Nordostdeutschland
ca. 1.100 km und 3.700 hm
sonnig und windig (meist von vorn)
Warum nicht mal direkt vor der Haustür starten? Die Sonne schien und Regen war nicht in Sicht an diesen letzten Tagen im August. Jedenfalls im norddeutschen Raum. So erkoren wir die Ostsee als Ziel unserer diesjährigen Radreise aus. Keine lästige Anfahrt mit dem Auto, keine Sprachbarriere und dennoch Sonne, Meer und ein paar Hügel.
Schnell waren die Räder startklar. Auf den Gepäckträger von Tubus kamen je zwei Packtaschen von Ortlieb und je ein Packsack vom gleichen Hersteller. Dazu trug jeder einen Rucksack für die Fotoausrüstung und das täglich Notwendige.
1. Etappe: Elbe-Parey - Neu GöhrenDer Elberadweg liegt einen Steinwurf entfernt, ist gut ausgeschildert und auch vernünftig hergerichtet. So fahren wir ab Tangermünde, ehedem Kaiserpfalz und Hansestadt, westelbisch nordwärts. Rosenhof, die Kirchenruine des längst aufgegeben Dorfes Käcklitz, Büttnershof und Kannenberg liegen auf unserem Weg durch die Altmark. Wir überholen einige Radler, ein paar kommen uns auch entgegen. Ansonsten ist nur wenig los. Die Gegend ist sehr dünn besiedelt, große Städte fehlen.
Die Elbe können wir rechts des Weges allenfalls erahnen. Erst ab Werben, der nächsten
Hansestadt auf dieser Tour, bekommen wir die Elbe rechterhand wieder zu Gesicht. Auf einer Holzbank mit Blick über die Elbwiesen legen wir eine Mittagspause ein und zehren vom Pausenbrot.
Die Elbe fließt ab hier nordwestwärts. Der Elberadweg passt sich ihr an und knickt ebenfalls nach links ab. Bei Pollitz queren wir auf einer kleinen Holzbrücke den Aland. Der kleine Nebenfluss der Elbe heißt erst Milde, dann Biese und gab der Gemeinde dort den Namen. Angler werfe ihre Köder aus, ringsum erstrecken sich grüne Wiesen.
Weiter nördlich erinnern ein Gedenkstein und Hinweistafeln an das geschleifte Dorf Stresow. Es lag zu dicht an der einstigen innerdeutschen Grenze. Die Bewohner wurden zwangsumgesiedelt, die Häuser wichen dem Grenzstreifen. Heute nutzt der Elberadweg die alte Dorfstraße. Mit Grenznachbauten wird versucht, die Erinnerung wach zu halten.
Ab Schnackenburg fahren wir mehr in westliche als nördliche Richtung durch die Niedersächsische Elbtalaue. Bei Dömitz queren wir die Elbe nach Norden, halten kurz an der Festung aus dem 16. Jh. und beginnen nun mit der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz. Der erste Versuch missglückt. Der Platz an einem Kanal ist unordentlich, eine Rezeption nicht vorhanden. Wir fahren weiter und finden in Neu-Göhren an einem Bootsanleger einen schönen Platz. Die Dusche kostet extra. Das Essen ist gute Hausmannskost, das Bier kühl.
2. Etappe: Neu Göhren - Timmendorf Strand Am zweiten Tag fahren wir zumeist auf Nebenstraßen und folgen dem Elbe-Ostsee-Radweg nach Norden. Wir halten im Schlosspark von Ludwigslust, vormals Klenow. Das Dorf gewann erst im 18. Jh. an Bedeutung. Zunächst wurde ein kleines Jagdschloss, später ein großes Schloss errichtet. Weiter nördlich, Neustadt-Glewe haben wir hinter uns gelassen, fahren wir durch die Lewitz, einer unter Schutz gestellten Landschaft mit Äckern und Kanälen, Wiesen und Fischteichen und auch Wald. So gelangen wir in die Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns. Wir machen einen Abstecher zum Schweriner Schloss, das uns bei klarem Himmel ein herrliches Fotomotiv bietet. Die goldenen Spitzen glänzen in der Sonne. Davor spiegelt sich der blaue Himmel in den seichten Wellen des Sees. Ein Gärtner in Peter-Lustig-Kostüm weist und höflich auf das Radfahrverbot hin. Nundenn, wir wollen eh weiter.
Wir bleiben links der Seen. In Viecheln rasten wir an einer Räucherei und stärken uns mit Fischbrötchen. Wismar ist schon auf Wegweisern ausgeschildert, die Ostsee also nicht mehr weit. Wir gleiten durch sanfte, goldgelbe Hügel. Die Stoppelfelder zeugen vom vergehenden Sommer.
Am Wismarer Stadthafen schnuppern wir dann erstmals Ostseeluft. Das sonnige Wetter zieht zahlreiche Touristen an, von denen einige auf einem Segelschiff lautlos aus dem Hafen gleiten. Nur angetrieben vom ablandigen Wind, der das große Segel kräftig aufbläht. Auch Wismar gehörte der Hanse an.
Auf dem asphaltierten Ostseeradfernweg fahren wir entlang der Wismarer Bucht und steuern die Insel Poel an. Auf dem Zeltplatz in Timmendorf Strand bekommen wir einen Stellplatz auf sandigem Grund. Der kleine Ort bietet einige gastronomische Einrichtungen. Ein Leuchtturm überragt den Ort. Vom Strand trennen uns nur ein Zaun und die Dünen. Glutrot versinkt die Sonne in der ruhigen Ostsee.
3. Etappe: Timmendorf Strand - ZingstVor der dritten Etappe nehmen wir ein kleines Frühstück auf dem Zeltplatz. Zwei halbe belegte Brötchen und ein Becher Kaffee genügen einstweilen. Wir verlassen Poel und gelangen wieder auf den Ostseeradfernweg. Auf einem Hügel nahe dem kleinen Ort Stove thront eine Holländer-Windmühle, erbaut 1889. Noch immer gut beschildert und meist auf Asphalt steuern wir erst Rerik und dann Kühlungsborn an. Der Wind frischt auf und arbeitet gegen uns. Bis zum Ende der Tour soll er uns ständig ins Gesicht blasen. Dafür scheint die Sonne vom wolkenlosen Himmel.
Um Kühlungsborn herum nimmt der Radverkehr merklich zu. Aufgrund schmaler Wege ist es nicht einfach, die sehr gemütlich fahrenden Sonntagsradler und 2-Zentner-Muttis zu überholen. Klingeln oder Pfeifen hilft nur manchmal. Viele verrenken sich erst mal den Hals, anstatt auf die rechte Seite zu wechseln und versperren erst recht den ganzen Weg. Aber irgendwie geht´s dann doch.
In der Mittagssonne sieht der Gespensterwald vor Nienhagen gar nicht so gespenstisch aus. Gleichwohl die bis an die Steilküste wachsenden Buchen, Eichen und Eschen ein schönes Stück Natur sind.
Nun verläuft der Radweg in etwas geschützter Lage, flankiert von dichtem Buschwerk und Bäumen.
Wo die Warnow in die Ostsee fließt, erfreuen sich Besucher am breitesten Sandstrand der gesamten Ostseeküste. Weitere Wahrzeichen Warnemündes sind der Teepott und der Leuchtturm. Für vier Euro dürfen wir hinauf und lassen die Blicke schweifen hinüber zum Hotel Neptun, entlang des breiten Sandstrandes und über die Ostsee hin zum Horizont, der mit dem Lineal gezeichnet scheint.
Fünf Euro kostet die Fähre hinüber nach Hohe Düne. Auf dem asphaltiertem Radweg geht es weiter nach Markgrafenheide. Nur wenige Fahrzeuge stehen auf den im Hochsommer brechend vollen Parkplätzen am Straßenrand. Wir kommen zügig voran. Bis Graal-Müritz fahren wir durch Wald. Der Übergang nach Fischland-Darß-Zingst ist fließend. Dierhagen dürfte wohl als der Eingang zur Halbinsel bezeichnet werden.
Auf dem Damm zeigt uns der Ostwind abermals was er kann. Wir müssen mächtig in die Pedale treten. Dafür ist der Untergrund ausgezeichnet. Hinter dem Damm ducken sich reetgedeckte Häuser vor dem Seewind. Hinter Ahrenshoop biegen wir in den Wald ab. Die Wege werden ruppiger. Kopfsteinpflaster und Betonplatten erschweren die Fahrt.
Wir gelangen nach Prerow und mieten uns auf dem Campingplatz ein, stornieren aber, nachdem wir den uns zugewiesenen Platz begutachtet haben. Die Zelte stehen mitten in den Dünen. Uns ist das viel zu sandig. Vor allem, weil wir morgens zeitig aufbrechen wollen und wenig Lust verspüren, Zelt und Schlafsäcke erst mühsam vom Sand zu befreien. An der Rezeption erfahren wir, dass dies ein Naturzeltplatz sei. Wie auch immer, wir fahren in den Abend hinein bis nach Zingst und campieren auf dem Zeltplatz am Freesenbruch. Ein kleiner Imbiss hat noch offen. Das Zelt steht auf festem Untergrund zwischen hohen Bäumen.
4. Etappe: Zingst - SchaprodeMorgens nutzen wir das Frühstückangebot eines Bäckers in Zingst. Auf guten Radwegen verlassen wir die Halbinsel. Über Barth geht es weiter am Barther Bodden entlang. Linkerhand das Wasser, rechterhand Felder. Als hätten sie das Sonnenlicht des Sommers gefangen leuchten die runden Ballen gepressten Strohs. Nur ab und an schützt uns ein kleiner Wald vor dem steten Nordostwind.
Die Altstadt von Stralsund gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Wir werfen einen Blick hinein und stärken uns am Fischkutter im Hafen.
Der Rügendamm von Stralsund ist gerade geöffnet und lässt Segelbote passieren. Darüber erhebt sich die neue Rügenbrücke über den Strelasund.
Auf der Insel Rügen angekommen weisen die Schilder gleich nach links. Holpriges Kopfsteinpflaster schüttelt uns durch. Auch sonst ist der Ostseeradweg in dem Bereich der Insel selten einladend. Zwar führt die Route nahe am Wasser entlang, aber verglichen mit dem bislang Erlebten ist die Wegebeschaffenheit eher mittelprächtig. Schlechtes Pflaster und schmale holprige Feldraine wechseln sich ab. Hin und wieder ist auch etwas Asphalt eingestreut. Hier und da mühen sich Großfamilien auf ihren Rädern und kämpfen wie wir gegen den Untergrund und die steife Brise.
In Dreschwitz verdrücken wir ein Fischbrötchen und flüchten vor dem Wind in den Neuendorfer Forst. Über Pansewitz und Gagern gelangen wir nach Silenz. Unser Tagesziel ist Schaprode. Der kleine, verschlafene Ort hat einen Hafen und ein kleines Geschäft. Vor den reetgedeckten Häusern blühen Rosen. Der Zeltplatz liegt direkt am Wasser mit Blick auf die Insel Hiddensee. Der Untergrund ist fest. Einzelne Areale sind durch Hecken voneinander getrennt.
Eine Familie aus Groß Britannien campiert neben uns. Ihre Räder liegen auf dem Platz herum. Vier Kinder im Vorschulalter wollen unterhalten werden. Mühsam versucht der Familienvater die Heringe in den Boden zu drücken. Erst mit Hilfe unseres Hammers (Kunststoffhammer für 6,45,- EUR von „Lauche und Maas“), eine lohnende Investition aus dem letzten Jahr, gelingt ihm dieses Unterfangen.
Der Wind lässt etwas nach. Im Ort haben wir uns mit Brot, etwas Wurst sowie Störtebeker Bier eingedeckt. Am schmalen Strand mit Blick hinüber nach Hiddensee lassen wir den Tag ausklingen.
5. Etappe: Schaprode - RalswiekGegen 08.00 Uhr sitzen wir wieder im Sattel. Die Wittower Fähre verbindet das Muttland mit der Halbinsel Wittow. Kap Arkona ist unser nächstes Ziel. Wir nutzen wieder den Ostseeradweg bzw. den Rügenrundweg. Bei Nonnewitz kommen wir mit einer rüstigen Rentnerin, die mit ihrem nicht weniger fitten Mann eine Runde dreht, ins Gespräch. Wir radeln nebeneinander her. Sie rät uns, auf der Straße zum nördlichsten Punkt der Insel zu fahren. Der Radweg sei nicht zumutbar. Steil und sandig. Sie habe schon viele Familien davor bewahrt, sich dort festzurammeln. Wir vertrauen der Dame, bedanken uns und steuern unsere Räder durch Mattchow und Putgarten bis nach Kap Arkona.
Nach einer Pause nutzen wir wieder den ausgewiesenen Radweg. Der Untergrund wird besser. Zahlreiche Urlauber nutzen den Weg. Er ist aber breit genug, so dass wir uns nicht ins Gehege kommen.
Am Königsstuhl, dem wohl bekanntesten Kreidefelsvorsprung der Stubbenkammer halten wir nur kurz. Für eine Besichtigung fehlt uns die Zeit. Zudem drängeln sich zahlreiche Touristen an der Kasse. Busse aus Saßnitz spucken immer neue Urlauber aus.
Nicht weit entfernt liegen die Wissower Klinken. Oder was davon übrig ist. 2005 stürzten die markanten Kreidespitzen, die schon Caspar David Friedrich malte, in die Ostsee. Die weiße Steilküste im Nationalpark Jasmund ist trotz alledem eine Reise wert. Hierher verirren sich auch weniger Touristen und der herrliche Blick ist im Gegensatz zum Königsstuhl kostenlos.
Ab Saßnitz fahren wir auf der B 96 landeinwärts. Die Idee, in Ralswiek die Störtebeker-Festspiele zu besuchen, nimmt Gestalt an. Der nächste Zeltplatz ist etwa 6 km entfernt in Lietzow. So recht wissen wir nicht, wie wir es anstellen sollen. Nur ungern möchten wir die 6 km nach der Vorstellung durch die Nacht radeln. Auf dem Gelände eines Hotels sehen wir ein Zelt stehen. Wir fragen höflich und werden an die Einweiser am Eingangstor verwiesen. Für 10,- Euro bekommen wir einen versteckten Platz unter dem Quittenbaum. Im flachen Jasmunder Bodden können wir uns erfrischen und sind danach gerüstet für die Theatervorstellung. Und da wir schon mal da sind, nehmen wir auch noch die Greifenschau vorweg mit. Alles in allem mit über 60,- Euro nicht ganz billig aber auf jeden Fall eine Empfehlung. Während der etwa zweistündigen Vorstellung „Beginn einer Legende“ wird es recht kühl. Mit einem Feuerwerk endet die gelungen Aufführung.