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#1328420 - 23.03.18 12:53 Marokko Oktober & November 2017 Teil 3
Juergen_L
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 13
Dauer:17 Tage
Zeitraum:1.11.2017 bis 17.11.2017
Entfernung:0 Kilometer
Bereiste Länder:maMarokko
Externe URL:http://www.youtube.com/watch?v=HuIn9HKBz6o

Hallo zusammen,
der dritte und letzte Teil des Videos ist fertig und hochgeladen.
Findet ihr unter: www.youtube.com/watch?v=HuIn9HKBz6o

Und hier der Newsletter den ich damals nach Ende der Etappe an meine Kumpels schickte:
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Bericht Radtour Marokko -Ouarzazarte, Marrakesch, Jbel Toubkal, Essaouira, Marrakesch-
Gesendet: 15. November 2017

Hallo,
vielen Dank für die vielen aufmunternden eMails. Die Reisemüdigkeit ist verflogen. Seit dem letzten Bericht war die Tour wirklich vielfältig. Mit dem Rad durch die Berge, Marrakesch (fast so verrückt wie eine indische Großstadt), zu Fuß in die Berge und abhängen an der Atlantikküste. Okay, das wurde nach dem 2ten Tag etwas langweilig.
--------------
Ja, ich freu mich schon richtig auf das kleine Sträßchen über den hohen Atlas und damit mein Knie nicht zu heftig gestresst wird: Früh los, viele Pausen und kurze Tagesetappen.


Langsam geht es die Atlas Berge hoch

Zuerst geht es wieder ein Stückchen Richtung Osten, also dahin wo ich herkam. Dann endlich kann ich auf die kleine Straße abbiegen. Es tut gut mal wieder fast keine Autos zu haben. Nach 42 Kilometern ist das erste Dorf erreicht. Im einzigen Laden, kaufe ich mir ein Stück verpackten Kuchen und bestelle einen Tee, als ich sehe, dass da ein Gaskocher steht. Ja, da hätte ich auch gleich besser noch ein paar Vorräte gebunkert. Im Reise-Know-How, waren einige Dörfer erwähnt, was nicht erwähnt war, man kommt da nicht durch, sondern nur vorbei, d.h. die kleben irgendwo oben am Hang. Habe noch 'ne Orange, ein Brot, Erdnüsse und noch etwas "Fertigfutter" aus Deutschland aber mit dem Wasser sieht es mau aus. Nach knappen 70 Kilometern, parkt ein Geländewagen mit Fahrrädern auf dem Dach. Ich frage den marokkanischen Fahrer ob er weiß wo eine Quelle ist. Er schenkt mir 'ne Flasche Wasser. Es stellt sich raus, dass die beiden die das Fahrzeug gemietet haben Deutsche sind, die schenken mir dann noch Obst. Kurz danach kommt ein Dorf, das über etwa einen Kilometer Piste zu erreichen ist. Dort bekomme meinen 4l-Wassersack gefüllt. Jetzt fehlt bloß noch ein Zeltplätzchen. Die Landschaft ist großartig, Felsen in allen Rot und Gelbtönen aber nichts Ebenes zu finden. Es geht immer höher und schon habe ich den nächsten Pass erreicht. Danach ist von der Teerstraße nicht mehr viel übrig, es geht abwärts. Immer noch nichts. Mit jedem Kilometer wird es grüner. Das Grün und die roten Felsen sieht im Abendlicht fantastisch aus. Ich komme in ein Flusstal. Hier ist jedes ebene Stückchen landwirtschaftlich genutzt, also wieder nichts mit Plätzchen fürs Zelt. Am ersten Haus das direkt an der Straße steht frage ich nach einer Gite d'Etappe. Der Typ meint kein Problem, gleich hier bei ihm. Er kann den Schlüssel für das Vorhängeschloss mit dem er so 'ne Art Gartentür abgeschlossen hat nicht finden und bricht es einfach auf. Ich versuche ihn noch zu stoppen aber vergebens. Es geht eine steile Treppe runter und er zeigt mir einen Raum mit ein paar Matratzen auf dem Fußboden. 100 Dirham will er nur fürs Übernachten. Ich lache ihn aus und sage ihm, dass ich in Ouarzazarte 60 für ein anständiges Hotelzimmer gezahlt habe dann lasse ich ihn stehen.
Ein paar 100m weiter das gleiche Spiel. Der Typ will wieder 100 ohne Abendessen und Frühstück. Zum Handeln ist es einfach etwas spät, die Sonne ist schon untergegangen und bald wird es dunkel. Der Unterschied, hier kriege ich für die 100 'ne ganze Ferienwohnung mit allem Drum und Dran und seine Frau bringt mir dann noch 'ne Kanne Tee und Walnüsse. Morgens bringt er mir noch Kaffee, Tee, Brot und Butter.
Ich bin ganz fasziniert vom Morgenlicht. Als ich langsam und winkend an einer Horde Schulkinder vorbeifahre, reißt es mich schlagartig aus meinen Träumen. Ein Mädchen hat versucht mein Kappe zu klauen, die noch am Lenker hing, um ein Haar hätte es mich hingehauen. Am Abend stelle ich fest, das meine nichtstrassenseitige Satteltasche offen ist, morgens war die ganz sicher zu und ich war den ganzen Tag nicht dran. Zu fehlen scheint nichts. Nach 20 Kilometern ist ein Dorf erreicht, wo es Brot und Tee gibt. Danach geht es immer weiter hoch und die Gegend wird total einsam. Es ist deutlich Mittag durch und ich habe erst 35 Kilometer geschafft. Am Straßenrand steht ein Offroad-WoMo mit österreichischer Nummer. Zuerst sieht es so aus als ob niemand zuhause ist, als ich gerade weiterfahren will, öffnet sich ein Fenster. Ich unterhalte mich ein Weilchen mit Gisela und Peter und bekomme ein Redbull geschenkt.


Kurz vor dem letzten hohen Pass

Ich weiß nicht ob das Redbull meinem Rad Flügel verliehen hat, oder ob es daran liegt, dass es nur noch bergab geht, auf jeden Fall geht`s jetzt wieder voran. Im nächsten Ort unten in einem schön grünen Tal, gibt es Tee und Kekse, mehr gibt`s da aber definitiv nicht. Ah doch Wasser.
Ein paar Kilometer später komme ich durch einen Wald, den ersten seit Wochen und finde da dann auch gleich noch ein schönes Plätzchen zum Campieren. Ein perfekter Tag, trotz oder vielleicht gerade wegen der Strapazen.
Es war gut dass ich da übernachtet habe. Es kam noch ein kleiner Pass und ich wäre genau bei Dunkelheit in Ifri angekommen. So komme ich am nächsten Vormittag ausgeruht an. Ich frage an der "Gite d'Etappe" (wohlgemerkt übersetzt sich in etwa mit Herberge). Der Typ will 220 Dirham (22€) nur fürs übernachten im Dreibettzimmer und lässt auch nicht mit sich handeln. Er meint dann, ich weiß nicht ob ernst oder ob er mich verhöhnen will: "Frag doch mal im Luxushotel nach!" Mach ich glatt, dort wäre das Zimmer MIT Frühstück nur zwei Euro teurer gewesen aber gerade alle Zimmer noch belegt, da heute ein Kongress endet. Ich hätte bis Nachmittag warten müssen bis was frei und gereinigt ist. Man bietet mir alternativ für 50 Dirham Camping im Garten an. Perfekt!
Aber jetzt werdet ihr euch sicherlich fragen, was gibt es in Imi-n-Ifri so Interessantes, dass ich da unbedingt 'nen Tag bleiben will. Da ist zum einen die "Naturbrücke". Der Fluss hat sich durch eine Felsbarriere gegraben. So etwa wie der Bogen in der Ardèche Schlucht (Pont dÀrc). Bloß hier geht die Straße obendrüber und das Ganze kommt mir größer und vor allen Dingen länger vor. Man könnte auch sagen eine Höhle mit zwei Ein-/Ausgängen. Von innen zum nördlichen Ausgang geschaut, bildet dieser, besser gesagt der Himmel, ziemlich genau die Form Afrikas. Ich bin insgesamt ziemlich beeindruckt.


Afrika

Deutlich weniger beeindruckt bin ich von den Dinosaurierfußabdrücken die ich mir nachmittags anschaue. Mauer drum, Stacheldraht obendrauf, Tor abgeschlossen. Na, dann mal warten. Wird schon jemand mit dem Schlüssel auftauchen, denn das Zauberwort heißt Bakschisch. Keine zwei Minuten gewartet und der Herr mit dem Schlüssel steht da. Als ich frage was es kostet, macht er 'ne Handbewegung, die ich als "später" interpretiere. Wenn einen jemand mit der Nase drauf stumpt kann man da schon ein paar Dinospuren sehen, aber so richtig beeindruckt bin ich nicht und vor allen Dingen waren die, den Spuren nach nur "eingleisig" unterwegs. Er scheint es auch nicht gerade als das Faszinierendste einzuschätzen, denn als ich ihm 5 Dirham gebe, bedankt er sich überschwänglich.
Es war die kälteste Nacht bisher, obwohl ich mich gerade mal auf 1000m befinde. Es ist alles klatschnass. Hm, vielleicht weil der Garten bewässert ist, dass sich da lokal viel Tau bildet? Während Zelt und Schlafsack in der Sonne trocknen, sitze ich in der Hotellobby und checke im Internet, ob ich meinen Flug 'ne Woche vorverlegen kann. Da ich mir am Jbel Tobkal keine Chance ausrechne, wenn es hier schon so saukalt ist. Ich hätte echt umgebucht, wenn ich das mit dem Fahrrad im Internet hätte klären können. Als ich wieder in den Garten komme und die Sonne wärmt mich, ist da kein Gedanke mehr ans Umbuchen. Stattdessen beschließe ich die Atlantikküste noch als und/oder Alternative zum Bergsteigen einzuplanen.
Als ich nach Demnate runterradle, kommen mir zwei Radler entgegen. Etienne und Markus. Es ist schön mal wieder andere Radler zu treffen und wir plaudern etwas und tauschen Tipps aus.


Endlich mal wieder andere Radler

In Demnate kaufe ich ein. Hier scheint selten ein Tourist auf der Durchreise anzuhalten. Die Preise sind super fair und als ich im Café meinen Tee bezahlen will, sagt der Wirt "gratuit", das erste Mal, dass ich von einem Cafébesitzer eingeladen werde, seit ich in Marokko unterwegs bin und später an der Tankstelle, wo ich Sprit für meinen Kocher tanke will der Tankwart zuerst 'ne Phantasiesumme und dann kein Geld annehmen.


Nicht mehr weit

Etienn hatte Recht, auf der Strecke kommt nichts mehr zum Zelten und im einzigen größeren Ort gibt es kein Hotel. Man schickt mich nach Äït 0urir, 20 Kilometer nach Süden, also rechtwinklich abweichend zu meiner Richtung. Wenn ich nicht ohne jeglichen Sichtschutz am Straßenrand übernachten will, bleibt mir nur die 20 Kilometer noch zu fahren. Genau 10 Kilometer zu viel für mein Knie. Es war fast gut aber kurz vor dem Ziel plötzlich wieder das Gefühl es lässt sich nicht mehr anwinkeln. In Äït Ourir finde ich dann ein Hotel und das billigste Zimmer ist das Beste. Die Zimmer direkt über dem Café zur Hauptstraße raus mit dem flauschigen Teppich, der so dreckig ist das die Birkis dran kleben bleiben sind die teuersten. Meines hat Fließen Boden und das Fenster geht zum Innenhof.
Samstagabend herrscht hier ein buntes Treiben. Jede Menge Leute flanieren durch die Straßen oder sitzen im Café beim Public Viewing.
Ich finde endlich die leckeren gegrillten Fleischspieße, die ich aus dem Orient kenne, so ähnlich wie unser Schaschlik und zum Nachtisch noch ein paar "Riesendougnuts". Jetzt liege ich auf dem Bett, tippe an dem Bericht und mir spannt der Bauch.
Nachts klopft es, NEIN hämmert es an meiner Tür. Ich fahre aus dem Schlaf hoch und finde gleich die richtige Sprache. "Que se qu'il y a?" (schreibt man das so?). Stille, dann kommt vom Gang ein "OLÉ, olé olé olé" Hat da jemand an der falschen Tür geklopft oder wollte mich da unbedingt jemand wissen lassen, dass sein Mannschaft gewonnen hat?
Kurz vor Mittag komme ich in Marrakesch an und radle direkt zum Hotel "Les Ami", das mir Markus und Etienne empfohlen haben. Leider nur noch nach vorne raus was frei. Direkt zum "Djamâa-el-Fna, dem Platz der Geköpften. Dieser Platz ist die Hauptattraktion von Marrakesch. Nein, geköpft wird hier niemand mehr. Es ist der Trubel, das pure Leben welches die Atmosphäre des Platzes ausmacht. Am späten Vormittag fängt es mit den Saftverkäufern und Trötenspielern an (da waren die Vuvuzelas, oder wie hießen die Teile bei der WM in Südafrika ein leises Säuseln dagegen), die Schlangenbeschwörer haben mit denen ein Joint Venture, nachmittags verschwinden die Tröten und es wird Trommelastig, gegen Abend kommen noch etwa 100 mobile Restaurants, Gaukler, Zauberer und Geschichtenerzähler dazu und natürlich die ganzen Einheimischen und Touristen, die dieses Spektakel anlockt. Es ist schwer zu beschreiben. Irgendwie muss ich an die großen Melas in Indien denken. Quasi wie Oktoberfest und Carneval in Rio und das täglich. Ich hoffe es gelingt mir dann in meinem Filmchen die Stimmung wenigstens ansatzweise rüberzubringen. Am nächsten Tag schaue ich mir halbherzig ein paar weitere Attraktionen an.


Djamâa-el-Fna, Schlangen „bei der Arbeit“


Djamâa-el-Fna

Rosinante, hat in den Katakomben unter dem Hotel einen neuen Stall gefunden und ich ziehe vorübergehend ohne meinen treuen Drahtesel weiter.
Am Sammeltaxistand finde ich ziemlich schnell ein Sammeltaxi nach Imlil. Der Fahrer erklärt mir, dass es pro Nase 50 kostet und dass es losgeht sobald er 5 Passagiere hat. Als dann Tiefien & David aus Frankreich als Passagier 2 und 3 dazukommen, schwindet das Interesse des Fahrers weitere Passagiere zu finden, man könnte auch sagen es schlägt ins Gegenteil um. Nach etwa 20 Minuten schlägt er uns vor, dass wir das ganze Taxi für 300 mieten können, dann würde es auch gleich losgehen. Glaubt er, dass wir ohne Taschenrechner nicht rechnen können. Jetzt wird es ein Geduldspoker, wer gibt zuerst nach. Plötzlich sagt der Fahrer 80 pro Nase. Damit hätte er 10 weniger wie wenn er die anderen potentiellen Passagiere nicht abgewimmelt hätte. Ich denke mir, was der kann, kann ich schon lange. Er hat jetzt auch schon 'ne knappe Stunde in den Sand gesetzt. Ich sage 70 pro Nase. Er wehrt entsetzt ab, worauf ich meinen Rucksack auslade, plötzlich ist 70 okay. Durch seine Gier haben wir jetzt alle verloren. Er bekommt weniger und wir zahlen mehr. Pokertechnisch geht die Runde an uns. Ich bitte David, der super Englisch spricht auf Englisch dass er dem Fahrer auf Französisch verklickert, dass wenn er noch einen Fahrgast für die regulären 50 findet, wir 60 zahlen, so haben alle was davon. David erklärt er ihm auf Französisch. Ich kann es gut verstehen, der Fahrer offensichtlich nicht. Er deutet auf mich und sagt: "Er soll es mir erklären, er spricht Französisch." Dann deutet er auf David und meint: "Du, du sprichst ja kein Französisch." Wir prusten los vor Lachen. Der Fahrer findet es dann auch lustig, nachdem wir ihm erklärt haben, dass David Franzose ist und ich Deutscher bin. Und auch sonst ist er ein guter Verlierer, er weiß, dass er "gepokert" und verloren hat, so ist die Stimmung auf der Fahrt nach Imlil ganz gut.
Ich wandere noch bis Aroumd (auf ca. 2000hm) das Tal hoch. Dort finde ich eine sehr schöne Herberge, klar hat ihren Preis, aber im Vergleich zu Halbpension auf einer Alpenvereinshütte in den Alpen nur etwa ein Viertel. Nachmittags spaziere ich zur besseren Akklimatisation noch auf einen Hügel hinter dem Haus. Als ich oben mein Tablett anmache und das Navi zeigt mir 2700hm, bestätigt sich mein Eindruck, das hier sind "Westalpendimensionen". Also nicht unterschätzen, auch wenn der Jbel Toubkal, der Berg meiner Begierde nur 4167m hoch ist. Dazu kommt, dass da oben schon Winter ist. Es liegt ein klein wenig Neuschnee, bis ca. 3700hm runter.


War ein bisschen „auf Krawall gebürstet“ das Tierchen

Ich verbringe die erste wirklich ruhige Nacht seit dem Zeltplatz im Pinienwäldchen. Freitag oder Samstag wären nach Internetwetterbericht (ja sogar hier gibt es WLAN) die besten Gipfeltage. Das Abendessen und das Frühstück waren super, so beschließe ich noch eine Nacht in der Herberge zu bleiben und wandere heute einfach nur Richtung Hütten hoch. Noch ein bisschen akklimatisieren und morgen den Weg gleich auf Anhieb finden. Das mit dem Weg finden ist absolut kein Problem, wie ich feststelle man muss nur der Spur aus Eselsmist folgen. Auf dem Rückweg treffe ich einen Franzosen der auf dem Weg zu den Hütten ist, um Morgen auf den Toubkal zu steigen.


„Krieg ich Deine Mandarinenschalen?“

Am nächsten Tag breche ich um 9:30 auf. Unterwegs treffe ich den Franzosen wieder, er ist ziemlich enttäuscht, da er zu früh nach links abgebogen ist, kam er auf einem falschen Gipfel raus und hatte nicht mehr die Energie noch auf den richtigen Gipfel zu gehen. Um 14 Uhr komme ich bei den Hütten an. Die Obere gehört dem französischen Alpenverein Sektion Casablanca. Ist das wie bei uns Sektion Sudeten oder hat der CAF in Casablanca wirklich 'ne Sektion? Ich bekomme Rabatt mit meinem DAV-Ausweis und es fühlt sich auch sonst ziemlich wie 'ne Hütte im Mont Blanc Gebiet an.
Als ich ankomme wird vor der Hütte in breitestem bayrisch über alkoholfreies Bier auf der Wiesn diskutiert. Ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen "und ich dachte sowas sei in Bayern per Gesetz verboten." Eine Gruppe vom Summitclub, die heute auf dem Gipfel waren. Später komme ich mit einem Badener aus der Gruppe ins Gespräch und er meint: "Oh klasse alles selbstständig organisiert und geplant!" Als ich ihm von meiner Reise erzähle. "So würden meine Frau und ich das auch gerne machen, aber bei so einem Ziel wie Marokko trauen wir uns das nicht so ganz." Am nächsten Tag als ich vom Gipfel komme, bricht die Summitclub Gruppe gerade talwärts auf, er kommt zu mir rüber um sich von mir zu verabschieden. Ich erwähne: "Ich denke darüber nach einen Kurs anzubieten wie man ein anspruchsvolles Trekking, eine einfache Expedition selbst organisiert." Er schaut, als hätte ich ihm gerade ein unsittliches Angebot gemacht. "Nein, nein das ist nichts für uns und jetzt muss ich mich beeilen, wir gehen ein Stückchen talwärts und dann gibt es unterwegs Nachmittagstee, da freue ich mich schon drauf."
Auf der Hütte gibt es drei Kategorien von Leuten, die Gruppen, die Einzelpersonen oder Pärchen mit Bergführer und die, die einfach so unterwegs sind. Vor 100 Jahren hätte man in den Alpen gesagt, die Führerlosen. Letztere sind in der Minderheit, zwei Briten, zwei Deutsche und vier Polen. Glaube nicht, dass ich mich groß verzählt habe, den die Gruppen werden, zumindest beim Abendessen streng getrennt. Es gibt zwei Speiseräume und da zwei weniger als drei ist auch noch unterschiedliche Essenszeiten.
Ich habe dem einen polnischen Pärchen, da sie sich etwas unsicher fühlen (es ist ihr erster höherer Berg) angeboten, dass wir zusammen gehen können, wenn es vom Tempo her passt. Es passt nicht, ich gehe maximal langsam, also so dass ich nicht zu stark friere und für sie ist es immer noch zu schnell. Nach 10 Minuten trennen wir uns mit besten gegenseitigen Wünschen. Ich mache mir auch keine Sorgen um die Beiden, denn der Weg ist sehr gut. Die Einzigen, die ich auf dem weiteren Weg zum Gipfel treffe ist das "britisch, britisch, deutsche Team". Bis wir oben sind ist es fast schon ein "britisch, britisch, deutsch, deutsches Team" geworden.
Am Gipfel schaue ich auf die Uhr, knapp über zwei Stunden gebraucht. Im Führer steht 3-4h, bin wohl doch nicht so langsam unterwegs gewesen wie ich dachte. Es ist zwar etwas windig aber ansonsten absolut perfekt, kein Wölkchen am Himmel und die gefühlten -13°C vom Wetterbericht stimmen zum Glück auch nicht.


Mit 4162m der Höchste Nordafrikas

Runter gebe ich mir dann noch bewusster Mühe langsam zu machen. Das polnische Pärchen treffe ich bei meinem Abstieg wieder, sie sind auf dem besten Weg zum Gipfel und ich freue mich für sie. Komme dann kurz nach den Drei Anderen an der Hütte an. Sie wollen heute noch nach Marrakesch. Ich hätte mich ihnen anschließen können, es wäre bestimmt lustig geworden aber irgendwie ist mir das dann doch alles zu schnell oder habe ich Angst wegen meinem Knie oder werde ich gar unterbewusst etwas menschenscheu.
Ich wandere ganz langsam ins Tal zurück und als mich etwa 300hm oberhalb von Imlil jemand anschwätzt wegen Zimmer, nehme ich es. Wollte eigentlich noch nach Imlil runter aber 1000hm hoch und 2200hm runter reicht dann auch für einen Tag. Besser mal nichts übertreiben, wo das Knie heute recht gut mitgespielt hat.
Wettermäßig hatte ich, wie auf der ganzen Tour echt Glück. Normalerweise beginnt hier Mitte November die Skitourensaison. Die Leute im Dorf sind schon ganz unglücklich, weil noch kein Schnee liegt.
Für die Zeit in Marokko habe ich mir Alkoholabstinenz verordnet (ist in Marokko auch etwas einfacher als z.B. in Tschechien oder in Bayern). Zweimal wurde ich bisher von Nachbarn auf dem Camping in Versuchung geführt und habe wiederstanden. Einmal Rotwein und einmal bayrisches Bier, welches die weite Reise von Deutschland in einem Tankrucksack machte. Heute Morgen wache ich auf und habe von Bier geträumt, aber das muss noch 'ne gute Woche warten.
Jetzt geht es erst mal nach Essaouira an den Atlantik, in die Wärme.
Von Imlil nach Asni, dem nächstgrößeren Städtchen, nehme ich einen "Transporte Mixte", also ein Sammeltaxi für Fracht und Passagiere. In meinem Fall ein altes 207er Daimlerbusle. Ich hatte immer gedacht, dass 207 für 2 Tonnen, 70 PS steht. Hier scheint es für durchschnittlich 27 Passagiere plus Fracht zu stehen.
Als ich in Essaouira aus dem Bus steige, kann ich den Atlantik schon riechen. Es fühlt sich hier auch alles ein bisschen wie Portugal an. Klar, ist zwar lange her, aber die Stadt war mal portugiesisch.


Frühmorgens in Essauira

Ich habe mir fest vorgenommen hier in einem Hostel zu übernachten um mal wieder Kontakt zu anderen Reisenden zu haben. Es gibt mehr oder weniger zwei davon, wo sich die Travellerscene trifft. Im "Atlantic" kostet ein Bett im Schlafsaal zwischen 65 und 95, aber ich will keinen Schlafsaal, das wäre mir dann doch zu viel Party und außerdem war ich vor Diebstählen in den Doorms gewarnt worden. Einzelzimmer kostet 250 ist aber keines frei. Im nächsten Hostel sieht es ähnlich aus. Ich ende dann in einem gutbürgerlichen Hotel, dort zahle ich 100 für ein wirklich schönes sauberes Doppelzimmer. Es erinnert mich total an ein Hotel in dem ich in Lissabon mal übernachtete. Auch die Medina hier erinnert mich sehr an die Alfama dort, die gleichen blauweißen Kacheln, die gleichen engen Gässchen, fast der gleiche Geruch, bloß die alte Straßenbahn fehlt.


Altstadt Essauira

Da ich ohne es zu wollen beim Hotel so richtig Geld gespart habe, beschließe ich dieses beim Abendessen dann doch noch auszugeben und gehe in ein Touristenrestaurant. Was soll ich sagen, das mit dem Geld ausgeben hat geklappt, die Preise sind fast wie in Deutschland. Die Dorade ist nicht richtig durchgegrillt, man hat versucht sie zu filetieren, was nur den Erfolg hatte, dass die Gräten jetzt in kleine Stückchen geschnitten sind, die man nicht mehr so richtig rausfischen kann und die einem ständig im Hals stecken bleiben. Nachtrag: Am Tag darauf war ich mittags in einem Nicht-Touristenrestaurant. Lecker Sardinen, wie ich es von der ersten Woche gewohnt war mit Brot und einem großen Salat für 15 Dirham, also 1,5€.
Heute morgen treffe ich Pierre, den Franzosen, der am Toubkal so Pech hatte, beim Fischereihafen. Den größten Teil des Vormittags sitzen wir dann in einem Café und unterhalten uns hauptsächlich über Kunst. Er erzählt mir, dass er früher in Paris als Fotograf gearbeitet hat, aber davon eher schlecht als recht leben konnte, dann ein Idee hatte die ihm genug Geld eingebracht hat um nicht mehr arbeiten zu müssen (was für eine Idee das war erzählt er leider nicht) und jetzt aus seinem Beruf ein Hobby gemacht hat.


Die Möwen sein am Fischereihafen gut versorgt

Es sind viele Touristen in der Stadt, aber trotzdem, die Stadt wirkt irgendwie inspirierend.
Kein Wunder, dass sich Jimmy Hendrix hier mal mit seinen "Jüngern" einige Zeit niedergelassen hat. Bob Marley, Jim Morrison, die Stones, angeblich waren sie alle hier.


Blick auf Essauira

Was mache ich hier so den ganzen Tag. Ich bummle durchs Städtchen, tippe Tagebuch, habe Stoff gekauft (also schwarz gefärbte Baumwolle) und mir zwei Halstücher schneidern lassen und jetzt wird es auch schon Zeit mich mit Pierre zum Abendessen zu treffen. Wieder ein Touristenrestaurant. Die Atmosphäre ist sehr schön, aber das mit dem Essen passt wieder nicht. Ich habe eine Hähnchentajine und muss sie zweimal zurückgehen lassen, da das Hähnchen mehr oder weniger roh ist. Nach dem ersten Mal, steche ich als sie wieder gebracht wird ins Hähnchen und Blut spritz raus.
Die Bedienung meint, dass könne sich nur um Ketschup handeln und wir müssen echt massiv überreden, dass die Tajine noch mal auf's Feuer kommt. Den zweiten Tee gibt es aufs Haus, wegen dem Hähnchen. Als dann die Rechnung kommt, ist die Tajine teurer, als auf der Speisekarte und der erste Tee kostet das Doppelte als auf der Speisekarte. Das mit der Tajine korrigieren sie, beim Tee erklären sie uns, der erste Tee, waren zwei Tee, ihr hattet ja zwei Gläser (normal bedeutet hier ein Tee immer ein Kännchen Tee, außer man sagt dazu, dass man ein Glas Tee möchte). Ich glaube ich fang bald eine Touristenrestaurant Traumatherapie an.


Alte Befestigungen

Den Montag verbummle ich mehr oder weniger. Habe ein Buch über die Erlebnisse eines amerikanischen Soldaten im 2ten Weltkrieg gefunden und gekauft, dass ich abends schon zur Hälfte gelesen habe.
Traumatherapie Teil 1:
Um 19 Uhr treffe ich mich mit Pierre zum Abendessen. Ich schlage vor entweder GANZ nobel oder ganz einfach Essen zu gehen. Pierre ist sofort für ganz nobel. Habe schon recherchiert und schlage SAMs Restaurant vor, welches von Herrn Niedecken (BAP) wohl mal als bestes Fischrestaurant der Welt bezeichnet wurde. Wir haben zwar was Musik betrifft nicht unbedingt den absolut identischen Geschmack, aber so schlecht wird es dann schon nicht sein. Der Ober platziert uns im "äußeren Kreis". Klar, haben wir doch glatt die Krawatte vergessen. Leise Jazzmusik, kommt dezent aus den Lautsprechern, alles sehr schön gemacht, der Kellner aufmerksam aber nicht aufdringlich. Ja, man vergisst total, dass man in Marokko ist. Die Portionen sind mickrick auf riesigen Tellern serviert, so wie in dieser Preisklasse üblich. Mein Muschel Tajine schmeckt hervorragend und das mit der winzigen Portion ist nicht weiter schlimm, da ich am Nachmittag eh viel zu viel Kuchen und Pfannekuchen gegessen habe. Auch Pierre ist zufrieden und er scheint sich auszukennen. Er erzählt mir, dass er mal in London für 400€, bei einem der bekanntesten Köche der Welt mittaggegessen hat, einfach weil ihm das wichtig war.
Erst beim Bezahlen merkt man, dass man in Marokko ist. Die Rechnung, die auf einem silbernen Tablet gebracht wird, ist in sehr sauberer Schrift handgeschrieben und absolut korrekt. Ich lege meinen Anteil plus Trinkgeld rein, Pierre legt etwas über den Gesamtbetrag rein und nimmt meinen Teil an sich. Der Ober holt das Tablett und bringt es mit zusammengefalteter Rechnung und Wechselgeld zurück. Als Pierre die Münzen an sich nimmt, meine ich: "Du da fehlen doch 50." Als wir die Rechnung auseinanderfalten um noch mal auf den Betrag zu schauen fällt ein 50 Dirhamschein raus. Beim Rausgehen sehe ich noch wie der Ober an unseren Tisch geht und die Rechnung auseinanderfaltet. Sie probieren es halt wo es nur geht einen übers Ohr zu hauen.
Traumatherapie Teil 2:
Am nächsten Mittag gehe ich in ein Restaurant außerhalb der Medina, wo keine Touristen sind und esse wieder für umgerechnet 1,5€ 10 gegrillte Sardinen mit Brot und Tomatensalat auch sehr lecker. Damit das Ganze einen gewissen Gormettouch bekommt, versuche ich sie einmal mit der knusprich gebraten Haut wie immer und einmal ohne, so wie es mir die Marokkaner jetzt schon öfters beibringen wollten. Schmeckt definitiv deutlich unterschiedlich, kann mich aber nicht entscheiden was besser ist.
In ein paar Tagen werde ich wieder in Deutschland sein. Da wahrscheinlich nicht mehr so viel Spannendes passiert und ich hier gutes Internet habe, schicke ich den Bericht jetzt los.


Frisör: Vorher


Frisör: Nacher

Deshalb gehe ich so ungern zum Frisör
Es war eine schöne Zeit in Marokko, aber ich freue mich jetzt auch auf Deutschland. Endlich wieder Kekse kaufen, ohne den Preis beim gleichen Händler jeden Tag neu verhandeln zu müssen, Türen die sich abschließen lassen ohne 5 Minuten mit dem Schlüssel im Schloss zu spielen, Treppen zu haben wo alle Stufen gleich breit und gleich hoch sind. Das war neben den Autofahrern die Hauptgefahr der Reise. Zweimal hat`s mich "die Staffel raahkhagelt", weil ich im funzeligen Licht übersehen hatte dass die nächste Stufe halt knapp doppelt so hoch ist wie die vorhergehenden.

Viele Grüße

Jürgen

Geändert von Juergen_L (23.03.18 12:54)
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#1328430 - 23.03.18 14:07 Re: Marokko Oktober & November 2017 Teil 3 [Re: Juergen_L]
Keine Ahnung
Moderator
abwesend abwesend
Beiträge: 13.193
Nochmals danke für das Teilen Deiner Reiseerlebnisse. Man möchte am liebsten gleich losfahren und selber Deine Route nachfahren zwinker .

P.S. Vor dem Friseurbesuch sahen Deine Haare interessanter aus (erinnerte mich etwas an Mr. Elektrik Trick grins ).
Gruß, Arnulf

"Ein Leben ohne Radfahren ist möglich, aber sinnlos" (frei nach Loriot)
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#1328723 - 25.03.18 16:43 Re: Marokko Oktober & November 2017 Teil 3 [Re: Keine Ahnung]
rontravel
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 31
Sehr interessante Reise, vielen Dank für den schönen Bericht. schmunzel

Ich habe mir gerade noch die Videos dazu angesehen. Ich muss sagen, allein würde ich mich wahrscheinlich nicht trauen diese Tour zu machen.
Auch wenn ich schonmal mit dem Gedanken spielte in Marokko Rad zu fahren, wegen der Klimatischen verhältnisse.

Meinen Respekt also schmunzel

Grüße, rontravel

Geändert von rontravel (25.03.18 16:45)
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#1328821 - 26.03.18 11:57 Re: Marokko Oktober & November 2017 Teil 3 [Re: rontravel]
Juergen_L
Mitglied
Themenersteller
abwesend abwesend
Beiträge: 13
Hallo Rontravel,
> Ich muss sagen, allein würde ich mich wahrscheinlich nicht trauen diese Tour zu machen.
Möchte Dich trotzdem dazu ermutigen.
Ich denke, wenn man das Rifgebirge wegläßt, ist es dort genauso sicher wie hier.
Habe mich abgesehen vom Rifgebirge und da im besonderen an der Grenze zu Ceuta und Mehilla nie unwohl gefühlt.

Der Verkehr im Süden ist nicht sehr stark und die Autofahrer meist recht rücksichtsvoll.
Selbst in Marrakesch habe ich mich im Straßenverkehr nie wirklich gefährdet gefühlt, da dort eigendlich jeder mit jeder unvorhergesehenen Reaktion jedes anderen Verkehrsteilnehmers rechnet und niemand auuf sein Recht besteht.

Viele Grüße

Jürgen
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#1329246 - 28.03.18 20:37 Re: Marokko Oktober & November 2017 Teil 3 [Re: Juergen_L]
rontravel
Mitglied
abwesend abwesend
Beiträge: 31
Danke Jürgen schmunzel
ich werde es dann wohl doch weiter in Erwägung ziehen. Schön das Du Deine Reise hier geteilt hast schmunzel
Für mich sehr spannend, interessant und aufschlussreich. Auf jeden Fall aber auch hilfreich bei der Suche nach einem nächsten Abenteuer zwinker

Danke und beste Grüße
rontravel

Geändert von rontravel (28.03.18 20:37)
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