Wenn deine Frau gern fahren möchte, und es nur nicht kann, ist es was anderes, als wenn du sie überredest oder gar drängst.
Ich war damals ca. 32, 3 Kinder mit 10 bis 12, und war der einzige, der nicht Radfahren konnte. Bei Wanderungen in der Lobau (große Weite im NO von Wien) sah ich öfter RadfahrerInnen, und da die Gegend etwas weitläufig ist, beneidete ich sie, wie sie wenig treten und schnell voran kommen. Dann schlug ein Arbeitskollege mit zwei gleichaltrigen Kindern vor, gemeinsam Radurlaub im Waldviertel zu machen. Ich sagte zu. Dem Kollegen war es wichtig, dass die Technik in Ordnung ist, und so rief er vor ziemlich genau 22 Jahren (Mitte Mai) an und fragte meine Frau, ob wir schon die Räder überprüft haben. Da kam heraus: ER hat noch keines und kann auch nicht.
Ich habe dann Anfang Juni ein Rad gekauft, aufs Auto geschnallt und vom Parkplatz auf die Hauptallee geschoben. Die Hauptallee in Wien ist eine ca. 3 km lange, völlig gerade Straße, ohne Autoverkehr, ein "Freizeitparadies". Ca. 12 Meter breit, aber links und rechts gehts steil 20-30 cm runter, und wer nicht gerade fahren kann, ist da - auch mit dem dichten Radverkehr in beiden Richtungen - schnell überfordert. *frust* Der Kollege fragte gelegentlich: "kannst du schon?". *stress*
Als nächstes fuhr ich (mit 5 Rädern auf dem Autodach) zu meiner Schwester, die in einem kleinen Ort im Burgenland wohnt. Während die Kinder fröhlich mit Cousin und Cousine herumfuhren, gurkte ich In einer praktisch autoverkehrslosen, leicht abschüssigen Straße ohne Gehsteige, ohne Fenster, ohne Treten bergab, und meine Frau fuhr hinter mir und kommentierte (völlig unnötig) meine seitlichen Schwankungen. Unten meinte sie dann: "und jetzt schieben wir hinauf und dann probierst du es nochmal", und fuhr langsam zurück. Ich - Rad - schieben? NIE! Also treten!
Bei dieser ersten Bergauffahrt habe ich erstmals gespürt, wie ich mit Treten, Gewichtsverlagerung und Lenken Gleichgewicht und Spur halten kann und mit der rechten Hälfte der Straße auskomme. Ich war sehr stolz auf mich, übte aber die ganze Woche weiter.
Eine Woche später, mit vollen Packtaschen und 3k€-Fotoausrüstung auf dem Gepäckträger lernte ich ziemlich spontan, auch auf einem kaum 2 Meter breiten Damm zwischen einem Teich und einer tiefliegenden Wiese den Kurs zu halten. Ich gebe zu: Am dritten Tag hab ich schlapp gemacht und bin mit dem Auto mit-/vor-/nach/gefahren. Aber am heißesten Tag des Jahres bin ich mit dem Rad ca. 30 km nach Weitra gefahren, und wieder zurück. An diesem Tag habe ich erstmals erlebt, dass man einen Liter Wasser einfach so in sich hineinschütten kann, und der Körper fragt nicht lang, sondern steckt das weg. Am 4. Tag habe ich meiner Frau, die seit Kindheit radfahren kann, aber keinen Führerschein hat und vorher nur daheim im kleinen Dorf gefahren war, auf der Bundesstraße gezeigt, dass man auch mit drei Kindern vor einem LKW vorschriftsgemäß abbiegen kann und nicht absitzen und schieben muss.
Ich will daraus weder eine unendliche noch eine Fortsetzungsgeschichte machen. Aber bedenke das Ende! Ein Jahr später fuhr ich auch schon meine Wege in der Stadt mit dem Rad, ca. 1985 begann ich, mich auch verkehrspolitisch für Fuß und Rad zu engagieren und kaufte mein letztes Auto, das ich 1990 mit 15.000km verkaufte. Seither habe ich noch 3x Autos (Leihwägen) gelenkt, jeweils bei Übersiedlungen von Freunden ohne Führerschein.
RADFAHREN KANN DAS DENKEN VERÄNDERN!
Gute Fahrt und liebe Grüße
Manfred