Liebe Radfahrfreunde,
noch während meines aktiven Arbeitslebens schwebte mir immer schon mal vor mal etwas anderes zu machen. Radtouren mache ich schon seit den Achtzigern. Dazu wurde aber immer nur das Zeitfenster Ferien oder Urlaub genutzt. Ende 2022 konnte ich glücklicherweise meinen Vorruhestand antreten. Da bestand nun die Möglichkeit dass Zeitfenster frei zu gestalten. Es sollte eine größere Radtour werden als meine bisherigen Touren und es sollte sich nicht nur auf Deutschland begrenzen. Die Grundlage für die Tourauswahl waren die bestehenden Eurovelo-Routen und die für mich noch unbekannten Regionen. Am Ende entschied ich mich für die Route entlang der Küsten der Nordsee (Niederlande, Belgien) und der des Atlantiks (Frankreich). Im Wesentlichen waren dies die Eurovelos 12, 4 und 1.
Als Startpunkt wählte ich die Ortschaft Leer an der deutsch-niederländischen Grenze, wo ich sogar eine direkte Zugverbindung von Halle (Saale) hatte. Zunächst ging es auf der Eurovelo 12 entlang der Nordseeküste, welche hier vom Schutzdamm und dem flachen Hinterland mit seinen riesigen Agrarflächen geprägt ist. So kennt man es auch von der deutschen Nordseeküste. Aber auch naturnahe Räume wie am Dollart oder am Lauwersmeer bringen Abwechslung in das Landschaftsbild rein. Über den großen Abschlussdeich am IJsselmeer ging es aufgrund einer Baustelle mit dem Busshuttle. Ab der Ortschaft Den Helder wird der künstliche Schutzdamm durch eine natürliche Dünenlandschaft ersetzt. Nun wird die direkte Küste auch verstärkt touristisch genutzt. Für Geschichtsinteressierte ist noch zu erwähnen, dass man insbesondere entlang der Küste der Nordsee und der Normandie überall auf Überreste des im Zuge des zweiten Weltkrieges errichteten Atlantikwalls trifft.
Start im ostfriesischen Leer
Seehundbeobachtung am Dollart
junge Wanderfalken
Konik-Wildpferde im Nationalpark Lauwersmeer
Schutzdeich
Alternative zu Dachziegel
flaches Land hinter der Düne
Über Alkmaar ging es dann zu einem Abstecher nach Amsterdam. Ich hatte für Amsterdam einen kompletten Tag eingeplant. Über Nacht zog aber ein starkes Sturmtief über die Region rein, welches bis zum Mittag des nächsten Tages anhielt. Es gelang mir aber an einem halben Tag alles für mich Sehenswerte anzusteuern. Mit einem Fahrrad kann man in großen Städten in relativ kurzer Zeit viele Sehenswürdigkeiten besichtigen. Wenn man durch die Niederlande fährt muss man unbedingt noch die vielen historischen Windmühlen erwähnen, welche einem ständig begegnen. Ich hatte bei Amsterdam eine als Museum ausgebaute Windmühle besichtigt. Hier wird noch mal der ständig andauernde Kampf gegen den Meereswasserspiegel aufgrund des vorhandenen niedrigen Geländeniveaus anschaulich dargestellt.
Alkmaar: die Käsestadt der Niederlande
Niederlande – das Land der Radfahrer
Mühlenviertel Zaanse Schans
Sturmschäden in Amsterdam
Grachten in Amsterdam
In Den Haag erreichte ich dann wieder den Küstenradweg, welcher dann ab Hoek van Holland durch die Insellandschaft gekennzeichnet ist. So geht es mittels Fährverbindung, über Dämme und beeindruckende Sperrbauwerke bis zur belgischen Grenze weiter. Hier traf ich auch Hubert, einem Reiseradler mit Mitte siebzig, welchen ich später in Südfrankreich noch besuchte. Die belgische Küste radelte ich an einem Tag ab. Es gibt hier zwar badefreundliche Sandstrände, aber die gesamte belgische Küste ist nahezu vollständig touristisch verbaut. Von den historischen Seebädern ist nicht mehr viel übrig geblieben. Da bot ein Abstecher nach Brügge diesbezüglich einen entsprechenden Ausgleich.
eine kleine Stärkung unterwegs
Fährüberfahrt bei Hoek van Holland
Provinzialpalast in Brügge
verbaute belgische Küste
Überreste des Atlantikwalls
Bonne journée Frankreich
Ab Calais begann dann die La Vélomaritime (Eurovelo 4). Unmittelbar hinter der Ortschaft Sangatte ging es steil bergauf zum Cap Blanc-Nez. Es war der erste nennenswerte Anstieg nach eintausend geradelten Kilometern. Entschädigt wurde man mit einem herrlichen Ausblick am Cap Blanc-Nez. Man konnte auch gut die Kreidefelsen von der gegenüberliegenden englischen Steilküste erblicken. Von nun ging das Landschaftsbild in einen hügeligen Verlauf mit Steilküstenabschnitten über. Der Ort Boulogne-sur-Mer wirbt mit dem größten Aquarium Europas. Ich besuchte das Aquarium, doch ich hatte mir mehr davon versprochen. Aus meiner Sicht gab es zu wenig Sichtbecken, dafür aber viele Informationstafeln. Es ging weiter bis zur Somme-Bucht wo man noch schöne Naturräume vorfindet. Ich konnte mich davon überzeugen indem ich ein beeindruckendes Dünenmassiv mit unberührten Stränden und das Vogelschutzgebiet Parc du Marquenterre besuchte. Da ich mir noch Paris anschauen wollte, musste ich die Küste verlassen. Es bot sich an ab der Somme-Bucht die Somme flussaufwärts zu fahren. Entlang der Somme waren die Flusslandschaft mit den ausladenden Seen (oft mit Seerosen bedeckt), die Stadt Amiens und das Museum zur Geschichte des Ersten Weltkriegs in Péronne interessant. Nach Péronne war die Somme größtenteils in einem Betonkanal gefasst. In der Nähe der Ortschaft Tergnier verließ ich die Somme und fuhr auf der Eurovelo 3 nach Paris. Auf dieser Strecke kann ich neben Noyon vor allem die historische Stadt Senlis empfehlen. Die nicht allzu große Stadt strahlt auch heute noch ihren mittelalterlichen Charme aus.
englische Steilküste von Frankreich aus gesehen
Ausblick vom Cap Blanc-Nez
einsame Strände an der Somme-Bucht
Löffler im Vogelschutzgebiet Parc du Marquenterre
entlang der Somme
auf dem Zeltplatz
Markt im historischen Senlis
Auf der letzten Tagesetappe nach Paris waren die von mir anvisierten Zeltplätze ausgebucht. In Neuilly sur Marne gab es noch freie Plätze, doch das bedeutete, dass die Tagesetappe auf 130 km anwuchs. Am Ende stellte sich die Wahl des Zeltplatzes als Glücksfall heraus, da der Platz direkt an der Marne lag. So konnte ich die zwei darauffolgenden Tage ganz entspannt auf einem Radweg entlang der Marne und der Seine direkt bis ins Zentrum von Paris radeln. Die einfache Entfernung betrug hier auskömmliche 20 Kilometer. Paris hat ein gut ausgebautes Radwegesystem, doch aufgrund der hohen Verkehrsdichte muss man achtsam sein. Auch in der heutigen Zeit versprüht Paris noch so einen gewissen historischen Charme, man muss einfach versuchen dies zu verinnerlichen.
Ankunft in der Stadt an der Seine
Errichtung der Zuschauertribünen für die Zielankunft der Tour de France
Wiederaufbau Kathedrale Notre-Dame
Moulin Rouge – immer noch eine Adresse
zugeparkte Radwege
Blick auf den Eiffelturm
Schattenseiten der Großstadt
Nach Paris ging es wieder entlang der Seine zurück zur Küste. Man trifft auf alte Schlösser, das historische Rouen, normannische Fachwerkhäuser und landwirtschaftlich geprägte Orte. Zu empfehlen ist auch der Besuch von Haus und Garten des Malers Claude Monet in Giverny. Kurz vor der Küste wird es noch mal bergig. Die Hafenstadt Honfleur war touristisch stark frequentiert.
Schloss in Maisons-Laffitte
Haus und Garten des Malers Claude Monet in Giverny
an der Seine
Uhr Gros Horloge in Rouen
normannisches Reetdachhaus
Ich fuhr wieder auf der La Vélomaritime (Eurovelo 4) die Küste entlang. Nachdem ich die Bäderarchitektur in Houlgate genießen konnte stieß ich die folgenden zwei Tage auf die geschichtsträchtigen D-Day-Landungsstrände. Hier konnte ich mit dem Besuch im Overlord Museum am Omaha Beach in die Geschichte eintauchen und auch etwas dazulernen. Teilweise waren hier die Erklärungen auch in deutscher Sprache. Aber auch viele andere Denkmäler entlang der Landungsstrände zeigen die dortig stark ausgeprägte Erinnerungskultur. In Frankreich werden der erste und zweite Weltkrieg doch etwas anders gedacht als bei uns, insbesondere aus der Sicht, dass Frankreich während der Kriege zweimal besetzt wurde. Mein Opa musste damals als Soldat zunächst auch nach Frankreich. Was für eine tolle Geschichte, dass sein Enkel über achtzig Jahre später Frankreich nicht mit dem Panzer sondern mit dem Fahrrad besucht.
Bäderarchitektur in Houlgate
D-Day-Landungsstrände
Paris: Bilder von meinem Opa und meiner Reise
Nach der kleinen Ortschaft Grandcamp-Maisy führte die La Vélomaritime von der Küste weg. Die optionale Schleife nach Cherbourg hatte ich ausgespart. Bei Carentan bekam ich bei einer mehrstündigen Wanderung einen Eindruck vom dortigen Naturpark auf der Halbinsel Contentin, welcher durch ausgeprägte Sumpfgebiete gekennzeichnet ist. Weiter ging es entlang dem kleinen Fluss Vire. Teilweise verließ die Route den Fluss, was steile Anstiege mit etlichem Kraftaufwand zur Folge hatte. Der letzte Abschnitt bis Mont Saint Michel führte dann entlang einer ehemaligen Bahnstrecke. Der bekannte Inselberg Mont-Saint-Michel ist sicherlich ein Muss, wenn man diese Gegend besucht. Lässt man die vielen Touristen mal außen vor, so ist der im Meer liegende Berg mit seiner Abtei auf der Bergspitze schon beeindruckend. Aber auch das Spiel der Gezeiten ist dort sehr ausgeprägt. Ich hatte das Glück einen günstigen Zeitpunkt zu erwischen, bei welchem das Eintreffen der Flut sehr anschaulich beobachtet werden konnte. Die nachfolgende Bucht des Mont-Saint-Michel ist durch seine Austern- u. Muschelproduktion bekannt. So ließ ich es mir nicht nehmen, das erste Mal eine Austernmahlzeit zu probieren.
Eindrücke am Mont-Saint-Michel
Muschel- u. Austerproduktion entlang der Bucht des Mont-Saint-Michel
Auch Austern kann man mal probieren.
Fortführung des Reiseberichtes im Teil 2