Heute möchte ich das Reise- und Alltagsrad meiner Mutter vorstellen.
Die letzten 30 Jahre fuhr sie ein Fahrrad, von dem sie nicht abweichen wollte mit der Begründung „Das rollt besser als die ganzen neuen Räder, und außerdem sind die neuen so schwer“. Leider hat sie sich nie mit den Rahmenschalthebeln ihrer kombinierten Naben- und Kettenschaltung anfreunden können (die Schaltung schaltet auch tatsächlich nicht mehr brauchbar), sodass sie das Rad als Singlespeed im 10. von 12 Gängen bewegte. Bei steilen Anstiegen wurde geschoben. Alle paar Jahre ging sie in einen Radladen und fragte, wie viel denn eine neue Schaltung kosten würde, verließ den Laden aber stets schnell wieder, wenn sie den Preis hörte, bzw. eine Neukaufempfehlung bekam. Gemeinsame Radladenbesuche zwecks Neukauf waren fruchtlos, denn ein neues Rad sollte ihrer Meinung nach bequem (dicke Reifen/Federung, Nabenschaltung, Damenrahmen etc.) sein, aber gleichzeitig nicht schwerer als das alte, und dabei aber auch noch billig („das wird mir sonst geklaut“). Nachdem sie seit letztem Jahr öfters mehrtägige Flussweg-Radreisen mit fester Unterkunft unternahm und wundgescheuert zurückkam („aber es war trotzdem sehr schön“), machten wir uns auf die Suche nach einem gebrauchten Rad für sie.
Geworden ist es ein McKenzie – es ist somit eine Markenpremiere in der langen Geschichte des UR-Fadens, obwohl man McKenzie-Räder doch recht häufig zu Gesicht bekommt. Das Rad wurde 2003 hergestellt, viele Teile sind aber erst vor kurzem erneuert worden.



Zuerst eine Warnung vor den Discounter-Satteltaschen: Ursprünglich hatte ich die. Eine davon hat aber gleich am ersten Tag der Nutzung beschlossen, dass sie keinen einzelnen Sixpack Bier transportieren will und hat sich vom Rad verabschiedet. Die Halterung ist jetzt mit Schrauben und Unterlegscheiben verstärkt und hält bis jetzt bei meiner Mutter. Allerdings ist recht schnell ein Loch in den Stoff gekommen. Keine Ahnung, wie andere mit solchen Taschen längerfristig klarkommen.



Zurück zum Rad: Die Schaltung ist gewöhnungsbedürftig, weil sie trotz der Pfeifenputzer-Schallisolierung in manchen Gängen Geräusche von sich gibt. Außerdem drehen beim Schieben in manchen Gängen die Pedale mit, hier hilft ein Schalten in den ersten Gang. Auf dem Drehschalter schien wohl mal der Markenname zu stehen, ist jetzt aber nicht mehr zu erkennen. Das waren noch Zeiten mit der 2-Gang-Nabe im alten Rad, da konnte man zwar nicht mehr mit Schalten, hatte jedoch dafür solche Probleme nicht.





Dafür gewinnt meine Mutter mit dem neuen Rad prinzipiell immer – steht ja schließlich drauf.



Die Lampe scheint schon Probleme mit dem Gehäuse zu haben, ist jedenfalls mit Panzerband geklebt. Eine Marke lässt sich nicht erkennen, im Reflektor steht „IQ TEC P“, die Lampe macht sehr gut hell.



Der Strom kommt aus einem Nabendynamo, auf dem auch kein Markenname zu erkennen ist. Es sieht fast so aus, als hätte den jemand runtergeschmirgelt. Der Dynamo sieht aber optisch aus wie ein Shimano DH-3N72. Die Achsen sind auch komisch, da braucht man einen Spezialschlüssel zum Öffnen.



Auf den Reifen ist ebenfalls keine Beschriftung zu finden, weiße Reste deuten jedoch darauf hin, dass hier jemand mit schwarzem Edding die Beschriftung übermalt hat. Ansonsten sehen die Reifen aus wie Schwalbe Marathon Supreme Evolution Line in 42mm vorne und 50mm hinten. Die Schläuche scheinen auch von Schwalbe zu stammen, nur stecken statt den auffälligen transparenten Kappen alte schwarze Dinger drauf. Auch auf den Felgen findet sich kein Hinweis auf Marke und Modell mehr.



Die Tachokabel-Verlegung könnte verschönert werden, wenn statt Gummiringen und rotem Kabelbinder eine unauffälligere Befestigung verwendet würde. Aber Kabelbinder lassen sich nicht gut mehrfach verwenden, und die Gabel ist neueren Datums. Ursprünglich steckte da eine Federgabel mit wenigen Zentimetern Federweg drin. Dass die neue Gabel nicht federgabelkorrigiert ist, stört also nicht.

Wer bis hier gelesen hat, dem ist hoffentlich aufgefallen, dass das Rad absichtlich boruttisiert ist. Ich bekenne mich der Verschandelung schuldig. Es sind sogar noch weitere Maßnahmen geplant, wie bspw. die Montage einer rostigen Klingel (sobald mir eine in die Hände fällt) und ein hässlicher Schutz des unteren Oberrohrs, wo meine Mutter ab und zu mit dem Schuh am Lack streift. Gekostet hat das Rad mit Umbau (Gabel, vorderes Laufrad, Bereifung, Aufkleber, Beleuchtung) knapp über 1.000EUR, der Verkäufer ist damit laut eigener Aussage „viel gefahren“. Es ist jedoch noch die Originalkette drauf, welche laut Kettenlehre weniger als 0,75mm Längung hat.
Meine Mutter ist sehr zufrieden mit dem Rad, eine längere Radreise hat sie allerdings noch nicht damit hinter sich.
Was für ein Markenname ursprünglich das Rad zierte? Fachkundige können das sicherlich anhand des Modellnamens erraten. Kleiner Tipp: Die Firma wurde 1950 gegründet und dennoch steht auf dem Logo „seit 1898“.