castello Di Velona, an dem ich eben noch ahnungslos vorbei gekommen bin.
………. auf nächster halber Höhe ein letzter Blick zum Castello
………. Frühstück. Endlich! Die
Osteria Santa Caterina scheint mehr als nur ein Geheimtipp zu sein.
An der nächsten Kreuzung steht ein Kleinbus mit Obst, Riegeln und eisgekühltem Wasser. Die Fahrerin wartet auf die letzten Radler, die auf einer Tagestour die Toskana erkunden. Maria Katherina erzählt mir, dass sie Amerikaner betreut und diese immer an bestimmten Punkten versorgt. Das wäre ja alles nicht der Rede wert, würden sie nicht im Castello Di Velona nächtigen. Was dieses bedeutet, wurde mir erst später klar.
Tante Google lüftet das Geheimnis
einfacher Bescheidenheit amerikanischer Radtouristen.
Campiglia D'Orcia beschert mir den Höhepunkt des Tages und eine steile Abfahrt nach Bagni Filippo. Zu einem Besuch des warmen Wassers mag ich mich nicht durchringen. Mir fehlt das Vertrauen, mein Rad unbewacht und für längere Zeit an der Straße im Touristengewühl stehen zu lassen.
So geht’s weiter bergab, und mit einem verzweifelten Blick hoch auf die Festung von Radicofani hat mich die Via Cassia wieder.
"Fahren Sie von Campiglia D'Orcia über Abbadia San Salvatore und Piancastagnaio zur Via Cassia nach Ponte a Rigo! Es ist viel schöner und die Cassia ist sowieso gesperrt." Ein Tipp: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Die Strecke über die SP18 wäre sicherlich viel reizvoller gewesen als über die gesperrte Via Cassia zu radeln.
Doofe Entscheidung! Vielleicht fährt ja jemand dort entlang. Deshalb habe ich die bessere Variante bei der großen Suchmaschine verlinkt
Campiglia . Ponte a Rigo Nun gut. Über die Betonbarken kann ich das Rad heben. Es geht darum, dass eine Brücke für den Autoverkehr gesperrt werden musste. Für Radler ist das aber kein Problem. Drei Holländer fahren vor. Sie hatten auch keine Lust, die Umleitung über Radicofani zu nehmen.
Hinter Ponte a Rigo wiederholt sich in meinem zweiten Agriturismo die Geschichte vom Agriturismo Marrucola bei San Miniato. Im Agriturismo
Sant'Apollinare gibt es nur unwesentliche Unterschiede:
………. Opa Giuseppe hat den Kampf mit seinem Auto verloren.
………. Es gibt eine Terrasse fürs Terra
………. und eine schnöde Tomatensuppe geht auch auf allerhöchstem Niveau
Ponte a Rigo . San Giovanni . Proceno . Acquapendente "Sind Sie bescheuert? Sie wollen über Proceno nach Acquapendente? Fahren Sie zurück zur Cassia und rollen gemütlich dahin!"So oder ähnlich bereitete mich die Chefin des Agriturismo auf das vor, was kommen wird. Es klang jedenfalls noch immer so in meinen Ohren, als ich nach dem tollen Frühstück mein Rad bepacke. Frau Wirtin hatte recht, denn die Tücke liegt im Detail der elektronischen Karten, der unzureichenden Höhenlinien und dem Wettergott, der es heute mal wieder so richtig brennen lassen wollte.
Dabei überzeugt die kleine SP20 mit feinem Asphalt, leichten Anstiegen und sanften Abfahrten bis kurz vor
Case Orienti. Die Buckel, die dann auf der Strada Provinciale Proceno (SP 52) kurz hintereinander folgen sind einfach nur
. Was tun mir die Beine weh! Jeder Meter auf den 14% Anstiegen wird zum Feind. Erst in Proceno kann ich aufatmen, nachdem ich völlig fertig bei 40° durch die Tür einer Bar stolpere. Dabei ist es doch erst kurz vor 11:00 Uhr.
Die Grenze von der Toskana zum Latium habe ich abgefahren. Nach Rom kann es jetzt nicht mehr weit sein.
………. Die SP20 am frühen Morgen
………. Die Strada Provinciale Proceno ist quasi die Grenzkammstraße zwischen der Toskana und dem Latium
………. Talblick von Proceno
Die Tür zu dieser Kirche ist leider geschlossen, sonst hätte ich eine Kerze angezündet. In Gedanken bin ich in Neuss. Ein Freund wird beerdigt.
Für die restlichen Kilometer brauche ich ewig. Der Weg über die Cassia nach Acquapendente zieht sich hin wie Gummi.
Ich habe immer noch keine Idee, wie ich schlechte Nachrichten besser verarbeiten kann. Im Alltag merke ich die körperlichen Folgen nicht direkt. Doch auf Radtour sind mir die Wechselwirkungen zwischen Geist und Körper sehr präsent. Lassen wir es gut sein für heute!
Am Abend, in der Basilica del Santo Sepolcro gibt es eine feine Kunstaustellung, treffe ich zwei Iren und zwei Amerikaner auf dem Weg nach Rom. Mein Weg führt mich heute noch zum Friseur. Mit kurzen Haaren und gestutztem Bart freue ich mich über die einfach designten Blumenträger. Auf einfachste Art tragen recycelte Paletten frisches Grün in graue Gassen.
………. Hier erreichen Fußpilger auf steilen Wegen die Stadt
………. Bilder einer Ausstellung
………. Detail eines Bildes
………. Es muss nicht immer Alessi, Kartell oder Cassina sein
………. Ob jemals jemand hinter dieser Tür den Namen "Poltrona Frau" auch nur gehört hat?
Das Abendessen im
Albergo "La Ripa" ist einfach köstlich.
Acquapendente . Bolsena Nebelschwaden hüllen Acquapendentes Türme ein. Die Via Cassia steigt mit maximal 6%, die mir in der Kühle des Tages fast nicht auffallen. Was ist das doch für ein eklatanter Gegensatz zum gestrigen Tag!
In San Lorenzo Nuovo, ich trinke gerade Cappuccino und kalte Milch, bekomme ich ein verlockendes Angebot:
„Nehmen Sie bitte meinen Audi TT. Er ist flammneu, aufgetankt und bei den Signorinas kommt er besser an als so ein doofes Fahrrad! Sie bekommen ihn von mir geschenkt."Ich weiß das Angebot zu schätzen, kenne mich schließlich mit dem Ding aus, doch annehmen mag ich es dann doch nicht. Dumme Entscheidung.
Kann mir jemand erklären, warum diese Deppen mit Goldkettchen ihre Karren mit laufendem Motor und offener Türe vor der Bar stehen lassen, während sie drinnen den Macker machen und schnell einen Kaffee kippen?
………. Acquapendente im Nebel
………. Lorenzo Nuovo mit sonnigem Blick auf den Lago di Bolsena
Langsam, ganz langsam und noch viel langsamer als jemals, schreite ich durch das schönste Tor dieser Reise, atme Düfte tausender Gewürze, sehe Blumen in hunderten Farben. Die Erinnerungen an Pietrasanta, Berceto, Buonconvento und anderer Highlights mischen sich mit dem nicht aufschiebbaren und unbedingten Wunsch, hier, in dieser quicklebendigen Stadt am See, heute einen entspannten Tag zu verbringen.
Wir haben den 20. Juni. Morgen hätte ich in Rom sein können. Irgendwo habe ich auf einem Schild gesehen, dass es noch 115 km sind.
Um 09:55 Uhr schalte ich nach 20km mein Navi ab und beziehe ein Camera Singola in der
Pensione Italia ………. Mit einem Bild vom Strand, das mich ermahnt, doch wieder Yoga zu machen und rechtzeitig die müden Muskeln zu dehnen, verabschiede ich mich von all den erfüllten und unvergesslichen Tagen in der Toskana.
"Kennt ihr die Angst und Verzweiflung der Eltern von Waldorfschülern, die zwar ihren Namen tanzen können, aber null Ahnung von Rechtschreibung und Mathe haben?" Fortsetzung folgt.............. in einem neuen Beitrag